PSYCHOWISSENSCHAFTLICHE GRENZGEBIETE
Ausgesuchte Veröffentlichungen aus verschiedenen Bereichen psychowissenschaftlicher Forschung
Quelle: Selbstverlag Werner Schiebeler (Wersch-Verlag)
Prof. Dr. rer. nat. Werner Schiebeler
Der Mensch und seine Bindung an Gott
Parapsychologie und Religion
Werner Schiebeler, Prof. Dr. rer. nat., geb. 1923 in Bremen, gest. 2006. Studium der Physik in Göttingen und
1955 Promotion mit einer Arbeit am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen. Von 1955-1965
Tätigkeit in der Elektroindustrie bei der Firma SEL AG in Pforzheim, davon sieben Jahre als Leiter einer Ent-
wicklungsabteilung für elektronische Fernschreibtechnik. Ab 1965 Dozent für Physik und Elektronik an der
Staatlichen Ingenieurschule in Ravensburg (heute Fachhochschule Ravensburg-Weingarten). 1983 Ruhestand.
Neben den naturwissenschaftlich-technischen Lehrfächern vertrat er seit 1969 in regelmäßigen Sondervorlesun-
gen an der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten auch das Lehrgebiet Parapsychologie und Parapsychophysik
und setzt dies auch in den folgenden Jahren fort. Der Autor veröffentlichte zahlreiche Zeitschriftenartikel, Bro-
schüren und Bücher über die verschiedensten parapsychologischen Themen. Daneben erschienen über das "Insti-
tut für den wissenschaftlichen Film" in Göttingen von ihm zwei Filme über "Paranormale Heilmethoden auf den
Philippinen". Hierfür erhielt er 1974 von der "Associazone Italiana Scientifica di Metapsichica" den "Ernesto
Bozzano-Preis" und 1988 den "1. Schweizer Preis" von der Schweizerischen Stiftung für Parapsychologie.
Zum Gedenken an
Dr. theol. Fritz Blanke,
geb. 22. 04. 1900; gest. 04. 03. 1967,
ehemals Professor für Dogmen- und Kirchengeschichte an der Universität Zürich,
wegen seines mutigen Eintretens für die Parapsychologie.
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Die Entstehung und das Wesen der Religion
Seitdem es Menschen auf dieser Erde gibt, also Lebewesen, die sich von Säugetieren dadurch unter-
scheiden, daß sie den Gebrauch des Feuers erfanden, mit ihren Händen Werkzeuge (zunächst aus
Stein, Knochen und Holz) herstellten und eine artikulierte Sprache entwickelten, haben sie sich auch
gewisse Vorstellungen über ihre Stellung in dieser Welt gemacht. Sie dachten darüber nach, was es
mit Geburt und Tod auf sich hat, und was dann nach dem Tod mit den verstorbenen Menschen ge-
schieht. Es stellte sich bei ihnen die Auffassung ein, daß es nach dem irdischen Tod eine Fortexistenz
gibt, die in einer anderen Umgebung stattfindet. Da es aus der mittleren Alt-Steinzeit vor etwa 200.000
Jahren, in der die ersten Totenkulte nachweisbar sind (45, S. 21), keine schriftlichen Aufzeichnungen
gibt, kann man dies nur aus den Begräbnisriten und Totenkulten schließen. Deren Zeugnisse fördern
die Archäologen durch ihre Ausgrabungen zutage.
Die steinzeitlichen Menschen ließen ihre Verstorbenen nicht einfach irgendwo liegen, wie die Tiere es
tun, sondern "bestatteten" sie mehr oder weniger feierlich. Aus der Art der Begräbnisstätten sowie aus
anderen Kultanlagen, kleinen Plastiken, Felsbildern und Ornamenten ergibt sich ein Bild vom Glauben
und Denken der prähistorischen Menschen.
Das Vorhandensein von Grabbeigaben in Form von Lebensmitteln, Gerätschaften und Waffen zeigt,
daß man an eine Fortsetzung des Daseins nach dem irdischen Ableben glaubte. Aus Achtung, Vereh-
rung und Fürsorge für den Verstorbenen, aber auch aus Furcht vor ihm, war man bemüht, ihm das
weitere Leben in der neuen Umgebung durch Grabbeigaben zu erleichtern. Man glaubte, daß sie auf
irgendeine geheimnisvolle Weise mit ins Jenseits gelangten, wo sie dem Verstorbenen dann von Nut-
zen sein sollten (45, S. 137). Für die überwiegende Zahl der prähistorischen Menschen sowie des ge-
schichtlichen Altertums galt die jenseitige Welt, die Welt der Geister, als ein Ort, wo die
Verstorbenen je nach ihren irdischen Verdiensten und ihrem sozialen Rang eine dem Erdenleben ver-
gleichbare Existenz führten. Mörder, Diebe, Lügner, Ehebrecher, Feiglinge und alle anderen, die auf
Erden ihre Pflichten gegenüber der Gemeinschaft verletzt hatten, gelangten nicht in ein schönes Land
mit angenehmen Lebensverhältnissen, nicht in ein "Paradies", sondern waren verdammt, in dunklen,
öden und felsigen Gegenden umherzuwandern.
Die heutigen Menschen werden im allgemeinen geneigt sein, derartige Anschauungen als Wunschvor-
stellungen abzutun, die den damaligen Menschen das Ereignis des Todes erträglicher erscheinen lassen
sollte. Die Annahme einer jenseitigen Welt mit einer ausgleichenden Gerechtigkeit nach dem Tod, so
denkt man heute, wurde der Bevölkerung vorgeredet, um sie auf dieser Erde gefügig zu halten.
Nun weiß man aber aus schriftlichen Berichten des Altertums und den Gebräuchen neuzeitlicher Na-
turvölker, die noch nicht mit der europäischen Zivilisation in Berührung gekommen waren (Indianer,
Eskimos, Neger, Maoris usw.), ja auch von Völkern, die bis vor kurzen noch in der Steinzeit lebten,
und erst in jüngster Vergangenheit erstmals mit Weißen Verbindung hatten (Neuguinea), daß diese
Menschen über auserwählte Mittelspersonen eine direkte Verbindung mit ihren verstorbenen Ahnen
und der jenseitigen Welt pflegten. Diese Mittelspersonen werden als Priester, Medizinmänner, Scha-
manen oder Zauberer bezeichnet. Doch die Tätigkeit dieser Mittler wird von Schulwissenschaftlern,
modernen Theologen und der "aufgeklärten" Allgemeinheit als Hokuspokus, Täuschung oder Scharla-
tanerie abgetan. Der Glaube an eine mögliche Verbindung mit einer jenseitigen Welt gilt als Aber-
glaube.
Nun hat aber die neuzeitliche wissenschaftliche Parapsychologie1 seit der Mitte des vorigen Jahrhun-
derts durch vielfältige Erfahrungsbeweise (61; 80; 81; 82) gezeigt, daß es tatsächlich ein Weiterleben
nach dem irdischen Tod und eine jenseitige Welt gibt. Von daher gesehen darf man die Anschauungen
1 Ihren Namen hat diese Wissenschaft durch den deutschen Mediziner und Prof. für Psychologie Max Dessoir (1867 - 1947)
erhalten, der vorschlug, die Phänomene, die sich weder der Psychologie des Normalen, noch der Psychopathologie zuordnen
lassen, mit dem Namen "Parapsychologie" zu belegen. In neuer Zeit hat der Südtiroler katholische Theologe Prof. Andreas
Resch (geb. 1934) die bessere Bezeichnung "Paranormologie" vorgeschlagen, da es sich bei diesem Gebiet nicht nur um rein
psychischen Phanomene handelt.
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prähistorischer Erdbewohner und der Menschen des geschichtlichen Altertums und der Naturvölker
der Neuzeit nicht einfach als Aberglauben abtun. Man muß ihnen reale Grunderfahrungen im Verkehr
mit einer Geisterwelt zubilligen, die sie dann entsprechend ihrem jeweiligen Verständnis mehr oder
weniger prächtig zu einer religiösen Lehre ausgeschmückt haben. Dabei gibt es Religionen, die so
urtümlich sind, daß sie keine Tempel, keine Altäre und keine Gebete kennen. Es gibt aber keine Reli-
gion, die nicht den Glauben an einen Wechselverkehr zwischen Geistern und Menschen enthält. Die
Mindestformel zur Definition einer Religion besteht daher im Geisterglauben, der sich selbst bei den
rückständigsten Menschenrassen findet. Er beinhaltet immer die Existenz einer Seele, die den körperli-
chen Tod überlebt (11, S. 7).
In weiteren Entwicklungsstufen entfalteten sich aus den reinen Ahnenkulten Religionsformen mit so-
genannten Göttern und Göttinnen, also Wesenheiten, die nicht mit den verstorbenen Vorfahren iden-
tisch waren, sondern die Bewohner der jenseitigen Welt mit außerordentlicher Macht und überirdi-
schen Fähigkeiten sein sollten. Es handelte sich dabei um Götter des Himmels, der Winde, der Sonne,
der Berge, des Wassers usw. Sie herrschten über die Welt, über die Menschen oder über ihren Bereich
(z. B. den Wind, das Meer oder ein Gebirge). Dem höchsten der Götter schrieb man im allgemeinen
die Erschaffung der Welt mit ihren Lebewesen und des Himmelsgewölbes mit seinen Sternen zu.
Die Götter wachten auch über die sittliche Ordnung der Menschen und verteilten Belohnung und Stra-
fe sowohl auf dieser Welt als auch im nachtodlichen Bereich. Die Gunst der Götter und ihr Wohlgefal-
len mußten die Menschen unserer Erde zu gewinnen trachten. Sie versuchten dies durch Verehrung,
Anbetung, den Bau von Tempeln oder reichliche Opfergaben zu erreichen. Für solche Systeme prägten
die antiken Römer den Begriff "Religion" (lat. religio). Er bedeutet: Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt, Got-
tesfurcht, Frömmigkeit, Verehrung, Gottesdienst, heiliges Versprechen. Das Wort leitet sich her von
dem lateinischen Tätigkeitswort religare = festbinden, umwinden, zurückbinden; ligare = binden,
anbinden2. Die Römer verstanden unter "religio" die genaue Erfüllung aller Pflichten gegenüber den
zahllosen vom römischen Staat anerkannten höheren, außerirdischen Mächten.
Von daher hat sich der Begriff "Religion" ganz allgemein zu einem Gefühl der Verbundenheit,
Abhängigkeit und Unterordnung gegenüber einer geheimnisvollen, beherrschenden, schützenden und
verehrungswürdigen Macht entwickelt. Religion gibt Halt, Hilfe und beseligt. Religiöses Erleben äu-
ßert sich im Gebet, im Dienen, im Gehorsam und in der Hingabe an ehrfurchtgebietende, übergeordne-
te Wesenheiten. Religion ist also die Bindung an eine höhere Macht.
Nicht nur bei der Entwicklung der Ahnenkulte, sondern auch bei der Entstehung der einfachen und
höheren Religionen müssen wir davon ausgehen, daß wirkliche Erfahrungen der Menschen zu ihrer
Bildung und Formung geführt haben. Im Laufe der Zeit ist dann zwar sehr viel Menschliches und oft
auch Phantastisches dazugekommen, aber der eigentliche Ursprung war real. Er beruhte auf der tat-
sächlichen Verbindung gewisser besonders veranlagter und auserwählter Menschen (Priester, Seher,
Propheten, Schamanen usw.) mit überirdischen Mächten. Diese mußten nicht immer gutartig sein,
sondern waren manchmal auch bösartig. Wir können das deshalb mit guten Gründen behaupten, weil
solches auch heute noch geschieht und in allen Einzelheiten beobachtet werden kann.
Die dabei auftretenden Begleiterscheinungen (Wunder, physikalische Phänomene, Krankenheilung,
Trance-Rede, direkte Schrift, Präkognition) wurden und werden innerhalb des Gebietes der Parapsy-
chologie in reichem Umfang beobachtet, untersucht und als Realität bestätigt (81). Und was heute
noch vorkommt, kann genauso vor 3.000 oder 100.000 Jahren abgelaufen sein. "Aufgeklärte" Men-
schen haben da allerdings eine ganz andere Ansicht. Sie sind, wie z. B. der deutsche Philosoph Ludwig
Feuerbach (1804 - 1872), der Meinung, daß nicht Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen
hat, sondern umgekehrt die Menschen ihre Götter nach ihrem Bilde erdacht haben. Sie sehen die Aus-
sagen der Religionen nur als Projektionen menschlicher Wünsche und Anschauungen in ein eingebil-
detes Jenseits hinein an. Wer sich aber mit den Forschungsergebnissen einer nicht nur auf Telepathie
und Hellsehen beschränkten Parapsychologie vertraut gemacht hat, sollte erkennen, daß diese "aufge-
2 Eine andere Herleitung geht aus von dem lateinischen Tätigkeitswort relegere = wieder lesen, wieder durchgehen, wieder
erwägen, überdenken; legere = lesen, sammeln, zusammenwickeln. Mir erscheint diese Deutung nicht überzeugend zu sein.
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klärte" Anschauung jeder Grundlage entbehrt. Es gibt tatsächlich eine jenseitige Welt, aus der heraus
Einwirkungen auf unsere irdische Welt erfolgen können. Ob allerdings die unterschied-lichen Geist-
wesen, die sich als Götter ausgaben oder als solche angesehen wurden, wirklich die waren, die sie zu
sein behaupteten, nämlich Vertreter einer höchsten Macht, ist eine ganz andere Frage. Wir werden uns
mit ihr später noch ausführlich befassen.
Die zahlreichen religiösen Kulte waren sehr unterschiedlich. Meistens mußte den Göttern nicht nur
durch ein sozialverträgliches Leben gedient werden, sondern diese verlangten nach Ansicht der Men-
schen auch umfangreiche Opfergaben. Üblich waren Speis- und Trank-Opfer, Tieropfer und in ma-
chen Kulten auch Menschenopfer (Opferung von Gefangenen oder kleinen Kindern). Auch Prostituti-
on und Tempel-Prostitution wurden zur göttlichen Verehrung durchgeführt. Manche Jenseitsmächte
galten als menschenfeindlich und wurden als Dämonen bezeichnet. Vor ihnen mußte man sich hüten
und sie besänftigen, meist wiederum durch Opfer.
Die vielen Religionsformen mit ihren zahlreichen Göttern werden als Polytheismus3 bezeichnet. Sie
haben sich bis in die heutige Zeit hinein erhalten. Um das Jahr 2.000 v. Chr. setzte aber eine neue
Entwicklung ein. Damals wohnte zunächst in Ur in Chaldäa am Unterlauf des Euphrat (heutiger Irak)
ein semitischer Nomade namens Thara. Er lebte dort mit seiner Familie, darunter ein Sohn mit Namen
Abram, in einer polytheistischen Umwelt. In der dortigen Religion genoß der Mondgott Nannar be-
sondere Verehrung. Thara zog zunächst mit seiner Familie in nordwestlicher Richtung über Babylon
nach Haran im heutigen Nordsyrien. Hier starb Thara (1. Mose 11,32). Seinen Sohn Abram aber er-
reichte dort der Ruf eines neuen Gottes, der sich als der "Höchste" vorstellte und ihm 24 Jahre später
sagte (1. Mose 17,1)4:
"Ich bin der allmächtige Gott. Wandle vor mir und sei fromm."
Bei den Verbindungen mit diesem neuen, allmächtigen Gott heißt es immer: "Der HErr sprach zu Ab-
ram, der HErr sagte zu Abram, der HErr erschien ihm." Wie das genau ablief, berichtet uns die Bibel,
in der die Vorgänge beschrieben sind, zunächst nicht. Es kann sich dabei um Visionen (innere bildhaf-
te Eindrücke) mit quasi-akustischen Informationen (innerlich gehörte Worte) oder auch um sehr inten-
sive und später gut erinnerbare Träume gehandelt haben. Erst zu späterer Zeit heißt es im 1. Mose
15,1:
"Nach diesen Begebenheiten erging das Wort des HErrn an Abram in einem Gesicht also: 'Fürchte dich
nicht, Abram! Ich bin ja dein Schild. Dein Lohn soll groß sein!'"
Hier wird klar von einer Vision gesprochen.
Wir haben damals eine Geburtsstunde einer neuen, monotheistischen5 Religion vor uns, in der nur ein
Gott anstelle der vielen anderen Götter auftrat und für sich die alleinige Verehrung und den aus-
schließlichen Dienst verlangte. Das bedeutet aber nicht, daß die anderen Götter ausschließlich Gestal-
ten der Einbildung der Menschen gewesen waren oder auch heute noch sind. Es waren und sind We-
senheiten einer jenseitigen Welt, die über einen gewissen Einfluß und Macht verfügten und deshalb
von den Menschen als etwas Besonderes, Überirdisches, eben als Götter angesehen wurden. Von
ihnen ließ man sich leiten und helfen. Wie sie aber aus der Sicht der neuen monotheistischen Religion
einzustufen sind, wird später genauer erläutert werden.
Die erlebten "Offenbarungen" beeindruckten den Nomaden Abram derart, daß er den göttlichen
Anweisungen hinfort bedingungslos gehorchte.
Wenn ich von einer Geburtsstunde einer neuen monotheistischen Religion sprach, so deshalb, weil
Abram bei seinen späteren Wanderungen in Jerusalem (in der Bibel Salem genannt) mit einem Mann
namens Melchisedek (übersetzt: König der Gerechtigkeit) zusammentraf. Dieser wird in der Bibel
3 Von griech. polys = viel, zahlreich und theos = Gott.
4 Alle Bibelzitate nach der Übersetzung (62) von Prof. Dr. Hermann Menge.
5 Von griech. monos = allein, einzig.
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(1. Mose 14,18) als König und Priester des höchsten Gottes bezeichnet. Er segnete Abram mit den
Worten:
"Gesegnet seist du, Abram, vom höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und ge-
priesen sei der höchste Gott, der dir deine Feinde in die Hand geliefert hat."
Abram war von Melchisedek so beeindruckt, daß er ihm den zehnten Teil seiner Habe übergab. Der
Bericht zeigt, daß dieser neue, höchste Gott außer bei Abram auch schon an anderer Stelle in
Erscheinung getreten war. - Zunächst erging an Abram in Haran der göttliche Auftrag (1. Mose 12,1):
"Verlaß dein Land und deine Verwandtschaft und deines Vaters Haus und ziehe in das Land, das
ich dir zeigen werde, denn ich will dich zu einem großen Volk machen und will dich segnen und
deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen werden. Ich will die segnen, die dich segnen,
und wer dich verflucht, den will ich verfluchen; und in dir sollen alle Geschlechter der Erde
gesegnet werden."
Abram folgte diesem Auftrag und machte sich mit seiner Frau Sarai, seinem Neffen Lot, seinem Ge-
sinde und aller Habe auf einen 600 km langen (Luftlinie) Weg. Er führte ihn in südsüdwestlicher Rich-
tung über Damaskus in das Land Kanaan (Teil des heutigen Palästina). Dort ließ sich Abram zunächst
in oder bei dem Städtchen Sichem nieder. Das war ein mit einer Stadtmauer umgebener Verkehrskno-
tenpunkt 50 km nördlich von Jerusalem. In seiner Nähe befand sich unter einer Terebinthe (ein Stein-
fruchtbaum) eine heilige Orakelstätte, wo über einen Priester oder Priesterin jenseitige Wesenheiten,
also Götter, von Menschen befragt werden konnten. Derartige Orakelstätten gab es im Altertum in
großer Zahl. Sehr bekannt geworden sind die des antiken Griechenlands und dort besonders die von
Dodona und Delphi. Bei dieser heiligen Orakelstätte meldete sich bei Abram wieder sein Gott und
HErr und sagte ihm (1. Mose 12,7):
"Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben."
Das veranlaßte Abram, an dieser Stelle, wo der HErr ihm erschienen war, einen Altar zu bauen.
Abram zog nun in südlicher Richtung weiter im Land umher. Als jedoch eine große Hungersnot aus-
brach, machte er sich mit seiner Familie, dem Gesinde und den Tieren auf den Weg nach Ägypten.
Dort blieb er einige Zeit und gab dabei seine Frau Sarai als seine Schwester aus. Das gab ihm die
Möglichkeit, seine Frau an den Hof des ägyptischen Königs, des Pharao, zu lancieren. Dieser machte
sie sehr bald zu seiner Nebenfrau (1. Mose 12,19) und belohnte dafür den Abram reichlich mit Dienst-
personal und Vieh. Als er jedoch dahinterkam, daß Sarai, seine neue Nebenfrau, bereits Abrams Ehe-
frau war, wies er diesen kurzerhand mitsamt Sarai, dem Gesinde und Herden unter militärischer Bede-
ckung aus Ägypten aus.
Abram blieb dabei trotzdem ein sehr wohlhabender Mann, reich an Herden, Gold und Silber (1. Mose
13,3), und zog nun wieder in die Gegend nördlich von Jerusalem (Bethel). Dort hielt er sich für viele
Jahre auf, bekam zunächst von einer ägyptischen Dienstmagd Hagar einen Sohn Ismail, dann im vor-
gerückten Alter von seiner Frau Sarai einen Sohn Isaak. Nach dem Tod seiner Frau nahm er eine neue
Hauptfrau Ketura. Von ihr bekam er weitere sechs Söhne.
Immer wieder hatte Abram Verbindung mit seinem Gott, der ihm z. B. sagte (1. Mose 17,2):
"Ich will einen Bund zwischen dir und mir stiften und dich überaus zahlreich werden lassen."
Da warf sich Abram auf sein Angesicht nieder. Gott aber redete weiter mit ihm:
"Wisse wohl: Mein Bund mit dir geht dahin, daß du der Stammvater einer Menge von Völkern
werden sollst. Darum sollst du hinfort nicht mehr Abram (d. h. erhabener Vater) heißen, sondern
dein Name soll jetzt Abraham (d. h. Vater einer Menge) lauten; denn zum Stammvater einer Men-
ge von Völkern habe ich dich bestimmt. Ich will dich also überaus zahlreich werden lassen und
dich zu Völkern machen. Auch Könige sollen von dir abstammen. Und ich will meinen Bund er-
richten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir, Geschlecht für Geschlecht, als ei-
nen ewigen Bund, um dein Gott und der deiner Nachkommen nach dir zu sein. Und ich will dir
und deinen Nachkommen nach dir das Land, in dem du jetzt als Fremdling weilst, nämlich das
ganze Land Kanaan, zum ewigen Besitz geben und will ihr Gott sein."
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Dies ist der sogenannte "Alte Bund", auf den sich die Juden heute noch berufen und von dem sie auch
ihre heutigen Besitzansprüche auf ganz Palästina herleiten. Bei obiger Gelegenheit erhielt auch seine
damals noch lebende Frau Sarai von Gott einen neuen Namen. Sie sollte hinfort Sara (d. h. Fürstin)
heißen.
Saras und Abrahams Sohn Isaak hatte zwei Söhne namens Esau und Jakob. Letzterer handelte seinem
älteren Bruder das Erstgeburtsrecht gegen ein Linsengericht ab (1. Mose 25,29 f) und täuschte danach
mit Hilfe der Mutter seinen blinden Vater, um auch dessen Erstgeburtssegen zu erhalten. Aus Angst
vor der Rache seines Bruders Esau floh Jakob alsbald nach Haran, wo schon sein Großvater Abraham
gewesen war. 20 Jahre lebte er dort und wurde ein wohlhabender Mann, ehe er nach Kanaan zu-
rückkehrte. Er heiratete zwei Frauen (Lea und Rahel) und bekam von ihnen und zwei Sklavinnen ins-
gesamt zwölf Söhne und eine Tochter. Diese zwölf Söhne wurden später die Stammväter der zwölf
Stämme Israel.
Auch Jakob hatte Verbindung zu Gott. In der Bibel heißt es (1. Mose 35,9):
"Da erschien Gott dem Jakob zum zweitenmal seit seiner Rückkehr aus Nord-Mesopotamien und
segnete ihn; und Gott sagte zu ihm:
'Dein Name ist Jakob; aber künftig sollst du nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel
soll dein Name sein; so gab er ihm den Namen Israel.'
Weiter sagte Gott zu ihm:
'Ich bin der allmächtige Gott; sei fruchtbar und mehre dich! Ein Volk, ja eine ganze
Menge von Völkern soll aus dir werden, und Könige sollen unter deinen leiblichen
Nachkommen sein. Und das Land, das ich Abraham und Isaak gegeben habe, will
ich dir geben und es auch deiner Nachkommenschaft nach dir verleihen.'
Hierauf fuhr Gott von ihm in die Höhe empor an der Stätte, wo er mit ihm geredet hatte. Da errich-
tete Jakob einen Denkstein an der Stätte, wo er mit ihm geredet hatte, ein Denkmal von Stein, und
goß ein Trankopfer auf dasselbe aus und begoß es mit Öl. Und Jakob nannte die Stätte, wo Gott
mit ihm geredet hatte, 'Bethel' (d. h. Haus Gottes)."
Leider behandelte Jakob seine zwölf Söhne nicht in gleicher Weise, sondern bevorzugte seinen zweit-
jüngsten Sohn Joseph in starkem Maße. Das erregte den Neid seiner elf Brüder, und sie beschlossen,
ihn umzubringen. Doch dann überlegten sie es sich anders und verkauften ihren Bruder
Joseph für 20 Silberstücke an midianitische Kaufleute, die auf dem Wege nach Ägypten waren
(1. Mose 37,28). Dort angekommen verkauften die Midianiter den Joseph weiter an einen ägyptischen
Hofbeamten namens Potiphar. Er war der Kommandeur der königlichen Leibgarde. In der Bibel heißt
es dann (1. Mose 39,2):
"Gott der Herr aber war mit Joseph, so daß ihm alles gelang, während er im Hause seines Herrn,
des Ägypters, war. Dieser faßte Vertrauen zu seinem neuen Sklaven und machte ihn zum Aufseher
über sein Hauswesen und zum Verwalter seines ganzen Besitzes."
Aber auch die Frau Potiphars fand Gefallen an Joseph und versuchte über lange Zeit hinweg, ihn zu
verführen. Als ihr das nicht gelang, bezichtigte sie gegenüber ihrem Mann den Joseph eines Vergewal-
tigungsversuches an ihr. Der ließ darauf seinen Sklaven kurzerhand ins Gefängnis werfen (1. Mose
39,19). Aber auch dort gelang es Joseph mit Gottes Hilfe, die Gunst und Zuneigung aller Aufseher und
selbst des Gefängnisdirektors zu erlangen. Letzterer übertrug Joseph sogar die Aufsicht über die
Gefangenen, und es heißt (1. Mose 39,23):
"Der oberste Aufseher des Gefängnisses kümmerte sich um gar nichts bei allem, was ihm (dem
Joseph) anvertraut war, denn Gott der HErr war mit ihm, und Gott ließ alles gelingen, was er vor-
nahm."
Einige Zeit später verfügte der ägyptische König die Verhaftung seines Obermundschenken und seines
Oberhofbäckers wegen Unregelmäßigkeiten in ihrem Aufgabenbereich. Mit deren Betreuung und Be-
wachung wurde ebenfalls Joseph betraut. Da träumten diese beiden in der Haftanstalt je einen eigenen
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rätselhaften Traum von besonderer Bedeutung, der sie stark bedrückte. Am anderen Morgen erzählten
sie ihn jeweils dem Joseph. Der Obermundschenk berichtete (1. Mose 40,9):
"In meinem Traume war es mir, als ob ich einen Weinstock vor mir stehen sähe; an diesem Wein-
stock waren drei Reben; und sowie er anfing zu treiben, brachen auch schon seine Blüten hervor,
und die Trauben brachten die Beeren zur Reife. Ich aber hielt den Becher des Pharaos in der Hand,
nahm die Trauben, preßte sie aus in den Becher des Pharaos und gab dann den Becher dem Pharao
in die Hand."
Da sagte Joseph zu ihm:
"Dies ist die Deutung: Die drei Weinreben sind drei Tage; in drei Tagen von heute ab wird der
Pharao dir das Haupt erheben, indem er dich wieder in dein Amt einsetzt, so daß du ihm den Be-
cher in die Hand gibst, ganz nach der früheren Weise, als du noch sein Mundschenk warst. Aber
halte dann auch die Erinnerung an mich fest, wenn es dir wieder gut geht, erweise mir dann die
Liebe, den Pharao auf mich aufmerksam zu machen, und bringe mich aus diesem Hause hinaus!
Denn ich bin aus dem Lande der Hebräer heimlich gestohlen worden und habe auch hier gar nichts
begangen, daß man mich in den Kerker geworfen hat."
Als nun der Oberbäcker sah, daß Joseph eine günstige Deutung gegeben hatte, sagte er zu Joseph:
"Auch in meinem Traume war es mir, als trüge ich drei Körbe mit feinem Gebäck auf meinem
Haupte; und in dem obersten Korb befanden sich allerlei Eßwaren für den Pharao, wie sie der Bä-
cker herstellt; aber die Vögel fraßen sie aus dem Korbe auf meinem Haupte weg."
Da sagte Joseph:
"Dies ist die Deutung des Traumes: Die drei Körbe sind drei Tage; in drei Tagen von heute ab
wird der Pharao dir das Haupt erheben, nämlich dich an einen Baum hängen lassen; da werden
dann die Vögel das Fleisch von dir oben wegfressen."
Drei Tage später nun war der Geburtstag des Pharaos; da veranstaltete er ein Festmahl für alle seine
Diener und erhob seinem Obermundschenken und seinem Oberbäcker das Haupt inmitten seiner Die-
ner; den Obermundschenken setzte er wieder in sein Schenkenamt ein, so daß er dem Pharao wie-der
den Becher zu reichen hatte; den Oberbäcker aber ließ er hängen, ganz so, wie Joseph ihnen (die
Träume) gedeutet hatte. Aber der Obermundschenk dachte nicht mehr an Joseph, sondern vergaß ihn.
Zwei Jahre später hatte der ägyptische Pharao ebenfalls einen Traum (1. Mose 41,1):
"Ihm war es, er stehe am Nil. Da sah er aus dem Strom sieben schöne, wohlgenährte Kühe herauf-
steigen und im Riedgras weiden. Dann sah er nach diesen sieben andere Kühe aus dem Strom her-
aufsteigen, die sahen häßlich aus und waren mager am Fleisch und traten neben die
anderen Kühe am Ufer des Stromes; hierauf fraßen die häßlichen und mageren Kühe die sieben
schönen und wohlgenährten Kühe auf. Da erwachte der Pharao. Als er dann wieder eingeschlafen
war, hatte er einen zweiten Traum; und zwar sah er sieben Ähren oben an einem Halme wachsen,
dicke und schöne; nach diesen aber schossen sieben dünne und vom Ostwind versengte Ähren
hervor, und diese dünnen Ähren verschlangen die sieben dicken und vollen Ähren. Da erwachte
der Pharao und merkte, daß es ein (bedeutungsvoller) Traum war. Am Morgen fühlte er sich darüber
innerlich beunruhigt, so daß er alle Schriftkundigen Ägyptens und alle Weisen des Landes rufen
ließ; er erzählte ihnen seine Träume, aber es war keiner da, der sie dem Pharao zu deuten vermoch-
te."
Da machte der Obermundschenk den Pharao auf die Deutung seines damaligen Traumes im Gefängnis
durch Joseph aufmerksam. Der König war davon beeindruckt und ließ Joseph sofort holen. Zuvor
schickte man ihn noch zum Friseur und ließ ihn neu einkleiden. - Der Pharao redete Joseph mit fol-
genden Worten an (1. Mose 41,15):
"Ich habe einen Traum gehabt, aber niemand weiß ihn zu deuten, Nun habe ich von dir sagen hö-
ren, du brauchtest einen Traum nur zu hören, so könntest du ihn schon deuten."
Da antwortete Joseph dem Pharao:
"O nein, nicht ich! Aber Gott wird etwas kundtun, was dem Pharao Segen bringt."
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Die Deutung, die Joseph auf den Traumbericht dann gab, war folgende (1. Mose 41,25):
"Was der Pharao geträumt hat, bedeutet ein und dasselbe: Gott hat dem Pharao angekündigt, was
er zu tun gedenkt. Die sieben schönen Kühe bedeuten sieben Jahre, und die sieben schönen Ähren
bedeuten auch sieben Jahre; es ist ein und derselbe Traum. Auch die sieben mageren und häßli-
chen Kühe, die nach ihnen (aus dem Strom) herausstiegen, sind sieben Jahre, und die sieben leeren,
vom Ostwind versengten Ähren bedeuten, daß sieben Hungerjahre kommen werden. Das meinte
ich, als ich (vorhin) zum Pharao sagte: 'Gott hat dem Pharao geoffenbart, was er zu tun gedenkt.'
Wisse: es werden sieben Jahre mit großem Überfluß im ganzen Land Ägypten kommen; aber nach
diesen werden sieben Hungerjahre eintreten, so daß der ganze Überfluß im Lande Ägypten verges-
sen sein wird; und die Hungersnot wird das Land so verzehren, daß man von dem früheren Über-
fluß im Lande Ägypten nichts mehr merken wird infolge der späteren Hungersnot; denn diese wird
überaus schwer sein. Daß aber der Traum sich dem Pharao zweimal wiederholt hat, das bedeutet:
die Sache ist bei Gott fest beschlossen, und Gott wird sie ohne Verzug ausführen.
Und nun möge der Pharao sich nach einem einsichtigen und weisen Manne umsehen, den er über
das Land Ägypten setze! Und der Pharao wolle Vorsorge tragen, daß er Aufseher über das Land
bestelle, und erhebe den fünften Teil des Ertrages vom Lande Ägypten während der sieben Jahre
des Überflusses! Man sammle so den gesamten Ernteertrag jener guten Jahre, die nun kommen
werden, und speichere das Getreide unter der Obhut des Pharaos als Vorrat in den Städten auf und
verwahre es dort. Dann wird dieser Vorrat dem Lande einen Rückhalt für die sieben Hungerjahre
gewähren, die im Lande Ägypten eintreten werden, und das Land wird durch die Hungersnot nicht
zugrunde gerichtet werden."
Der Pharao fand den Vorschlag gut und antwortete (1. Mose 41,40):
"Nachdem Gott dir dies alles geoffenbart hat, gibt es keinen, der so einsichtig und weise wäre wie
du. Du selber sollst über mein Haus gesetzt sein, und deinen Befehlen soll mein ganzes Volk sich
fügen; nur den Besitz des Thrones will ich vor dir voraushaben.'
Weiter sagte der Pharao zu Joseph:
'Hiermit setze ich dich über das ganze Land Ägypten!' Darauf zog der Pharao seinen Siegelring
vom Finger und steckte ihn dem Joseph an die Hand, ließ ihn in Gewänder von Byssus kleiden
und legte ihm die goldene Kette um den Hals."
Nun war Joseph, der damals 30 Jahre alt war, ein mächtiger Mann. Wie er es vorausgesagt hatte,
kamen die sieben Jahre mit Ernten in Hülle und Fülle. Die Speicher quollen über. Dann aber kamen
die sieben Jahre mit Mißernten, nicht nur in Ägypten, sondern auch in den umliegenden Ländern, also
auch in Kanaan, wo Josephs Familie lebte. Als Jakob, jetzt Israel genannt, erfuhr, daß in Ägypten
Korn zu haben sei, schickte er zehn seiner Söhne mit entsprechenden Geldmitteln und Tragtieren auf
die Reise, um in Ägypten Getreide einzukaufen. Nur seinen jüngsten Sohn Benjamin, den direkten
Bruder von Joseph, die beide von seiner Lieblingsfrau Rahel stammten, behielt er zu Hause.
Als die zehn Brüder in Ägypten ankamen, wurden sie vor Joseph geführt, dem sie ihr Kaufbegehren
vortrugen. Er erkannte sie sofort, sie ihn aber nicht, denn er verhandelte mit ihnen nur über einen
Dolmetscher. Er verhörte sie eingehend und verdächtigte sie zum Schein, nur Kundschafter zu sein. Er
wollte ihnen nur glauben, wenn sie ihren jüngsten Bruder Benjamin nach Ägypten brächten. Damit sie
das auch wirklich ausführten, behielt er ihren Bruder Simeon zurück. Dann ließ Joseph die Säcke der
jetzt nur noch zehn Brüder mit Getreide füllen, rüstete sie mit dem erforderlichen Reiseproviant aus
und ließ ihnen heimlich das bezahlte Geld wieder in ihre Säcke legen.
Als sie zu Hause ankamen, weigerte sich ihr Vater Israel zunächst, seinen jüngsten Sohn Benjamin
nach Agypten zu schicken. Er befürchtete, nach Joseph auch diesen zweitliebsten Sohn zu verlieren.
Doch als der mitgebrachte Getreidevorrat aufgebraucht war und noch immer Hungersnot herrschte,
blieb Israel nichts anderes übrig, als seine Söhne erneut nach Ägypten zu schicken. Diesmal mußte er
auch seinen Sohn Benjamin mitreisen lassen, denn ohne ihn durften die Brüder nicht wiederkommen,
das hatte Joseph ausdrücklich gesagt. - Das ganze bisher berichtete und anschließend kommende
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Geschehen schildert die Bibel ausgesprochen spannend mit vielen Einzelheiten, die hier der Kürze
wegen übergangen werden.
Die zehn Söhne Israels wurden von Joseph zuvorkommend empfangen und sofort mit dem gewünsch-
ten Getreide versorgt. Zugleich ließ er aber seinem Bruder Benjamin heimlich einen silbernen Trink-
becher in seinen Getreidesack schmuggeln. Als die Brüder die Stadt mit ihren Tragtieren verlassen
hatten, schickte er die Polizei hinterher und beschuldigte sie, um sie noch etwas zappeln zu lassen, des
Diebstahls. Er ließ sie zurückbringen und durchsuchen.
Natürlich wurde in dem Sack des Benjamin der Becher gefunden. Joseph gab sich darüber sehr aufge-
bracht und drohte (zum Schein), den Benjamin als Sklaven zurückzubehalten. Das veranlaßte seine Brü-
der, sich aufs Jammern und Bitten zu verlegen. Da wurde Joseph von Rührung übermannt und gab
sich unter Tränen seinen Brüdern gegenüber zu erkennen. Die waren natürlich in höchstem Maße be-
stürzt und fürchteten das Schlimmste. Doch er beruhigte sie mit den Worten (1. Mose 45,4):
"Ich bin euer Bruder Joseph, den ihr nach Ägypten verkauft habt! Nun beunruhigt euch aber nicht,
und macht euch keine Vorwürfe darüber, daß ihr mich hierher verkauft habt! Denn um uns alle am
Leben zu erhalten, hat Gott mich euch vorausgesandt.
Jetzt herrscht die Hungersnot erst zwei Jahre im Lande, und fünf Jahre stehen noch bevor, in denen
kein Pflügen und kein Ernten stattfinden wird. Darum hat Gott mich euch vorausgesandt, um das
Fortbestehen eures Geschlechtes auf Erden zu sichern und um euch, eine große Schar von Errette-
ten, am Leben zu erhalten. So habt also nicht ihr mich hierher gebracht, sondern Gott; der hat mich
dem Pharao zum Vater gemacht und zum Herrn über sein ganzes Haus und zum Gebieter im gan-
zen Lande Ägypten. Zieht nun eilends zu meinem Vater hinauf, und meldet ihm: 'So läßt dir dein
Sohn Joseph sagen: Gott hat mich zum Gebieter von ganz Ägypten gemacht; komm zu mir herab,
säume nicht. Du sollst im Lande Gosen wohnen und in meiner Nähe sein, du, deine Kinder und
Kindeskinder samt deinem Kleinvieh und deinen Rindern und deinem ganzen Hab und Gut. Ich
will dich daselbst versorgen, denn noch fünf Jahre wird die Hungersnot dauern, damit du nicht
verarmst, du und dein Haus und alles, was du besitzest. Ihr seht es ja mit eigenen Augen, und auch
mein Bruder Benjamin sieht es mit eigenen Augen, daß ich persönlich es bin, der zu euch redet.
Berichtet also meinem Vater alle die hohen Ehren, die ich in Ägypten habe und alles, was ihr ge-
sehen habt, und bringt meinen Vater eilends hierher!'
Darauf fiel er seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte, und auch Benjamin weinte an
seinem Halse; dann küßte er alle seine Brüder und umarmte sie unter Tränen; nun erst vermochten
auch seine Brüder mit ihm zu reden."
Nach anfänglichem Sträuben, weil er die ganze Geschichte zuerst nicht glaubte, war schließlich Israel
bereit, die alte Heimat zu verlassen. Seine gesamte Familie, bestehend aus 66 männlichen Angehöri-
gen und ihren Frauen und Töchtern, verließ mit Sack und Pack das Land Kanaan und machte sich auf
die Wanderung nach Ägypten.
Unterwegs in Beer-Seba (70 km südsüdöstlich von Jerusalem) hatte Israel noch einmal eine göttliche
Offenbarung (1. Mose 46,2):
"Da redete Gott mit Israel nachts in einem Gesicht und sagte: 'Jakob, Jakob!' Er antwortete: 'Hier
bin ich!' Darauf sagte Gott:
'Ich bin Gott, der Gott deines Vaters! Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen.
Denn ich will dich dort zu einem großen Volk machen. Ich selbst will mit dir nach
Ägypten hinabziehen, und ich selbst will dich auch wieder zurückführen (einst, nach sei-
nem Tod, als einbalsamierte Leiche), und Josephs Hand soll dir die Augen zudrücken.'
Da brach Jakob von Beer-Seba auf, und seine Söhne ließen ihren Vater Jakob nebst ihren Kindern
und ihren Frauen auf den Wagen fahren, die der Pharao geschickt hatte, um ihn zu holen. Sie nah-
men auch ihr Vieh und ihre Habe mit, die sie im Lande Kanan erworben hatten, und kamen so
nach Ägypten, Jakob mit seiner gesamten Nachkommenschaft: seine Söhne und Enkel, seine
Töchter und Enkelinnen, überhaupt seine ganze Nachkommenschaft brachte er mit sich nach
Ägypten."
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Dieses Ereignis läßt sich geschichtlich nur ungenau datieren. Es muß zwischen 1900 und 1700 v. Chr.
stattgefunden haben. Als Wohnort wurde den Israeliten das Land Gosen im östlichen Nildelta zuge-
wiesen. Dort lebten ihre Nachkommen 430 Jahre lang (2. Mose 12,40) und vermehrten sich in dieser
Zeit zu einem großen Volk.
Die ägyptischen Könige und ihr Volk wußten nach einigen hundert Jahren nichts mehr von der Hun-
gersnot und von Joseph und seinem Wirken. Sie sahen in den Israeliten nur noch eine Bedrohung. Der
jeweilige Pharao ließ sie daher unterdrücken und zu harten Zwangsarbeiten heranziehen. Doch das
stoppte die Vermehrung in keiner Weise. Schließlich befahl der König zuerst den Hebammen und
dann seinem ganzen Volk, jeden neugeborenen israelitischen Knaben zu töten.
In dieser verzweifelten Lage der Israeliten wurde zwischen 1525 und 1350 v. Chr. ein Mann namens
Mose geboren, der am Beginn der eigentlichen Volksgeschichte Israels steht. Er führte sein Volk aus
der ägyptischen Sklaverei heraus. Unter ihm wurde die Verehrung des einzigen Gottes erst zu einem
vollständigen Kult ausgebildet, den man nach ihm die "Mosaische Religion" nannte.
Am Beginn seiner großen Aufgabe stand ein Berufungserlebnis durch Gott oder einen seiner Engel.
Sie erfolgte, als Mose das Kleinvieh seines Schwiegervaters Jethro in der Nähe des Berges Horeb
(Sinai) hütete. Es war am Spätabend oder schon (29, S. 94) in der Nacht (2. Mose 3,2):
"Da erschien ihm der Engel des HErrn als eine Feuerflamme, die mitten aus einem Dornbusch
hervorschlug; und als er hinblickte, sah er, daß der Dornbusch im Feuer brannte, ohne jedoch vom
Feuer verzehrt zu werden. Da dachte Mose: 'Ich will doch hingehen und mir diese wunderbare
Erscheinung ansehen, warum der Dornbusch nicht verbrennt.' Als nun der HErr sah, daß er heran-
kam, um nachzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch heraus die Worte zu: 'Mose, Mose!' Er
antwortete: 'Hier bin ich!' Da sagte er:
'Tritt nicht näher heran! Ziehe dir die Schuhe aus von den Füßen! Denn die Stätte,
auf der du stehst, ist heiliger Boden.' Dann fuhr er fort: 'Ich bin der Gott deines
Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.'
Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Hierauf sagte der HErr:
'Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre
Fronvögte gehört; ja, ich kenne ihre Leiden! Daher bin ich herabgekommen, um sie
aus der Gewalt der Ägypter zu erretten und sie aus jenem Lande in ein schönes, ge-
räumiges Land zu führen, in ein Land, das von Milch und Honig überfließt, in die
Wohnsitze der Kanaanäer, Hethiter, Amoriter, Pherisiter, Hewiter und Jebusiter.
Weil also jetzt das Wehgeschrei der Israeliten zu mir gedrungen ist und ich auch ge-
sehen habe, wie schwer die Ägypter sie bedrücken, so gehe jetzt hin! Denn ich will
dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten hinaus-
führst.'"
Es war vorauszusehen, daß der ägyptische Pharao seine billigen Arbeitskräfte nicht freiwillig ziehen-
lassen würde. Darum ließ Gott schon jetzt sagen (2. Mose 3,19):
"Ich weiß aber, daß der König von Ägypten euch nicht wird ziehen lassen, wenn er
nicht durch eine starke Hand dazu gezwungen wird. Darum werde ich dann meine
Hand ausstrecken und das Agyptervolk mit all meinen Wundertaten schlagen, die
ich in seiner Mitte verrichten werden. Daraufhin wird er euch ziehen lassen."
Zunächst war Mose von dem auszuführenden Auftrag gar nicht erbaut. Er wollte als erstes wissen, wie
der Gott, der da mit ihm redete, eigentlich hieß, damit er es seinen Volksgenossen weiterberichten
konnte (2. Mose 3,14):
"Da sagte Gott zu Mose: 'Ich bin, der ich bin.' Dann fuhr er fort: 'So sollst du zu den
Israeliten sagen: Der 'Ich bin' hat mich zu euch gesandt!' Und weiter sagte Gott
zu Mose: 'So sollst du zu den Israeliten sagen: 'Der HErr, der Gott eurer Vä-
ter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch ge-
sandt. Das ist mein Name in Ewigkeit und meine Benennung von Geschlecht zu Ge-
schlecht.'"
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Ein Kommentar sagt zu diese Bibelstelle: Es handelt sich um die Erklärung des überaus heiligen Got-
tes-Namens Jahwe (nicht Jehova), der in der hebräischen Konsonantenschrift JHWH geschrieben
wird. Der Name war so heilig, daß er von den Juden nicht einmal ausgeprochen wurde, sondern statt
dessen als adonaj = Herr gelesen wurde. Um dieses "JHWH-Herr" von dem normalen Wort "Herr" zu
unterscheiden, hat sich seit Martin Luther für JHWH die Schreibweise HErr eingebürgert. Obwohl
die Gottesbezeichnung Jahwe bereits früher in der Bibel vorkommt (z. B. 1. Mose 2,4), wird sie erst
hier zum "Gottesnamen" schlechthin gegenüber allen "falschen Göttern" der anderen Völker. Sprach-
lich bedeutet Jahwe soviel wie "er ist" oder "der da ist".
Nach der Klärung der Namensfrage des sich offenbarenden Gottes gab Mose zu bedenken, daß ihm
seine Volksgenossen gar nicht glauben würden, denn schließlich könne ja jeder behaupten, einen gött-
lichen Auftrag bekommen zu haben. Dieses Argument entkräftete Gott dadurch, daß er Mose vorführ-
te, wie er ihn mit besonderen Fähigkeiten ausrüsten werde, damit er sich durch seine wundersamen
Taten als göttlicher Bevollmächtigter ausweisen könne. Er sagte zu Mose (2. Mose 4,2):
"'Was hast du da in deiner Hand?' Er antwortete: 'Einen Stab.' Da sagte er: 'Wirf ihn auf die Erde!'
Als er ihn nun auf die Erde geworfen hatte, wurde er zu einer Schlange, vor welcher Mose die
Flucht ergriff. Da sagt der HErr zu Mose: 'Strecke deine Hand aus und ergreife sie beim Schwanz!'
Er streckte seine Hand aus und faßte sie. Da wurde sie wieder zum Stab in seiner Hand. 'Damit sie
glauben, daß dir der HErr erschienen ist, der Gott ihrer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks
und der Gott Jakobs.'"
Noch zwei weitere Wunderzeichen wurden Mose vorgeführt. Der war aber immer noch nicht willig,
schützte mangelnde Beredsamkeit vor und sagte schließlich (2. Mose 4,13):
"'Bitte HErr, sende lieber einen anderen, wen du willst!' Da entbrannte der Zorn des HErm gegen
Mose, und er sagte: 'Ist nicht dein Bruder Aaron da, der Levit? Ich weiß, daß der trefflich zu reden
versteht. Auch ist er schon im Begriff, dir entgegenzugehen, und wenn er dich sieht, wird er sich
herzlich freuen. Dann sollst du dich mit ihm besprechen und ihm die Worte in den Mund legen.
Ich aber will mit deinem und mit seinem Mund sein und euch angeben, was ihr zu tun habt. Er soll
also für dich zum Volk reden, und zwar so, daß er für dich der Mund ist und du für ihn an Gottes
Statt bist. Und den Stab da nimm in die Hand, um mit ihm die Wunderzeichen zu tun!'"
Wie zu erwarten, war der Pharao in keiner Weise bereit, seine billigen Arbeitskräfte fortziehen zu
lassen. Er antwortete Mose und Aaron (2. Mose 5,2):
"Wer ist der HErr, daß ich seinen Befehlen gehorchen und Israel ziehen lassen müßte? Ich kenne
diesen HErrn nicht und will Israel nicht ziehen lassen."
Die Reaktion war, daß er den Arbeitsaufsehern den Befehl gab (2. Mose 5,9):
"Die Arbeit soll den Leuten erschwert werden, damit sie daran zu schaffen haben und nicht auf
Lügenreden achten."
Nun setzte das Strafgericht Gottes ein, das sich zu einem Kampf zwischen Gott, Mose und Aaron ei-
nerseits und dem Pharao, seinen Priestern, Zauberern und deren Göttern andererseits entwickelte. Die-
se ägyptischen Zauberer konnten nämlich vermittels der Hilfe ihrer Götter fast gleichartige Taten voll-
bringen, wie sie Mose und sein Bruder Aaron vollzogen. Der Kampf wurde durch Aaron eröffnet. Auf
Geheiß Gottes warf er seinen Stab vor den Pharao und dessen Hofleute hin, und er verwandelte sich in
eine große Schlange (2. Mose 7,11).
"Aber der Pharao ließ auch seinerseits die Weisen und Zauberer kommen, und auch sie, die ägypti-
schen Zauberkünstler, taten dasselbe vermittels ihrer Geheimkünste: jeder warf seinen Stab hin, da
verwandelten diese sich in Schlangen; jedoch Aarons Stab (d. h. die daraus entstandene Schlange) ver-
schlang ihre Stäbe (Schlangen). Aber das Herz des Pharaos blieb hart, so daß er nicht auf sie hörte,
wie der HErr es vorausgesagt hatte."
Der Kampf zwischen den irdischen Parteien und ihren jenseitigen Schutzmächten ging weiter. Aaron
mußte mit Hilfe seines Stabes das Wasser des Nils, seiner Kanäle und anderer Gewässer in "Blut"
verwandeln, so daß es zu stinken anfing und die Fische darin starben. Doch die ägyptischen Zauberer
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vermochten gleichartiges hervorzubringen, und der Pharao blieb hart. Als nächstes (2.) mußte Aaron
eine große Froschplage hervorrufen. Doch Frösche konnten die Zauberer auch noch hervorbringen.
Aber bei den folgenden Plagen konnten sie nicht mehr mithalten, Nacheinander traten große Mengen
von (3.) Stechmücken und dann (4.) Hundsfliegen auf. Anschließend setzte eine (5.) verheerende
Viehpest ein. Dann traten (6.) Blattern bei Mensch und Tier auf. Als auch das den Pharao noch nicht
nachgiebig machte, erfolgte ein (7.) vernichtender Hagelschlag. Als nächstes (8.) kam eine Heuschre-
ckenplage und dann (9.) eine drei Tage währende Finsternis über das Land.
Jetzt war der Pharao genügend zermürbt, um die Israeliten unter Bedingungen abziehen zu lassen:
ihren Viehbestand sollten sie nicht mitnehmen dürfen. Der aber war für die lange bevorstehende Wan-
derung für die Israeliten und für ihre kultischen Opferungen lebensnotwendig. Daher verlangte Mose
von dem Pharao zu den eigenen sogar noch zusätzliche Tiere der Ägypter für ihren Auszug. Das je-
doch war dem König entschieden zuviel. Es heißt (2. Mose 10,27):
"Aber der HErr verhärtete das Herz des Pharao, so daß er sie nicht ziehen lassen wollte, sondern
zu Mose sagte: 'Hinweg von mir! Hüte dich, mir nochmals vor die Augen zu treten! Denn sobald
du dich wieder vor mir sehen läßt, bist du des Todes!'"
Doch nun kündigte Gott dem Mose die letzte, entscheidende (10.) Plage an, welche die Ägypter end-
gültig in die Knie zwingen und den Israeliten die Freiheit bringen sollte. Er gab genaue Anweisungen,
wie die Israeliten sich materiell und rituell auf den Auszug vorbereiten und wie und wann das ganze
ablaufen sollte. Nach Sonnenuntergang des 14. Tages des Monats Abib (oder Nisan, die Zeit zwischen
ungefähr Mitte März bis Mitte April) mußten die Israeliten je Familie ein Lamm schlachten und sofort
braten und zusammen mit ungesäuertem Brot aufessen. Von dem Blut sollte etwas als späteres Erken-
nungszeichen an die Türpfosten der Häuser gestrichen werden. Gott hatte durch Mose dem israeliti-
schen Volk sagen lassen (2. Mose 12,11):
"Und auf folgende Weise sollt ihr es essen: eure Hüften gegürtet, eure Schuhe an den Füßen und
euren Stab in der Hand; und in ängstlicher Hast sollt ihr es essen: ein Vorübergehen des HErrn ist
es. Denn ich will in dieser Nacht durch das 'Land Ägypten schreiten und alle Erstgeburt in Ägyp-
ten sterben lassen, sowohl von den Menschen als vom Vieh. Und ich will an allen ägyptischen
Göttern ein Strafgericht vollziehen, ich der HErr! Dabei soll dann das Blut an den Häusern, in de-
nen ihr euch befindet, ein Zeichen zu eurem Schutz sein. Denn wenn ich das Blut sehe, will ich
schonend an euch vorübergehen, und es soll euch kein tödliches Verderben treffen, wenn ich den
Schlag gegen das Land Ägypten führe.
Dieser Tag soll dann für euch ein Gedächtnistag sein, den ihr zu Ehren des HErrn festlich begehen
sollt! Von Geschlecht zu Geschlecht sollt ihr ihn als eine ewige Satzung feiern! Sieben Tage lang
sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Gleich am ersten Tage sollt ihr allen Sauerteig aus euren Häusern
entfernen; denn jeder, der vom ersten bis zum siebten Tage Gesäuertes ißt, ein solcher Mensch soll
aus Israel ausgerottet werden! Weiter soll am ersten Tage eine heilige Festversammlung bei euch
stattfinden und ebenso am siebten Tage eine heilige Festversammlung. Keinerlei Arbeit darf an
diesen (beiden Tagen) verrichtet werden! Nur was ein jeder zum Essen nötig hat, das allein darf von
euch zubereitet werden! So beobachtet denn das Fest der ungesäuerten Brote! Denn an eben die-
sem Tage habe ich eure Heerscharen aus dem Land Ägypten hinausgeführt. Darum sollt ihr diesen
Tag von Geschlecht zu Geschlecht als eine ewige Satzung beobachten."
In diesem Bericht finden wir die Einsetzung des sogenannten Passah-Festes, das die Israeliten und
späteren Juden bis auf den heutigen Tag feiern. Das Wort Passah (von hebr. päsach = hinken, über
etwas hüpfen, etwas unberührt lassen) bedeutet "verschonendes Vorübergehen".
Der oder die Würge-Engel Gottes, die nach Mitternacht die ägyptischen Häuser heimzusuchen hatten,
sollten die durch das außen angestrichene Blut gekennzeichneten Häuser der Israeliten verschonen.
Auf dieses Ereignis und dieses Fest geht auch unser heutiges christliches Osterfest zurück. Denn
Christus wurde am 14. Nisan, dem Tag des Passah-Festes, gekreuzigt, nachdem er am Abend zuvor
mit seinen Jüngern das Passah-Mahl gehalten hatte (Matt. 26,18; Joh. 13,1). Aus diesem Passah-Mahl
ist durch Christus das heutige "Abendmahl" hervorgegangen (Matt. 26,26).
Den damaligen Israeliten aber wurde gesagt (2. Mose 12,26):
- 13 -
"Wenn eure Kinder euch dann fragen: 'Was bedeutet dieser Brauch bei euch?' so sollt ihr antwor-
ten: 'Es ist das Passah-Opfer für den HErrn, der in Ägypten an den Häusern der Israeliten scho-
nend vorübergegangen ist. Während er die Ägypter sterben ließ, hat er unsere Häuser verschont.' ...
Um Mitternacht aber begab es sich, daß der HErr alle Erstgeburten im Lande Ägypten sterben ließ,
vom erstgeborenen Sohn des Pharaos an, der auf seinem Thron saß, bis zum Erstgeborenen des
Gefangenen, der im Kerker lag, auch alles Erstgeborene des Viehs. Da stand der Pharao in dieser
Nacht auf, er und alle seine Diener und alle übrigen Ägypter, und es erhob sich ein großes Wehge-
schrei in Ägypten, denn es gab kein Haus, in dem nicht ein Toter gelegen hätte. Da ließ (der Pharao)
noch in der Nacht Mose und Aaron rufen und sagte: 'Macht euch auf, zieht aus meinem Volk hin-
weg, sowohl ihr als auch die Israeliten! Geht hin und dient dem HErrn, wie ihr gesagt habt! Auch
euer Kleinvieh und eure Rinder nehmt mit, wie ihr gesagt habt, Geht hin und bittet auch für mich
um Segen.'
Auch die Ägypter drängten das Volk zu schleunigem Aufbruch aus dem Lande, denn sie dachten:
'Wir sind (sonst) alle des Todes'. Da nahm das Volk seinen Brotteig, noch ehe er gesäuert war, ihre
Backschüsseln, die sie, in ihre Mäntel gewickelt, auf den Schultern trugen
So brachen denn die
Israeliten von Raemses nach Sukkoth zu auf, ungefähr 600.000 Mann zu Fuß, die Männer allein,
ungerechnet die Weiber und Kinder. Auch viel zusammengelaufenes Volk zog mit ihnen, dazu
Kleinvieh und Rinder, eine gewaltige Menge Vieh. Aus dem Teig aber, den sie aus Ägypten mit-
genommen hatten, buken sie (unterwegs) ungesäuerte Brotkuchen, denn er war ungesäuert, weil man
sie aus Ägypten vertrieben und ihnen keine Zeit gelassen hatte. Daher hatten sie auch für keine
Wegzehrung sorgen können. Die Zeit aber, während welcher die Israeliten in Ägypten gewohnt
hatten, betrug 430 Jahre."
Etwas später (4. Mose 1,46) wurden nach einer genauen Musterung 603.550 waffenfähige Männer von
20 Jahren an aufwärts gezählt. Daher kann man gut und gerne von 1,5 - 2 Millionen Personen insge-
samt ausgehen, was zusammen mit allem Vieh einen wirklich imposanten Völkerzug darstellt.
Man fragt sich, ob eine so große Bevölkerungszahl überhaupt denkbar ist. Wenn man davon ausgeht,
daß (1. Mose 46,27) 70 männliche Israeliten nach Ägypten einwanderten, das Volk 430 Jahre dort
blieb und auf 600.000 Männer über 19 Jahre anwuchs (eigentlich müßten die männlichen Kinder auch
noch mitgezählt werden), so ergibt sich das jährliche Bevölkerungswachstum zu:
5
𝑞 =
4306 ∙ 10
− 1 = 0,02128 ≈ 2,1 %
70
Heutige Völker der dritten Welt haben ein jährliches Bevölkerungswachstum bis zu 5 %. Von daher
gesehen ist das Wachstum der Israeliten mit jährlich 2,1 % zumindest theoretisch nicht unmöglich und
die angenommene Volkszahl von 1,5 - 2 Millionen nicht völlig undenkbar, wenn auch moderne Auto-
ren meinen, daß hier mindestens zwei Nullen zu viel seien. Andererseits sind Zahlenangaben in der
Bibel, besonders Altersangaben, mit Vorsicht zu betrachten. Wenn z. B. Methusalem (1. Mose 5, 27)
969 Jahre, Thara (1. Mose 11,32) 205 Jahre, Abraham (1. Mose 25, 7) 175 Jahre und Jakob (1. Mose
47,28) 147 Jahre alt geworden sein sollen, so habe ich dabei große Zweifel. Diese durch Buchstaben
ausgedrückten Zahlen (es gab ja keine gesonderten Zahlzeichen wie bei uns) sind sicher nicht als An-
zahl der Lebensjahre zu lesen, sondern haben Symbolcharakter, um die Bedeutung der Personen her-
auszustellen. Vielleicht gilt ähnliches für die Bevölkerungszahl. Das spricht aber nicht grundsätzlich
gegen die allgemeine Glaubwürdigkeit aller anderen Aussagen.
Die Mehrheit der heutigen Menschen wird den Berichten über die Vorereignisse zu diesem Auszug
aus Ägypten und die zehn Plagen verständnislos und ungläubig gegenüberstehen und sie nur als Le-
gende ansehen. Nun mag manches an diesen Berichten wirklich etwas übertrieben sein. Wenn es
z. B. bei der ersten Plage heißt, daß Aaron mit seinem Stab (2. Mose 7,19) das Wasser des Nils samt
aller Kanäle, Teiche und Wasserbehälter in Blut verwandelte, das dann sehr schnell stinkend wurde, so
daß die Ägypter es nicht mehr trinken konnten, so kann man hier schon Zweifel anmelden, ob es sich
biologisch gesehen wirklich um echtes Blut handelte und ob tatsächlich alles Wasser betroffen war.
Vielleicht trat nur eine blutähnliche Verfärbung des Wassers auf, das dadurch schnell stinkend wurde.
Heutige Erklärungen lauten folgendermaßen (74, Sp. 1083):
- 14 -
"Es erfolgte ein besonders starkes Hochwasser des Nils, das auch alle Brunnen füllte, so daß die
Ägypter neue graben mußten. Die Rotfärbung des Wassers ist dabei durch die Massen feinverteil-
ter Roterde bedingt, die Blauer Nil und Atbara aus Abessinien mitführen. Die Farbe wurde wohl
durch mitgeschwemmte Geißeltierchen (Euglena sanguinea und/oder Haematococcus pluvialis)
und Bakterien verstärkt, die zugleich den Geruch verursachten. Beide kommen in hochgelegenen
abessinischen Gebirgsseen vor. Die Geißeltierchen scheiden tagsüber große Mengen Sauerstoff
aus, während sie nachts noch größere Mengen verbrauchen. Ein solcher Wechsel im Sauerstoff-
gehalt des Wassers führt zum Fischsterben.
Die ins Rohr getriebenen Fischleichen haben vermutlich zur starken Vermehrung der in Sumpfge-
bieten vorhandenen Milzbrandbakterien geführt. Durch die Verseuchung ihres Lebensgebietes
wurden die Frösche aufs Land gedrängt, wo sie, bereits infiziert, schnell starben und verfaulten.
Diese zweite Plage folgte sieben Tage nach dem Beginn der ersten. - Bei den drei Tagen Finsternis
handelt es sich wahrscheinlich um einen Sandsturm (khamsin), wie sie von März bis Mai vorkom-
men. Offenbar war es der erste Sturm des Jahres, der die staubfeine Roterdeablagerung im kahlge-
fressenen Land aufwirbelte. Die Ausnahme Gosens stimmt damit überein, daß dieses Gebiet vor
Südsturm geschützt liegt."
So weit eine heutige Deutung der Ereignisse, die bekannte naturkundliche Vorgänge zur Erklärung
heranzieht. Wie es nun in Wirklichkeit abgelaufen ist, kann man jetzt natürlich nicht mehr mit Gewiß-
heit sagen. Aber den Kern der Berichte über die Plagen halte ich für zutreffend und dabei auch eine
Beteiligung paranormaler Vorgänge für wahrscheinlich, insbesondere bei dem Sterben der Erstgeburt.
Auch in dem "blutigen" Nilwasser kann ein paranormaler Kern stecken. Ich habe selbst schon die Ent-
stehung oder das paranormale Auftreten von dunkelgefärbter, blutähnlicher und übelriechender Flüs-
sigkeit am 11. 03. 1973 bei dem Heiler Francisco Sarmiento in San Manuel bei Tarlac auf den Philip-
pinen in 50 cm Abstand gesehen und gefilmt. Mit mir waren drei weitere Europäer Zeugen dieses
Vorganges. Allerdings handelte es sich dabei nicht um die literweise Entstehung dieser Flüssigkeit,
sondern um vielleicht 10 ccm.
Damals in Ägypten genügte es auch, wenn ein auffälliger Teil des Wassers stinkend und ungenießbar
wurde, und dadurch Aufsehen erregte. Daß wirklich nicht sofort alles Wasser in Blut verwandelt wur-
de, kann man für mein Empfinden daraus schließen, daß die Bibel berichtet (2. Mose 7,22):
"Aber die ägyptischen Zauberer taten dasselbe vermittels ihrer Geheimkünste. Daher blieb das
Herz der Pharaos hart."
Wenn alles Wasser schon vorher zu Blut verwandelt worden wäre, hätten die Zauberer ja gar kein
Objekt mehr gehabt, um eine Probe ihres Könnens zu geben. Es muß also noch unverdorbenes Wasser
vorhanden gewesen sein. Auch für die anderen ägyptischen Plagen kann ich paranormale Beispiele
geringeren Ausmaßes aus neuer Zeit anführen, die zeigen, daß die biblischen Berichte im Kern zutref-
fend sein können.
Daß die damaligen Vorgänge, ob nun normaler oder paranormaler Art, so geballt und eindrucksvoll
auftraten, lag daran, daß der Glauben an den allerhöchsten Gott in dem Volk der Israeliten und über-
haupt auf der Erde unbedingt erhalten werden mußte. Der Kampf spielte sich nicht nur auf Erden zwi-
schen den Israeliten und den Ägyptern ab, sondern vor allem zwischen den jenseitigen Mächten, dem
höchsten Gott Jahwe und seinen Widersachern, den Göttern der Ägypter (29, S. 304).
Wenn zwar die Bibel auch berichtet (2. Mose 9,12): "Doch der HErr (also Gott Jahwe) verhärtete das
Herz des Pharao, so daß er nicht auf sie hörte, wie es der HErr dem Mose vorausgesagt hatte", so mei-
ne ich, daß die Israeliten das Verhalten des Pharao falsch gedeutet haben. Es war nicht ihr Gott Jahwe,
der sein Herz verhärtete, sondern dessen Götter, die Widersacher von Jahwe. Über diese Gegnerschaft
und ihre Ursachen wird später noch eingehend berichtet werden.
Als die Israeliten in der Nacht vom 14. zum 15. des Monats Abib (oder Nisan) zu ihrem Auszug aus
Ägypten in das Land Kanaan aufgebrochen waren, stand ihnen eine Wanderung (mit langen Unterbre-
chungen) von 40 Jahren bevor. Sie war von den unterschiedlichsten Entbehrungen und Wechselfällen
begleitet. Mehrfach verzagte das Volk und wünschte sich an die "Fleischtöpfe" Ägyptens zurück
- 15 -
(2. Mose 16,3). Aber immer kam in höchster Not Hilfe von Gott, doch auch harte Strafen bei Unge-
horsam gegenüber seinen Weisungen.
Zunächst führte Gott die Israeliten nicht auf dem direkten Weg ostwärts in Richtung Kanaan, weil
dieser Weg durch Grenzbefestigungen der Philister versperrt wurde. Die Israeliten hätten hier sofort
in Kämpfe eintreten müssen, was ihnen Gott wohl wegen ihrer Kampfungeübtheit noch nicht zutraute.
Sie hatten ja bisher als Fronarbeiter der Ägypter nur Ziegel aus Lehm und Stroh herstellen müssen. So
führte Gott sie zunächst von Raemses ausgehend in südsüdöstlicher Richtung an den westlichen Rand
des "Schilfmeeres". Dahinter verbergen sich die heutigen Bitterseen in der Landenge von Suez, wobei
der große Bittersee damals noch eine natürliche Verbindung mit dem Golf von Suez besaß. Wenn ich
sagte "Gott führte sie", so ist das fast wörtlich zu verstehen. Die Bibel berichtet dazu (2. Mose 13,21):
"Der HErr aber zog vor ihnen her, bei Tage in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen,
und nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie bei Tag und bei Nacht wandern
könnten. Nicht wich die Wolkensäule bei Tage und nicht die Feuersäule nachts von der Spitze des
Zuges."
Diese Wolkensäule war aber keine normale Wolke aus kleinen Wassertröpfchen, sondern vermutlich
ein paranormales Gebilde aus einer "Substanz", die den Namen "Od" erhalten hat (29, S. 67). Sie spielt
unter dem Namen "Ektoplasma" auch bei den "Materialisationsvorgängen" eine Rolle. In dem Buch
"Zeugnis für die jenseitige Welt" habe ich auf den S. 154 u. 155 Abbildungen solcher wolkigen Struk-
turen wiedergegeben. Die Wolkensäule oder Od-Wolke war der Standort eines Engels Gottes
(2. Mose 14,19; 29, S. 95), und sie wurde von ihm gesteuert. Auf diese Weise hatten die Israeliten
eine sichere Führung, also quasi ein göttliches "Aufklärungsflugzeug", das ihnen voranflog.
Als es dem ägyptischen König richtig zum Bewußtsein kam, daß seine billigen Arbeitskräfte endgültig
abgezogen waren, trat ein Sinneswandel bei ihm ein. Es heißt in der Bibel zwar (2. Mose 14,8): "Denn
der Herr hatte das Herz des Pharao verhärtet", aber ich glaube, daß es seine Götter waren, die ihn an-
deren Sinnes werden ließen. Jedenfalls mobilisierte er seine Streitmacht und setzte mit 600 Kampfwa-
gen den Israeliten nach. An der Wasserverbindung zwischen dem großem Bittersee und dem Golf von
Suez holte er sie ein. Die Israeliten gerieten in größte Angst und waren schon zur Kapitulation bereit.
Doch Gott sagte zu Mose (2. Mose 14,15):
"'Befiehl den Israeliten aufzubrechen. Du aber hebe deinen Stab empor, strecke deine Hand über
das Meer aus und spalte es, damit die Israeliten mitten durch das Meer hindurch auf trockenem
Boden ziehen können. Ich aber will dann das Herz der Ägypter verhärten, daß sie hinter ihnen her-
ziehen, und will mich am Pharao und an seiner ganzen Heeresmacht, an seinen Wagen und Reitern
verherrlichen. Und die Ägypter sollen erkennen, daß ich der HErr bin, wenn ich mich am Pharao,
an seinen Wagen und Reitern verherrlicht habe.'
Da änderte der Engel Gottes, der (bisher) vor dem Heer der Israeliten hergezogen war, seine Stel-
lung und trat hinter sie. Infolgedessen ging auch die Wolkensäule vorn vor ihnen weg und trat hin-
ter sie, so daß sie zwischen das Heer der Ägypter und das Heer der Israeliten zu stehen kam; und
sie zeigte sich dort als Wolke und Finsternis, während sie hier die Nacht erleuchtete. So gerieten
beide Heere die ganze Nacht hindurch nicht feindlich aneinander.
Als dann Mose seine Hand über das Meer ausstreckte, drängte der HErr das Meer durch einen
starken Ostwind die ganze Nacht hindurch zurück und legte den Meeresboden trocken, und die
Wasser spalteten sich."
Dieser Vorgang wurde möglicherweise auch noch durch die Gezeiten (Ebbe) unterstützt. Auf diese
Weise konnten die Israeliten im Schutze der Nacht den nur seichten Meeresarm duchschreiten. In
heutiger Zeit ist er vollends ausgetrocknet und mußte durch den Suez-Kanal ersetzt werden.
Als bei Tagesanbruch die Ägypter den Israeliten nachsetzten, kamen sie mit ihren Streitwagen in dem
schlammigen Untergrund nur mühsam vorwärts. Auf Gottes Gebot streckte Mose seine Hand gegen
das Meer aus. Der starke Wind hörte auf zu blasen, und das Wasser kehrte in sein altes Bett zurück,
ohne daß die Ägypter noch Zeit hatten, eines der beiden Ufer zu erreichen. Menschen und Pferde
ertranken elendiglich, und die Israeliten waren gerettet.
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"Als die Israeliten aber die große Wundertat sahen, die der HErr an den Ägyptern vollbracht hatte,
da fürchtete das Volk den HErrn, und sie glaubten an den HErrn und an seinen Knecht Mose"
(2. Mose 14,31).
Nachdem die Israeliten auf diese Weise durch das Eingreifen Gottes den Ägyptern entkommen waren,
zogen sie auf der Halbinsel Sinai in südlicher Richtung weiter. Der genaue Weg ist in 4. Mose 33,1-49
geschildert und kann auf Kartendarstellung (siehe unten) verfolgt werden. Bei der großen Anzahl von
Menschen stellten sich sehr schnell Schwierigkeiten mit der Wasser- und Nahrungsmittelversorgung
ein. Als sie nach drei Tagen in Mara (2. Mose 15,23) nur einen Brunnen mit bitterem Wasser vorfan-
den, verwandelte es Gott auf Moses Flehen in trinkbares Süßwasser.
Wüstenzug der Israeliten.
Entnommen (74, Spalte 1548)
Am fünfzehnten Tag des zweiten Monats ihrer Wanderung (2. Mose 16,1), also nach etwa 30 Tagen,
befanden sich die Israeliten in der Wüste Sin. Dort wurde die Verpflegungslage kritisch. Das Volk
hungerte, murrte und verlangte von Mose Brot und Fleisch. Letzterer wandte sich an Gott, der wiede-
rum aus einer Wolke heraus sprach, und für den Abend Fleisch und für den anderen Morgen Brot an-
kündigte. Tatsächlich fiel am Abend ein großer Schwarm Wachteln ein, der auf seinem Frühjahrsvo-
gelzug von Afrika kommend über das Rote Meer geflogen war. Ermattet wollten die Vögel im oder in
der Nähe des israelitischen Lagers rasten und konnten leicht mit der Hand eingefangen werden. Wach-
teln sind rebhuhnartige Feldhühner von etwa 20 cm Länge, die einen guten Happen hergeben.
Das "Brot" wurde am nächsten Morgen geliefert. Als die Israeliten aufwachten, sahen sie auf der
Wüstenfläche etwas Feines, Körniges liegen, das wie Reif aussah (2. Mose 16,14). Sie fragten einan-
der: "Was ist das?" auf hebräisch "man hu", und gaben ihm daher den Namen "Manna". Mose aber
sagte ihnen: "Dies ist das Brot, das der HErr euch zu essen gegeben hat." Bei genauerem Hinsehen
hatte das Manna äußerlich die Form und das Aussehen von Koriandersamen und schmeckte wie Ho-
nigkuchen (2. Mose 16,31). Man nimmt heute aufgrund von Expeditionsberichten (aus dem Anfang
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des neunzehnten und des zwanzigsten Jahrhunderts) an, daß es sich dabei um ein harzartiges Sekret
von Tamarisken handelt. Es wird von diesen Bäumen infolge eines Stiches der Schildläuse abgeson-
dert (53, S. 124). Es fällt zu Boden, hat die Form und Größe von Koriandersamen, ist zunächst weiß
und nimmt nach längerem Liegen eine gelblich-bräunliche Farbe an. Der Geschmack ist vergleichbar
dem von verzuckertem Honig. Dieses Manna gibt es auf der Sinai-Halbinsel heute noch. Sein Anfall
hängt von einem günstigen Winterregen ab und schwankt von Jahr zu Jahr. In guten Jahren können
dort lebende Beduinen etwa 1,5 kg pro Mann und Morgen einsammeln. Das muß aber schnell gesche-
hen, da sich sonst mit steigender Tagestemperatur die Ameisen darüber hermachen.
Mit diesem Manna wurden die Israeliten während ihres langen, 40 Jahre dauernden Wüstenaufenthal-
tes versorgt, bis sie wieder in besiedeltes Gebiet an die Grenze Kanaans kamen (2. Mose 16,35).
Durch welchen wundersamen Vorgang es immer in ausreichendem Maß zur Verfügung stand, bleibt
uns verborgen. Doch gibt es auch aus anderen religiösen Bereichen Berichte über die paranormale
Vermehrung von Nahrungsmitteln (1. Könige 17,14; Matt. 14,18; Mark. 6,41; Luk. 9,13; Joh. 6,11),
sogar noch aus dem letztem Jahrhundert (29, S. 216).
Nach drei Monaten Wanderzeit kamen die Israeliten (2. Mose 19,1) in die Wüste Sinai und an den
Berg Sinai (oder Horeb), wo Mose Jahre zuvor als Hirte seines Schwiegervaters Jethro sein erstes
Berufungserlebnis gehabt hatte (2. Mose 3,2). Mose erstieg den Berg, erlebte wieder eine Verbindung
mit der Welt Gottes, und erhielt im Verlauf mehrerer Tage eine Reihe von Mitteilungen, vor allem
aber Aufträge und Gesetze. Gott sagte ihm (2. Mose 19,9):
"Ich werde diesmal in dichtem Gewölk zu dir kommen, damit das Volk es hört, wenn ich mit dir
rede, und dir für immer Glauben schenkt."
Eine Verheißung Gottes war (2. Mose 19,5):
"Wenn ihr meinen Weisungen willig gehorcht und meinen Bund haltet, so sollt ihr aus den
Völkern mein besonderes Eigentum sein; denn mir gehört die ganze Erde; ihr aber sollt mir ein
Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Israeliten ver-
künden sollst."
Zwei Tage später wurden Mose und seinem Bruder Aaron auf dem Berg Sinai die genauen Weisungen
Gottes mitgeteilt, die heute unter der Bezeichnung "Die zehn Gebote" bekannt sind (2. Mose 20,1-7).
Sie lauten in Kurzform zusammengefaßt:
1) Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir und dir kein Götterbild an-
fertigen.
2) Du sollst den Gottesnamen nicht mißbrauchen.
3) Du sollst den Sabbattag heilig halten. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Geschäfte verrichten.
Aber der siebte Tag ist ein Feiertag zu Ehren des HErrn, deines Gottes. Da darfst du keinerlei Geschäfte
verrichten, auch nicht deine Kinder, Knechte oder der Fremdling bei dir.
4) Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, damit du lange lebst in dem Land, das Gott dir geben
wird.
5) Du sollst nicht morden.
6) Du sollst nicht ehebrechen.
7) Du sollst nicht stehlen.
8) Du sollst kein falsch Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten.
9) Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
10) Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh, noch irgend etwas, was deinem
Nächsten gehört.
Zu diesen zehn Geboten kamen eine Vielzahl weiterer Rechtssatzungen, die dem Schutz der einzelnen
Menschen und der Gemeinschaft dienen sollten. Zugleich wurden auch die zu verhängenden Strafen
festgesetzt. Es handelte sich um ein umfangreiches Werk des Bürgerlichen- und des Strafrechtes.
Ein gekaufter hebräischer Sklave sollte z. B. nach sechs Dienstjahren unentgeltlich freigelassen wer-
den. Ein geflüchteter Sklave durfte nicht an seinen früheren Herrn ausgeliefert werden (5. Mose
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23,16). Mord, Menschenraub und Menschenhandel, Körperverletzung mit Todesfolge und Verflu-
chung der Eltern sollte mit dem Tode bestraft werden (2. Mose 21, 12-18). Ein Fremdling sollte nicht
übervorteilt und bedrückt werden. Von einem Armen, dem man Geld geliehen hatte, durfte man keine
Zinsen nehmen. Das Recht eines Armen durfte bei Rechtsstreitigkeiten nicht gebeugt werden usw.
Die Strafen für Diebstahl, Unterschlagung und Körperverletzung waren Wiedergutmachung und Scha-
denersatz. Wenn aber keine Wiedergutmachung und Schadenersatz möglich waren, weil z. B. ein blei-
bender Leibesschaden entstanden war (2. Mose 21,23), und der Betreffende nicht anderweitig entschä-
digt werden konnte (z. B. durch Freilassung aus der Sklaverei), so sollte gelten: Leben um Leben,
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Wunde um Wunde, Strieme um Strieme. Diese Ge-
setze wurden später noch erweitert.
Besonders sozialschädliche Taten wurden in den Gesetzen mit dem Tode bedroht, z. B. Ehebruch mit
einer verheirateten Frau (3. Mose 20,10), Blutschande (3. Mose 20,17), Homosexualität unter Män-
nern (3. Mose 18,22 u. 20,13), Unzucht mit Tieren (Sodomie) (3. Mose 18,23 u. 20,15-16), alles Taten,
die damals wie heute bei allen Völkern gang und gäbe waren und dem sittlichen Zusammenleben der
Menschen untereinander in stärkstem Maße schadeten. Dazu kam bei Androhung der Todesstrafe das
Verbot der Opferung von Kindern (3. Mose 20,2) an heidnische Gottheiten (z. B. Moloch), eine bei
heidnischen Völkern vielgeübte Praxis.
Die Schwere der angedrohten Strafen zeigt die Bedeutung, die Gott diesen Vergehen beimaß. Außer-
dem gab es bei einem durch die Wüste ziehenden Volk keine Gefängnisse. Freiheitsstrafen schieden
daher aus. Und dort, wo keine Wiedergutmachung möglich war, mußten die Strafen abschreckend
wirken, um die Gemeinschaft vor dem Verbrechen ausreichend zu schützen. Heutzutage wird manch-
mal der Grundsatz "Auge um Auge, Zahn um Zahn" als barbarisch und reines Rachedenken angese-
hen. Das ist aber nicht so. Damals war diese Rechtsnorm ein außerordentlicher juristischer Fortschritt.
Dadurch wurde der Interessenausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem aus der Privathand in
die Hand der Gemeinschaft gelegt. Vorher galt weitgehend, wie auch heute noch in manchen orientali-
schen Ländern unter der Hand geübt, das Gesetz der Blutrache. Und das sah in der Praxis so aus:
"Zwei Augen für ein Auge, zwei Zähne für einen Zahn". Dieser ausufernden Selbstjustiz sollte ein
Riegel vorgeschoben werden.
Die zehn Gebote erhielt Mose während eines 40-tägigen Aufenthaltes auf dem Berg Sinai von Gott
auch noch schriftlich, eingraviert auf Steintafeln (2. Mose 24,12). Bei diesem Vorgang war der Berg-
gipfel wiederum in dichtes Gewölk gehüllt.
Zu den Gesetzen kamen später noch umfangreiche Vorschriften für die Ernährung, die Kleiderord-
nung, die Viehzucht und die Landwirtschaft. Keiner sollte den anderen übervorteilen (3. Mose 25,17).
Der Sinn der zahlreichen Speisegesetze, die Einteilung in reine und unreine Tiere, ist uns heute unver-
ständlich. Die damals dahintersteckenden Gründe wurden 1923/24 dem Pfarrer Johannes Greber (sie-
he S. 63ff) aus der jenseitigen Welt erläutert und sind in dem Buch (29) S.101 geschildert. Die Speise-
gesetze wurden erst von Christus für seine Anhänger außer Kraft gesetzt, denn er sagte (Mark. 7,18):
"Alles was von außen her in den Menschen hineingeht, vermag ihn nicht zu verunreinigen, weil es
ihm nicht ins Herz hineingeht, sondern in den Leib, und auf dem natürlichen Weg, der alle Speisen
reinigt, wieder ausgeschieden wird."
Der Bund, den Gott Jahwe mit den Israeliten schloß, begründete eine Religion, die weit über das hin-
ausging, was die heidnischen Religionen vorher und nachher zu bieten hatten. Gott versprach Schutz,
Hilfe und Gnade allen denen, die ihm dienten, ihn liebten und seine Gesetze hielten (5. Mose 5,10). Er
gebot die Ausübung von Gerechtigkeit und Hilfe gegenüber den Mitmenschen, den Armen, den Wit-
wen und den Schwachen. Er verordnete den arbeitsfreien Sabbat und das Sabbat-Jahr (3. Mose 25,4)
als Ruhezeit jedes siebte Jahr für die landwirtschaftliche Nutzfläche. Er gebot das Hall-Jahr (Hall =
nach der Art der Ankündigung durch den Hall der Widderhörner), das alle 50 Jahre stattfinden sollte
(3. Mose 25,10). In diesem Jahr mußten alle hebräischen Sklaven ihre Freiheit erhalten und alles Ge-
kaufte oder abgetretene Land an die ursprünglichen Eigentümer unentgeltlich zurückgegeben werden.
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Jedem Israeliten, der Besitz und Freiheit verloren hatte, wollte Gott auf diese Weise die Möglichkeit
zusichern, sein Leben unter gleichen Bedingungen noch einmal neu anzufangen.
Diese Religion stellte damals (mit heutigen Worten ausgedrückt) eine ungeheure soziale Errungen-
schaft dar, zumindest wenn alles so durchgeführt worden wäre, wie Gott es angeordnet hatte. Gleich-
zeitig stellte Gott aber auch strenge Strafen allen denen in Aussicht, die ihn haßten (5. Mose 5,9) und
ihm nicht dienten und dafür den anderen Göttern, den Widersachern des Gottes Jahwe, anhingen. Über
deren Einordnung in das Weltgeschehen wird in späteren Kapiteln näheres gesagt werden, wenn der
göttliche Erlösungsplan erörtert wird.
Der Abfall und die Rückkehr zu den heidnischen Gottheiten war die ständige große Gefahr für den
Glauben an Gott Jahwe. In der heidnischen Umgebung hätte er sehr leicht wieder zum völligen Erlö-
schen kommen können. Und der erste Abfall kam schneller, als man gedacht hätte. Während Mose die
40 Tage auf dem Berg Sinai weilte, um dort die Steintafeln mit den Geboten Gottes entgegenzuneh-
men (2. Mose 24,12), wurden die Israeliten in ihrem Lager bereits ungeduldig und bezweifelten, ob
Mose überhaupt zurückkommen würde. Sie gingen dazu über, aus ihrem mitgeführten Goldschmuck
ein Götzenbild, ein goldenes Kalb (oder Stierbild), anzufertigen und zu ihrem neuen Gott zu erklären
(2. Mose 32,1-6). Gott bemerkte dieses Tun und teilte es Mose, der sich noch auf dem Berg Sinai be-
fand, mit. Er sagte (2 Mose 32,9):
"Ich habe dieses Volk beobachtet und sehe wohl: es ist ein halsstarriges Volk. Nun so laß mich,
daß mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte! Dich aber will ich zu einem großen Volk
machen."
Mose versuchte zunächst, Gott zu beschwichtigen und zu besänftigen. Dann stieg er mit den beiden
Gesetzestafeln von Berg Sinai herunter. Als er im Lager ankam, hörte er lautes Jubelgeschrei und sah
die Tausenden von Israeliten und das goldene Stierbild. In loderndem Zorn (2. Mose 32,19) zertrüm-
merte er zuerst die mitgebrachten steinernen Gesetzestafeln und zerstörte anschließend das goldene
Götzenbild. Dann forderte er die Israeliten auf, zu Gott zurückzukehren mit den Worten (2. Mose 32,
26): "Her zu mir, wer es mit dem Herrn hält!" Alle, die dieser Aufforderung nicht Folge leisteten, ließ
er durch die Leviten mit dem Schwert erschlagen. Das waren an diesem Tag gegen 3.000 Mann
(2. Mose 32,28).
Am nächsten Tag bestieg Mose erneut den Berg Sinai und bat für das Volk um Vergebung. Diese
wurde von Gott unter dem Vorbehalt eines möglicherweise später noch erfolgenden Strafgerichtes
gewährt. Jedoch wollte er nicht mehr selbst das Volk Israel auf seiner Wanderung führen, sondern dies
durch einen Engel vollbringen lassen (2. Mose 32,34).
Später wurden auch die beiden zerstörten Gesetzestafeln ersetzt. Gott sagte zu Mose (2. Mose 34,1):
"Haue dir zwei Steintafeln zurecht, wie die ersten waren, dann will ich auf die Tafeln die Worte
schreiben, die auf den ersten Tafeln gestanden haben und die du zertrümmert hast.
Der Bund mit dem Volk Israel wurde erneuert und außerdem zugesichert, die Völker des verheißenen
Landes, in das die Israeliten ziehen sollten, zu vertreiben. Gleichzeitig verlangte aber Gott, mit diesen
Bewohnern keinen Vertrag zu schließen, mit ihnen keine Ehen einzugehen, und statt dessen ihre Altä-
re und sonstigen Kultstätten zu zerstören (2. Mose 34,14). Jeder Kontakt mit den heidnischen Nichtis-
raeliten (Arnoriter, Kanaanäer, Jebusiter usw.) sollte vermieden werden, um nicht wieder ein Anlaß
zu erneuten Abfall von Gott zu werden.
Diesmal waren die Israeliten bei ihrem Abfall von Gott mit nur 3.000 Toten noch relativ glimpflich
davongekommen. Einige Zeit später waren die Verluste aber vermutlich größer. Erneut waren die
Israeliten rebellisch geworden und beklagten sich laut über die ungenügende Verpflegungslage. Jeden
Tag nur Manna hing ihnen allmählich zum Halse heraus (4. Mose 11,6). Sie lobten die Verhältnisse im
alten Ägypten mit seinen Gurken, Melonen, Zwiebeln, Knoblauch und Fisch und verlangten energisch
nach Fleisch. Gott war darüber sehr verärgert, aber er sicherte ihnen zu (4. Mose 11,18):
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"Darum wird der HErr euch Fleisch geben, damit ihr zu essen habt. Nicht nur einen Tag sollt ihr es
zu essen haben, auch nicht nur zwei oder fünf oder zehn oder zwanzig Tage; nein einen ganzen
Monat lang, bis es euch zur Nase herauskommt und es euch zum Ekel wird! Denn ihr habt den
HErrn, der in eurer Mitte weilt, mißachtet."
Tatsächlich fielen wenig später erneut große Wachtelschwärme um das Lager herum ein. Da sie ver-
mutlich von einem langen Flug ermattet waren, konnten sie von den Israeliten in großen Mengen mit
den Händen gefangen werden. Aber während sie noch beim Verzehr der Wachteln waren, also noch
innerhalb des angekündigten Monats, heißt es (4. Mose 11,33):
"Da entbrannte der Zorn des HErrn gegen das Volk, und der HErr ließ ein verheerendes Sterben
unter dem Volk ausbrechen."
Es wird nicht gesagt, wieviele Menschen dabei zugrunde gingen. Haben die Israeliten vielleicht
Wachteln gegessen, die nicht genügend gedörrt waren, und haben sie sich eine Lebensmittelvergiftung
zugezogen? Wahrscheinlich war es wohl so und wurde dann als Strafgericht Gottes gedeutet.
Aber dieser Denkzettel hielt auch nicht lange an. Die Israeliten waren inzwischen bei Kades im Gebiet
der heutigen ägyptisch-israelischen Grenze am Rande der Negev-Wüste (Wüste Pharan) angekom-
men. Auf Geheiß Gottes (4. Mose 13,1) sandte Mose zwölf Kundschafter aus, um das verheißene Land
Kanaan auf seine Beschaffenheit, Bevölkerungszahl, Festungsanlagen und militärische Verteidigung
zu erkunden. Als sie nach fast zwei Monaten zurückkehrten, schilderten sie zwar das Land als von
Milch und Honig überfließend, berichteten aber zugleich, daß es stark befestigt sei und erklärten
(4. Mose 13,31): "Wir sind nicht imstande, gegen das Volk hinaufzuziehen, denn es ist uns zu stark."
Dann entwarfen sie den Israeliten eine schlimme Schilderung von dem Lande, das sie ausgekund-
schaftet hatten, mit den Worten:
"Das Land, das wir durchzogen haben, um es auszukundschaften, ist ein Land, das seine Bewohner
frißt; und alles Volk, das wir darin gesehen haben, sind hochgewachsene Leute. Auch die Riesen
haben wir dort gesehen, die Enakssöhne vom Geschlecht der Riesen. Wir kamen uns selbst gegen
sie wie Heuschrecken vor, und ebenso erschienen wir ihnen."
Dieser Bericht wirkte auf die Israeliten niederschmetternd. Sie begannen laut zu wehklagen und gegen
Mose und seinen Bruder Aaron aufzubegehren. Sie befürchteten, in den kommenden Kämpfen umzu-
kommen, verlangten daher, nach Ägypten zurückgeführt zu werden und machten Miene, sich für diese
Aufgabe einen neuen Anführer zu wählen. Da heißt es in der Bibel (4. Mose 14,10):
"Als nun die ganze Gemeinde schon daran dachte, sie (Mose und Aaron) zu steinigen, erschien die
Herrlichkeit des Herrn allen Israeliten am Offenbarungszelt, und der HErr sagte zu Mose:
'Wie lange will dieses Volk mich noch verhöhnen und wie lange noch mir kein Ver-
trauen schenken, trotz aller Wunderzeichen, die ich unter ihnen getan habe? Ich will
sie mit der Pest schlagen und sie ausrotten. Dich aber will ich zu einem Volk
machen, das größer und stärker ist als sie!'"
Mose versuchte nun, Gott zu besänftigen und appellierte an seine Langmut und Gnade (4. Mose
14,18). Schließlich lenkte Gott ein und sagte (4. Mose 14,20):
"Ich habe ihnen vergeben, wie du es erbeten hast. Aber wahrlich, so wahr ich lebe und so wahr die
ganze Erde von der Herrlichkeit des HErrn erfüllt werden soll: alle die Männer, die meine Herr-
lichkeit und meine Wunderzeichen, die ich in Ägypten und in der Wüste getan habe, gesehen und
mich trotzdem nun schon zehnmal versucht und nicht auf meine Weisungen gehört haben, sie sol-
len das Land, das ich ihren Vätern zugeschworen habe, nicht zu sehen bekommen! Nein, keiner
von allen, die mich verhöhnt haben, soll es zu sehen bekommen. Nur meinen Knecht Kaleb, der
einen anderen Geist gezeigt und mir vollen Gehorsam bewiesen hat, den will ich in das Land brin-
gen, das er schon einmal (als Kundschafter) betreten hat, und seine Nachkommen sollen es besitzen
In der Wüste hier sollen eure Leiber tot hinfallen, und zwar ihr alle, die gemustert worden sind, ihr
alle vollzählig von zwanzig Jahren an und darüber, die ihr gegen mich gemurrt habt. Ihr sollt
nimmermehr in das Land kommen, das ich euch durch einen Eid zum Wohnsitz zugesagt habe,
keiner außer Kaleb, dem Sohne Jephunnes, und Josua, dem Sohne Nuns. Eure kleinen Kinder aber,
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von denen ihr gesagt habt, sie würden (den Feinden) zur Beute werden, die will ich hineinbringen,
und sie sollen das Land kennenlernen, das ihr verschmäht habt. Eure eigenen Leiber aber sollen in
der Wüste hier tot hinfallen, und eure Söhne sollen vierzig Jahre lang als Hirten in der Wüste um-
herziehen und für euren treulosen Abfall von mir büßen, bis eure Leiber in der Wüste aufgerieben
sind.
Nach der Zahl der vierzig Tage, in denen ihr das Land ausgekundschaftet habt - immer ein Tag für
ein Jahr gerechnet - sollt ihr vierzig Jahre lang für eure Verschuldungen büßen und sollt erfahren,
was es auf sich hat, wenn ich mich von euch abwende! Ich, der HErr, habe es ausgesprochen!
Wahrlich, so will ich mit dieser ganzen nichtswürdigen Gemeinde verfahren, die sich gegen mich
zusammengerottet hat: in der Wüste hier sollen sie aufgerieben werden, und hier sollen sie
sterben!"
Hier mag nun mancher einwenden, daß dies doch ein allzu strenges Verfahren sei. Vielfach wird heut-
zutage gesagt, daß dieser Gott Jahwe eben nur der rachsüchtige Stammesgott eines Wüstenvolkes
gewesen sei und grundverschieden von dem späteren Gott Jesu Christi. Dieser sei ein Gott der Liebe
gewesen. Auch das Gebot von Jahwe an die Israeliten, gewisse heidnische Völker auszurotten, habe
nichts mit Liebe zu tun. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich Christus nie von dem Gott seiner israe-
litischen Vorväter distanziert hat, sondern ihn im Gegenteil immer als seinen Gott und Vater bezeich-
net hat, von dem er ausgegangen und geschickt sei (Joh. 17,6-8).
Zweitens steckt hinter dem harten Vorgehen Gottes ein Heils- und Erlösungsplan (29, S. 279-297), der
den damaligen Israeliten und den meisten Menschen der heutigen Zeit überhaupt nicht bekannt ist.
Über ihn wird später noch Genaueres berichtet werden. Jetzt nur so viel: Es war damals unbedingt
wichtig, daß das Wissen um den Weltenschöpfer und den alleinigen Gott und der Dienst für ihn nicht
verloren gingen. Diese Gefahr bestand aber ständig durch den Einfluß der heidnischen Nachbarvölker
und den Kleinglauben und die Verführbarkeit der Israeliten.
Erinnern wir uns zudem daran, daß aus Ägypten nicht nur Israeliten, sondern auch viel "zusammenge-
laufenes Volk" (2. Mose 12,38) mit ausgezogen war, also Leute, die sicher im Heidentum ihre Grund-
lage hatten. Sie waren nur mitgegangen, um der ägyptischen Knechtschaft zu entgehen, aber nicht aus
religiöser Überzeugung. Daher hatte Gott zu der damaligen Generation der Israeliten und ihrem Troß
einfach kein Vertrauen mehr. Er sah es als zu gefährlich an, sie den erneuten Versuchungen und Ver-
führungen der heidnischen Nachbarvölker auszusetzen. Es wäre dann zu leicht möglich gewesen, daß
das Volk insgesamt zu den heidnischen Göttern zurückkehrte. Dann wäre der wahre Gottesglaube
wieder vollständig zum Erlöschen gekommen. Daher ließ Gott in der Abgeschiedenheit der Negev-
Wüste im Verlauf von 38 Jahren eine neue Generation heranwachsen, von der er hoffte, daß sie seinen
Geboten gegenüber folgsamer sein würde, als ihre Eltern es waren.
Es folgten übrigens nach dem oben erwähnten Vorfall noch weitere Meutereien (4. Mose 16,1-35; 4.
Mose 17,6-16; 4. Mose 20,2; 4. Mose 21,5), die sämtlich mit aller Strenge niedergeschlagen wurden.
So gab es bei einem Aufruhr 14.700 Tote (4. Mose 17,14). Aber auch bei der nachfolgenden Generati-
on erfolgten unliebsame Vorkommnisse. Als sich die Israeliten 40 Jahre nach dem Auszug aus Ägyp-
ten an die Eroberung des verheißenen Landes machten und bereits bis Sittim nördlich des Toten Mee-
res gekommen waren, wird berichtet (4. Mose 25,1):
"Da fing das Volk an, mit den Moabitinnen Unzucht zu treiben. Diese luden das Volk zu den Op-
ferfesten ihrer Götter ein, und das Volk nahm an ihren Opfermahlen teil und betete ihre Götter an.
Als nun die Israeliten sich so an Baal-Peor gehängt hatten, entbrannte der Zorn des HErrn gegen
Israel."
Diesmal wurden auf Anordnung Gottes durch die von Mose (4. Mose 25,9) eingesetzten Richter
24.000 Abtrünnige umgebracht. Nach diesem Vorfall wurde eine erneute Volkszählung vorgenom-
men. Die Gesamtzahl der männlichen Israeliten von 20 Jahren an aufwärts ergab 601.730 Gemusterte,
also praktisch so viele wie bei dem Auszug aus Agypten.
Weder Aaron (der erste Hohepriester) noch sein Bruder Mose konnten in das verheißene Land Kanaan
einziehen. Aaron starb im 40. Jahr nach dem Auszug aus Ägypten auf dem Berg Hor, südwestlich des
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Toten Meers (4. Mose 33,38). Mose durfte noch vom Berg Nebo aus (15 km nordöstlich der Nordspit-
ze des Toten Meers) das verheißene Land Kanaan sehen (5. Mose 32,49), aber den Jordan nicht mehr
überschreiten. In einer langen Abschiedsrede (5. Mose 29ff) gab er seinen Landsleuten sein Ver-
mächtnis und seine Ermahnungen mit auf den Weg. Ein wesentlicher Satz daraus lautet (5. Mose
30,19):
"Ich rufe heute den Himmel und die Erde zu Zeugen gegen euch an: Das Leben und den Tod habe
ich euch vorgelegt, den Segen und den Fluch. So wähle denn das Leben, damit du am Leben
bleibst, du und deine Nachkommen, indem du den HErrn, deinen Gott, liebst, seinen Weisungen
gehorchst und fest an ihm hältst; denn davon hängt dein Leben und die Dauer deiner Tage ab,
während du in dem Lande wohnst, dessen Verleihung der HErr deinen Vätern Abraham, Isaak und
Jakob zugeschworen hat."
Hierin stehen herausragend die Worte "Leben" und "Tod", "Segen" und "Fluch". Dabei haben "Leben"
und "Tod" eine doppelte Bedeutung: einmal im Sinne des Lebens und Sterbens auf dieser Erde im
Land Kanaan, zum anderen aber in der Hauptbedeutung: "Leben" als Leben in der Gefolgschaft Got-
tes und im Gehorsam ihm gegenüber, und "Tod" als Abfall und Trennung von Gott. Bei letzterem
spricht man auch von dem sogenannten "Geistigen Tod". Und mit den in der Bibel oft erwähnten "To-
ten", die man nicht befragen soll, sind die "Geistigen Toten" gemeint, die von Gott abgefallenen We-
senheiten der jenseitigen Welt, die heidnischen Götter und ihr Anhang.
Zum Schluß seines Lebens berief Mose seinen langjährigen Mitarbeiter Josua zu seinem Nachfolger
(5. Mose 31,7). Dieser leitete dann als fähiger Heerführer die militärische Eroberung des Landes
Kanaan westlich des Jordan. Damit wurde ein neuer Abschnitt der wechselhaften Geschichte des
Volkes Israel eingeleitet. Sie führte schließlich zur Geburt des Messias und Gottessohnes Jesus Chris-
tus (des Gesalbten) in Bethlehem im Jahre 7 v.Chr. Er war es, der den Erlösungsplan Gottes weiter-
führte, der durch Mose für die Israeliten und die ganze Welt seine Vorbereitung gefunden hatte. Ohne
den Auszug aus Agypten, die Loslösung vom Heidentum und die harten Strafen Gottes, um die Israe-
liten in der Gefolgschaft Gottes zu halten, wären die Voraussetzungen zur Menschwerdung des Sohnes
Gottes gar nicht gegeben gewesen.
Der Jenseitsverkehr in der Mosaischen Religion, im frühen Christentum und in der
heutigen Zeit
In dem vorangehenden Abschnitt wurde erläutert, in welcher Weise Gott das Wissen um seine
Existenz und seine Gesetze einem von ihm auserwählten Volk einpflanzte und wie er dieses lenkte und
bei Bedarf auch hart bestrafte. Im folgenden soll die Art und Weise, wie die Verbindung mit der Welt
Gottes und überhaupt der jenseitigen Welt ablief, näher beschrieben werden. Die dabei zur Anwen-
dung gekommenen Verfahren sind im Prinzip über die Jahrtausende hinweg gleichgeblieben und wer-
den bis heute angewendet.
Das Verbindungsglied oder der Vermittler bei der Nachrichtenübertragung aus der jenseitigen Welt
war und ist in den meisten Fällen jeweils ein auf dieser Erde lebender Mensch. Durch einen physika-
lisch und physiologisch noch unerforschten Wirkungsablauf wird paranormal von jenseitigen Wesen-
heiten in sein Nervensystem eingegriffen, werden Nervenzellen erregt, was dann zu einer Bewegung
von Muskeln oder zu einer visionären quasi-optischen oder quasi-akustischen Sinneswahr-nehmung
führt. Eine besondere Veranlagung, die wir als medial bezeichnen, ist Voraussetzung dafür, daß solch
ein Vorgang ablaufen kann. Das "Medium" ist dann gezwungen, etwas zu tun, z. B. zu schreiben, oder
es "sieht" oder "hört" etwas. Priester, Propheten, Medizinmänner oder Schamanen waren in früheren
Zeiten (oder sind es zum Teil heute noch) meist die Personen, denen die Verbindung mit der jenseiti-
gen Welt oblag.
Ein einfaches mechanisches Gerät zum Nachrichtenempfang von jenseitigen Wesenheiten ist das Oui-
Ja-Brett, oft auch Planchette genannt (siehe unten). Es handelt sich dabei um eine Art Zeigertelegraph.
Bei ihm sind auf einer Papptafel oder einem Holzbrett die Buchstaben des Alphabetes und die Zahlen
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aufgezeichnet. Darauf wird ein leicht verschieblicher Gegenstand, ein Holz- oder Pappzeiger oder ein
Likörglas (daher der Name "Glasrücken") gelegt bzw. gestellt. Eine oder mehrere Versuchspersonen
berühren leicht mit einem oder mehreren Fingern diesen Anzeigegegenstand. Wenn unter ihnen eine
oder mehrere medial veranlagte Personen sind, kann sich nach einer gewissen Zeit der Gegenstand
unter dem Einfluß der aufliegenden Finger bei Ansteuerung durch eine jenseitige Wesenheit in Bewe-
gung setzen und nacheinander einzelne Buchstaben anzeigen. Diese müssen dann abgelesen und
aufgeschrieben werden.
Oui-Ja-Brett (von franz. oui = ja und deutsch
ja), oft auch Planchette genannt, ein Gerät zum
Nachrichtenaustausch mit jenseitigen Wesen-
heiten. Von der Form her ist die Anordnung mit
den technischen Zeigertelegraphen des vorigen
Jahrhunderts verwandt.
Wenn der Vorgang ordnungsgemäß abläuft, können sinnvolle Nachrichten empfangen werden. Dabei
liegen die eigentlichen Aufnahme- und Empfangsorgane bei der oder den medialen Versuchspersonen.
Für sie unbewußt und unsichtbar werden die entsprechenden Nervenzellen von außen angeregt und
bewegen dann die Finger der medialen Menschen und damit das Anzeigegerät.
Dieses Verfahren läßt zunächst nur einen relativ langsamen Nachrichtenfluß zu, weil ja mechanisch
etwas bewegt, mit dem Auge abgelesen und dann von Helfern aufgeschrieben werden muß. Wenn die
Arbeitsgruppe aber gut eingespielt ist, kann die Angelegenheit doch hinreichend schnell ablaufen. Ein
Beispiel dafür ist das nordamerikanische Medium Pearl Leonore Curran, geb. Pollard, geb. 15. 02.
1883, durch das sich eine jenseitige Wesenheit "Patience Worth" durch die Planchette mitteilte (80, S.
216 f. Ab 1913 gab dieses Wesen im Verlauf einiger Jahre eine große literarischen Produktion durch,
meist in romanhafter Form, deren Umfang auf etwa drei Millionen Wörter geschätzt wird.
Eine alte Form des heutigen Oui-Ja-Brettes ist das in der Bibel erwähnte Orakelbrustschild. Für die
Israeliten zur Zeit des alten Bundes waren die Priester und insbesondere der Hohepriester die Verbin-
dungsglieder zur jenseitigen Welt. Wie die Medizinmänner der Naturvölker mußten sie über die be-
sondere Veranlagung verfügen, die wir als medial bezeichnen. Dem ersten Propheten der Israeliten,
Mose, war genauestens aufgetragen worden, wie und woraus die Amtstracht der Priester (der erste war
sein Bruder Aaron) anzufertigen war (2. Mose 28,6 f). Die wichtigsten Teile waren das Schulterkleid
oder der Leibrock (hebr. "ephod"), das Orakel-Brustschild (oder wörtl. Brustschild der Rechtspre-
chung (2. Mose 28,15) und das goldene Stirnblatt mit der Inschrift "Dem Herrn geweiht"
(2. Mose 28,36).
Das Orakelschild, normalerweise über dem Schulterkleid auf der Brust getragen (siehe weiter unten),
besaß in vier Reihen 12 Edelsteine. Auf jedem von ihnen war ein Schriftzeichen eingraviert, entspre-
chend den Anfangsbuchstaben der Namen der zwölf Stämme Israels. Dadurch bildeten sie eine Art
Alphabet. Zu dem Orakelschild gehörten außerdem zwei kleine Gegenstände, sogenannte Losstei-ne
oder Lose, die Urim und Thummim hießen. (Urim und Thummim = Wahrheit und Klarheit oder wie
Luther es übersetzt = Licht und Recht. Der Bibelübersetzer Prof. Hermann Menge spricht vom lich-
tenden und schlichtenden Los). Sie wurden am oder im Orakelschild aufbewahrt. Es heißt in der An-
weisung Gottes für Mose (2. Mose 28,30):
"In das Orakel-Brustschild sollst du Urim und Thummim tun, damit sie auf dem Herzen Aarons
liegen, sooft er vor den Herrn tritt, und Aaron soll so das Orakel für die Israeliten beständig vor
dem Herrn auf seinem Herzen tragen".
Bei der Beschreibung der Einkleidung durch Mose heißt es (3. Mose 8,8):
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"Dann befestigte er auf demselben (gemeint ist das Schulterkleid) das Brustschild und tat die heiligen
Lose Urim und Thummim in das Brustschild hinein."
Beim Befragen Gottes band nun der Hohepriester das Brustschild vom Leibrock los und brachte es in
eine waagerechte Stellung. Dann nahm er die Lossteine Urim und Thummim aus dem Brustschild und
legte sie in die Zwischenräume zwischen den Edelsteinen. Anschließend berührte er sie mit seinen
Fingerspitzen ganz leicht. Unter dem Einfluß jenseitiger Wesen, nach Auffassung der Israeliten also
unter dem Einfluß Gottes oder eines seiner Engel, setzten sich die Lossteine, medial von den Fingern
des Hohenpriesters geschoben, in Bewegung. Möglicherweise bewegten sie sich auch paranormal
telekinetisch ohne Berührung durch den Hohenpriester. Die von ihnen angezeigten Buchstaben mußte
man sich merken oder aufschreiben und in der Reihenfolge, in der sie von den Lossteinen angezeigt
wurden, zu Worten zusammensetzen. Auf diese Weise konnten kürzere und längere Nachrichten über-
tragen und empfangen werden. Mancher wird vielleicht einwenden, daß die zwölf Edelsteine ja kein
vollständiges hebräisches Alphabet bildeten, das insgesamt 22 Buchstaben umfaßt. Aber mit Hilfe des
zweiten Lossteines war eine Doppelbelegung der Edelsteine möglich, ein Verfahren, wie es heute noch
in der Fernschreibtechnik bei der Buchstaben-Ziffern-Umschaltung angewendet wird.
Der Hohepriester der Israeliten in Amts-
tracht mit Leibrock (Ephod), Orakel-
brustschild, goldenem Stirnblatt (heiliges
Diadem), Opferschale und Räucherpfanne.
Entnommen (74, S.624)
Eine andere Beschreibung der Wirkungsweise des Orakelbrustschildes geht davon aus (29, S. 108),
daß zur Anzeige der jeweiligen Buchstaben auf den Edelsteinen das goldene Stirnblatt genommen
wurde. Es übernahm dabei die Funktion des Pappzeigers (siehe Bild des Qui-Ja-Bretts weiter oben).
Dazu mußte das heilige Diadem natürlich vom Kopf losgebunden und auf das waagerecht gehaltene
Orakelbrustschild gelegt werden. Die darübergehaltene oder leicht aufgelegte Hand des Hohenpries-
ters brachte es dann paranormal in Bewegung. Welches Verfahren nun tatsächlich angewandt wurde,
läßt sich heute natürlich nicht mehr entscheiden, ist für die Wirkungsweise aber auch unerheblich.
Vor ungefähr 3.300 Jahren war die Erfindung des Orakelschildes eine sehr wichtige Angelegenheit.
Weil mit ihm die Antworten und Anweisungen Gottes unter weitgehender Ausschaltung von Mißver-
ständnissen durch ein regelrechtes Telegramm gegeben werden konnten, gab man den dazu erforderli-
chen Lossteinen die Namen "Wahrheit und Klarheit".
Die Befragung Gottes, teils unmittelbar durch Mose, teils durch das Orakelbrustschild, wurde zunächst
im sogenannten Offenbarungszelt (oder Stiftshütte) (2. Mose 25,8 u. 26,1 u. 33,7) und später im Tem-
pel in Jerusalem vorgenommen. Das Offenbarungszelt war ein außerordentlich prächtiges transpor-
tables Heiligtum (2. Mose
36,8 f). Die Zeltdecken waren teils aus feinfädigem Leinengewebe
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(Byssus), mit blauem und rotem Purpur und Karmesin gefärbt, teils aus Ziegenhaar hergestellt. Das
Zeltdach hatte eine Schutzdecke aus rotgefärbten Widderfellen. Die vier Zeltsäulen aus Akazienholz
waren mit Gold überzogen und besaßen silberne Füße. Nach Fertigstellung des Offenbarungszeltes
heißt es in der Bibel (2. Mose 40,34):
"Als Mose so das ganze Werk vollendet hatte, verhüllte die Wolke das Offenbarungzelt, und die
Herrlichkeit des HErrn erfüllte die Wohnung, so daß Mose nicht in das Offenbarungszelt hinein-
gehen konnte, weil die Wolke sich auf dasselbe niedergelassen hatte, und die Herrlichkeit des
HErrn die Wohnung erfüllte. So oft sich nun die Wolke von der Wohnung erhob, brachen die Isra-
eliten auf während der ganzen Dauer ihrer Wanderungen. Wenn aber die Wolke sich nicht
erhob, brachen sie nicht auf bis zu dem Tage, an dem sie sich erhob. Denn bei Tage lag die Wolke
des HErrn über der Wohnung. Bei Nacht aber war sie, mit Feuerschein erfüllt, dem ganzen Hause
Israel sichtbar während der ganzen Dauer ihrer Wanderzüge."
Das Verfahren der Befragung Gottes wurde von den Israeliten vermutlich rund 750 Jahre hindurch
angewendet, bis sie in den Jahren 596, 586 und 582 v. Chr. durch König Nebukadnezar II (605 - 562
v. Chr.) von Neubabylonien in drei Schüben in die babylonische Gefangenschaft abgeführt wurden.
Damals wurde der Tempel in Jerusalem geplündert, und die Gerätschaften zur Befragung Gottes gin-
gen verloren. Es wird nirgendwo berichtet, daß sie später aufs neue angefertigt wurden.
Das Priesterkleid mit dem Orakelbrustschild war später nicht nur dem Hohenpriester vorbehalten,
sondern wurde in Kopien auch von anderen einflußreichen Personen verwendet. Die Anfragen bei
Gott sowie seine Antworten und Belehrungen erfolgten nicht nur über religiöse Dinge, sondern auch
über Fragen der Rechtsprechung, der Politik und der Kriegführung. Einige Beispiele mögen das erläu-
tern: Nachdem die Israeliten unter Josua das Land Kanaan teilweise erobert hatten und dort seßhaft
geworden waren, wurden sie von Richtern regiert. Ihre Nachbarvölker aber hatten Könige und dienten
heidnischen Göttern. Es dauerte nicht lange, bis auch die Israeliten wieder diesen fremden Göttern
anhingen (Richter 10,6). Das hatte ein Strafgericht Gottes zur Folge, indem er die Israeliten für 18
Jahre in die Gewalt der Philister und Ammoniter fallen ließ. Dazu berichtet die Bibel (Richter 10,10):
"Da riefen die Israeliten den HErrn laut um Hilfe an und bekannten: 'Wir haben gegen dich gesün-
digt, und zwar dadurch, daß wir unseren Gott verlassen und den Baalen gedient haben!' Da antwor-
tete der HErr den Israeliten: "Habe ich euch nicht von den Ägyptern und Amoritem, von den Am-
monitern und Philistern errettet? Und als die Sidonier, die Amalekiter und die Midianiter euch be-
drängten und ihr mich um Hilfe anrieft, habe ich euch da nicht aus ihrer Gewalt befreit? Ihr aber
habt mich verlassen und anderen Göttern gedient. Darum will ich euch hinfort nicht mehr erretten.
Geht hin und schreit um Hilfe zu den Göttern, die ihr euch erwählt habt. Die mögen euch helfen,
wenn ihr in Not seid!' Da beteten die Israeliten zum HErrn: 'Wir haben gesündigt! Verfahre mit
uns ganz so, wie es dir wohlgefällt, nur rette uns noch dies eine Mal!' Darauf entfernten sie die
fremden Götter aus ihrer Mitte und verehrten den HErrn. Da konnte er sein Erbarmen mit der Not
Israels nicht länger zurückhalten."
Es war nicht das letzte Mal, daß Gott Gnade vor Recht ergehen lassen mußte.
Um 1050 v. Chr. war der damalige Richter und Prophet Samuel alt geworden und hatte deshalb seine
beiden Söhne Joel und Abia zu seinen Nachfolgern als Richter bestellt (1. Samuel 8,1). Diese waren
aber korrupt, gingen auf Gewinn aus, nahmen Bestechungsgelder und beugten das Recht. Daraufhin
führten die Ältesten der Israeliten bei Samuel Klage und verlangten die Einsetzung eines Königs, der
hinfort herrschen und Recht sprechen sollte. Samuel war damit zwar nicht einverstanden, doch trug er
Gott im Gebet diese Forderung vor. Dieser antwortete auch, allerdings nicht durch das Orakelbrust-
schild, sondern durch innere Eingebung (Inspiration). Er sagte (1. Samuel 8,7):
"Komm der Forderung des Volkes in allem nach, was sie von dir verlangen! Denn nicht dich ha-
ben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, daß ich nicht (länger) König über sie sein
soll. Sie machen es jetzt mit dir ebenso, wie sie es mit mir immer gemacht haben seit der Zeit, wo
ich sie aus Ägypten hergeführt habe, bis auf diesen Tag, indem sie mich verlassen und anderen
Göttern gedient haben. So komm also ihrer Forderung nach; nur verwarne sie ernstlich, und weise
sie hin auf die Rechte des Königs, der über sie herrschen wird."
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Samuel führte den Auftrag aus und erteilte den Israeliten diese Belehrung (1 Samuel 8,11):
"Folgende Rechte wird der König haben, der über euch herrschen wird: Eure Söhne wird er neh-
men, um sie für sich bei seinen Kriegswagen und seinen Reitern zu verwenden: Er wird sie auch
vor seinem Wagen herlaufen lassen und sie als Befehlshaber über Tausend und als Befehlshaber
über Fünfzig für sich anstellen. Sie werden ferner seine Äcker pflügen müssen und seine Ernte
einbringen und ihm Kriegsgeräte und Wagengeschirr anzufertigen haben. Eure Töchter aber wird
er nehmen und sie zum Salbenbereiten, zum Kochen und zum Backen verwenden. Von euren
Äckern, euren Weinbergen und Ölbaumgärten wird er die besten nehmen und sie seinen Dienern
geben. Und von euren Saatfeldern und Weinbergen wird er den Zehnten erheben und ihn seinen
Hofleuten und Beamten geben. Eure Knechte und Mägde, eure schönsten Rinder und Esel wird er
nehmen und sie für seine Wirtschaft verwenden. Von eurem Kleinvieh wird er den Zehnten
erheben, und ihr selbst werdet ihm als Knechte dienen müssen. Und wenn ihr dann wegen eures
Königs, den ihr euch erwählt habt, zum HErrn schreit, so wird der HErr euch alsdann nicht erhö-
ren."
Trotz dieser Schilderung aller Nachteile beharrten die Israeliten auf ihrer Forderung (1 Samuel 8,19):
"Nein, es soll dennoch ein König an unserer Spitze stehen! Wir wollen es ebenso haben wie alle
anderen Völker: unser König soll uns Recht sprechen, soll unser Anführer sein und unsere Kriege
führen."
Gott suchte nun einen hochgewachsenen Mann namens Saul aus dem Stamm Benjamin als zukünfti-
gen König aus und führte ihn Samuel zu (1. Samuel 9,15), damit er ihn zum Fürsten salbe. Saul war
über die ihm zugedachte Aufgabe zunächst gar nicht erfreut. Als Samuel ihn nämlich wenig später der
Volksversammlung als neuen König vorführen wollte, war Saul nicht aufzufinden. Da heißt es in der
Bibel (1. Samuel 10,22): "Da fragte man nochmals beim HErrn an: 'Ist der Mann überhaupt herge-
kommen?'" Und dieses Nachfragen erfolgte nach Lage der Dinge mit Hilfe des priesterlichen Orakel-
brustschildes. Die Antwort lautete: "'Jawohl, er hält sich beim Gepäck versteckt.' Da eilte man hin und
holte ihn von dort. Und als er dann mitten unter das Volk trat, überragte er alle anderen um eines
Hauptes Länge. Da sagte Samuel zu dem ganzen Volk: 'Seht ihr wohl, wen der HErr sich erwählt hat?
Diesem kommt keiner im ganzen Volke gleich!' Da erhob das ganze Volk ein Jubelgeschrei und rief:
'Es lebe der König.'"
Saul herrschte als König für etwa 40 Jahre (Apg. 13,21). Er fügte den Ammonitern, Moabitern, Edomi-
tern und Philistern empfindliche Niederlagen zu (1. Samuel 14,47). Doch als er auf Gottes Befehl die
Amalekiter angriff, um sie samt ihrer Habe insgesamt zu vernichten (den Bann an ihnen zu vollstre-
cken), vollzog er diesen Auftrag nur ungenügend. Er ließ nämlich den Amalekiterkönig Agag am Le-
ben und verschonte auch die besten Stücke des Beuteviehs. Da erging das Wort des HErrn an Samuel
also:
"Es reut mich, daß ich Saul zum König gemacht habe, denn er hat sich vom Gehorsam gegen mich
abgewandt und meine Befehle nicht ausgerichtet (1. Samuel 15,10)."
Im Auftrag Gottes salbte Samuel nun einen jungen Mann namens David, jüngster Sohn von Isai aus
Bethlehem, zum neuen König (1. Samuel 16,13). Das bedeutete allerdings nicht, daß dieser die Herr-
schaft auch sofort antreten konnte. Zunächst trat David als Zitherspieler in den Dienst von König Saul,
um dessen trübe Gedanken zu vertreiben. Dann tötete er im Zweikampf vor einer Schlacht den Anfüh-
rer der Philister namens Goliath. Dieser war ein hünenhafter, kräftiger Mann mit Helm, Schuppenpan-
zer und Beinschienen. Mit einem Wurf aus seiner Steinschleuder traf David ihn an der Stirn. Goliath
fiel bewußtlos zu Boden, und David hieb ihm mit dessen eigenem Schwert den Kopf ab
(1. Samuel 17,50).
Nach dieser herausragenden Tat übertrug König Saul dem David das Kommando über eine Truppen-
abteilung. Mit ihr unternahm er so erfolgreiche Kriegszüge, daß Saul sehr schnell eifersüchtig wurde
und Angst vor ihm bekam. Daher sann er auf Davids Tod. Er hoffte, daß die Philister ihm diese Arbeit
im Kampf abnehmen würden. Als David aber immer erfolgreich von den Unternehmungen zurück-
kam, versuchte Saul selbst, ihn mit dem Speer an die Wand zu spießen. (1. Samuel
19,10).
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David konnte dem Wurf aber ausweichen und flüchtete zunächst in sein Haus und dann am nächsten
Tag zum Propheten Samuel nach Rama, etwa 50 km nordwestlich von Jerusalem. Über verschiedene
und zum Teil längere Zwischenaufenthalte, immer auf der Flucht vor König Saul, kam er schließlich
mit einer Privatarmee von 600 Mann und zwei Ehefrauen in die Dienste des Philisters Achis. Dieser
war der Sohn des Königs Maochs von Gath (35 km südwestlich von Jerusalem). Ersterer wies David
den Ort Ziklag (70 km südwestlich von Jerusalem) als Wohnort an (1. Samuel 27,6). Von dort aus
führte er mit seiner Privattruppe Raubzüge aus (1. Samuel 27,8), um dadurch seinen Lebensunterhalt
zu verdienen.
Inzwischen kam es zum Endkampf zwischen König Saul und den Philistern. In schwierigster militäri-
scher Lage erhielt Saul jedoch durch das Orakelbrustschild des Priesters keine Antwort mehr von Gott
(1. Samuel 28,6). In seiner Verzweiflung begab er sich verkleidet zu einer Totenbeschwörerin in En-
dor (20 km südöstlich von Bethlehem). Diese Frau würde man heute als Medium bezeichnen, durch
das sich verstorbene Menschen und andere jenseitige Wesenheiten kundgeben konnten. Zu damaliger
Zeit wurde aber über die Totenbeschwörer vor allem Verbindung zu den gottfeindlichen Geistwesen
aufgenommen, zu den Wesenheiten der heidnischen Religionen, zu den sogenannten "geistig Toten".
Daher war Saul von Gott aufgetragen worden (3. Mose 20,27), diese Totenbeschwörer zu beseitigen
(1. Samuel 28,3), um der ständigen Verführung der Israeliten durch sie und ihre jenseitigen Auftrag-
geber Einhalt zu gebieten. Die Totenbeschwörerin von Endor war bei dieser Maßnahme jedoch durch
die Maschen geschlüpft und daher noch im Lande. Bei ihr verlangte Saul, den inzwischen verstorbe-
nen Propheten Samuel zu sprechen, der ihn ja zum König gesalbt hatte. Von ihm wollte er Rat haben.
Samuel erschien auch tatsächlich, doch war er nur der Totenbeschwörerin hellsichtig wahrnehmbar.
Auf seine hilfeflehenden Fragen verkündete er Saul, daß ihn Gott wegen seines Ungehorsams ins Ver-
derben stürzen werde und daß er am kommenden Tag zusammen mit seinen Söhnen in der Schlacht
den Tod finden solle.
Als nun die Philister am anderen Morgen in diese Schlacht zogen, wurde David mit seiner Privatar-
mee wegen möglicher Unzuverlässigkeit als Bundesgenosse abgelehnt. Er kehrte daher mit seinen
Leuten in seinen Wohnort Ziklag im Philisterland zurück. Dabei stellte er fest, daß Ziklag inzwischen
von den Amalekitern geplündert und verwüstet worden war (1. Samuel 30,1). Alle Frauen und Kinder
waren verschleppt worden. Davids Leute waren darüber sehr aufgebracht und machten Miene, ihren
Anführer zu steinigen. Da befahl David dem Priester Abjathar (1. Samuel. 30,7): "Bringe mir das
Priesterkleid her! (also Leibrock und Orakelbrustschild)" David verfügte also ebenfalls über eine solche Gerät-
schaft. Als nun Abjathar das Verlangte zu David gebracht hatte, richtete dieser die Frage an den
Herrn: "Soll ich der Räuberschar nachsetzen? Werde ich sie einholen?" Da erhielt er die Antwort: "Ja,
verfolge sie! Du wirst sie sicher einholen und die Gefangenen befreien." David befolgte den Rat und
fand auf dem Weitermarsch einen zurückgelassenen ägyptischen Sklaven der Amalekiter. Dieser führ-
te dann ihn und seine Leute zu den Verfolgten. Während diese gerade ihren Sieg feierten, fiel
David über sie her, vernichtete sie und konnte Frauen und Kinder befreien.
Wegen der Wichtigkeit des Orakelbrustschildes für die Befragung Gottes und den Verkehr mit der
Jenseitswelt war dieses nicht nur bei den jeweiligen Hohenpriestern in Gebrauch, sondern es wurden
von vermögenden oder politisch bedeutenden Personen auch private Nachbildungen zum Hausge-
brauch angefertigt. Man sprach dann von einem "Gottesbild" oder einem "Hausgott". Es kann sich
dabei aber nicht um eine gegenständliche Abbildung von Jahwe oder einem heidnischen Gott gehan-
delt haben, denn deren Anfertigung war den Israeliten streng verboten.
So heißt es von einem Mann namens Micha vom Gebirge Ephraim, daß er seiner Mutter (Richter 17,1)
1.100 Silberstücke entwendet hatte. Sie wußte aber nicht, wer der Täter war. Als er sich jedoch ihr
gegenüber offenbarte und das Geld zurückerstattete, war sie darüber sehr gerührt und sagte (Richter
17,2):
"Gesegnet seist du vom HErrn, mein Sohn! ... Ich will das Geld dem HErm weihen aus meiner
Hand zugunsten meines Sohnes. Es soll ein geschnitztes und gegossenes Gottesbild davon angefer-
tigt werden."
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Sie gab dann 200 Silberstücke an einen Goldschmied, der daraus oder dafür das Gottesbild, also das
Orakelbrustschild, herstellte. Es wurde anschließend im Haus Michas aufbewahrt. Es heißt weiter
(Richter 17,5):
"So besaß denn dieser Micha ein Gotteshaus. Er ließ dann noch ein kostbares Schulterkleid und ei-
nen Hausgott anfertigen und stellte einen seiner Söhne an, daß er ihm als Priester diente. Zu jener
Zeit gab es noch keinen König in Israel. Ein jeder tat, was ihm beliebte."
Hier ist eine vollständige Priesterausrüstung beschrieben, wie sie zur Verbindungsaufnahme mit der
jenseitigen Welt erforderlich war. Einige Zeit später stellte Micha noch einen vorüberziehenden
Leviten aus dem Stamme Juda für 10 Silberstücke jährlich als zusätzlichen Priester an und dachte da-
bei (Richter 17,13):
"Jetzt bin ich gewiß, daß der Herr es mir wird glücken lassen, weil ich einen Leviten zum Priester
habe."
Aus folgendem geht hervor, daß bei Micha tatsächlich Jenseitsverbindung betrieben wurde. Fünf
kriegstüchtige Männer aus dem israelitischen Stamme Dan, die als Kundschafter unterwegs waren,
übernachteten in Michas Haus. Als sie von dem Leviten erfuhren, für welchen Zweck er angestellt
war, baten sie ihn (Richter 18,5):
"'Befrage doch Gott, damit wir erfahren, ob das Unternehmen, für das wir jetzt unterwegs sind,
glücklichen Erfolg haben wird.' Der Priester gab ihnen hierauf den Bescheid: 'Ziehet getrost hin.
Euer jetziges Unternehmen ist dem HErrn wohlgefällig.'"
Sehr edel und dankbar zeigten sich die fünf Daniten gegenüber dem Micha aber nicht. Als sie nämlich
ihren Kundschafterauftrag ausgeführt und dabei festgestellt hatten, daß in der Gegend von Lais eine
wohlhabende und sorglose Bevölkerung wohnte, veranlaßten sie ihre Stammesgenossen, die von ihnen
ausgekundschaftete Gegend zu überfallen und in Besitz zu nehmen. Mit 600 wohlbewaffneten Män-
nern brachen sie zu dieser Unternehmung auf. Als die fünf wiederum bei dem Anwesen Michas vor-
beikamen, erinnerten sie sich der Priesterausrüstung und ihres Wertes für militärische Vorhaben. Kur-
zerhand eigneten sie sich diese an. Als der Levit Widerspruch erhob, bedeutete man ihm (Richter
18,19): "Schweige still, lege dir die Hand auf den Mund. Komm mit uns und werde unser Vater und
Priester!" So nahmen sie den Leviten auch noch mit und raubten außerdem alle wertvollen Gegenstän-
de, das Vieh, Frauen und Kinder.
Micha war bei dieser Aktion entweder nicht zu Hause oder er stand wegen der Übermacht untätig
dabei. Als die Daniten aber abgezogen waren, mobilisierte er seine Nachbarn und setzte den Räubern
nach. Nachdem er sie eingeholt hatte, verlangte er energisch sein Eigentum zurück. Doch die Daniten
antworteten ihm höhnisch (Richter 18,25): "Laß dein Geschrei uns hier nicht länger hören, sonst könn-
ten erbitterte Männer über euch herfallen, und es könnte dich und deine Angehörigen das Leben kos-
ten!" Da blieb Micha bei der Übermacht der Daniten nichts anderes
übrig, als klein beizugeben.
Bei dem ganzen Ablauf des Geschehens kommen mir doch große Zweifel, ob es sich bei Micha wirk-
lich um eine Verbindung mit Gott Jahwe gehandelt hat. Micha war ein Dieb, der seine wohlhabende
Mutter bestahl. Um möglicherweise seiner Entdeckung zuvorzukommen, gestand er den Diebstahl.
Schließlich war es nicht ganz einfach, 1.100 Silberstücke zu verbergen und etwas davon auszugeben,
ohne daß die Mutter es merkte. Diese stiftete dann ein Orakelbrustschild, um den Diebstahl ihres Soh-
nes Gott gegenüber zu sühnen und diesen sich und ihrer Familie geneigt zu machen. Micha erhoffte
sich außerdem von ihm Unterstützung bei seinen geschäftlichen Unternehmungen. Die Daniten
benutzten es, um sich Rat für ihre Raubzüge zu holen. Und bei all dem soll Gott Jahwe, der Gerechte,
seine Unterstützung gegeben und mitgespielt- haben? Diese Orakelbrustschilde konnte man nämlich
nicht nur zum Verkehr mit Gott und der göttlichen Welt verwenden, sondern auch zur Verbindung mit
der gottfeindlichen, heidnischen Jenseitswelt. Der Wechsel vom einen zum anderen konnte und kann
auch heute noch für die beteiligten Menschen völlig unbemerkt ablaufen. Es muß also durchaus nicht
immer so sein, daß wie bei König Saul ein Orakelbrustschild oder ein anderes Verfahren zur Befra-
gung Gottes auf einmal keine Antwort mehr gibt, sondern daß die Antworten ohne erkennbare Unter-
brechung weiterlaufen, nur mit dem Unterschied, daß jetzt die Gegner Gottes die Absender sind.
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Von Gideon (der um 1200 v. Chr. lebte), dem Richter und erfolgreichen Heerführer der Israeliten
gegen die Midianiter, Amalekiter und andere Stämme, heißt es (Richter 8,27), daß er sich von der
Kriegsbeute einen kostbaren Ephod (also Schulterkleid mit Orakelbrustschild) anfertigen ließ. Er stell-
te diesen in seinem Wohnort Ophra auf (20 km südwestlich des Sees Genezareth), und ganz Israel
trieb dort Abgötterei mit ihm, so daß er für Gideon und sein Haus zum Fallstrick wurde. - Es ist völlig
unverständlich, daß Gideon sich an so etwas beteiligen oder es zumindest dulden konnte. Gott hatte
ihn doch durch das Erscheinen eines Engels ausdrücklich auserwählt und beauftragt, die Israeliten aus
der Gewalt der Midianiter zu befreien (Richter 6,14), in der sie sieben Jahre wegen ihres Ungehorsams
gegen Gott gelebt hatten. Großes Kriegsglück war ihm zuteil geworden, und das Land hatte 40 Jahre
lang Ruhe, solange Gideon lebte (Richter 8,28). Aber trotzdem leitete er den erneuten Abfall von Gott
ein. Die Bibel berichtet (Richter 8,33):
"Nach Gideons Tod aber trieben die Israeliten wiederum Götzendienst mit den Baalen und mach-
ten Bundesbaal zu ihrem Gott; denn die Israeliten dachten nicht mehr an den HErrn, ihren Gott,
der sie aus der Gewalt aller ihrer Feinde ringsum errettet hatte."
So nahe lagen also Gehorsam gegenüber Gott und Hilfe von ihm und das Überlaufen zu seinen
Widersachern beieinander. Und das erfolgte ständig während der wechselvollen Geschichte des israe-
litischen und später jüdischen Volkes.
Neben den Priestern mit dem Orakelbrustschild waren die sogenannten Propheten (von griech.
propheteuein = weissagen) Mittler zur jenseitigen Welt und zu Gott. Da sie unter ihren medialen Fä-
higkeiten meist auch die Gabe des "Hellsehens" besaßen, wurden sie in alten Zeiten auch "Seher" ge-
nannt (1 Samuel 9,9). Sie empfingen ihre Mitteilungen und Weisungen aus dem Jenseits durch
inneres "Stimmen-Hören", durch Inspiration (innere Eingaben), durch Visionen (innere bildhafte Ein-
drücke) und durch Träume. Die Propheten des Alten Bundes wurden meist durch Gott oder einen sei-
ner Beauftragten (Engel) in einer persönlichen Berufung und Bevollmächtigung ausgewählt, wobei
dann auch meist ein bestimmter Auftrag erfolgte. Einer solchen Berufung wurde nicht immer freiwil-
lig Folge geleistet. Wir sahen, daß bereits Mose seiner Berufung zuerst Widerstand entgegensetzte
(2. Mose 4,13). Aber auch später konnte er Gott gegenüber durchaus aufsässig werden. Als sich bei
dem auf S. 20 beschriebenen Ereignis die Israeliten über ihre ungenügende Verpflegungslage be-
schwerten (4. Mose 11,6) und er diese Klagen nun Gott vortrug, sagte er diesem unter anderem
(4. Mose 11,14):
"Ich allein vermag die Last für dieses Volk nicht zu tragen; sie ist für mich zu schwer! Willst du
trotzdem so mit mir verfahren, so bringe mich doch lieber gleich um, wenn du es gut mit mir
meinst, damit ich mein Unglück nicht länger anzusehen brauche!"
Besonders extrem war der Widerstand bei dem Propheten Jona (um 750 v. Chr.). Von ihm heißt es
(Jona 1,1):
"Einst erging das Wort des HErrn an Jona, den Sohn Amitthais, folgendermaßen: 'Mache dich auf,
begib dich nach der großen Stadt Ninive und kündige ihr an, daß ihr böses Tun vor mich gekom-
men ist!' Aber Jona machte sich auf den Weg, um aus dem Angesicht des HErrn hinweg nach
Tharsis zu fliehen."
Und dieses Tharsis lag in Spanien, also weit weg von Kanaan. Er buchte eine Schiffspassage und trat
die Seereise an. Doch bald brach ein verheerender Sturm aus. Das Schiff geriet in äußerste Seenot, und
alle Insassen beteten zu ihren jeweiligen Göttern um Hilfe. Als die Gefahr immer größer wurde, wür-
felte die Besatzung, um herauszubekommen, durch wessen Schuld dieses Unglück heraufbeschworen
wurde. Das Los traf Jona. Der hatte ein entsprechend schlechtes Gewissen und ließ sich mit seinem
Einverständnis von der Besatzung über Bord werfen. Sogleich legte sich das Toben des Meeres. Über
das Weitere berichtet die Bibel (Jona 2,1), daß Jona von einem großen Fisch verschlungen wurde und
sich in dessen Leib drei Tage und Nächte befand. In dieser Zeit betete er zu Gott und gelobte, hinfort
seine Aufträge auszuführen. Darauf gebot der Herr dem Fisch, Jona ans Land zu speien.
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Dieses Fisch-Erlebnis kann vermutlich nicht in dieser Form abgelaufen sein, da kein Fisch oder Wal
bekannt ist, der fähig wäre, einen Menschen unzerkaut zu verschlucken und in seinem Magen, ohne
ihn zu verdauen, auch den nötigen Sauerstoff zum Atmen zur Verfügung zu stellen. Da das Ereignis
aber nicht auf hoher See, sondern dicht unter Land stattfand (Jona 1,13), ist es durchaus denkbar, daß
Jona bewußtlos an Land gespült wurde, und in seiner Bewußtlosigkeit dieses Erlebnis als eine Art
Traum nur innerlich durchlitt. Vielleicht hat sogar ein Delphin zu seiner Lebensrettung beigetragen. Es
gibt Berichte darüber, daß Delphine gelegentlich Schiffbrüchigen zur Hilfe kommen, d. h. sie von
unten stützen, damit sie nicht ertrinken. Wesentlich ist bei diesem Ereignis, daß Jona umgestimmt
wurde, und nun bereit war, Gottes Auftrag auszuführen.
Von seiner Berufung an war der Prophet ein Knecht Gottes. Dieser selbst lenkte sein Leben bis in den
privaten Bereich hinein, z. B. bei der Bestimmung der Ehe und der Namensgebung der Kinder. Der
Prophet stand dem Volk Israel gegenüber als der bevollmächtigte Bote Gottes, der ein Wächteramt
ausübte und sein Volk mahnte, seine Sünden bloßlegte und ihm die Bestrafung ankündigte. Damit
geriet er oft in Gegensatz zu seinem Volk und lebte in der furchtbaren Spannung zwischen dem Auf-
trag Gottes und der Zugehörigkeit zum Volke Israel. Diese konnte so stark sein, daß der Prophet sein
Leben verfluchte.
Jeremia (Prophet von 627 - 580 v.Chr.) war schon vor seiner irdischen Geburt von Gott zum Prophe-
ten geweiht (Jer. 1,4). 50 Jahre rief er sein Volk zur Buße und kündigte göttliche Strafen an. Jede sei-
ner Ankündigungen erfüllte sich, und doch folgte man nie den Anweisungen Gottes. Der Überliefe-
rung nach wurde er 580 v. Chr. von Juden in Ägypten sogar zu Tode gesteinigt. Dieser Jeremia sagte
Gott in seiner Verzweiflung (Jer. 20,14):
"Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde! Der Tag, an dem meine Mutter mich geboren
hat, bleibe ungesegnet. … Warum nur bin ich aus dem Mutterschoß zur Welt gekommen? Doch
nur, um Mühsal und Herzeleid zu erleben und damit meine Tage in Schande vergingen!"
Die Verbindungsaufnahme der Propheten mit der jenseitigen Welt setzte bei ihnen eine Veranlagung
voraus, die wir heute als medial bezeichnen. Sie konnte so stark angelegt sein, daß die Fähigkeit zum
Jenseitsverkehr spontan zum Durchbruch kam (wie z. B. bei Mose) oder aber erst in sogenannten Pro-
phetenschulen entwickelt und trainiert werden mußte. Bekannt geworden sind die Prophetenschulen
des Samuel (um 1050 v. Chr.) bei Rama (1. Samuel 19,19) und des Elisa (um 850 v. Chr.,
2. Könige 6,1).
Es gab in Israel jeweils nicht nur einen Propheten zur Zeit, also nicht nur die bedeutenden und her-
rausragenden Männer und Frauen, die in der Bibel mit Namen genannt werden, sondern darüberhinaus
noch zahlreiche weniger bedeutende Propheten. Das geht einmal aus dem Vorhandensein der Prophe-
tenschulen hervor und zum anderen aus Berichten der Bibel, z. B. in 1. Könige 22,5, wo berichtet
wird, daß König Ahab von Israel (875 - 854 v. Chr.) vor einer kriegerischen Unternehmung gegen
Syrien alle seine Propheten zusammenkommen ließ, ungefähr 400 an der Zahl, und sie über den Aus-
gang der ins Auge gefaßten Unternehmung befragte.
Übrigens gab es auch nicht nur einen oder wenige Priester bei den Israeliten, sondern solche in großer
Zahl. Das geht aus einem Bericht hervor, der mit der Flucht Davids vor seinem König Saul in Zusam-
menhang steht. David hatte nach seiner überstürzten Flucht zunächst den Priester Ahimelech in Nobe
(etwa 10 km östlich von Jerusalem) aufgesucht und sich von ihm unter dem Vorwand eines
Geheimauftrages für König Saul mit einem Schwert und Brot versorgen lassen. Außerdem befragte
dieser für David Gott (1 Samuel 22,13). Das war möglich, weil sich in Nobe damals die Stiftshütte mit
dem Orakelbrustschild befand. Als König Saul wenig später von dem Ereignis erfuhr, ließ er Ahi-
melech und seine Priesterkollegen durch den Edomiter Doeg töten. Es heißt (1. Samuel 22,18):
"Er tötete an jenem Tage fünfundachtzig Männer, die das leinene Priesterkleid trugen. Sodann ließ
er (Saul) in der Priesterstadt Nobe alles Lebende mit dem Schwerte niedermachen, Männer wie
Frauen, Kinder wie Säuglinge, Rinder, Esel und das Kleinvieh, alles ließ er mit dem Schwert
niedermachen."
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Zur Zeit des Urchristentums gab es ebenfalls Propheten, die Bindeglieder zur jenseitigen Welt waren.
Ihr Wirken war unbedingt erforderlich, denn Christus starb ja schon relativ früh nach nur kurzer
Lehrtätigkeit. Sein Lebensalter war um die 40 Jahre. Geboren ist er vermutlich im Jahre 7 v. Chr.
(Stern von Bethlehem, Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn), und gestorben ist er im Jahre 30,
33 oder 34 n. Chr. Christi Anhängerschar war bei seinem Lebensende nur klein, seine Lehre den Jün-
gern nur in den Grundzügen mitgeteilt worden. Deshalb sagte er ihnen zum Abschied (Joh. 16,12):
"Noch vieles hätte ich euch zu sagen, doch ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener ge-
kommen ist, der Geist der Wahrheit, der wird euch in die ganze Wahrheit einführen; denn er wird
nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hört, das wird er reden und euch das
Zukünftige verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von meinem Eigentum wird er es neh-
men und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, ist mein; deshalb habe ich gesagt, daß er es
von meinem Eigentum nimmt und es euch verkündigen wird."
Und dieses Verkündigen konnte ja nur, wie zur Zeit des Alten Bundes, durch medial veranlagte und
ausgesuchte Menschen geschehen, durch Propheten.
Über ihre Tätigkeit berichtet der Apostel Paulus rund 20 Jahre nach Christi Tod im ersten Brief an die
Korinther in den Kapiteln 12 und 14. und schreibt (1. Kor. 12,1):
"In betreff der Geistesgaben aber will ich euch, liebe Brüder, nicht im Unklaren lassen. Ihr wißt
von eurer Heidenzeit her: da waren es die stummen Götzenbilder, zu denen ihr mit unwi-
derstehlicher Gewalt hingezogen wurdet. Darum tue ich euch kund, daß niemand, der im Geiste
Gottes redet, sagt: 'Verflucht ist Jesus!' und keiner zu sagen vermag: 'Jesus ist der Herr!' außer in
einem heiligen Geist."
Paulus zählt nun zunächst die verschiedenen Gnadengaben oder Geistesgaben (also die medialen Fä-
higkeiten) auf, die bei den Gemeindegliedern vorkommen können (1. Kor. 12,7). Er nennt den Geist
der Weisheitsrede, der Erkenntnisrede und des Glaubens, die Fähigkeit zur Heilung, zu Wundertaten,
zur prophetischen Rede und zur Unterscheidung der Geister. Dazu kommt die Fähigkeit zum Zungen-
reden und zur Auslegung der Zungenrede. Damit ist die Fähigkeit gemeint, in einer dem Propheten
und seinen Zuhörern fremden oder zumindest unverständlichen Sprache zu reden. Zusammenfassend
schreibt Paulus (1. Kor. 12,11):
"Dies alles wirkt aber ein und derselbe Geist, indem er jedem eine besondere Gabe zuteilt, wie er
will."
Etwas später berichtet Paulus (1. Kor. 12,27):
"Ihr aber seid Christi Leib, und jeder einzelne ist ein Glied daran nach seinem Teil; und zwar hat
Gott in der Gemeinde eingesetzt erstens die einen zu Aposteln, zweitens andere zu Propheten,
drittens noch andere zu Lehrern; sodann Wunderkräfte, Gaben der Heilung, Hilfeleistungen, Ver-
waltungsgeschäfte, mancherlei Arten von Zungenreden."
Paulus erläutert den Unterschied zwischen einem Zungenredner und einem Propheten folgendermaßen
(1. Kor. 14,2):
"Denn der Zungenredner redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; niemand versteht ihn ja, viel-
mehr redet er im Geist Geheimnisse. Der prophetisch Redende dagegen redet zu Menschen zu ih-
rer Erbauung und Ermahnung und Tröstung. Der Zungenredner erbaut sich selbst, der prophetisch
Redende dagegen erbaut die Gemeinde. Ich möchte, daß ihr allesamt mit Zungen redetet, aber
noch lieber, daß ihr prophetische Redegabe besäßet; denn der prophetisch Redende steht über dem
Zungenredner, es müßte denn sein, daß dieser das von ihm Geredete auch auslegt, damit die Ge-
meinde Erbauung dadurch empfängt. So aber liebe Brüder, wenn ich als Zungenredner zu euch
käme, was würde ich euch da nützen, wenn ich an euch nicht auch Worte der Offenbarung oder
Erkenntnis, der prophetischen Zusprache oder der Belehrung richtete?"
Als wichtigste Gnadengabe preist Paulus die Liebe, deren Auswirkungen er mit den höchsten Worten
lobt. Er schließt seine Ausführungen darüber mit den Sätzen (1. Kor. 13,8):
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"Die Liebe hört niemals auf. Die Gabe prophetischer Rede wird ein Ende nehmen, die Zungenre-
den werden aufhören, die Erkenntnis wird ein Ende haben. Denn Stückwerk ist unser Erkennen
und Stückwerk unsere prophetische Redegabe, und wenn das Vollkommene kommt, dann wird das
Stückwerk ein Ende haben."
Hier läßt Paulus schon die Zukunft anklingen, nämlich das Vergehen und Aussterben der
prophetischen Gabe. In dem Maße, in dem nämlich die christliche Lehre als organisierte Kirche mit
beamteten Priestern eingerichtet wurde, erübrigten sich die Propheten und wurden wegen ihrer oft
mahnenden Rede zu unerwünschten und überflüssigen Personen. Die Gemeindeglieder und
Gemeindeführer des Alten und des Neuen Bundes empfanden es nämlich gar nicht als sehr angenehm,
ständig die Ermahnungen Gottes vorgehalten zu bekommen. Sie wollten angenehme Dinge hören.
Im Alten Testament wird berichtet, daß Gott diese Neigung der Menschen erkannt hat. Er läßt ihnen
deshalb durch den Propheten Jesaja (um 740 - 690 v. Chr.) mitteilen (Jes. 30,8):
"Gehe jetzt hinein, schreibe es vor ihren Augen auf eine Tafel und trage es in ein Buch ein, damit
es für künftige Zeiten als ein ewiges Zeugnis diene. Denn ein widerspenstiges Volk ist es, mißra-
tene Söhne, Söhne, die den Weisungen des HErrn nicht gehorchen wollen, die zu den Sehern sa-
gen: 'Ihr sollt nicht sehen!' und zu den Propheten: 'Ihr sollt uns nicht die Wahrheit prophezeien!
Verkündet uns angenehme Dinge, prophezeit uns Täuschungen! Weicht vom rechten Wege ab,
verlaßt den rechten Pfad! Laßt uns mit dem Heiligen Israels in Ruhe!"
Dieser Feststellung läßt der Heilige Israels, also Gott, eine entsprechende Strafandrohung folgen. - An
anderer Stelle beklagt sich Gott durch den Mund des Propheten Jeremia (627 - 580 v. Chr.) darüber,
daß man seine Worte als Last empfindet und ihn sogar mit der respektlosen Bezeichnung "Last des
Herrn" benennt. Er sagt (Jer. 23,33):
"Wenn aber dieses Volk oder ein Prophet oder ein Priester dich fragen sollte: 'Was ist die Last des
HErrn?' so antworte ihnen: 'Ihr seid die Last, und ich will euch abwerfen!'- so lautet der Ausspruch
des HErrn. 'Der Prophet aber und der Priester und wer vom Volk noch von der Last des HErrn
redet, - einen solchen Menschen will ich es büßen lassen samt seinem Hause! Ihr sollt vielmehr
zueinander und untereinander so sagen: 'Was hat der HErr geantwortet?' und 'Was hat der HErr
verkündigt?' Aber den Ausdruck Last des Herrn sollt ihr nicht mehr gebrauchen, sonst soll einem
jeden diese seine Redeweise zur Last werden! Denn ihr würdet damit die Worte des lebendigen
Gottes, des HErrn der Heerscharen, unseres Gottes, verkehren. So sollst du den Propheten fragen:
'Was hat der HErr dir geantwortet?' oder 'Was hat der HErr verkündigt?' Wenn ihr aber den Aus-
druck Last des HErrn gebraucht, - nun, so hat der HErr folgendermaßen gesprochen: 'Zur Strafe
dafür, daß ihr diesen Ausdruck Last des HErrn gebraucht, obgleich ich euch habe gebieten lassen,
den Ausdruck Last des HErrn nicht zu gebrauchen: - darum wisset wohl: ich will euch aufheben
wie eine Last und euch wegwerfen samt der Stadt, die ich euch und euren Vätern gegeben habe,
von meinem Angesicht hinweg, und will ewige Schmach über euch verhängen und ewige Schande,
die nie vergessen werden soll!"
Da die ständigen Mahnungen Gottes meist als unbequem empfunden wurden, zog man oft die Prophe-
ten vor, die angenehme Dinge verkündeten, die sich nicht an die Wahrheit hielten, die von den heidni-
schen, gottfeindlichen Wesenheiten inspiriert wurden. Die Bibel nennt sie "falsche Propheten" oder
"Lügenpropheten". Es war aber schon damals und ist auch heute noch eine schwierige Angelegenheit,
den Propheten der göttlichen Welt und den Lügenpropheten zu erkennen und ganz allgemein die
Wahrheit vom Betruge unterscheiden zu können. Die Täuschung ist ein zu beliebtes Hilfsmittel, um
Menschen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Dieses schwerwiegende Problem wird noch aus-
führlich behandelt werden, wobei insbesondere auf die vielen unechten Propheten der heutigen Zeit
hingewiesen wird.
Offiziell hat es, abgesehen von der Zeit des Urchristentums, in den entstandenen vielen christlichen
Kirchen keine Propheten mehr gegeben. Für sie war kein Platz vorhanden. Erstens war Gott viel zu
unbequem, als daß man sich gerne mit ihm unmittelbar herumgeplagt hätte, und zweitens konnten
durch Lügenpropheten zu viele Falschmitteilungen ausgestreut werden. So ging man also sehr bald
dazu über, religiöse Streitfragen durch Beschlüsse von Konzilien entscheiden zu lassen und politische
Machtmittel mit Unterstützung der Staatsgewalt einzusetzen. Die Art und Weise, wie dabei vorgegan-
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gen wurde, beschreibt der evangelische Kirchenhistoriker Prof. Adolf v. Harnack (1851 - 1930) in
seinem Lehrbuch der Dogmengeschichte (34, Bd. 2, S. 238) in Bezug auf Streitigkeiten zur Zeit des
römischen Kaisers Konstantin I. (geb. um 280, Regierung 306 - 337) folgendermaßen:
"Es begann nun das Spiel gemeinster Intrigen und Verleumdungen, in dem bald sittliche Vorwürfe
schlimmster Art, bald, wie es scheint, auch politische Verdächtigungen die Kampfesmittel bilde-
ten. Die leicht erregbaren Massen wurden durch die groben Schmähungen und Verwünschungen
der Gegner fanatisiert, und die Sprache des Hasses, mit der man bisher Heiden, Juden und Ketzer
bedacht hatte, erfüllte die Kirchen. Die Stichworte von Glaubensformeln, die den Laien, ja selbst
den meisten Bischöfen, unverständlich waren, wurden als Paniere aufgepflanzt, und je mehr es ge-
lang, die Gemüter durch sie in Atem zu halten, um so sicherer wandte sich die Frömmigkeit von
ihnen ab und suchte in der Askese und in dem christlich zugestutzten Polytheismus ihre Befriedi-
gung. In vielen Diözesen aber mischten sich persönliche Interessen, Kampf um Bischofsstühle -
auch im Abendland, speziell in Rom, siehe die Vorgänge i. J. 366 - und um Einfluß, in den Streit.
Eine Kette blutiger Stadtrevolutionen begleitete so die Bewegung."
Diese Ereignisse waren und blieben kein Einzelfall, sondern setzten sich über die Jahrhunderte hin-
weg, bis über die Zeit der Reformation und Gegenreformation fort. Wer sich ein wenig mit Kirchenge-
schichte befaßt, wer die Berichte über die Kreuzzüge und das Vorgehen der Inquisition liest, kann sich
nur mit Grauen abwenden bei dem Gedanken, daß das alles im Namen Gottes ausgeführt wurde. Was
sich Christen gegenseitig und anderen Religionsformen angetan haben, ist wahrlich kein Ruhmesblatt.
Da blieb für Gott und seine Mahnungen kein Platz. Erst als das Zeitalter der Aufklärung im vorigen
Jahrhundert die religiösen Fronten etwas aufzulockern begann und der aufkommende
Spiritismus großen Bevölkerungsteilen in allen westlich geprägten Kulturländern zeigte, daß eine Ver-
bindung mit der jenseitigen Welt möglich war, entstand auch eine Grundlage für Mitteilungen aus
dem Reich Gottes. Aber nicht nur er konnte seine Boten schicken, sondern sein Widersacher in
gleicher Weise, wie er es auch früher schon immer getan hatte.
Von den vielen Jenseitsmitteilungen religiösen Inhalts möchte ich eine Lehre hier vorstellen, von der
ich meine, daß sie wirklich aus dem Reich Gottes kommt. Sie erklärt viele scheinbare Widersprüche
und Ungereimtheiten der heutigen christlichen Lehren, macht manches Geschehen über die Jahrhun-
derte hinweg für uns verständlich und wird durch Forschungsergebnisse der Parapsychologie gestützt.
Der Mann, dem diese Lehre, oder besser die Erklärungen und Ergänzungen zur christlichen Lehre,
durch mehrere Medien mitgeteilt wurden, war ein damals katholischer Pfarrer Johannes Greber
(01. 05. 1874 - 31. 03. 1944). Er wurde in Wenigerath, Kreis Bernkastel, geboren und war von 1904 -
1918 Pfarrer in Obergondershausen (17,5 km südsüdwestlich von Koblenz). In der letzten Legislatur-
periode des alten Kaiserreiches war er Reichstagsabgeordneter der deutschen Zentrumspartei. Als
Mensch und Pfarrer war er bei seiner Gemeinde außerordentlich beliebt, hatte eine gewaltige Predi-
gergabe und betätigte sich unermüdliche über einen vom ihm gegründeten "Hilfsbund" in aktiver
Nächstenliebe. - Nun ist es bei diesem Mann sehr bemerkenswert, daß er nicht wie Mose oder Jona
einen strikten Befehl bekam, dieses oder jenes zu tun, und dazu dann auch gezwungen wurde, sondern
daß er erst einmal eingehend geprüft wurde, ob er zu einer besonderen Aufgabe überhaupt geeignet
und willens war. Da diese Prüfungen mit umfangreichen Visionen einhergingen, möchte ich zunächst
Pfarrer Grebers Bericht darüber vortragen, weil er sehr lehrreiche Einblicke in den Ablauf und das
Wesen einer Vision gibt. Greber schreibt (31):
"Die Gegner des Spiritualismus pflegen alle Arten von Visionen mit der Erklärung abzutun, daß
alle diese Dinge Produkte der Selbsttäuschung, Halluzination, Hysterie und des sogenannten
Unterbewußtseins seien. Ich muß leider bekennen, daß auch ich vor der Zeit, in der ich selbst
Visionen hatte, solche als Ergebnisse der Selbsttäuschung und schwacher Nerven ansah.
Wie auf allen anderen Gebieten des Wissens, so ist auch hier das persönliche Erlebnis der beste
Lehrmeister und für uns der stärkste Beweis der Wahrheit. Für mich wurden die Selbsterlebnisse
auf dem Gebiete der Visionen deshalb von so folgenschwerer Bedeutung, weil meine ganze
religiöse Anschauung solchen Dingen feindlich gegenüberstand; denn meine Kirche lehrte, daß
solche Dinge vom Teufel herrühren und daß gottgewollte Visionen nur dem zuteil würden, der ein
heiliges Leben führte. Nun war ich mir aber vollbewußt, daß ich kein Heiliger war, sondern ein
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schwacher, fehlerhafter Mensch wie alle anderen; darum konnten für mich Visionen überhaupt
nicht in Frage kommen.
Als mir daher die erste Vision meines Lebens gezeigt wurde, geriet ich in eine große innere Aufre-
gung und glaubte zuerst, daß der Teufel mit mir sein Spiel triebe; doch als die Vision zu Ende war
und sich später genau in der Weise verwirklichte, in der ich sie geschaut hatte, war ich überzeugt,
daß es weder der Teufel war, der mir diese Vision gegeben hatte, noch daß sie ein Produkt meiner
eigenen Phantasie sein konnte.
Bevor ich diese erste Vision meines Lebens erzähle, möchte ich noch eine sehr wichtige allgemei-
ne Bemerkung machen, die sich auf alle Visionen bezieht, die ich bis auf den heutigen Tag erlebte.
Alle Visionen, die mir gegeben wurden, erfolgten in einem Augenblick, wo ich irgendeine große
und wichtige Aufgabe zum Wohl meiner Mitmenschen zu erfüllen hatte, aber persönlich nicht im
geringsten wußte, ob und auf welche Weise ich eine solche Aufgabe erfüllen könnte.
Die erste Vision hatte ich am 01. Mai 1905. Es war der Jahrestag meiner Geburt, und ich vollende-
te an diesem Tage mein 31. Lebensjahr. Ich war katholischer Priester und seit einem Jahr Pastor
einer großen Pfarrei (Obergondershausen im Hunsrück) in einem der ärmsten ländlichen Bezirke
Deutschlands. Fast alle Familien meiner Pfarrei waren kleine Bauersleute mit einem Grundbesitz
von durchschnittlich 10 Acker (4 ha) Land. Bis zur nächsten Stadt hatten wir 12 Meilen Fußweg.
Eine Eisenbahn oder sonstige Verkehrsmittel standen uns nicht zur Verfügung. Um zur Stadt und
zurück zu gelangen, mußten wir daher 24 Meilen (39 km) Fußweg zurücklegen. - In meiner
Pfarrei, die vier Dörfer umfaßte, waren viele an Tuberkulose erkrankt, aber auch alle anderen
Krankheiten, besonders Typhus und Diphterie, forderten zahlreiche Opfer. In einer Familie starben
einmal in einer einzigen Nacht drei Kinder an Diphterie.
Der Arzt mußte aus der Stadt geholt werden, und es war für ihn eine ganze Tagesreise, wenn er zu
einem Kranken gerufen und den 12 Meilen langen Weg hin und zurück zu Fuß zu machen hatte.
Infolgedessen waren die Arztgebühren so hoch, daß die meisten meiner Pfarrkinder sie nicht be-
zahlen konnten, und daher ihre Kranken ohne ärztliche Behandlung blieben. In dem ganzen
Bezirk gab es auch keine Krankenschwester. Daher mußten die armen Kranken von ihren eigenen
Familienangehörigen gepflegt werden, die von Krankenpflege nicht viel verstanden, und in den
meisten Fällen das Gegenteil von dem taten, was in dem betreffenden Falle hätte geschehen sollen.
Dazu kam noch der besonders schlimme Umstand, daß im Falle der Erkrankung einer Mutter mit
vielen kleinen Kindern niemand da war, der sich dieser Kinder und des Haushaltes annehmen
konnte, weil der Vater seinen landwirtschaftlichen Arbeiten nachgehen mußte. War nun der Vater
einer Familie erkrankt, dann blieb draußen auf dem Felde und zu Hause im Stalle und in der
Scheune die Arbeit liegen, weil niemand da war, der pflügte, säte, die Ernte mähte und einbrachte
und Scheune und Stall versorgte, denn die arme Familie hatte kein Geld, um fremde Arbeitshilfe
einzustellen. Unter diesen Verhältnissen litt ich seelisch unsagbar. Ich hätte so gerne mitgeholfen,
wußte aber nicht, wie ich Hilfe bringen sollte. Ich wandte mich an die Regierung, aber auch sie
wußte keinen Ausweg.
Da stand ich an dem genannten 01. Mai 1905 an dem Krankenbett einer Wöchnerin, die nach der
Geburt des vierten Kindes Wochenbettfieber hatte. Ich sah, daß sie bald sterben würde, und hatte
ihr bereits die katholischen Sterbesakramente gespendet. Ihr Mann war lungenkrank und saß wei-
nend in der Ecke des Zimmers. In der Kammer nebenan lagen drei schlafende Kinder, das älteste
war sieben Jahre alt. Der Säugling lag in dem Zimmer der Mutter. Als ich nun neben dieser ster-
benden Mutter saß und ihre Hand in der meinen hielt, merkte ich, daß eine große Unruhe auf ihrer
Seele lag und sich auf ihrem Antlitz widerspiegelte. Ich neigte meinen Kopf so nahe wie möglich
an ihr Ohr und fragte: 'Anna, wenn dich etwas bedrückt, dann sage es mir bitte.' Mit Tränen in ih-
ren sterbenden Augen hauchte sie die Worte hervor: 'Meine armen Kinder!' Ich neigte mich wiede-
rum zu ihr und sagte: 'Anna, du kannst ohne Sorge sein, denn für deine Kinder werde ich sorgen
und besser sorgen, als du es hättest tun können, darauf kannst du dich verlassen.' Da ging ein Lä-
cheln über ihr Antlitz, sie zog meine Hand an ihre Lippen und küßte sie.
- Wenige
Minuten später war sie verschieden.
Es war schon nach Mitternacht, als ich von diesem Sterbebett nach Hause ging. Die Sterne funkel-
ten freundlich und hell in die ruhige Nacht, als ich auf meinem Heimweg durch ein Wiesental
schritt. Ich dachte an all das Leid und die Hilflosigkeit dieser armen Menschen in den abgelegenen
Distrikten meines Vaterlandes. Da plötzlich, wie von einer inneren Gewalt getrieben, rief ich laut
die Worte aus:
- 35 -
'O Gott, du allweiser Schöpfer, ich möchte so gerne diesen armen verlassenen Men-
schen helfen, aber ich weiß nicht wie. Zeige du mir den Weg! Ich bin zu jedem per-
sönlichen Opfer bereit.'
Das war ein Aufschrei meiner gemarterten Seele und das Gebet eines mit einer übergroßen Not
ringenden Herzens.
Kaum hatte ich das letzte Wort in die stille Nacht gerufen, da fühlte ich etwas, was ich bisher noch
nie in meinem Leben empfunden hatte. Es war mir, als ob ein Feuerstrom mich durchrieselte und
als ob ein tiefer Schlaf über mich kommen wollte. Ich lehnte mich an einen Baum, der am Wege
stand, um einen Halt für meinen zitternden Körper zu haben. In demselben Augenblick ver-
schwand alles um mich her. Ich sah weder Wiesental, Straße noch Sterne, sondern ein Bild - wie in
einem Film - das plötzlich vor mir lag. In dem Bilde sah ich ein Mädchen aus meiner Pfarrei in der
Tracht einer Krankenpflegerin, und eine Stimme sagte mir:
'Lasse dieses Mädchen als Krankenpflegerin ausbilden.'
Ich kannte das Mädchen und wußte, daß es für eine Ausbildung als Krankenpflegerin nicht mehr
in Frage kam, da es nach dem Landesgesetz für eine solche Ausbildung zu alt war. Da kam mir
sofort der Gedanke: 'Jetzt bist du in Teufels Händen, der dir Dinge vorgaukelt, die unmöglich
sind.' Aber es wurde mir keine Zeit gegeben, länger über den Teufel nachzudenken, sondern sofort
kam ein zweites Bild, das meinen Geist voll in Anspruch nahm. Ich sah dieses Mädchen als ausge-
bildete Krankenschwester in Begleitung von zwei anderen Mädchen aus meiner Pfarrei, die aber
keine Krankenpflegerinnen waren, in ein Haus gehen, wo eine kranke Frau im Bett lag, eine
Mutter von fünf Kindern. Ich sah, wie die Pflegerin sich nur um die Kranke kümmerte, sie pflegte,
ihre Krankenkost bereitete und alle anderen Arbeiten einer Krankenschwester verrichtete. Von den
beiden anderen Mädchen aber sah ich die eine das Haus in Ordnung bringen, die Kinder waschen,
kämmen und ankleiden, das Essen für die Kinder und deren Vater zubereiten, während das andere
Mädchen im Stalle die Kühe melkte, die Schweine fütterte und andere landwirtschaftliche Arbei-
ten verrichtete.
Dann verschwand auch dieses Bild, und sofort trat ein drittes an seine Stelle, so daß ich nicht ein-
mal Zeit hatte, über die früheren Bilder nachzudenken. Nun sah ich die Krankenpflegerin an der
Seite eines Arztes in eine Reihe von Häusern gehen, wo Kranke waren. Ich sah, wie alle Arten von
Krankenpflegegeräten zur Verfügung standen und benutzt wurden, und zwar alle Gerätschaften,
wie man sie gewöhnlich in den Krankenhäusern unserer Städte vorfindet. Dann verschwand auch
dieses Bild, und ein anderes erschien.
Ich sah Gruppen von zehn bis zwanzig Männern pflügen, säen, mähen und die Ernte einfahren, je-
doch nicht auf ihren eigenen Feldern und für ihre eigenen Scheunen, sondern auf den Feldern der
Familien, die Kranke hatten, und die Ernte wurde ebenfalls in die Scheunen kranker Bauersleute
gefahren. So sah ich auch eine Heuernte, wo Gruppen von Frauen und Mädchen das von Männern
gemähte Gras wendeten und bearbeiteten, bis es zu Heu getrocknet war. Dann sah ich die Wagen
kommen, wie das Heu in die Scheunen der Kranken gebracht wurde, und eine Stimme sagte laut
und deutlich zu mir: 'Alle diese Leute arbeiten für die Familien, die wegen Krankheit ihre Arbeit
nicht verrichten können.'
Dann fragte ich in Gedanken: 'Aber wer bezahlt das alles? Wer bezahlt den Arzt, die Krankenpfle-
gerin und alle Krankengerätschaften?' - Da erschien das letzte Bild, das mir die Antwort auf
alle diese Fragen geben sollte: Ich sah, wie zwei Schulmädchen, jedes mit einer Liste in der Hand,
von Haus zu Haus gingen, und zwar nicht nur meiner Pfarrei, sondern auch in drei Nachbarpfarrei-
en. Daraus konnte ich entnehmen, daß auch diese Pfarreien sich der Hilfsorganisation anschließen
würden. Das eine der Mädchen, die mit ihrer Liste von Haus zu Haus gingen, erhob einen Beitrag
zur Begleichung der Kosten für den Arzt, und zwar, wie ich deutlich sehen konnte, von jeder Per-
son monatlich 10 Pfennig. Das andere Mädchen erhob von jeder Familie, ohne Rücksicht, wie
groß oder wie klein sie war, monatlich 25 Pfennig zur Begleichung der Kosten für das Gehalt der
Krankenpflegerin und der Krankenpflege-Gerätschaften. Dann sprach wieder eine Stimme zu mir:
'Nun danke Gott und gehe nach Hause, und tue, wie dir gezeigt worden ist!'
Erstaunt schaute ich mich um. Alles war verschwunden. Ich sah die Sterne flimmern wie zuvor
und wußte nicht, was ich zu dieser Vision sagen sollte. Ich hatte geglaubt, daß während ich an den
Baum gelehnt stand und die Vision erblickt hatte, eine lange Zeit verstrichen sei. Ich nahm ein
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Streichholz und sah auf meine Uhr. Da fand ich, daß ich nicht länger als einige Minuten dort ge-
standen haben konnte.
Während ich nach Hause ging und über alle Einzelheiten dieser Vision nachdachte, konnte ich mir
vor allem nicht denken, daß die kleinen Geldbeträge, die ich die Schulmädchen einsammeln sah,
hinreichend sein konnten, um alle die Kosten einer solchen Wohlfahrtsorganisation zu decken. Zu
Hause angekommen, setzte ich mich sofort an mein Pult und rechnete aus, wieviel die Gesamt-
summe der eingesammelten Beträge in einem Jahr ausmachte, und fand zu meiner großen Überra-
schung, daß der Gesamtbetrag in der Tat mehr als ausreichend war, um alle Auslagen für Arzt,
Pflegerin und Pflegegerätschaften zu decken. Nur eines macht mir noch Sorgen, nämlich der Ge-
danke, ob die Leute meines Distriktes bereit sein würden, die Arbeiten in Haus, Stall und Feld für
die Familien der Kranken ohne Bezahlung zu verrichten. Außerdem blieb in meiner Seele immer
noch der Gedanke haften, daß die Ausbildung des mir gezeigten Mädchens als Krankenpflegerin
ein Ding der Unmöglichkeit sei, da sie dazu zu alt war. Trotz alledem machte ich mich sofort an
die Ausführung des mir gezeigten Planes.
Zuerst ging ich zu diesem älteren Mädchen, welches mir als Krankenschwester gezeigt worden
war, und fragte sie, ob sie bereit sei, Krankenpflegerin zu werden. Sie antwortete mir, daß sie eine
solche Arbeit sehr gern tun würde, aber daß sie wohl zu alt für eine solche Ausbildung sei. Auch
befürchtete sie, daß es ihr in ihrem Alter schwerfallen würde, noch alles zu lernen, was für eine
solche Ausbildung notwendig sei. Ich machte ihr jedoch Mut, und sie erklärte sich bereit. Sofort
reiste ich zu dem leitenden Professor eines unserer besten Krankenhäuser und besprach mit ihm
die Not der Bevölkerung meines Distriktes. Er war über das, was ich ihm erzählte, tief erschüttert
und erklärte sich bereit, alles zu tun, was in seinen Kräften stand, um mir bei der Lösung meiner
Aufgabe zu helfen. Er war sofort bereit, ausnahmsweise das gesetzlich zu alte Mädchen als Kran-
kenpflegerin auszubilden, und zwar die Ausbildung persönlich zu überwachen und dieselbe so zu
beschleunigen, daß das Mädchen nach einem halben Jahr so gut ausgebildet sei, wie es sonst nur
nach einem Kursus von drei Jahren geschehen konnte. Besonders betonte er, daß er dieses
Mädchen so gründlich in allem ausbilden wolle, daß es fähig sei, auf telefonische Anordnung des
Arztes alles in der richtigen Weise zu verrichten.
Meinen Pfarrkindern legte ich in einem Sonntagsgottesdienst an Stelle der Predigt meinen Plan in
allen Einzelheiten vor. Dabei betonte ich besonders die Pflicht der Nächstenliebe durch Ausübung
praktischer Hilfe. Ich stellte es meinen Leuten anheim, freiwillig meiner Organisation beizutreten
mit der Verpflichtung, auch bei den Arbeiten mitzuhelfen, die im Notfall in den Familien der
Kranken auftraten.
Alle Familien meines Pfarrdistriktes traten dieser neuen Hilfsorganisation, die wir "Hilfsbund"
nannten, bei. Alle waren besonders erstaunt über die kleinen Beträge, die sie jährlich für all die
Fürsorge zu bezahlen hatten, die ihnen im Falle der Krankheit sowohl am Krankenbett, als auch
bezüglich der Arbeiten des Alltagslebens gewährt würde. - Nur eine einzige Familie trat nicht bei.
Es war die Familie, die sich als die reichste betrachtete, weil sie 40 Acker (16 ha) Land besaß. Der
Mann dieser Familie sagte, daß er von keinem Hilfe haben wolle. Im Falle von Krankheit sei er in
der Lage, sowohl Arzt als Krankenpflegerin zu bezahlen. -
Nach einem halben Jahr kam unsere Krankenschwester nach vollendeter Ausbildung aus dem
Krankenhaus zurück, um ihre Arbeit zu beginnen. Alle Krankenpflege-Gerätschaften, die erforder-
lich schienen, waren bereits gekauft. Auch ein Vertrag mit dem Arzt aus der Stadt war abge-
schlossen, durch den er sich verpflichtete: 1.) Jeden Montag in meinen Distrikt zu kommen und in
Begleitung der Krankenschwester zu den Kranken zu gehen, die ihn haben wollten, und daß er für
jeden Besuch nur eine Mark erhielt. 2.) Im Notfall bereit zu sein, zu jeder Zeit des Tages oder der
Nacht zu kommen, und für einen solchen besonderen Besuch nur 6 Mark zu berechnen. 3.) Als
festes Gehalt monatlich 300 Mark zu beziehen.
Wir eröffneten unsere Wohlfahrtsorganisation an dem Sonntag nach der Rückkehr unserer Kran-
kenpflegerin mit einem feierlichen Gottesdienst. Als nach diesem Gottesdienst die Leute auf ihrem
Wege nach Hause waren, ereignete sich etwas, was die Bewohner des ganzen Bezirkes tief er-
schütterte: nämlich der Bauer, der als einziger unserem Hilfsbund nicht beigetreten war, wurde auf
dem Heimweg aus der Kirche von einem fremden Motorradfahrer überfahren und lag in seinem
Blut auf der Straße. Er war der erste, der unsere Krankenpflegerin, unser Verbandszeug, unsere
Tragbahre und den Fahrstuhl und unseren Arzt in Anspruch nehmen mußte. Alle hatten das Ge-
fühl, daß die Hand Gottes in diesem Fall sichtbar eingegriffen hatte.
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Die Arbeit des Hilfsbundes verlief auf allen Gebieten in einer Weise, die meine Erwartungen bei
weitem übertraf. Immer neue Bezirke schlossen sich unserem Hilfsbund an. Bald waren sieben
Krankenpflegerinnen tätig. Aber es kamen auch viele freiwillige Helfer, besonders aus den höchs-
ten Kreisen Deutschlands, und halfen monatelang auf diesem Gebiete praktischer Nächstenliebe.
Sogar Prinzessinnen kamen und wohnten in einfachen Bauernhäusern unter einem Decknamen, da
sie ihre hohe Stellung dem einfachen Volke gegenüber verheimlichen wollten. Alle Mithelfer fühl-
ten bei ihrer Arbeit ein so großes inneres Glück, daß sie am liebsten ihr ganzes Leben bei uns ge-
blieben wären. Dasselbe Glücksgefühl hatten aber auch alle Bewohner meines Bezirkes, die in den
Familien der Kranken und auf ihren Ländereien unentgeltlich tätig waren. Auch sie hatten nur den
Wunsch, recht oft an die Reihe zu kommen.
Nach dem ersten Jahr unserer Wohlfahrtstätigkeit kam eine Regierungs-Kommission und sah sich
unsere Arbeit genau an. Sie war erstaunt über das, was da ohne jede Hilfe des Staates geleistet
wurde. Man schrieb eine Flugschrift über unsere Organisation, die in 50.000 Exemplaren über
ganz Deutschland verbreitet wurde. Die Folge war, daß in vielen armen Distrikten und selbst in
Städten die Wohlfahrtsarbeit ganz nach unserem Muster eingeführt wurde. Auf internationalen
Kongressen wurde ich persönlich als großer Organisator gepriesen, und doch war ich nur das
Werkzeug einer höheren Kraft, die mir in einer Vision gezeigt hatte, wie das scheinbar Unmögli-
che möglich gemacht werden konnte. Das Lob, das man mir spendete, war also durchaus nicht am
Platze.
Die zweite Vision meines Lebens hatte ich im Jahre 1914. Auch diesmal wurde mir eine Aufgabe
gezeigt, die ich auszuführen hatte, obwohl ich vorher nie an eine solche Aufgabe gedacht, noch sie
für möglich gehalten hätte. Die spätere Lösung dieser Aufgabe ist weit über die Grenzen des Deut-
schen Reiches bekannt geworden, aber nur meine intimsten Freunde wußten, auf welche Weise ich
befähigt wurde, diese Aufgabe zu lösen. Auch dies will ich hier erzählen, um Gott, dem Lenker
der Lebensschicksale, die Ehre zu geben und zu zeigen, daß ich auch in diesem Falle nur das
Werkzeug in der Hand eines Höheren war.
Es war Sonnabendnachmittag, den 01. August 1914. Jeden Augenblick erwartete man die Mobil-
machung des deutschen Heeres, die auf dem Lande durch Glockengeläute bekanntgemacht werden
sollte. Ich war noch immer in der Pfarrei, in der ich neun Jahre zuvor meine erste Vision erlebt
hatte. Der Gedanke an den kommenden Krieg drückte schwer auf meiner Seele. Ich entschloß
mich, da niemand an diesem Nachmittag zur Beichte kam, einen ganz ruhigen Platz aufzusuchen,
um ganz allein zu sein. Da die Kirche für den Sonntag gereinigt und zurechtgemacht wurde, konn-
te ich dort die von mir gesuchte Stille nicht finden und ging daher aus meinem Dorfe hinaus an
den stillsten Platz, den es gab, auf den Friedhof. Er lag auf einer ziemlich steilen Anhöhe und war
mit wunderbar schönen Tannen umsäumt. In dieser Stille der Grabsteine und Tannen wollte ich
sitzen und meinen Gedanken freien Lauf lassen. Schon stand ich an dem eisernen Tor des Kirch-
hofes, schon legte ich meine Hand auf die Torklinke, um zu öffnen und einzutreten, als mit einem
Schlage die Glocke meiner Pfarrkirche zugleich mit den Glocken aller Orte der ganzen Umgebung
zu läuten begann. Es war das Zeichen der allgemeinen Mobilmachung.
Ich schaute auf die weithin sichtbaren, im Glanze der Sonne schimmernden Ährenfelder und die
vielen Menschen, die auf den Feldern arbeiteten. Ich sah, wie die jungen Männer beim ersten Glo-
ckenschlage ihre Sensen und Sicheln fallen ließen und nach Hause liefen, so schnell sie konnten,
denn sie hatten sich bei ihrem Truppenteil zu stellen. Die Zurückbleibenden standen wie gebannt
auf ihren Feldern und schienen nicht mehr weiter arbeiten zu können. Da wurde auch mir so weh
ums Herz, und Tränen traten in meine Augen.
Ich wollte nun das Tor zum Kirchhof öffnen, aber da sah ich plötzlich keinen Kirchhof mehr, son-
dern vor mir lag eine Landkarte Deutschlands; sie war ringsum von Kriegsschiffen umgeben. Un-
willkürlich dachte ich an meine erste Vision und blieb ruhig, aber ich konnte nicht verstehen, was
diese Kriegsschiffe um Deutschland herum zu bedeuten hatten. Ich dachte, daß Deutschland doch
keine Insel sei und daher doch nicht von Kriegsschiffen eingeschlossen sein könne. Da sagte eine
Stimme laut und deutlich:
'Man wird versuchen, Deutschland auszuhungern, indem man durch Kriegsschiffe
verhindert, daß Nahrung vom Ausland nach Deutschland gebracht wird.'
Dann verschwand diese Landkarte, aber sofort kam an ihre Stelle ein anderes Bild: Ich sah hinun-
ter in die Straßen einer großen Stadt, ohne zu erkennen, welche Stadt es war. In der Stadt sah ich,
wie Scharen abgemagerter Kinder von einem Mülleimer zum anderen gingen, um sich Reste von
- 38 -
Brot oder Kartoffelschalen und sonstige Abfälle herauszusuchen und zu essen. Da hörte ich die-
selbe Stimme zu mir sagen:
'Nimm dich dieser Kinder an!'
Ich verstand nicht, was damit gemeint war; denn wie konnte ich als einfacher Landpastor, der kei-
nerlei Verbindung mit den großen Städten hatte, mich der armen, halbverhungerten Kinder einer
solchen Stadt annehmen? Zudem glaubte man allgemein, daß der Krieg nur vier Wochen dauern
würde, und es war ja auch alles in Hülle und Fülle vorhanden. Doch da kam die Stimme zum drit-
ten Mal und sagte:
'Der Krieg wird lange dauern, und es soll dir gezeigt werden, wie du die Aufgabe
lösen sollst, die dir zugedacht ist. Gehe nach Haus, und setze dich an dein Schreib-
pult und schreibe nieder, was dir dort eingegeben wird.'
Dieser Weisung folgend, ging ich sofort nach Hause, setzte mich an meinen Schreibtisch, und
schrieb folgendes nieder, was mir nicht durch eine Stimme, wie ich sie vorher gehört hatte, einge-
geben wurde, sondern durch eine sehr starke Inspiration, die ich wie ein inneres Diktat vernahm.
Sie lautete:
'Du mußt in diesem Kriege eine große Aufgabe lösen, die aber zuerst im kleinen
ausprobiert werden muß, damit du die Fehler später nicht im großen Maßstabe
machst. Nimm schon nach einem Monat, von heute ab gerechnet, arme Stadtkinder
in deine Pfarrei und bringe sie unentgeltlich in den Bauernfamilien unter, in solchen
Familien, die bereit sind, ein armes Kind für sechs Wochen aufzunehmen. Gib dann
genau auf alle Fehler acht, die du bei dieser ersten Unterbringung armer Kinder
machst, und lasse dir diese Fehler als Lehre dienen, wenn du deine Aufgabe auf ein
weit größeres Gebiet ausdehnst, damit diese Aufgabe ihren ungestörten Lauf
nehmen kann.'
Ich folgte dieser Weisung und wartete zunächst einen Monat, dann machte ich von der Kanzel be-
kannt, daß die Familien sich bei mir melden möchten, die bereit seien, ein armes Stadtkind für
sechs Wochen unentgeltlich aufzunehmen, um es gut zu pflegen. Sofort meldeten sich
52
Familien. Da in meiner Pfarrei nur Katholiken wohnten, entschloß ich mich, auch nur arme katho-
lische Kinder in Pflege zu nehmen. Ich ließ durch einen katholischen Priester in Köln 52 arme, er-
holungsbedürftige Kinder auswählen und holte die Kinder persönlich in Köln ab. Doch als ich mir
unterwegs die Kinder näher ansah und mich mit ihnen über ihre Familienverhältnisse unterhielt,
fand ich sofort, daß ich einen großen Fehler gemacht hatte, denn die meisten Kinder waren weder
arm noch erholungsbedürftig. Für die Auswahl dieser Kinder schien nur die Frage maßgebend ge-
wesen zu sein, ob sie fleißig in die Kirche gingen; denn als ich an ein sehr wohl aussehendes Kind,
dessen Vater ein gutbezahlter Beamter war, die Frage richtete, warum es zur Erholung geschickt
worden sei, gab es mir zur Antwort: 'Als Belohnung dafür, daß ich jeden Morgen in die Messe
ging, sollte ich einen Ferienaufenthalt haben.' Doch das war nicht die einzige Enttäuschung, die
ich bei diesem ersten Kindertransport erlebte - eine noch viel größere folgte.
Am dritten Tage nach der Unterbringung. der Kinder in den Familien meiner Pfarrei mußte ich zu
meiner größten Überraschung feststellen, daß sich unter den 52 Kindern mehrere 14jährige Mäd-
chen befanden, die moralisch vollständig verdorben waren, und die auch die Kinder meiner Pfarrei
verdorben hätten, wenn ich nicht die Gefahr rechtzeitig entdeckt hätte. Da alle Briefe, die an die
Kinder aus ihrer Heimat geschickt wurden, durch meine Hände gingen, fiel mir auf, daß drei Brie-
fe, die an demselben Tage ankamen, und an verschiedene Mädchen gerichtet waren, von ein und
derselben Hand stammten. Da kam die Stimme, die ich am Kirchhof gehört hatte, wieder zu mir
und sagte:
'Öffne diese Briefe, und sorge dafür, daß diese drei Kinder sobald als möglich nach
Hause geschickt werden.'
Ich tat es und sah zu meiner großen Überraschung, daß diese Briefe von einem Zuhälter geschrie-
ben waren, der den Mädchen mitteilte, daß man auf sie warte und daß sie so schnell wie möglich
zurückkommen möchten, da sie viel Geld verdienen könnten. Ich brachte die Mädchen sofort nach
ihrer Heimat zurück und machte die Polizei auf meine Entdeckung aufmerksam.
Je mehr ich nun über die Sache der Unterbringung armer Kinder auf dem Lande nachdachte, desto
klarer wurde es mir, daß bei längerer Dauer des Krieges auf diese Weise sehr viel Gutes getan
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werden könne, wenn es gelänge, die wirklich armen und unbescholtenen Kinder der Großstädte
auszuwählen und ihnen eine Erholung auf dem Lande zu ermöglichen. Zugleich war es mir aber
auch klar, daß ich diese Aufgabe nicht im Nebenamte erfüllen konnte. Als ich hierüber
nachdachte, kam wiederum die Stimme und sagte:
'Laß dich für sieben Jahre beurlauben; das Weitere wird dir später gesagt werden.'
Anfang 1915 verließ ich meine Pfarrei und arbeitete nach einem Plan, der mir wiederum in einer
Vision gezeigt wurde. In dieser Vision wurde mir mitgeteilt, daß ich mich bei der Auswahl der
Stadtkinder zuerst an den führenden Bürgermeister der Städte wenden solle mit der Bitte, daß er
Ärzte zur Untersuchung des körperlichen Zustandes der Kinder in die Schulen schicken möge, und
alle, die als unterernährt befunden wurden, auf einer Liste anführen lassen solle. Diese Liste, so
sagte mir die Stimme, sollte ich an die Lehrpersonen der einzelnen Schulen geben, zu denen die
Kinder gehörten, und durch Lehrer und Lehrerinnen die Namen der Kinder anstreichen lassen, die
moralisch nicht einwandfrei waren. Ich selbst sollte auch mit den Leitern der einzelnen Schulsys-
teme Fühlung aufnehme, damit meine Anweisungen scharf durchgeführt würden.
Alsdann reiste ich in den ländlichen Bezirken Deutschlands umher und hielt überall Vorträge über
die Hilfe für notleidende Stadtkinder. So war ich in der Lage, bis Juni 1916 über 7.000 unterer-
nährte Stadtkinder in ländlichen Familien Deutschlands unterzubringen. Ich hatte keinerlei Hilfe
von irgendeiner Seite; im Gegenteil stand man dieser Sache fast feindselig gegenüber, weil man
glaubte, die Stadtkinder würden die Landjugend moralisch verderben. Vor allen Dingen hatten die
kirchlichen Behörden diese schweren Bedenken, darum mußte ich alle Arbeit allein tun. Ich besaß
zu diesem Zweck kein Komitee, kein besonderes Büro und habe überhaupt keinen Pfennig für so-
genannte Verwaltung dieses Werkes ausgegeben. Der Transport der Kinder wurde von der staatli-
chen Eisenbahn unentgeltlich geleistet. Ich selbst bezog kein Gehalt, sondern fand immer Fami-
lien, die mir Essen und eine Nachtherberge ohne Bezahlung gaben.
Um die Mitte des Jahres 1916 waren aber auch die ländlichen Familien Deutschlands nicht mehr in
der Lage, fremde Kinder zu beherbergen und zu verpflegen. Da beschloß ich, nach dem neutralen
Ausland, vor allem nach Holland zu gehen, um dort für die hungernden deutschen Kinder einen
längeren Aufenthalt zu finden. Doch bei jedem, zu dem ich von diesem Plan sprach, fand ich star-
ken Widerspruch. Man sagte mir, daß dieser Plan unmöglich sei, denn zunächst würde wohl keine
deutsche Mutter ihr Kind hergeben, ohne zu wissen, in welche Hände es im Ausland käme. Ferner
machte man geltend, daß die deutschen Kinder die ausländische Sprache nicht verstünden, und da-
her schon in der ersten Woche tödliches Heimweh bekommen würden, und schon deswegen
schnell wieder zurückgenommen werden müßten. Ferner würden auch die ausländischen Familien
des fremden Kindes schon nach ein oder zwei Wochen überdrüssig werden, und ich müsse es auch
aus diesem Grunde zurücknehmen. Dann hielt man mir vor, daß im Falle einer schweren Krank-
heit die Mutter eines Kindes nicht einmal an sein Krankenbett kommen könnte, da ja Krieg sei und
die Grenzen gesperrt seien. Als schwierigsten Punkt wies man immer wieder auf die Tatsache hin,
daß für die Ausstattung der Kinder für eine Auslandsreise und für die Transportkosten so ungeheu-
re Summen beansprucht würden, daß ich diese nie aufbringen könne.
Aber bei dem Gedanken, daß die höhere Kraft, die mich zur Ausführung dieser Aufgabe ausge-
wählt und beauftragt hatte, stärker sei als alle Hindernisse, gab ich meinen Plan nicht auf,
obwohl auch die deutschen Behörden den ganzen Plan als Utopie bezeichneten.
Die Einzelheiten der Ausführung diese Planes kann ich hier leider nicht schildern, da sie ein gan-
zes Buch füllen würden. Nur das eine möchte ich noch erwähnen, daß von allen befürchteten Hin-
dernissen keines zur Wirklichkeit wurde. Die genaue Zahl der Kinder, die ich nach dem Ausland
brachte, belief sich auf 14.175. Sehr viele Kinder blieben zwei Jahre fort. Auch für die Transporte
dieser Kinder und alles, was damit zusammenhing, hatte ich kein Komitee, spendete ebenfalls
nichts für Administration, sondern tat alle Arbeit mit Hilfe einiger weniger Kräfte, die dafür nicht
bezahlt sein wollten. Ich selbst leitete alle Transporte. Nicht ein einziges Kind von diesen 20.000,
die im ganzen untergebracht wurden, hat sich beim Transport auch nur einen Finger gequetscht,
und von allen Kindern starben nur zwei in der ganzen Zeit außerhalb ihrer Heimat.
Ich fühlte, wie ich auf Schritt und Tritt von einer höheren Gewalt geleitet und geführt wurde. Und
nur dieser leitenden Kraft habe ich den Erfolg zu verdanken; denn zuweilen war es, als ob sich alle
bösen Mächte gegen mich stellten, um mein Werk mit Gewalt zu vernichten. Aber immer wieder
kam im letzten Augenblick die Hilfe von der Hand Gottes, die alle Anschläge gegen dieses Werk
der Liebe zunichte machte."
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So weit der Bericht von Johannes Greber. Bei der Durchführung dieser Aufträge und Aufgaben hatte
er gelernt, größere Unternehmungen zu leiten und sich gegenüber Widerständen durchzusetzen. Er
hatte gezeigt, daß er aufopferungsfähig war, und damit den Beweis erbracht, auch noch bedeutenderen
Aufträgen gewachsen zu sein. Diese kamen in der Inflationszeit auf ihn zu. Als nach dem Kriegsende
die Kinderverschickung nicht mehr erforderlich war, trat Greber wieder in den aktiven Kirchendienst
ein und übernahm die Pfarrei der kleinen Gemeinde Kell, 5 km nordwestlich von Andernach. Auch
dort war er ein von seiner Gemeinde angesehener und sehr beliebter Pastor. Zugleich nahm er auch
noch die Leitung des von ihm begründeten Hilfsbundes wahr, dessen Büro sich in Koblenz befand.
Zweimal in der Woche fuhr er dorthin, um die anfallenden Wohlfahrtsarbeiten zu erledigen (29, S. 13).
Dort kam nun im Spätsommer 1923 ein Mann zu Greber und fragte ihn nach seiner Ansicht über den
Spiritismus. Zugleich forderte er ihn auf, sich sein Urteil nach eigener Anschauung zu bilden. Der
Mann berichtete, daß er wöchentlich mit einem kleinen Kreis von Menschen zu einer Art Gottesdienst
zusammenkomme. Dabei werde gebetet, in der Bibel gelesen und das Gelesene hinterher besprochen.
Unter den Anwesenden befinde sich auch ein Junge im Alter von 16 - 17 Jahren (sein Name war Erich
Zimmermann). Er habe nur eine mittelmäßige Schulbildung und sei Lehrling in einem Privatbetrieb.
Bei den Zusammenkünften pflege dieser plötzlich bewußtlos vornüber zu fallen, werde dann aber wie
von einer unsichtbaren Kraft ruckweise wieder aufgerichtet. Dann sitze er mit geschlossenen Augen da
und erteile den Anwesenden wunderbare Belehrungen. Auch beantworte er Fragen, die man an ihn
stelle. Am Schluß des Vorganges komme er wieder zum Bewußtsein, könne sich aber an das Vorge-
gangene in keiner Weise erinnern.
Nach anfänglichem Zögern, weil er eine Falle befürchtete, nahm Greber am folgenden Sonntagabend
an einer solchen Zusammenkunft teil. Zur Vorbereitung hatte er sich auf einem Zettel einige Fragen
aufgeschrieben, die er an den zu erwartenden Geist stellen wollte. Nach einem einleitenden Gebet und
nachdem der Junge in Trance gefallen war, sprach der Geist Greber auf seinen in der Tasche befindli-
chen Fragezettel hin an. Letzterer zog ihn heraus und stellte als erste Frage (29, S. 17):
Frage:
Wie kommt es, daß das Christentum auf die heutige Menschheit fast keinen Ein-
fluß mehr auszuüben scheint?" (Die Antwort, ließ Greber stenographisch auf-
zeichnen)
Antwort: Die Lehre Christi ist in den auf euch gekommenen Urkunden nicht mehr in
ihrem ganzen Umfang und auch nicht in ihrer ursprünglichen Reinheit und Klar-
heit enthalten. In dem, was ihr Neues Testament nennt, sind manche wichtigen
Abschnitte weggelassen. Ja, ganze Kapitel wurden daraus entfernt. Was ihr noch
besitzt, sind verstümmelte Abschriften. Die Originale sind euch unbekannt, so
daß die Verstümmelungen des Urtextes nicht aufgedeckt werden können. Die
dieses getan haben, sind von Gott schwer bestraft worden
Wenn ihr den voll-
ständigen und unverfälschten Text der Lehre Christi hättet, würde euch so man-
che Last von den Schultern genommen sein, die euch von Menschen im Namen
der Religion und des Christentums aufgebürdet wurde. Manche Lehre, die man
euch zu glauben zumutet, obschon sie eurem Verstande unmöglich erscheint,
würde in Wegfall kommen, weil sie als unrichtig erkannt würde, und ihr könntet
aufatmen als freie Kinder Gottes. So aber fühlen Millionen Menschen, daß vieles
von dem, was heute das Christentum lehrt, nicht richtig sein kann. Aus Gewohn-
heit behalten sie es zwar äußerlich bei. Aber eine innere Wirkung hat es nicht.
Denn das lebendige Fürwahrhalten fehlt.
Viele behalten das heutige Christentum aber nicht einmal äußerlich bei. Anstatt
nun das Unrichtige daran abzuwerfen, schütteln sie das ganze Christentum samt
dem Gottesglauben ab, weil sie meinen, das hänge alles zusammen. Und das ist
schlimm. Doch wird die Zeit kommen, wo die Lehre Christi in ihrer vollen Rein-
heit und Wahrheit der Menschheit wiedergegeben wird. Auf welche Weise das
geschieht, braucht ihr jetzt noch nicht zu wissen."
Nach weiteren längeren Ausführungen bestellte das Geistwesen durch den Mund des medialen Jungen
Johannes Greber für den nächsten Abend zu einer weiteren Aussprache, dann aber nur unter vier
Augen.
- 41 -
Nach einer ziemlich schlaflosen Nacht ging Greber am nächsten Abend wieder in die Wohnung, in der
er am Vortag war. Um 19.30 Uhr fiel der mediale Junge wieder in Trance, und das eingetretene
Geistwesen begrüßte Johannes Greber mit großer Freundlichkeit. Es sagte (29, S.22):
"Nun sprich dich ganz offen und vertrauensvoll bei mir aus, denn ich weiß, daß seit gestern in dei-
nem Inneren alles drunter und drüber geht, und du dich nicht mehr zurechtfindest."
Greber erwiderte mit vor innerer Erregung bebender Stimme:
"Meine Gedanken wirbeln durcheinander. Ich weiß nicht, was ich von alledem halten soll. Ich bitte
dich, belehre mich über alles, und sage mir vor allem, wer du bist und wie es möglich ist, daß du
durch diesen Jungen redest."
Die Antwort lautete:
"Du hast recht, daß du mich zunächst fragst, wer ich bin. Denn ihr sollt die Geister, die zu euch
reden, vor allem prüfen, ob sie von Gott sind, damit ihr nicht die Opfer böser Geister werdet, die
euch leiblich und geistig zugrunde richten, euch nicht die Wahrheit sagen, sondern die Lüge, und
dadurch euren Lebensweg zum Abgrund führen. - Ich schwöre es dir bei Gott, daß ich ein guter
Geist Gottes bin, und zwar einer der höchsten. Meinen Namen behalte für dich! (Nun nannte er
seinen Namen) Ich bin es, der dich hierher geführt hat. Ich will dich im Auftrage Gottes lehren,
und du hinwiederum lehre deine Mitmenschen!"
Im Verlauf der weiteren Unterhaltung wurde Greber aufgefordert, jeden Sonntagabend um 20.00 Uhr
wieder in die Wohnung in Koblenz zu kommen, um weitere Belehrungen zu erhalten, und außerdem in
seiner Gemeinde in Kell ebenfalls einen medialen Entwicklungskreis zu bilden. Abschließend sagte
das Geistwesen zu ihm (29, S. 25):
"Für heute mögen diese allgemeinen Belehrungen genügen. Über die Einzelheiten des Verkehrs
wirst du im Laufe der Zeit genauer unterrichtet werden, wenn du willens bist, dich belehren zu
lassen und die Aufgabe zu übernehmen, die dir zugedacht ist. Gezwungen wirst du nicht. Du hast
deinen freien Willen. Du kannst das Dargebotene annehmen und der Wahrheit Zeugnis geben -
oder es ablehnen und deinen bisherigen Weg weitergehen. Bist du bereit, es anzunehmen, so wirst
du wohl große irdische Opfer zu bringen haben. Du wirst Verfolgung leiden müssen um des Rech-
ten und der Wahrheit willen. Aber den Frieden wirst du finden. - Lehnst du aber das dargebotene
Gottesgeschenk ab, so hast du dafür die Verantwortung zu tragen. Entscheide selbst!
So - oder so."
Die geforderte Entscheidung war für Greber nicht einfach. Er schildert (29, S. 27):
"Ein schwerer Kampf tobte in mir. Nach welcher Seite sollte ich mich entscheiden? Denn daß ich
mich jetzt entscheiden müsse, fühlte ich. Nie in meinem Leben habe ich mit einer solchen
Innigkeit zu Gott gebetet, wie in diesen Tagen. Endlich entschloß ich mich, die gegebenen Wei-
sungen zu befolgen, auch unter den größten persönlichen Opfern, auch unter Verlust meiner Stel-
lung und meiner wirtschaftlichen Existenz. So war also die Entscheidung gefallen. Danach wurde
ich innerlich vollkommen ruhig, und mit großer Zuversicht sah ich den kommenden Dingen ent-
gegen."
Die weiteren Belehrungen, die Greber im Verlauf der nächsten Monate und Jahre erhielt, ergaben ein
umfassendes Bild über Gott, seine Persönlichkeit, seine Schöpfung und ihr Schicksal. Darüber werde
ich später ausführlicher berichten.
Auftragsgemäß bildete der Pfarrer in Kell einen gleichartigen Kreis, wie er ihn in Koblenz angetroffen
hatte, und veranstaltete mit ihm regelmäßige Zusammenkünfte. Unter seinen Augen wurde dabei im
Verlauf einiger Wochen ein junges Brüderpaar namens Gosber zu Medien ausgebildet, Heinrich Gos-
ber zu einem Volltrance- und Sprechmedium und Carl Gosber zu einem Inspirations- und Schreibme-
dium. Über das Medium Erich Zimmermann in Koblenz wurde Greber von der hohen Wesenheit be-
lehrt (29, S.33):
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"Du hast dort augenblicklich zwei Arten von 'Medien', die in der Ausbildung begriffen sind und an
denen von seiten der Geisterwelt gearbeitet wird. Das eine ist ein sogenanntes 'Inspirations-
Medium'. Ihm werden von einem Geist bestimmte Gedanken mit einer solchen Kraft eingegeben,
daß die eigenen Gedanken des Mediums verdrängt werden, und es ganz unter der Gewalt jenes
Geistes steht. Von ihm empfängt es nicht bloß die Gedanken, sondern wird von ihm auch
gezwungen, sie entweder auszusprechen oder niederzuschreiben. Dabei behält das Medium sein
volles Bewußtsein. - Dein Inspirationsmedium muß noch weiter ausgebildet werden, damit seine
Aufnahmefähigkeit für die Eingebungen der Geisterwelt vervollkommnet wird. Es muß noch man-
ches, was als Hemmnis im Wege steht, aus ihm hinausgeschafft werden. Was das ist, verstehst du
jetzt noch nicht. Aber später wird es dir klar werden.
Das andere Medium, das noch nicht weiter in Tätigkeit getreten ist, befindet sich im ersten Stadi-
um der Ausbildung. Es ist der Junge, der seinen Kopf bei der letzten Sitzung nicht ruhighalten
konnte und dadurch ängstlich wurde. Er wird ein 'Sprechmedium'. Der eigene Geist wird aus sei-
nem Körper verdrängt, und ein fremder Geist nimmt von ihm Besitz und spricht durch ihn. Man
nennt diesen Zustand 'Trance'. Er hat eine Menge Abstufungen, je nachdem der Geist des Medi-
ums nur teilweise oder vollständig von seinem Körper getrennt ist."
Über die weitere Entwicklung berichtet Greber mit eigenen Worten (30, S. 6):
"Der Junge (Carl Gosber) hatte weder die Absicht zu schreiben, noch hatte er die erforderliche
Schulung oder die angeborene Begabung dazu. Ganz unerwartet fühlte er sich gedrängt, am frühen
Morgen aufzustehen, um zu schreiben. Was er schrieb, wußte er vorher nicht. Die Worte und Sätze
wurden ihm plötzlich eingegeben, und er fühlte sich gedrängt, diese niederzuschreiben. Was er
schrieb, waren nicht seine Kenntnisse. Auch hatte er das Geschriebene nie vorher gehört oder gele-
sen. Es war Eingebung - Inspiration."
Unter anderem entstanden in der Folgezeit 17 Abhandlungen in Prosa oder Gedichtform über Themen
wie "Gottes Hirt und seine Herde" oder "Die Vergeistigung der Seele" oder "Was hat dein Erlöser für
dich getan". Alles erfolgte in gestochener deutscher Handschrift, wie sie damals von deutschen Schü-
lern noch beherrscht und ausgeübt wurde. Veröffentlicht wurde es 1975 in dem Buch "Von Gottes
Boten inspiriert" (30).
Greber lernte in den folgenden Wochen und Monaten die verschiedenen Formen des Jenseitsverkehrs
und die unterschiedlichsten Geistwesen kennen. Er berichtet darüber (29, S. 38):
"Das Auftreten der verschiedenartigen Geister und das, was sich dabei zutrug, hatte seine tiefe Be-
deutung. Von den hohen Geistern empfingen wir wertvolle Unterweisungen, manchmal auch erns-
te Zurechtweisungen und Tadel, so daß nicht selten bei dem einen oder anderen der Teilnehmer
die Tränen kamen. Mehr als einmal wurden die geheimsten Gedanken der Anwesenden offenbart,
jedoch stets so, daß keiner vor den übrigen beschämt wurde. Es ist überhaupt eine Eigentümlich-
keit der guten Geisterwelt, daß sie ihren Tadel und ihre Zurechtweisungen
immer in Formen kleidet, die nie verletzen, sondern mit dem Hinweis auf die Verfehlung der Men-
schen stets Worte des Trostes, der Ermunterung und der Liebe verbinden. Sie brechen nie das ge-
knickte Rohr und löschen den glimmenden Docht nicht aus. Mit zarten Händen behandeln sie die
Wunden an den Herzen ihrer Pflegebefohlenen.
Mahnungen und Ratschläge in einer und derselben Sache pflegen sie nicht oft zu wiederholen.
Wird das, was sie sagen, nicht befolgt, so machen sie vielleicht noch das eine oder andere Mal da-
rauf aufmerksam, dann nicht mehr oder nur in den seltensten Fällen. Gibt sich jedoch einer Mühe,
den Rat oder die Mahnung auszuführen, dann kommen sie immer wieder darauf zurück und helfen
ihm durch Belehrung und liebevolle Ermunterung so lange, bis er sein Ziel erreicht hat. Wenn je-
mand nur wirklich guten Willen zeigt, dann kennt ihre Liebe und ihr Erbarmen auch in den Fällen,
wo einer immer wieder aus menschlicher Schwäche strauchelt, keine Grenze. Macht einer jedoch
nicht einmal den Versuch, das auszuführen, was ihm einer dieser Gottesboten gesagt hat, und er
bittet nachher in einer anderen Sache um seinen Rat, dann erfolgt gewöhnlich die Antwort: 'Wa-
rum fragst du mich? Du tust ja doch nicht, was ich dir sage.'"
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Der Widersacher Gottes und seine Helfer
In den vorangehenden Kapiteln war bereits oft vom "Widersacher Gottes" und von heidnischen Gott-
heiten als den Feinden Gottes die Rede. - Wer oder was sind nun aber der oder die Widersacher Got-
tes? Sind es nur erfundene Gestalten der menschlichen Phantasie? Sind es lediglich Abstraktionen für
das "Böse" im menschlichen Leben, oder sind es wirkliche und handelnde Wesenheiten unserer oder
der jenseitigen Welt? Aus unserer Bibel läßt sich folgendes herauslesen:
Der Widersacher Gottes war einst einer der Erzengel, also der ranghöchsten Wesenheiten nach Gott,
dessen himmlischer Name Luzifer lautete. Durch seinen Aufruhr und Abfall von Gott wurde er jedoch
zum Satan (hebr. Satanas = Feind) und Teufel (griech. Diabolos = Verleumder). Mit samt seinem An-
hang, den er gegen Gott aufgewiegelt hatte, wurde er deshalb aus dem Himmel gestürzt. Christus sagt
es selbst (Luk. 10,18):
"Ich habe den Satan wie ein Blitz aus dem Himmel herabgestürzt gesehen."
In der Offenbarung Johannes (12,7) heißt es:
"Es erhob sich dann ein Kampf im Himmel: Michael (ein weiterer Erzengel) und seine Engel kämpften
mit dem Drachen, und auch der Drache und seine Engel kämpften. Doch gewannen sie den Sieg
nicht, und ihres Bleibens war nicht länger im Himmel. So wurde denn der große Drache, die alte
Schlange, die da Teufel und Satan heißt, der Verführer des ganzen Erdkreises auf die Erde hinab-
gestürzt, und seine Engel wurden mit ihm hinabgestürzt."
Der Apostel Petrus berichtet (2. Petr. 2,4):
"Gott hat ja nicht einmal gegen sündige Engel Schonung geübt, sondern hat sie in den tiefsten Ab-
grund hinabgestoßen, hinein in die Ketten der Finsternis, wo sie für das Gericht aufbewahrt wer-
den."
Und Judas, der Bruder des Jakobus , berichtet in seinem Brief (Vers 5):
"Ich will euch aber daran erinnern - die betreffenden Tatsachen sind euch allerdings sämtlich
schon bekannt - daß der Herr zwar das Volk Israel aus dem Land Ägyptens gerettet, beim zweiten
Mal aber die, welche nicht glaubten, vernichtet hat; daß er ferner die Engel, die ihren Herrschafts-
bereich nicht bewahrt, sondern ihre eigene Wohnstätte verlassen hatten, für den großen Gerichts-
tag mit ewigen Fesseln in der Finsternis drunten verwahrt hat."
Der Teufel ist nach dem Zeugnis der Bibel nicht ein Sinnbild des Bösen oder der Sünde, sondern eine
wirkliche, jedoch nichtirdische Persönlichkeit mit sehr großer Macht. Er ist der Fürst dieser Welt (Joh.
12,31; 16,11) und hat die Macht, alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit Christus als Versucher in
einem Augenblick vorzuführen. Er kann Christus sagen:
"Mir ist diese ganze Macht und Herrlichkeit übergeben, und ich kann sie geben, wem ich will."
(Luk. 4,5).
Satan ist der Menschenmörder von Anfang an (Joh. 8,44), der Vater der Lüge, der Todesfürst, d. h. der
Fürst der "geistig Toten", der von Gott getrennten Wesen. Er kann auch sein äußeres Gehabe und sein
Aussehen verändern. Es ist ihm sogar möglich, die Gestalt eines Lichtengels anzunehmen (2. Kor.
11,14), und seine Diener können mit der Maske der Gerechtigkeit auftreten (2. Kor. 11,15). Satans
Mitkämpfer und Helfer sind Wesen, die nicht von Fleisch und Blut sind, sondern Mächte und Gewal-
ten, welche die Welt der Finsternis beherrschen, und als böse Geisterwesen in der Himmelswelt wir-
ken (Eph. 6,12).
Aber auch auf der Erde hat Satan seine Anhänger. Christus sagte den Juden, die sich als Abrahams
Kinder bezeichneten und auf Gott als ihren Vater beriefen (Joh. 8,42):
"Wenn Gott euer Vater wäre, dann würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und
gekommen; ich bin nicht von mir selbst gekommen, sondern er hat mich gesandt. Wie geht es nun
zu, daß ihr meine Art zu reden nicht versteht? Weil ihr nicht imstande seid, das, was meine Worte
- 44 -
besagen, auch nur anzuhören. Ihr stammt eben vom Teufel als eurem Vater und wollt nach den
Gelüsten eures Vaters handeln. Der ist ein Menschenmörder von Anfang an gewesen und steht
nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, dann redet er
aus seinem ureigensten Wesen heraus, denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge."
Satan kann großen Einfluß auf die Menschen ausüben. Er oder seine Helfer, seine Engel, führen die
Menschen in Versuchung (1. Kor. 7,5), treten als Verderber auf, können die Menschen besessen
machen, sie 18 Jahre in Fesseln halten (Luk. 13,15) und bereiten den Menschen den Tod (1. Kor.
10,10), d. h. die Trennung von Gott, den "geistigen Tod". Mit Satan, dem Todesfürsten, schließen und
schlossen Menschen Bünde. Davor warnte der Prophet Jesaja bereits die Juden etwa im Jahre 730 v.
Chr. mit folgenden Worten (Jes. 28,14):
"Darum vernehmet das Wort des Herrn, ihr Spötter, ihr Herrscher über dieses Volk in Jerusalem!
Weil ihr gesagt habt: 'Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen und mit dem Totenreich
ein Abkommen getroffen: Wenn die Geißel mit ihrer Sturmflut hereinbricht, wird sie uns nicht er-
reichen, wir haben ja die Lüge zu unserem Schirmdach gemacht und uns in Trug geborgen.' Darum
spricht Gott der Herr: 'Wisset wohl, ich bin es, der in Zion einen Grundstein legt, einen erprobten
Stein, einen kostbaren Eckstein, der felsenfest gegründet ist. Wer da glaubt, wird nicht zuschanden
werden. Ich mache das Recht zur Richtschnur und die Gerechtigkeit zur Waage. Der Hagel wird
das Schirmdach der Lüge wegreißen und die Wasserfluten das Versteck fortschwemmen! Dann
wird euer Bund mit dem Tode und euer Vertrag mit dem Totenreich hinfällig werden."
Bereits Mose wurde von Gott aufgetragen (3. Mos. 19,31):
"Wendet euch nicht an die Totengeister und an die Wahrsagegeister, sucht sie nicht auf, damit ihr
durch sie nicht verunreinigt werdet. Ich bin der Herr euer Gott."
Denn (3. Mos. 20,6):
"Wenn sich jemand an die Totengeister und Wahrsagegeister wendet und sich ihnen hingibt, so
werde ich mein Angesicht gegen einen solchen Menschen kehren und ihn aus der Mitte seines
Volkes ausrotten."
Diese Mahnungen haben auch heute nach über 3.000 Jahren nichts an Bedeutung verloren und gelten
weiterhin für den Verkehr mit der gottfernen und gottfeindlichen Geisterwelt. Aber trotzdem schließen
auch heute noch zahlreiche Menschen feierliche Pakte mit dem Teufel und beten ihn als ihren Gott an.
Sie werden Satanisten genannt. Eine deutsche Form dieser Religion wird "Adonismus" (von adonaj =
Herr) genannt. Einer ihrer Verbreiter war ein Dr. Musallam (Pseudonym für Dr. Franz Stittler). Er
sagt (23):
"Heute ist die Macht des 'Anderen' (gemeint ist Jahwe bzw. Gott, dessen Name nie ausgesprochen wird) bereits
soweit gebrochen, daß niemand mehr Leib und Leben aufs Spiel setzt; wenn er sich als 'Teufels-
anbeter' bekennt und die einem solchen zuteil werdenden Fähigkeiten der Zauberei und Hexen-
kunst ausübt. Auch für sein Seelenheil wird der Adonist nicht fürchten, denn er weiß, daß der
Herr, dem er dient, nicht 'der Fürst der Hölle' ist, sondern Luzifer, d. h. der Lichtbringer, der be-
reits unterwegs ist, um das Reich des Lichtes, das goldene Zeitalter wiederzubringen."
Die Lehre des Adonismus verkehrt die Aussagen der großen Religionen: Mosaismus, Mazdaismus,
Christentum und Islam ins gerade Gegenteil. Nicht Gott ist der eigentliche Schöpfer und Herrscher
über die Welt, sondern Adonis (also Luzifer) ist Herr alles Lebens. Dagegen habe Jahwe (= Gott =
Ahura Mazda = Allah), der Bruder des Adonis, die Welt zum Abfall von ihm gebracht und tue dies
auch weiterhin durch seine Propheten Moses, Zarathustra, Jesus von Nazareth und Mohammed. Jahwe
wird stets nur der "Verbrechergott" oder "Molochos" oder "der Andere, dessen Name verflucht sei",
genannt.
Ein weiterer Satanist war Aleister Crowley (1875 - 1947), der sich Therion, das Tier der Apokalypse
mit der Zahl 666 nannte (Offb. 13,18). Sein oberstes Gebot war: "Tu, was du willst, das ist das ganze
Gesetz." Seine Schriften werden auch heute noch gedruckt, verbreitet und gelesen. Hexenvereinigun-
gen als betont antichristliche Gruppierungen gibt es inzwischen auf der ganzen Welt. Sie betreiben
erhebliche Werbung. Ihre Mitglieder, die sich ausdrücklich als Hexen bezeichnen, werden sogar von
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katholischen Akademien zu Vorträgen eingeladen, so die Hexe Judith Jannberg, die am 21. April
1988 im Rahmen der katholischen Akademie in Weingarten sprach. Sie sagte von sich: "Ich will nicht
nur eine Hexe sein, ich bin eine Hexe."
Am 12. Mai 1973 wurde im Deutschen Fernsehen (ARD) unter dem Titel "Religion aus dem Unter-
grund" eine "Schwarze Messe" ausgesendet. Während dieser Zeremonie erfolgte zu Orgelmusik die
"Kommunion" mit den Worten: "Laßt uns jetzt das Fleisch mit dem vermählten Blut in Form der Hos-
tie zu uns nehmen. Vereinigt euch mit dem teuflischen Leib." - Am 27. Februar 1984 trat in einer
Fernsehsendung (ARD) des Hessischen Rundfunks die Satananhängerin Ulla v. Bernus aus Wüstefeld
bei Rotenburg an der Fulda auf. Für das Fernsehpublikum betete sie u. a. ein "Satanunser". - Am 17.
September 1984 trat sie in einer Fernsehsendung des ZDF unter dem Titel "Ich töte, wenn Satan es
befiehlt" wiederum in Erscheinung. Diesmal führte sie Teufelsbeschwörungen zur Lösung von Pro-
blemfällen vor. Für ein Todesritual, das sie in allen Einzelheiten demonstrierte und durch das der je-
weilige Auftraggeber einen Gegner beseitigen lassen will, verlangt sie nach Angaben des Fernsehens
ein Honorar von 30.000,- DM. Das Fernsehen ließ in den Ankündigungen für die Sendung verbreiten,
daß es in der Bundesrepublik Deutschland angeblich schätzungsweise 10.000 Teufelsanbeter gebe.
Satans Macht als Anstifter zum Bösen ist auf der Erde und in der jenseitigen Welt sehr groß. Sie ist
aber nicht grenzenlos. In der usprünglichen Hierarchie stand er unter Christus, wurde von ihm nach
der Kreuzigung beim Hinabstieg in das Reich des Todes in seine Schranken verwiesen, und mußte alle
die aus seinem Machtbereich freilassen, die sich wieder Gott zuwenden wollten. Christus ist
(Kol. 1,15) :
"…das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung, denn durch ihn ist
alles geschaffen worden, was im Himmel und auf der Erde ist, das Sichtbare wie das Unsichtbare,
mögen es Throne oder Herrschaften, Mächte oder Gewalten sein: alles ist durch ihn und für ihn
geschaffen worden. Und er ist von allem, und es besteht alles in ihm. Ferner ist er das Haupt des
Leibes, nämlich der Gemeinde; er ist der Anfang, der Erstgeborene aus den Toten, er, der in allen
Beziehungen den Vorrang haben sollte. Denn es war Gottes Ratschluß, in ihm die ganze Fülle
wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen, sei es auf Erden oder im Himmel, nachdem er
durch sein am Kreuz vergossenes Blut Frieden gestiftet hat."
Das verhängnisvolle Wirken des abgefallenen und aus dem Himmel verstoßenen Luzifers (= Satan)
wird nicht ewig währen, sondern sein Ende finden, wenn Christus (1. Kor. 15,24):
"Gott dem Vater das Reich übergibt, sobald er jede Herrschaft und jede Gewalt und Macht ver-
nichtet hat; denn er muß als König herrschen, bis er ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der
letzte Feind aber, der vernichtet wird, ist der Tod; denn alles hat er ihm unter die Füße gelegt.
Wenn er dann aber aussprechen wird: 'Alles ist unterworfen', so ist doch selbstverständlich der
ausgenommen, der ihm alles unterworfen hat. Sobald ihm aber alles unterworfen ist, dann wird
auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles sei in
allem."
Nach dem Bericht der Bibel wirken Satan und seine Engel sowohl auf dieser Erde, als auch in der
jenseitigen Welt. Sie versuchen, irdische Menschen als auch Verstorbene von Gott zu trennen und in
ihren Herrschaftsbereich zu ziehen. Falls diese das nicht wollen, werden sie Quälereien ausgesetzt.
Über den Kampf mit dem Widersacher Gottes und seiner Gefolgschaft berichtet der Apostel Paulus in
seinem Brief an die Epheser (um 65 n. Chr.) in Kap. 6,11:
"Ziehet die volle Waffenrüstung Gottes an, damit ihr gegen die listigen Anläufe des Teufels zu be-
stehen vermögt! Denn wir haben nicht mit Wesen von Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit
den Mächten, mit den Gewalten, mit den Beherrschern dieser Welt der Finsternis, mit den bösen
Geisterwesen in der Himmelswelt. Darum nehmt die volle Waffenrüstung Gottes zur Hand, damit
ihr imstande seid, am bösen Tage Widerstand zu leisten, alles gut auszurichten und das Feld zu
behaupten!"
Einer, der von den Angriffen der Satansengel sogar auf dieser Erde betroffen wurde, war der Apostel
Paulus selbst, nachdem er sich für Christus entschieden hatte. Neben seinen Offenbarungen aus der
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göttlichen Welt litt er auch unter den Angriffen der Gefolgsleute Satans, wie sie nach ihm auch viele
andere erdulden mußten. Paulus schreibt (2. Kor. 12,6):
"Wenn ich mich nämlich wirklich entschlösse, mich zu rühmen, wäre ich deshalb kein Tor, denn
ich würde die Wahrheit sagen; doch ich unterlasse es, damit niemand höher von mir denke, als
dem entsprechend, was er an mir sieht oder von mir hört, und auch wegen der außerordentlichen
Größe der Offenbarungen. Deswegen ist mir auch, damit ich mich nicht überhebe, ein Dorn (griech.
'skolops' = Spitzpfahl oder Dorn) ins Fleisch gegeben worden, ein Engel Satans (griech. 'angelos satana'), der
mich mit Fäusten schlagen muß, damit ich mich nicht überhebe. Dreimal habe ich nun seinetwillen
den Herrn angefleht, er (der Satansengel) möchte von mir ablassen, doch er (der Herr) hat mir gesagt:
'Meine Gnade ist für dich genügend, denn meine Kraft gelangt in der Schwachheit zur Vollen-
dung."
Paulus beschreibt zwar nicht in allen Einzelheiten, wie er gequält wurde, aber es ist gut möglich, daß
er auch körperlich angegriffen wurde. Dramatische Beispiele dafür gibt es sogar aus diesem Jahrhun-
dert (siehe z. B. in 83, S. 43 f.).
Für moderne Theologen, die von David Friedrich Strauß (1808 - 1874) oder Prof. Rudolf Bultmann
(1884 - 1976) geprägt wurden, ist es unvorstellbar, daß ein Satansengel den Apostel Paulus in buch-
stäblichem Sinn angegriffen haben könnte. Man hat ihn deshalb zum Epileptiker erklärt, zumindest für
ihn aber ein krankhaftes Anfallsleiden angenommen. Seine Offenbarungen wurden gleichfalls damit in
Zusammenhang gebracht und als ein pathologisches Geschehen gedeutet.
Diese modernen Theologen, die alles nur zur "mythischen Chiffre" erklären, haben nie zur Kenntnis
nehmen wollen, daß bedeutende Wissenschaftler bei Untersuchung paranormaler Geschehnisse in
erdrückender Vielzahl Vorgänge beobachtet haben, die zu den Berichten der Bibel gleichartig sind.
Der Prof. für Dogmen- und Kirchengeschichte an der Universität Zürich Fritz Blanke (1900 - 1967)
kommt daher wegen dieser Forschungsergebnisse zu einem ganz anderen Urteil. Er schreibt (9):
"Blicken wir in die Bibel, so sehen wir, daß sich Gott nicht nur mittels des Wortes den Menschen
offenbart hat, sondern er hat auch Träume, Visionen, Prophezeiungen, also okkulte menschliche
Kräfte, und himmlische Boten als Mittel seiner Offenbarung benutzt. Der Theologie des Wortes,
die heute im Schwange ist, müßte eigentlich, wenn wir wirklich von der Bibel ausgingen, eine
Theologie der Träume, der Gesichte, der prophetischen Eingebungen und der Engel an die Seite
gestellt werden, d. h. die Frage wäre zu prüfen, wieweit auch die übernormalen Fähigkeiten des
Menschen und wieweit außermenschliche Wesenheiten als Vermittler göttlicher Kundgebungen
dienen können."
Wer immer noch im Zweifel ist, ob der Bericht des Apostels Paulus über das Wirken eines Satans-
engels möglicherweise wörtlich zu nehmen ist, möge bedenken, daß auch viele Gottesstreiter nach ihm
ähnlichen Angriffen ausgesetzt waren. Als ein Beispiel möchte ich hier das Leben des Johannes Bap-
tista Maria Vianey (1786 - 1840), des Pfarrers von Ars (Frankreich), anführen. Er wurde für sein
selbstloses seelsorgerisches Wirken nach seinem Tode von der katholischen Kirche heiliggesprochen.
Während seines irdischen Lebens war er jedoch den heftigsten Angriffen der dämonischen Geister-
welt, also der Satansengel, ausgesetzt (94, S. 66; 29, S. 212). Sie bestanden u. a. in lautstarken Spuk-
erscheinungen in seiner Wohnung, die besonders seine Nachtruhe unmöglich machen sollten, und in
inneren Anfechtungen, die den Zweck hatten, ihn in die Verzweiflung zu treiben. Dazu kamen dann
noch die gehässigen Angriffe seiner priesterlichen Amtsbrüder. Das alles hatte Vianey viele Jahre sei-
nes Lebens zu ertragen.
Darüber, wie das Wirken Luzifers und seiner Helfer in der jenseitigen Welt erfolgt, macht die Bibel
keine Angaben. Manchmal lösen sich aber Anhänger Luzifers aus seinem Machtbereich und schließen
sich wieder Gott an. Sie können dann über ihr früheres Wirken und die dabei angewandten Methoden
berichten.
Durch Teilnahme an medialen Versuchen kann ich aus eigener Erfahrung folgendes berichten: In ei-
nem Kreis von acht bis zehn Personen, der regelmäßig alle sieben Tage zusammenkam und sich jetzt
noch alle vierzehn Tage trifft, sind immer zwei (zeitweise waren es drei) medial veranlagte Menschen
anwesend. Die Medialität äußert sich in fließendem Sprechen im Zustand der Halbtrance. Das Be-
wußtsein der Medien ist also etwas zurückgedrängt, sie können aber noch den wesentlichen Inhalt des
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von ihnen Gesprochenen erfassen. Sie sind jedoch, wenn der Zustand der Halbtrance eingetreten ist,
nicht mehr fähig, ihre Sprache selbst willentlich zu steuern. Sie können ein Geistwesen, nachdem es
von ihrem Körper Besitz ergriffen hat, auch nicht mehr selbst abschütteln. Manchmal werden sie ge-
gen ihren Willen durch ungebetene Geistwesen, durch Angehörige der gottfeindlichen Welt, durch
"Satansengel", mit Beschlag belegt. Ihre Sprachfärbung und Ausdrucksweise im Zustand der Halb-
trance ist weitgehend die ihrer normalen Sprache.
Das Ziel des Kreises war es nicht, mit bestimmten verstorbenen Menschen oder verstorbenen Ver-
wandten in Verbindung zu kommen, also nicht etwa Verstorbene zu zitieren. Das Ziel war und ist,
ganz allgemein etwas über die Verhältnisse in der jenseitigen Welt in Erfahrung zu bringen und ver-
storbenen Menschen, die weitgehend unwissend in einem Zwischenreich, in einer Grauzone umherir-
ren, über ihren Zustand aufzuklären, sie religiös zu beraten und zu veranlassen, sich dem Reich Gottes
anzuschließen und sich um eine innere und äußere Weiterentwicklung zu bemühen. Über dieses Vor-
gehen habe ich ausführlich in dem Buch "Leben nach dem irdischen Tod. Die Erfahrungen von Ver-
storbenen" (82) berichtet.
Bei dieser Tätigkeit traten immer wieder, und das bis zum heutigen Tag, erhebliche Störungen und
Täuschungen durch Anhänger Luzifers auf. So manche Zusammenkunft mußte ergebnislos abgebro-
chen werden, weil die Medien von Niederen besetzt wurden, oder der normale Eintritt der Trance ver-
hindert wurde. Da in dem Kreis eine skeptische Grundhaltung vorherrscht, wurden alle Täuschungen
meist schnell erkannt. Diese bestanden z. B. darin, daß Geistwesen auftraten und sich als etwas ausga-
ben, was sie nicht waren. Bei allen irdischen Beteiligten herrscht jedoch kein blindes Vertrauen zu den
sich kundgebenden Geistwesen, sondern eine abwartende, prüfende und vorsichtige Haltung.
Bei den Zusammenkünften dieses medialen Kreises stellten sich etwa ein Jahr nach seinem Beginn im
Anschluß an die Besichtigung eines Spukortes bösartige Geistwesen ein, die nicht einer Grauzone oder
einem Zwischenreich zuzuordnen waren, sondern die ganz offen bekannten, daß ihr Herr nicht Gott
sondern Luzifer sei. Dieser wäre der wahre und rechtmäßige Herrscher der Welt. Ihre Aufgabe sei es,
die Arbeit des Kreises zu unterbinden und ihn zur Auflösung zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen,
störten sie die Sitzungen in hohem Maße, zogen ihnen nicht genehme Geistwesen aus den Medien
heraus und besetzten letztere dann selbst. Zwei der Medien wurden auch außerhalb der Sitzungen stark
angegriffen, indem ihnen beängstigende Gedanken eingegeben wurden und ihr körperliches Befinden
zum Schlechten beeinflußt wurde. Ein weibliches Medium sagte mir dazu: "Sie wissen ja gar nicht,
wie nahe man dabei dem Wahnsinn ist." Infolge dieser starken Belastung gab es dann nach etwa zwei
Jahren die Teilnahme an den Sitzungen auf und wurde von da an nicht mehr belästigt. Es traten keiner-
lei dauernde negative Folgen auf. Bei dem zweiten außerhalb der Sitzungen belästigten Medium, ei-
nem Herrn B., ließen diese Angriffe im Laufe der Jahre nach, waren 1979 nur noch schwach vorhan-
den und klangen sehr bald völlig ab. Das dritte Medium, Frau A., wurde außerhalb der Sitzungen nur
im Anfang geringfügig angegriffen.
Während der Sitzungen konnten die bösartigen Wesen anfangs noch nach wenigen Minuten durch
Gebet und Auflegen eines Kruzifixes aus den Medien entfernt werden. Mit der Zeit wurden sie jedoch
zunehmend widerstandsfähiger und brüsteten sich damit, daß sie von ihrem Herrn mit entsprechenden
Gegenkräften ausgestattet seien. Das führte dazu, daß mehrfach Sitzungen vorzeitig abgebrochen wer-
den mußten. Wenn es die Anhänger Luzifers jedoch zu heftig trieben, erhielten die Kontrollgeistwesen,
die wir dem Randbereich der göttlichen Welt zuordnen, die sich Gott also untertan fühlen und ihm
dienen wollen, aber nicht etwa aus seiner engen Umgebung kommen, hin und wieder eindrucksvolle
Hilfe. Ein Anhänger Luzifers beschrieb das am 20. 04. 1979 folgendermaßen:
"Es ist, als ob sich eine unsichtbare Mauer auf uns zuschiebt. Wir wollen dagegen ankämpfen,
haben aber keine Möglichkeit dazu. Die Mauer schiebt sich immer näher, und auf einmal befinden
wir uns außerhalb dieses Raumes. Wir versuchen uns dagegen zu wehren, verausgaben dabei viel
Kraft, bleiben aber doch erfolglos."
Bei der Arbeit dieses medialen Kreises trat nun laufend das Problem der Prüfung der Geister auf, oft
auch ganz kurzfristig, nur um zu entscheiden, ob sich gerade wieder ein Lügengeist eingeschlichen
hatte und z. B. für einen der Kontrollgeister ausgab. Nach einigen Versuchen von uns Menschen und
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nach Absprache und Rat der Kontrollgeister wird jetzt folgende Schwurformel den zu prüfenden
Geistwesen vorgelegt:
"Ich schwöre bei Gott, dem Schöpfer des Universums und dem Herrn über Gut und Böse
und über Luzifer den Teufel, daß ich zu Gottes guter Geisterwelt gehöre und daß Jesus
Christus mein Herr ist."
Diese Schwurformel, in der bekräftigt wird, daß Gott auch der Herr über Luzifer ist und in der sich das
Geistwesen Christus unterstellt, wird in der Regel von den Bösartigen, den Niederen, nicht geleistet.
Es geht ihnen wohl meist zu sehr gegen den Strich, ihren Herrn derart zu verleugnen. Leisten sie aus
Verstellungsgründen den Schwur aber dennoch, so merken wir gewöhnlich am Zungenschlag und an
der Betonung, daß der Schwur nicht ernstgemeint ist. Bislang ist der Kreis mit der Methode des dau-
ernden Mißtrauens und der ständigen Bitte um Hilfe von Gott vor Schaden jeder Art und langwähren-
den Täuschungen bewahrt geblieben.
Andererseits konnte Hilfe gesundheitlicher und seelischer Art an Menschen auf dieser Erde und seel-
sorgerische Unterstützung an hilfsbedürftige Wesen der jenseitigen Welt vermittelt werden. Auch
konnten zwei Anführer der Abgesandten Luzifers durch langdauernde Erörterungen (bei dem einen
drei Jahre lang) über die Frage von Gut und Böse, Recht und Unrecht und ob sie dem richtigen Herrn
dienten, wenn er sie anhalte, anderen Wesen zu schaden, zur Umkehr bewogen werden. Die beharrli-
chen Mahnungen hatten schließlich Erfolg, so daß die beiden Gefolgsleute Luzifers in feierlicher Rede
ihrem früheren Herrn abschworen, sich zu Gott bekannten und um Aufnahme in sein Reich baten. Von
diesem Augenblick an waren sie den heftigsten Angriffen ihrer früheren Gesinnungsgenossen ausge-
setzt, und es dauerte einige Wochen, bis sie sich völlig aus ihrem früheren Lebensbereich lösen konn-
ten. Der erste dieser beiden, der sich Georg nannte, ließ erstmals am 21. 04. 1978 durch die Kontroll-
geister mitteilen, daß er die Seite wechseln wolle, und bekräftigte das auch uns Menschen gegenüber
in feierlicher Form am 05. 05. 1978 und am 02. 06. 1978. Er gelobte, fortan Gott und seiner Seite zu
dienen. Seit damals ist dieser Georg für unsere Kontrollgeister ein treuer und hilfreicher Mitstreiter,
der die Erfahrungen aus seinem bisherigen Tätigkeitsbereich in die ständigen Auseinandersetzungen
mit der luziferischen Seite einbringen konnte. Sein Tätigkeitsbericht ist daher von besonderem Interes-
se, da er Einblicke vermittelt, die man normalerweise gar nicht erhalten kann. Fünf Jahre später, am
16. April 1983 berichtete Georg ausführlich über sein Leben auf der anderen Seite. Ich gebe den Be-
richt hier nach der Tonbandaufzeichnung mit nur geringfügigen Kürzungen und kleinen sprachlichen
Korrekturen wieder. Georg sagte:
"Ich bin 1583 gestorben. Es ist mir bislang noch nicht gelungen herauszubekommen, wie ich zu
Lebzeiten geheißen habe. Ich meine aber, daß mein Name Georg ähnlich war. Ich werde versu-
chen, hier noch weiter zu forschen. Ich habe geforscht und erinnere mich an meinen Todestag. Es
war der 08. August 1583. Ich bin am 25. Januar 1522 geboren. Ich erinnere mich an meinen To-
destag deshalb so genau, weil damals eine Welt für mich zusammenbrach, daß ich nicht 'tot' war.
Ich habe zu Lebzeiten überhaupt nichts von einem Weiterleben gewußt. Ich wußte auch nichts von
einer Geisterwelt. Gestorben bin ich an Schwäche. Ich hatte nichts Besonderes, hatte mich zu der
Zeit nur erkältet, war sehr fiebrig und hatte etwas verschleppt. Ich starb dann an Schwäche. Als ich
gestorben war, habe ich festgestellt, daß ich nicht 'tot' war. Natürlich konnte ich mit meinen Be-
kannten und Verwandten nicht mehr sprechen, und ich konnte auch meinen irdischen Körper nicht
mehr benutzen. Der wurde zu Grabe getragen. Ich war dabei und konnte gar nicht verstehen, daß
die Verwandten, vor allen Dingen mein Bruder und meine Schwester, mich nicht hörten und nicht
verstanden, obwohl ich neben ihnen stand und sie 'anfaßte'. Sie haben davon nichts gespürt. Das
war für mich die erste große Überraschung. Auch bei euch ist es ja so, daß viele an so etwas gar
nicht denken und dann später sehr überrascht sind.
Nachdem ich festgestellt hatte, daß keiner mehr mit mir sprechen konnte und ich auch mit ihnen
nicht sprechen konnte, habe ich mich nach eurer Zeitrechnung noch ungefähr ein Jahr bei ihnen
aufgehalten. Das war für mich keine lange Zeit. Ich habe mich zu ihnen gesetzt und habe die Ge-
spräche mit angehört. Es war für mich auch Trost zu der Zeit, daß meine Schwester, die sehr an
mir gehangen hat, mein Tod doch sehr mitgenommen hat. Ich hätte ihr zu gerne ein Zeichen gege-
ben, daß ich nicht tot war, aber das ist mir nicht gelungen. Ich habe sie auch bis zu dem heutigen
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Tag, und das ist ja nun schon einige Zeit her, noch nicht wiedergetroffen. Es ist nicht so, daß man
seine Verwandten unbedingt wiedersieht.
Ich war ledig, hatte keine Frau und keine Kinder. Nach dem einen Jahr habe ich mich von meinen
Verwandten zurückgezogen. Für euch ist sicher interessant, daß ich während dieses einen Jahres
überhaupt kein anderes Geistwesen gesehen habe. Ich war vollkommen allein. Ich war bei den
Menschen, aber sonst ist nichts geschehen. Nach dem einen Jahr habe ich mir gesagt: Ich ziehe
mich zurück. Heute sage ich mir allerdings, nachdem ich eine sehr lange Zeit auf der anderen Seite
war (auf der Seite Luzifers), daß man mich irgendwie gerufen hat. Man hat mich beeinflußt nach die-
sem Jahr, nachdem ich merkte und einsah, daß ich mit den eigenen Verwandten und Bekannten
nicht mehr sprechen konnte. Ich zog mich zurück, und ganz plötzlich war ich in einem Kreis lusti-
ger Geistwesen. In ihm waren beide Geschlechter vertreten. Es waren auch Kinder da. Die Geist-
wesen sprachen mich an und sagten, daß sie mich bewußt so lange auf der Erde gelassen hätten, da
sie mich nicht beeinflussen wollten, denn ich sollte erkennen, daß ich tot sei. Jetzt seien sie aber
da, und sie würden mir alle Hilfe geben, die ihnen zur Verfügung stünde, und sie würden sich vor
allen Dingen um mich kümmern. Ich fand unter ihnen keine Verwandten. Ich möchte sagen, daß es
56 Geistwesen waren, die sich um mich bemühten. Davon waren 17 Männer, 28 Frauen,
7 Jungen und 4 Mädchen. Ich habe mich um diese Einzelheiten, die für mich ja schon fast verges-
sen waren, jetzt wieder gekümmert.
Wir lebten zusammen und haben uns unterhalten, nicht mit einer Stimme oder einem Ton, wie ihr
das tut, sondern einfach von Geist zu Geist mit Gedankenübertragung, wenn man es so ausdrücken
darf. Ich kann nicht sagen, wie lange ich in diesem Kreis war. Es war eine sehr lange Zeit und
rückwirkend gesehen eine sehr schöne Zeit, und zwar deshalb, weil ich damals nichts Böses tun
mußte und nur geduldet wurde. Wir waren nur zusammen, haben sogar gesungen und uns unter-
halten, z. B. darüber, wie schön es doch sei, noch weiterzuleben. Über Gott oder ähnliches wurde
in dieser Zeit überhaupt nicht gesprochen. Ich bin zu Lebzeiten zwar katholisch gewesen und bin
auch zur Kirche gegangen, habe aber trotzdem an nichts geglaubt.
Wir waren, so meine ich, 84 Jahre lang zusammen. In dieser Zeit veränderten wir uns äußerlich
alle nicht, auch die Kinder wurden nicht größer. Ich selbst sah nach euren Begriffen wie etwa 30
Jahre alt aus und fühlte mich auch so. In dieser Form bin ich auch heute noch. Wir alle waren in
lange bläuliche Gewänder gekleidet.
Zu Lebzeiten war ich nie krank. Ich war sehr viel draußen und war ein Eigenbrötler und habe nie
gerne mit Menschen gesprochen, außer mit meiner Schwester, zu der ich einen sehr engen Kontakt
hatte. Vielleicht spielte das alles nachher eine Rolle, als ich in dieser Welt bei den Geistwesen auf-
genommen und aufgeschlossen wurde. Sie haben mich ja sehr freundlich empfangen, und ich habe
dabei mein Wesen völlig verändert. Ich war nicht mehr eigenbrötlerisch und auch nicht mehr in
mich gekehrt. Ich war in dieser Welt bereit, mich mit anderen zu unterhalten. In diesem Kreis habe
ich keine eigensinnigen Geistwesen kennengelernt. Ich nehme an, daß mich wegen meines eigen-
sinnigen Wesens auf Erden auch keine Frau geheiratet hat. Ich hatte zwar zwei gute Freundinnen,
aber rückblickend muß ich sagen, daß ich mich auch nicht geheiratet hätte.
Die damaligen 84 Jahre waren aus heutiger Sicht verlorene Jahre. Ich wurde damals gezielt für die
andere Seite vorbereitet, das ist mir ganz deutlich. Diese Geistwesen waren Abgesandte der ande-
ren Seite. Es wurde nie ein Wort über Gott gesprochen, aber auch nicht über Luzifer. Das
war überhaupt kein Thema. Wichtig ist für die Menschen, wenn sie die Erde verlassen, daß sie
ganz vorsichtig sind, wenn sie sehr freundlich aufgenommen werden und lange Zeit kein Wort
über Gott gesprochen wird.
Als ich dort ankam, war vor mir gerade eine Frau eingetroffen. Sie verließ uns jedoch schon nach
17 Tagen wieder. Von allen anderen ist aber in den 84 Jahren keiner vor mir weggegangen, und es
ist auch niemand dazugekommen. Damals spielte die Liebe und Achtung dem anderen gegenüber
keine Rolle, ganz im Gegensatz zu der Gemeinschaft, in der ich jetzt bin. Damals hatte ich keine
innere Bindung zu den anderen Geistwesen, nur ein kaltes Gefühl. Ich habe das damals gar nicht
erkannt, merke es aber heute rückwirkend. Eine große Rolle spielt dabei auch, daß ich damals
nicht gläubig war.
Nach den 84 Jahren wurde ich von Geistwesen darauf vorbereitet, daß ich von einer Gruppe von
15 Geistwesen abgeholt werden würde, die mich woanders hinführen sollten. Damals waren bei
mir die Gedanken an meine früheren Verwandten völlig ausgelöscht. Die 15 Geistwesen, die mich
abholten, waren alle erwachsen, drei waren weiblich, der Rest männlich. Mir fiel auf, daß ich in
der vorigen Gruppe bei Unterhaltungen mit anderen Geistwesen innerlich völlig frei war. Bei der
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neuen Gruppe dagegen fühlte ich mich bei Unterhaltungen beeinflußt, hatte den Eindruck der
Unterbrechung, schon als sie mich abholten. Ich konnte nicht mehr so frei wie früher sprechen.
Das hat mich am Anfang gestört, und ich habe versucht, auch die anderen zu unterbrechen. Doch
das ist mir nicht gut gelungen.
Wir hielten uns damals in einem runden hausähnlichen Gebäude auf. Dessen Wände konnte ich
allerdings durchschreiten. Nach einigen Tagen fragte ich die 15 Geistwesen, warum sie mich bei
unseren Unterhaltungen nicht aussprechen ließen. Sie antworteten mir, daß die Zeit des Austau-
schens vorüber sei, daß ich bei ihnen jetzt viel zu lernen hätte. Deshalb unterbrächen sie mich, da-
mit nicht die Zeit nutzlos vergehe. Sie hätten mich zu schulen und weiterzubilden. Aus diesem
Grund möchten sie mich lenken.
Damals machte ich mir Gedanken, warum sie mich nicht aussprechen ließen. Ich hätte dadurch
eigentlich kritisch werden müssen. Hinterher ist das allerdings leicht gesagt. Man fing damals an,
sich mit mir über die Erde zu unterhalten, über die Menschen und ihre Oberflächlichkeit, Unver-
träglichkeit und Mißgunst. Trotzdem gingen die Menschen in die Kirche, beteten dort und seien
nach Verlassen der Kirche wiederum mißgünstig. Das könne ja doch wohl nicht richtig sein. Ich
hätte zu Lebzeiten ja nicht geglaubt. Das hätte ich zu recht getan, denn an wen solle man wohl
glauben, wo doch so viel Ungerechtigkeit herrsche und wo die Menschen, nachdem sie in die Kir-
che gegangen seien, hinterher auch nicht viel besser wären. Darauf antwortete ich, daß meine
Schwester aber jedenfalls nicht mißgünstig gewesen sei, und zu anderen Menschen hätte ich ja
kaum Kontakt gehabt. Man entgegnete mir, das sei eben eine Ausnahme gewesen. Man wies mich
darauf hin, daß ja auch mein Bruder ein sehr herrischer Typ gewesen sei, der seine Frau und seine
vier Kinder oft geschlagen habe. Meine beiden Eltern sind schon sehr früh gestorben, als ich erst
sechs Jahre alt war. Ich war dann immer bei meiner Schwester und habe bei ihr Liebe kennenge-
lernt.
Die Geistwesen erläuterten mir dann, daß sie von einer bestimmten Gruppe woanders für
bestimmte Arbeiten vorbereitet worden seien, die man fähig sei, hier zu leisten. Man könne z. B.
Verstorbene empfangen und dabei die Gestalt ihrer ebenfalls schon verstorbenen Verwandten
annehmen. Man dürfe den Verstorbenen natürlich nicht sagen, daß man nicht der Verwandte sei.
Nachdem die Verstorbenen, die sich sehr freuten, daß sie von einem Verwandten empfangen wor-
den seien, erkannt hätten, daß sie verstorben seien, wäre es dann möglich, sie wegzuführen. Das
wären sehr gute Arbeiten, die man dort verrichten könne, weil es doch eine Hilfe für die Verstor-
benen sei.
Ich habe mich darauf bereiterklärt, das zu tun, ohne im geringsten daran zu denken, daß ich hier
etwas Falsches tat, daß es schlecht war, mich in einen 'Verwandten' zu verwandeln. Diese Tätig-
keit habe ich dann ungefähr 195 Jahre ausgeübt. Ich habe mich damals nicht darum gekümmert,
wohin die Verstorbenen geführt wurden. 195 Jahre lief diese Tätigkeit glatt ab. Es waren immer
Menschen, die nicht an Gott geglaubt hatten.
Nach diesen 195 Jahren war wieder ein Mensch gestorben, eine Frau, die sieben Kinder gehabt
hatte. Bei ihr verwandelte ich mich wieder in einen Verwandten, zusammen mit vier anderen
Gleichgesinnten um sie herum. Diese Frau muß aber gläubiger gewesen sein, als die Unseren an-
genommen hatten. Jedenfalls fing sie, als sie uns, die 'Verwandten', sah, sofort an zu beten. Ich
hatte bis dahin ja nie gebetet oder an Gott gedacht, auch nicht an Luzifer. Als sie nun betete, spra-
chen wir sie an und sagten ihr, daß sie nun tot sei, aber weiterlebe und daß wir sie abholen wollten,
damit sie nicht so allein wäre. Da fragte uns die Frau, wohin wir sie dann führen wollten und wo
denn Gott sei? Wir konnten diese Frage nicht beantworten. Aber unter uns fünf waren zwei, wel-
che die Gedanken der Frau vollkommen ausschalten konnten. Diese erklärten uns anderen drei,
daß das notwendig wäre, da sie noch sehr erdgebunden sei, weil sie noch bete und nach Gott frage.
Den gäbe es hier aber gar nicht, und deshalb müßten sie die Verstorbene ausschalten und erst ein-
mal ruhigstellen. Auf diese Weise konnten wir die Frau ohne ihren eigenen Willen abholen und
ohne daß sie wußte, wohin es ging. Das war damals für mich ein Erlebnis, aber ich habe mir weiter
keine Gedanken darüber gemacht. Nach ungefähr vier Monaten wurde ich wieder zu dieser Frau
geführt. Sie empfing mich als ihren angeblichen Verwandten sehr freundlich, und wir unterhielten
uns über frühere Zeiten. Sie war dabei so, wie die, welche ich 195 Jahre empfangen hatte. Sie
betete nicht mehr und fragte auch nicht mehr nach Gott. Sie war umgekrempelt worden.
Von diesem Zeitpunkt an wurde ich, immer als 'Verwandter', eingesetzt bei Verstorbenen, die ge-
glaubt hatten, die allerdings nicht strenggläubig, sondern wankelmütig waren. Das Verfahren spiel-
te sich ähnlich wie bei der ersten Frau ab. Mit der Zeit wurde es für uns Routine. Wir konnten die
Verstorbenen sehr gut beeinflussen, und nach etwa einem Jahr zogen sich die zwei zurück, die zu
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Anfang die Frau beeinflußt hatten. Wir anderen drei waren nun an deren Stelle getreten und beein-
flußten die Verstorbenen zu ihrem 'Guten'. Es gelang uns, sie auszuschalten und stillzusetzen, wo-
bei wir uns drei bis vier Monate um sie kümmerten, d. h. sie beeinflußten, denn viele Verstorbene
beteten immer wieder. Wir haben sie dann nicht mehr freigelassen. Diese Geistwesen konnten sich
nicht mehr entfalten. Sie wurden von morgens bis abends bearbeitet, etwa drei bis
vier Monate lang. Dann ging es ihnen interessanterweise gut. Nach einer gewissen Zeit haben wir
uns dann allen gegenüber zu erkennen gegeben, daß wir nämlich nicht ihre Verwandten seien. Wir
haben ihnen gesagt, daß wir die Gestalt ihrer Verwandten angenommen hätten, um ihnen zu hel-
fen. So etwas könnten sie später auch machen. Keiner der Verstorbenen hat daran Anstoß genom-
men. Mit der Zeit vervollkommnete ich mich in meinen Fähigkeiten bedeutend. Wenn sich Ver-
storbene besonders 'störrisch' anstellten, nutzte ich meine Kraft der Beeinflussung aus und
investierte nicht viel Zeit bei ihnen. Allmählich wurde ich in meinem Bereich in der Fähigkeit,
andere zu beeinflussen, einer der Stärksten. In dieser Zeit wurde von Luzifer immer noch nicht ge-
sprochen.
Als wir stärkeren Geistwesen, insgesamt 35, eines Tages zusammensaßen, kam ein anderes Geist-
wesen zu uns und teilte uns mit, daß eine Abordnung von sieben Geistwesen zu uns kommen wer-
de, die mit unserer Arbeit sehr zufrieden sei. Diese Abordnung kam dann auch und fragte uns, ob
wir eigentlich wüßten, auf welche Weise wir imstande seien, unsere Tätigkeit auszuüben, wodurch
wir unsere Kraft bekämen? Wir antworteten, daß das nach unserer Meinung auf unsere Erfahrung
und Übung zurückzuführen sei. Die Geistwesen der Abordnung entgegneten uns, daß das zum Teil
schon stimme, daß wir aber im wesentlichen gelenkt würden und daß es in dieser Welt, in der wir
jetzt lebten, einen Herrscher gäbe, den wir allerdings nicht sehen könnten, der uns aber alle beein-
flusse und uns hülfe. Er habe auch das aus uns gemacht, was wir heute seien. Wir wurden weiter
gefragt, ob wir bereit wären, uns für die Hilfe, die wir empfangen hätten, auch einzusetzen, wenn
noch störrischere Verstorbene kommen würden. Wir haben dem zugestimmt.
In Abständen von etwa einer Woche hat uns diese Gruppe von sieben Geistwesen weiterhin unter-
richtet. Eines Tages sagten sie uns, daß unser Oberhaupt der Herr aller Dinge und aller Welten sei.
Sie nannten ihn nicht Luzifer. Ich fragte dann, und das vergesse ich nie, ob das der Gott sei, zu
dem man auf Erden gebetet habe. Man antwortete mir, daß der Herrscher dieser Welt nichts mit
dem Gott auf Erden zu tun habe. Das haben wir ihnen auch abgenommen.
Dann kam der Tag, und das ist jetzt der Sprung zu euch, da wurde ich das erste Mal zu auf der Er-
de lebenden Menschen geschickt. Bis dahin hatte ich es nur mit Verstorbenen zu tun gehabt. Man
sagte mir, daß es da Menschen gäbe, die sich jetzt schon zu Lebzeiten damit beschäftigten, mit
dieser Welt, in der wir jetzt lebten, zu verkehren. Ich wurde dann aufgefordert, mir das einmal an-
zusehen. Zu dieser Zeit machten einige von euch einen Spaziergang nach Wolfegg. Zwei von euch
sahen im Wald (hellsichtig) eine Gestalt. Die war ich. Außerdem unterhieltet ihr euch über den Bau-
ernjörg6. Ich habe mir dann eure abendlichen Zusammenkünfte einige Male angesehen. Mir wurde
schon vorher gesagt, daß bei euch zwei Geistwesen, Stanislaus und Nepomuk, Verstorbene zu
Menschen bringen. Dabei machen sie die gleichen Fehler wie auf Erden. Sie lassen die Verstorbe-
nen zu Gott beten, und diese sind dann wieder im Nichts. Ich wurde von meinen Auftragebern ge-
fragt, ob ich auch hier bereit sei, mich einzuschalten. Ich willigte ein, weil es für mich ein Anreiz
war, nun auch mit Menschen zusammenzuarbeiten.
Ich glaubte auch, daß die Sache richtig sei, die ich da tun sollte. Es gelang mir sehr gut, mich in
die Gedanken der Verstorbenen einzuschalten. Es gelang mir weniger gut, die Medien zu be-
einflussen, insbesondere während der Woche (also außerhalb der Sitzungen), z. B. bei der Arbeit. Sie
fingen dann nämlich an zu beten, und ich hatte darauf gar keinen Erfolg. Das hat mich aber nicht
weiter stutzig gemacht. Eure Geistführer Stanislaus und Nepomuk konnte ich auch nicht beeinflus-
sen. Wir haben hier zwar manche Kämpfe ausgefochten, aber ich konnte sie nicht ausschalten, sie
konnten mich aber auch nicht ausschalten. Sie hatten ja die gleiche Waffe wie ich. Von Mal zu
Mal lernte ich euch alle besser kennen und fing dabei an zu denken, was ich vorher nicht getan
hatte. Ich war vorher nur Ausführender, nur Handlanger für die niedere Seite. Meine damaligen
Freunde machten damals einen Fehler. Als ich anfing zu denken, versuchten sie, mich während der
Woche auszuschalten und stillzulegen bis zum nächsten Freitag, an dem ihr euch wieder traft.
6 Truchseß Georg III von Waldburg, 1488-1531. Als dieser Bauernjörg gab sich der jenseitige Georg jahrelang uns Menschen
gegenüber aus. Er legte dabei auch das Gehabe eines befehlsgewohnten militärischen Führers an den Tag. Seine Anwe-
senheit gab er uns stets dadurch kund, daß er seine Arme wie ein Napoleon übereinanderschlug. Erst nach seinem Seiten-
wechsel gestand Georg, daß dieses Rollenspiel auch zu seinem Täuschungsritual gehörte.
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Damals kam mir die Erkenntnis, daß das, was meine Seite jetzt mit mir tat und was ich immer mit
anderen gemacht hatte, falsch sein müsse. Das habe ich aber meinen Genossen bei den Diskussio-
nen nicht gesagt. Es kam ja dann der Tag, an dem ich zur anderen Seite, zur Seite Gottes, übertrat.
Das war für mich mit sehr großen Anfechtungen von meiner bisherigen Seite verbunden, mit un-
sagbaren Schmerzen, so muß man es nennen, wenn man seine eigenen Gedanken fassen will, dabei
dann aber ausgeschaltet wird. Diese Schmerzen konnte ich nur dadurch ertragen, und das war die
Hilfe, die ich durch euch erfuhr, daß ich betete und bekannte, zu Gott zu gehören. Ich erkannte
damals, daß es nur einen Herrn in unserer, für euch jenseitigen, Welt gibt und sah auch, daß alles
falsch war, was ich zuvor getan hatte.
Als meine bisherige Seite merkte, daß ich vorhatte überzutreten und von euch Hilfe anzunehmen,
wollte man mich nicht mehr zu euch lassen. Ich bin dann nur vermöge meines eigenen Willens,
mit Hilfe meiner Gebete und den Gedanken an Gott weiterhin zu euch gekommen. Ich bat immer
um Hilfe, weil ich wußte, daß alles Bisherige falsch war. Auslösend für meinen Übertritt war auch,
daß einem früheren engen Mitarbeiter ebenfalls die eigenen Gedanken ausgeschaltet wurden. Ich
konnte ihm damals leider nicht mehr sagen, daß mir mit Gebeten geholfen wurde.
Ich bin sehr dankbar, daß ich nun hier mitarbeiten kann, und hoffe, das noch sehr lange tun zu
können. Es ist aber nicht nur meine Arbeit, freitags hierher zu kommen, sondern ich habe auch die
Arbeit übernommen, die anderen, zu denen ich bislang ebenfalls gehörte, dort zu bekämpfen, wo
sie Verstorbene zu beeinflussen versuchen. Diese Aufgabe, die ich übernommen habe, tue ich ger-
ne. Sie ist aber auch sehr schwer. Für mich ist dann der Freitag hier bei euch die Erholung. Hier
aus diesem Kreis bei euch nehme ich die Kraft mit, die ich brauche, um das Elend, das geschieht,
zu ertragen. Wenn man erst einmal erkannt hat, daß alles schlecht und falsch ist, was da abläuft,
geht einem das doch sehr nahe. Die Kraft, die ich hier empfange, reicht dann aus, um die ein oder
zwei Wochen bis zu unserem nächsten Treffen zu überbrücken.
Die Kämpfe, die ich jetzt mit den Angehörigen der anderen Seite um Verstorbene auszufechten
habe, bestehen nicht in Handgreiflichkeiten, sondern darin, sich gegenseitig geistig zu beeinflus-
sen. Bei den Verstorbenen, welche die Geistwesen der anderen Seite abholen wollen, indem sie
sich als Verwandte vorstellen, handelt es sich immer um die 'Ungläubigen'. Von denen gibt es sehr
viele. Ich persönlich habe nun die Kraft, das Geistwesen, das sich dem Verstorbenen gegenüber als
Verwandter ausgibt, so zu beeinflussen, daß es sich in seiner normalen, ursprünglichen Form dar-
stellt, es also zu entlarven. Das gelingt mir allerdings nicht immer, weil dazu eine sehr große Ener-
gie erforderlich ist. Wir bekommen für diesen Zweck zwar sehr viel Kraft, aber die anderen wer-
den auch geschult, das auszuhalten. Wenn wir keinen Erfolg gehabt haben und darüber sehr er-
schüttert sind, weil nun ein Geistwesen vielleicht für viele Jahre verloren gegangen ist und sehr
viel durchmachen muß, gibt es für uns allerdings auch Trost von unserer Seite.
Wenn Verstorbene durch unser Eingreifen erkennen, daß die Geistwesen der anderen Seite gar
keine Verwandten sind, reagieren sie darauf oft mit einem so großen Schock, daß sie anfangen zu
beten und zu sagen: 'Gott hilf mir!' Der dann entstehende 'Kampf' zwischen den Geistwesen der
anderen und unserer Seite geht meist so aus, daß der Verstorbene sanft zu unserer Seite herüberge-
führt wird, aber nicht unter Zwang und nicht gegen seinen Willen. Ich muß betonen, daß wir kei-
nen Verstorbenen beeinflussen, sondern ihn nur fragen, ob er sich zu Gott bekennen und mit uns
gehen möchte, und zwar nach eigenem freien Willen. Wir sagen auch immer, daß er uns jederzeit
verlassen kann, um dorthin zu gehen, wohin er will. Wenn sie sich dann frei entschieden haben,
und anders kann es auf Gottes Seite nicht sein, dann kommen die Verstorbenen in die Ruhezone, in
die neutrale Zone, wo sie es sehr schön haben, wo sie entspannen können. Dort müssen sie sich
noch nicht für eine bestimmte Seite entscheiden. Dort können sie aus freien Stücken beten, aber sie
müssen es nicht. Sie werden dann nicht aus der neutralen Zone hinausgedrängt, sondern sie ge-
winnen dort ihre Kraft. Sie sind da unter Gleichgesinnten oder auch unter anderen, kritischen
Geistwesen. Sie können sich dort vollkommen frei, und was besonders wichtig ist,
völlig ungestört unterhalten. Die niedere Seite kommt in die neutrale Zone nicht hinein. Diese ist
so abgeschirmt, daß ein Eindringen von der niederen Seite unmöglich ist."
Frage von Schiebeler:
"Wie sollte man sich als frisch Verstorbener denn verhalten, wenn bei einem die eigenen Ver-
wandten stehen und man nicht weiß, ob sie es wirklich sind?"
Georg:
"Auf die Verwandten kommt es dabei nicht so sehr an. Du kannst dich schon freuen, daß sie da
stehen. Du weißt aber nicht, ob sie es wirklich sind. Denkt aber nicht so sehr an die Verwandten,
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denkt nur an das Gebet und an Gott, und wenn ihr gläubig seid, führt das Gebet auch dort (im Jen-
seits) weiter. Dann schreitet ihr fort und erkennt später eure Verwandten sicher, denn es ist so, daß
viele Verstorbene ihre richtigen Verwandten wirklich sehen. Ihr habt doch euren Glauben. Er ist
der einzige Weg, sich in der anderen Welt zu Gott zu bekennen. Aber wenn ihr eure Verwandten
seht, könnt ihr sie fragen: 'Ist eurer Herr der Herrgott?' -
Es gibt nur einen richtigen Weg in der jenseitigen Welt. Ich bin leider zuerst den falschen
gegangen. Ich habe ja gar nicht an Gott geglaubt. Es gibt aber Verstorbene, und ich erlebe das
immer wieder, die sind so fest in ihrem Glauben an Gott, obwohl sie nicht wußten, daß sie weiter-
leben würden, daß sie mit ihrem Willen allen schönen Verlockungen, die ihnen von der niederen
Seite gemacht werden, widerstehen können. Sie bekennen sich zur Seite Gottes, obwohl man ver-
sucht, sie mit Arbeiten, die sie gerne gemacht haben und vielen anderen Dingen, die sie von ihrem
Erdenleben her schätzten, auf den falschen Weg zu locken. Wer aber einen festen Glauben hat,
läßt sich dadurch nicht beeinflussen und verwirren. - Gott zum Gruß!"
Der in Gottes Reich übergetretene Georg wurde von der anderen Seite sehr schnell durch einen
Nachfolger ersetzt, welcher noch energischer auftrat, als es der Georg bereits getan hatte. Schon am
28. April 1978 meldete er sich durch den Mund des medialen Herrn B. mit folgenden Worten (wobei
das sehr umfangreiche Gespräch an einigen Stellen gekürzt ist):
Heinrich: Hier spricht Heinrich. Ich grüße euch im Namen meines Herrn. Mein Herr schickt mich. Es ist euch
schon das letzte Mal mitgeteilt worden, daß einer von uns sich nicht so stark zeigt, wie er es eigent-
lich sollte. Aus diesem Grund bin ich hier, und aus diesem Grund habe ich folgendes zu sagen: Wir
werden jetzt in Zukunft die Medien angreifen. Wir werden dafür sorgen, daß es ihnen nicht mehr so
geht, wie sie es sich vorstellen, und ich werde euch prophezeien, daß der nächste, der aus diesem
Kreis aussteigt, das Medium ist, das hier sitzt.
Schiebeler: Solche Prophezeiungen hat dein Vorgänger auch schon gemacht. Aber ich möchte dir sagen: Denke
einmal über den Satz nach 'Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu.'
Denke darüber nach, ob dein Herr der ist, der zum Guten leitet und zum Guten anhält, oder ob er ge-
rade das Gegenteil macht, und ob du, als sein Diener, auch zum Guten wirkst, oder ob du nur Scha-
den zufügen möchtest. Du hast doch gerade gesagt, ihr wollt den Medien schaden. Denke darüber
nach, ob du möchtest, daß man dir so etwas antut, und ob das die richtige Einstellung ist, andern nur
Schaden zuzufügen.
Heinrich: Ich habe nur die Aufgabe gehabt, etwas bekannt zu geben. Ich habe mich dafür gemeldet und tue das
gerne.
Schiebeler: Wir haben das zur Kenntnis genommen und wissen, was wir von euch zu erwarten haben, und wuß-
ten das schon vorher. Es ist auch nicht überraschend, daß dies hier eintritt. Du mußt aber wissen, daß
wir einem anderen Herrn dienen als du, daß wir jedoch nicht solchen Zwang auf andere ausüben
wollen wie ihr. Das ist die Art deines Herrn. Daher denke darüber nach, ob du auf der richtigen Seite
stehst.
Heinrich: Diese Arbeiten, die ihr hier übernommen habt, sind nicht so, wie wir uns das vorstellen. Aus diesem
Grunde werden wir diesen Kreis eines Tages sprengen. Er wird nicht mehr arbeiten. Das ist unser
Ziel. Denkt darüber nach, damit ihr euch nicht in unsere Angelegenheiten mischt. Ihr seid Lebende.
Zu dem anderen habt ihr später noch Zeit.
Schiebeler: Wir mischen uns gar nicht in eure Angelegenheiten. Wir helfen nur den Wesen, die zu uns kommen
und die uns um Hilfe bitten, die Hilfe haben wollen, aber nicht denen, die euch angehören und keine
Hilfe haben wollen. Wir drängen uns euch und auch dir nicht auf. Wir reden mit dir nur deshalb,
weil du jetzt hier bist und uns von der Arbeit abhältst.
Heinrich: Ich werde dieses Gespräch so nicht weiterführen. Ich werde hier in diesem Medium bleiben. Ihr
könnt noch einige Gebete sprechen. Ich werde euch heute abend beweisen, wer hier der Herr ist. Ihr
könnt mir auch das Kreuz geben oder sogar zwei. Glaubt nicht, daß ihr mich damit vertreiben könnt.
Ich gehe dann, wenn ich gehen möchte. Heute abend wird hier nichts mehr geschehen. Ihr nehmt
uns so viele Geistwesen weg, daß wir es nicht mehr zulassen. Gebt eure Arbeit auf, zieht euch zu-
rück, und ihr habt wieder Ruhe.
Heinrich störte weiterhin, und wenn sich dazu die Gelegenheit ergab, sprachen wir Menschen ihn
immer wieder auf das gleiche Thema an. So auch am 13. Oktober 1978. Er war ohne Erlaubnis in das
Medium Herrn B. eingetreten, und es ergab sich folgendes Gespräch:
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Heinrich:
Heute ist der Tag, wo wir zeigen, wie stark doch unsere Seite ist. Ich fasse das Kreuz ruhig an. Ich
bin nur da und werde gleich wieder gehen, um euch zu zeigen, daß wir heute den Abend bestimmen.
Ich bin der Heinrich.
Schiebeler:
Du hast doch gesagt, daß du eine gewisse Verbindung zu deinem Herrn hast. Würdest du wohl eine
Botschaft an ihn weiterleiten? Übermittele ihm die Bitte, darüber nachzudenken, ob es nicht auch
für ihn an der Zeit wäre umzukehren. Er möge bedenken, welch unermeßliches Leid über das ganze
Weltall gekommen ist und ob es nicht richtiger wäre, einen anderen Weg einzuschlagen. Er möge
auch über seine Zukunft nachdenken und darüber, was hier auf Erden alles geschieht. Er möge wei-
ter bedenken, was er den Menschen, aber auch seinen eigenen Gefolgsleuten, alles antut. Bitte
übermittele ihm diese Worte. Ich weiß nicht, ob du das wagst und ob du das kannst oder ob du das
magst. Aber es ist für dich und für ihn eine Frage zum Nachdenken.
Heinrich:
Es ist so, daß ich das mit auf den Weg nehmen werde, was du gesagt hast. Ich werde das mit meinen
Leuten besprechen. Ich bin aber entschieden anderer Meinung, wenn du sagst, daß mein Herr um-
kehren sollte, weil er so viel Leid über die Menschheit gebracht habe. Das Leid bringt nicht er, denn
der wahre Herr ist er. Und wenn ihr alle und auch die, die nicht mehr unter euch sind, das anerken-
nen würden, wäre sofort vollkommener Friede. Ich weiß nicht, wer da nun der Schuldige ist.
Schiebeler:
Du kannst das jetzt natürlich gar nicht anders beantworten. Aber vielleicht denkst du in einer stillen
Stunde doch einmal über diese Worte nach, so, wie der Georg das ja auch getan hat und dadurch
schließlich zu einer anderen Überzeugung gekommen ist. Vielleicht geschieht das bei dir auch ein-
mal.
Heinrich:
Ihr seht, wir haben sehr lange nicht mehr gestört. Aber es ist einfach an der Zeit, daß wir uns wieder
melden, und aus diesem Grunde bestimmen wir heute diesen Abend, damit ihr seht, daß die andere
Seite, die Seite, der ich diene, sehr stark ist. Und wenn du von Georg sprichst, so kann ich nur sa-
gen: Auch er kann heute hiergegen nichts ausrichten und schon gar nicht eure Kontrollgeister und
auch alle anderen nicht, die euch sonst zur Seite stehen.
Schiebeler:
Das mag schon sein. Aber es ist für uns immer ganz lehrreich, daß auch die anderen durchkommen
und daß wir dich einmal wieder sprechen und dir die Dinge sagen können, die uns am Herzen liegen.
Die Frage nach Gut und Böse werden wir dir immer wieder vorlegen, wenn du hier bist, ob du dar-
über nachgedacht hast und ob du das richtig findest, dort einzudringen, wo man dich gar nicht haben
will, wo du nur wie ein Einbrecher hineinkommst. Ob du wohl möchtest, wenn das bei dir zu Hause
geschähe? Vermutlich nicht. Wir haben hier auf Erden das Sprichwort: 'Was du nicht willst, das man
dir tu', das füg' auch keinem anderen zu'. Wenn du aber anderer Meinung bist, dann muß ich dir sa-
gen, daß du einem Herrn dienst, der nicht das Gute will.
Heinrich:
"Ich habe bis jetzt keine Nachteile gehabt und werde auch keine haben. Ich ziehe mich jetzt aber
zurück. Ich hatte nur die Aufgabe, euch dies heute zu sagen.
Am 03. November 1978 trat Heinrich in dem medialen Herrn B. wiederum ungebeten in Erscheinung.
Ich sprach ihn mit folgenden Worten an:
Schiebeler: Na Heinrich, hast du mal darüber nachgedacht, worüber wir neulich gesprochen haben?
Heinrich: Was du nicht willst…? Das ist schon bekannt.
Schiebeler: Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu. Hast du darüber
nachgedacht?"
Heinrich: Heute will ich noch zwei vorstellen. Der eine wird gleich kommen.
Schiebeler: Hast du mal deinem Herrn unsere Botschaft übermitteln können oder übermitteln wollen?
Heinrich: Nein, ich wollte nicht.
Schiebeler: Hast du mal darüber nachgedacht, ob das auf die Dauer eine Grundlage für ein Leben ist, anderen
nur Böses anzutun?
Heinrich: Ich glaube, eine Grundlage ist das nicht, denn so interessant seid ihr gar nicht.
Schiebeler: Hast du mal über deine Aufgabe nachgedacht?
Heinrich: Wenn man sich einem Herrn angeschlossen hat, dann erfüllt man seinen Dienst. Und dies hier ist so
ein Dienst, den ich erfülle. Ich habe nach dem Gespräch neulich ein wenig nachgedacht, und ich
meine, so interessant ist das für mich hier gar nicht. Ich hätte wohl eine andere Aufgabe übernehmen
sollen.
Schiebeler: Bist du auch mal Mensch auf dieser Erde gewesen?
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Heinrich: Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich war ich es einmal. Das habe ich alles
vergessen, weil es mich nicht interessiert.
Schiebeler: Wie weit kannst du überhaupt zurückdenken?
Heinrich: Vielleicht 20 Jahre nach eurer Zeitrechnung. Warum sollte ich mich weiter zurückerinnern?
Schiebeler: Weil wir gerne wissen möchten, woher du kommst, was für ein Leben du dort geführt hast, und auf
welche Weise du zu deiner Tätigkeit gekommen bist.
Heinrich: Ich bin nicht gekommen, um diese Fragen zu beantworten. Mir geht es gut.
Schiebeler: Wir möchten gerne etwas über deine Motive wissen.
Heinrich: Darüber könnte ich sehr viel berichten. Ich sage aber nichts mehr. Mir geht es darum, daß ich hier
erscheinen will und kann, wann ich möchte. Noch will und kann ich das, und aus diesem Grund
werde ich überhaupt nichts mehr sagen.
Schiebeler: Wenn du eine gute Sache vertreten würdest, könntest du hier doch offen darüber sprechen.
Heinrich: Ich bin hier, um zu beweisen, daß der andere Herr stark ist und daß, wenn ein Überläufer da ist wie
der Georg, hier noch genug vorhanden sind, die, wenn sie wollen, diesen Kreis stören und den
Abend hier gestalten können. Bis zum nächsten Mal. - Auf Wiedersehen.
Wir hatten nach derartigen Auftritten nicht die Erwartung gehabt, daß unsere Ermahnungen sehr
schnell auf fruchtbaren Boden fallen würden. Aber bereits bei unserer Zusammenkunft am 12. Januar
1979 teilte uns der Kontrollgeist Nepomuk mit, daß Heinrich die Erlaubnis bekommen werde, durch
den Mund von Herrn B. eine Minute zu uns zu sprechen. Zuvor war bei Beginn der Sitzung von einer
Schallplatte ein Teil aus dem "Messias" von Händel dargeboten worden. Heinrich sagte:
Heinrich: Ich habe hier die Musik gehört. Ich möchte sie gerne noch einmal hören, weil ich durch sie Ruhe
empfangen habe. Ich verspreche, dann hier auch nicht zu stören.
Natürlich haben wir ihm diesen Wunsch erfüllt. Aber das konnte nicht im Sinne seiner Auftraggeber
sein und mußte Konsequenzen für Heinrich nach sich ziehen. Schon eine Woche später sagte uns
Nepomuk am 19. Januar 1979.
Nepomuk: Wir haben in der vergangenen Woche Heinrich aus der Ferne gesehen. Er sah elend aus, als ob es
ihm schlecht ginge. Wir halten es für möglich, daß er erheblich in seiner bisherigen Auffassung ge-
stört wurde. Wir sind aber nicht der Überzeugung, daß er jetzt schon den Versuch macht, sich auf
unsere Seite zu schlagen.
Am 02. Februar 1979 berichtete Nepomuk:
Nepomuk: Heute war bei der Musik Heinrich kurz anwesend. Er wollte in das Medium eintreten. Wir haben ihn
aber abgewehrt. Er machte einen sehr niedergeschlagenen Eindruck. Demnächst soll auch ein
Nachfolger für Heinrich kommen, der viel stärker sei als er.
Die nächste Nachricht über Heinrich erhielten wir bei unserer Zusammenkunft am 20. April 1979 von
Nepomuk durch den Mund des Herrn B.:
Nepomuk: "Heinrich geht es sehr schlecht. Er ist von der anderen Seite in eine besondere Stufe gesteckt wor-
den. Wir haben die große Hoffnung, daß er es übersteht. Er ist sehr stark, und daher hoffen wir, daß
er es schafft."
Am Ende der Sitzung meldete sich Nepomuk nochmals:
Nepomuk: Wir sind sehr freudig. Es wird hier Heinrich eintreten. Unsere Kontrollgeister haben es eben
angekündigt. Heinrich wird hierhergebracht."
Heinrich: "Hier spricht Heinrich. Ich bin entschlossen und sage das ganz deutlich, mich von der Seite des
Teufels loszusagen. Ich kann euch anschließend erklären, warum ich das tue. Ich werde mich der
guten Geisterwelt aus vollster Überzeugung anschließen und hoffe, daß man mich eines Tages auch
aufnehmen wird. Wenn ihr fragt: "Warum die Wandlung?", dann kann ich euch folgendes sagen: Ich
kam ein paar Mal zu euch und hatte eine Aufgabe übernommen, die mir richtig erschien, die Aufga-
be, euch zu stören. Ich sollte Unruhe stiften. Es sollte von Freitag zu Freitag bei euch immer
schlechter gehen, und letztenendes sollte der Kreis auseinanderfallen. Durch Zufall hörte ich bei
euch, bei dir (Schiebeler) zu Hause, Musik, und irgendwo erwachte bei mir im Hintergrund eine Erin-
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nerung an geistliche Musik ganz stark. Ich selbst habe früher geistliche Musik sehr gerne gehört. Ich
sah in diesem Augenblick, als damals von dem Herrn gesungen wurde, noch keinen Wendepunkt,
sondern ich wollte nur die Musik hören. Hier begann aber für mich das Trennen von der niedrigen
Geisterwelt, denn damals hat man mich schon abhalten wollen, weiter der Musik zuzuhören. Man
hat mich, während ich damals in diesem Medium war, schon auf die schrecklichste Art und Weise
angegriffen. Ich habe mich dagegen gewehrt und habe die Musik zu Ende angehört, denn ich konnte
nicht einsehen, warum ich dieses Stück nicht genießen sollte. Ich muß sagen, ich wäre, hätte man
mich frei gewähren lassen, nicht dort, wo ich heute bin.
Es ist dann so gekommen, daß man mir nicht eine Sekunde mehr meinen eigenen Willen ließ. Ich
konnte mich auf nichts mehr konzentrieren. Ich bin von morgens bis abends bearbeitet worden. Nun
seht ihr mich hier mit rechter Kraft. Ich kann zu euch deutlich und gut sprechen. Die Kraft dazu ha-
be ich von zwei Geistwesen bekommen, die mich abholten. Es war sehr verblüffend, wie sie in diese
Zone gelangten. Sie sind schnurstracks auf mich zugegangen und haben mich jeweils an einer Seite
am Arm gefaßt und sind mit mir aus dieser Zone des Schreckens herausgegangen. Ihnen selbst ist
dabei nichts geschehen. Die Seite, zu der ich gehörte und nicht mehr gehören möchte, hat mit
allen Mitteln versucht, diese Geistwesen zu bekämpfen, aber es war überhaupt nicht möglich, an sie
heranzukommen. Es war für mich in diesem Stadium eine sehr wichtige Erfahrung, denn ich sehe,
daß doch Kräfte da sind, gegen welche die Niederen, zumindest in diesem Fall, nichts ausrichten
konnten. Ich werde versuchen, recht bald zur anderen Seite zu stoßen. Ihr seht mich nicht etwa nie-
dergeschlagen, obwohl ich weiß, daß ich bald wieder angegriffen werde. Ich habe den festen Willen,
ich habe einen starken Willen. Obwohl ich der niederen Seite gedient habe, will ich sie jetzt doch
verlassen.
Zur Taktik der anderen Seite kann ich euch sagen: Im Augenblick schicken sie gar keine Einzelwe-
sen hierher, sondern sie kommen in der Vielzahl, und wollen in den nächsten Tagen wieder stören,
jedoch kein Geistwesen mehr vorschicken wie Georg und mich, denn die zweite Schlappe ist sehr
schmerzlich. Sie wollen sich nicht eine zweite Niederlage holen. Sie sind überzeugt, daß die Geist-
wesen, die jetzt zu euch kommen und stören sollen, ihnen fest verschrieben sind. Ich aber lasse mich
nicht mehr bevormunden. Es ist von ihnen der Fehler gemacht worden, mir meinen Willen zu neh-
men. Ich habe immer meinen Willen gehabt und sehe ein, der falschen Seite gedient zu haben. Das
habe ich aber erst gemerkt, als man mir den Willen nehmen wollte. Diese Methode kann ich nicht
gutheißen und werde daher die niedere Seite verlassen. Es kann geschehen, was will, ich mag noch
so bekämpft werden: Mein fester Wille ist, eines Tages dem Herrgott zu dienen. Ich kann nur hof-
fen, daß man mich auch aufnehmen wird.
Die Beeinflussung meiner bisherigen Seite bestand darin, daß bei mir von "morgens" bis "abends"
kein eigener Gedanke mehr vorhanden war, daß mir Dinge eingegeben wurden, die ich gar nicht
wollte, und daß ich mich nicht auf ein Gebet konzentrieren konnte. Ich habe aber damals, als ich
euch verließ, noch beten können, und dabei haben sie gemerkt, daß ich dadurch wieder Kraft bekam.
Doch dann haben sie mir die ganze Zeit bis heute nicht mehr die Möglichkeit gegeben zu beten. Aus
diesem Grunde habe ich die große Bitte, mit euch zusammen das Vaterunser zu sprechen. Damals
habe ich es allein getan. Ich möchte das jetzt schnell tun, denn, wenn man beten möchte und nicht
kann, ist das sehr schrecklich.
Von allen wurde nun gemeinsam das Vaterunser gebetet.
Schiebeler: Konntest du, wenn wir früher für dich gebetet haben, etwas davon merken, oder war das für dich
nicht spürbar?
Heinrich: Ich habe es gewußt und gespürt und glaube, daß mir das von der guten Geisterwelt übermittelt wor-
den ist. Es ist nicht so, daß man verlassen ist, wenn man sich für Gottes Seite entscheidet, mit der ihr
zusammenarbeitet. Ich habe darauf gewartet, daß ihr mich erwähntet und daß ihr für mich mit gebe-
tet habt. Irgendwie war es zu spüren. Ich bekam ein wenig Kraft, die mir dann aber wieder genom-
men wurde. Ich war der Meinung, daß meine vorherige Arbeit in Ordnung war. Wie ich da hineinge-
schlittert bin, werde ich euch zu einem späteren Zeitpunkt schildern, doch damals war ich überzeugt,
daß sie richtig war. Den Georg kannte ich vorher auch schon, und zwar deshalb, weil ich im Hinter-
grund stand. Georg war im Anfang recht stark. Ich war schon des öfteren um euch.
Schiebeler: Wie sind deine Verbindungen zu der Welt deines früheren Herrn gewesen? Mit wem bist du da in
Berührung gekommen? Wie weit nach "oben" hast du Durchblick gehabt?
Heinrich: Das ist schwer zu beantworten. Ich weiß nur, daß ich im Rahmen einiger niederer Geistwesen aus
meiner Sicht eine gewichtige Rolle spielte. Man hat mich oftmals angehört. Es gibt bei uns hier ein
Gremium, in dem sehr oft abgesprochen wird, wie wir wieder vorgehen wollen. Ihr habt das immer
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wieder gemerkt. Mal hatten die guten Geistwesen Oberwasser, mal aber wir. An diesem Problem
wurde sehr intensiv gearbeitet, wie wir den Abend mal wieder sprengen konnten. Da haben wir eng
zusammengearbeitet und für derartige Besprechungen sehr viele Geistwesen von ganz woanders hier
gehabt. Die gaben uns dann Ratschläge. Wir haben das ausführlich durchgesprochen und abgewo-
gen, wie wir vorgehen wollten.
Schiebeler: Wer ist "wir", und wer ist "man"?
Heinrich: Wenn ich "wir" sage, dann sind das Geistwesen, die zu dem Kreis von der niederen Seite gehören.
Außer Georg und mir sind noch sieben da, von denen ich euch später mal die Namen nennen werde.
Es ist für euch gut zu wissen, wer sie sind. - "Man" ist, daß wir auch unsere höheren Stellen haben.
Ich kann dir aber nicht beantworten, wie nahe diese Stellen zum Teufel stehen, wieviele Stufen noch
dazwischen kommen. Diese Höheren konnten wir rufen und auch sehen.
Schiebeler: Wir haben öfter versucht, dich in Diskussionen zu beeinflussen. Hat das einen bleibenden Eindruck
bei dir hinterlassen, oder können wir uns solche Diskussionen ersparen?
Heinrich: Wenn man hier ist und die Aufgabe des Störens übernommen hat und ihr auf einen einredet, dann
will man zuerst alles abblocken. Das ist die erste Reaktion. Da man aber diese Aufgabe übernom-
men hat, will man hier sehr viel Schlechtes tun. Wenn ihr mit mir gesprochen habt, antwortete ich
nicht. Dann kamen aber von euch Bemerkungen wie "so stark ist der gar nicht, wie er tut" und "das
kann er nicht". Das war der erste Punkt, wo ich anfing zu überlegen. Ich hatte Aufgaben ausgeführt
und fragte mich nun: "Warum antwortest du eigentlich nicht, warum läßt du dich jetzt nicht auf eine
Diskussion ein?" Warum ich es nicht getan habe, weiß ich: um euch nicht die Möglichkeit zu geben,
etwas von mir zu erfahren, denn ich war doch auf der anderen Seite. Und da geht es eigentlich nur
darum zu stören, damit ihr nicht andere Geistwesen und eure Kontrollgeister empfangen und vor al-
lem nicht anderen Geistwesen helfen könnt. Das darf ich sagen, es wird und ist sehr vielen geholfen
worden. Diese Aufgabe bleibt für euch und eure Kontrollgeister bestehen. Wenn irrende Geistwesen
zur anderen Seite gebracht werden oder Irrende zu sich selbst finden, so ist das mindestens in diesem
Rahmen eine gute Aufgabe.
Das Gespräch wurde in dieser Weise noch eine Weile fortgeführt, wobei Heinrich auch das bereits auf
Seite 47 erwähnte Erlebnis berichtete, daß er und seine störenden Begleiter manchmal durch eine
unsichtbare, sich auf sie zu bewegende "Mauer" aus dem Raum gedrängt wurden. Heinrich endete
dann mit den Worten:
Heinrich: Ich möchte recht bald zur anderen Seite übertreten. Ich werde dann alles, was ich weiß, auf dieser
Seite einbringen und mitteilen, so daß man sehr viel von der Methode und der Arbeit der Niederen
erfährt. Ich habe einiges zu sagen. - Ich danke euch und freue mich auf ein nächstes Wiedersehen.
Bei der Zusammenkunft vom 04. Mai 1979 sprach Heinrich wiederum durch den Mund von Herrn B.
Er sagte:
Heinrich: Ich bin sehr froh, daß ich wieder bei euch sein darf. Ich habe mich auf diesen Tag gefreut. Ich hatte
es schon ein wenig vorher gewußt. Ich bin nach dem letzten Abend hier sehr gestärkt weggegangen,
und dafür bin ich euch sehr dankbar. Ich hatte die Hoffnung, daß ich den Sprung schon recht bald
schaffen könnte. Ich bin dann aber wieder vollkommen ausgeschaltet worden. Ihr könnt euch das
einfach nicht vorstellen, wie es ist, wenn euer Geist vollkommen ausgeschaltet wird, wenn ihr ganz
apathisch seid und keine eigenen Gedanken mehr habt. Ihr könnt nichts Eigenes mehr tun, und euch
wird laufend etwas eingegeben, was nicht von euch selbst kommt. Es geht so, daß die Niederen mir
zuerst eingeben, wer nach ihrer Ansicht der richtige Herr ist, daß der einzig wahre Herr der ist, dem
ich gedient habe. Das geht tagelang so. Wenn sich dann der große Erfolg, mich wieder zur Umkehr
zu bewegen, nicht einstellt, dann fangen die Niederen mit Beschimpfungen an, und zwar in der Wei-
se, als ob ich ständig mich selbst beschimpfte. Es wird mir gesagt, wie schlecht ich sei. Ich bin si-
cher schlecht gewesen, aber ich habe nun den Willen, von der niederen Seite wegzugehen. Doch
komme ich jetzt überhaupt nicht zur Ruhe und bin deshalb sehr froh, wieder hiersein zu können.
Schiebeler: Ist es dir nicht möglich, einmal einen ungestörten Augenblick zu finden, um ein eigenes Gebet zu
sprechen, in dem du um Bildung eines Schutzringes um dich herum bittest, damit die dir zugesand-
ten schädlichen Gedanken an dir abprallen mögen?
Heinrich: Als ich das letzte Mal von hier fortging, habe ich sofort das Gebet gesprochen und habe auch um
meinen Schutzgeist gebeten, aber als ich wieder angegriffen wurde, war ein Gebet völlig unmöglich.
Wenn dir jemand deinen Willen nimmt, kannst du nichts tun. Ich kann das gar nicht so schildern,
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wie es wirklich ist. Normalerweise ist es so, daß, wenn man noch ein wenig Willen hat, es einem
möglich ist zu beten, sich zu beruhigen oder etwas anderes zu tun. Aber in meinem Fall war das
nicht möglich, weil überhaupt kein Willen vorhanden war7. Ich empfand mich dann auch gar nicht
mehr als Persönlichkeit. Ich weiß aber, daß ihr für mich betet. Ich habe es ja erlebt, wie ihr euch bei
Georg verhalten habt, und daher seid ihr auch eine große Hoffnung für mich. Das Wissen, daß ich
wieder zu euch kommen darf, gibt mir Kraft. Ich will auf die Seite der guten Geisterwelt und versu-
chen, meine schlechten Taten wiedergutzumachen, und kann nur hoffen, daß es mir gelingen wird.
Zur Zeit schwebe ich noch dazwischen. Sowie mein eigener Geist wirksam ist, will ich auf eure Sei-
te wechseln, aber dann wird mir 13 Tage (d. h. bis zur nächsten Zusammenkunft) nur eingehämmert, daß ich
zur anderen Seite gehöre und daß ihr Herr der richtige sei. Das soll ich auch an euch weitergeben.
Einen guten Gedanken kann ich dann aber nicht fassen.
Schiebeler:
Ich vermute, daß dies alles eine gewisse Prüfung für dich ist, um zu erkennen, ob es sich bei dir nur
um einen vorübergehenden Entschluß handelt oder ob er von Bestand ist. Deswegen nimmt man
dich vermutlich nicht sofort völlig aus deiner alten Umgebung heraus, sondern will sehen, ob du
auch unter Bedrängnis noch zu diesem Entschluß stehst. Wenn das aber der Fall sein sollte, wird
man dich sicherlich in naher Zukunft vor diesen Angriffen abschirmen.
Heinrich:
Das ist auch meine Ansicht, und ich lasse daher den Mut gar nicht sinken. Es war mir klar, daß mein
Übertritt nicht einfach sein würde, aber es gibt für mich jetzt nur diesen einen Weg. Ich werde daher
auf keinen Fall zur anderen Seite zurückgehen. Das können jetzt alle niederen Geistwesen mitanhö-
ren. Sie haben zuerst versucht, mich körperlich niederzuringen, noch nicht mit dem Geist, sondern
mir nur meine Ruhe zu rauben. Da hatte ich aber immer noch die Möglichkeit, mich ein wenig zu
besinnen. Da die niedere Seite auf diese Weise nicht zum Ziel kam, ging sie dazu über, mir meinen
Geist völlig auszuschalten. Ich hoffe aber, daß es in der nächsten Woche wieder besser ist. Als ich
euch das letzte Mal verließ, war ich noch einen kurzen Augenblick mit euren Kontroll-geistern zu-
sammen. Aber nachdem wir uns verabschiedet hatten, befand ich mich, ohne daß ich
bemerkte auf welche Weise, in einer grauen Leere, als ob ich in dichtem Nebel stand, nur mit dem
Unterschied, daß ihr Menschen, wenn ihr im Nebel steht, noch euren Geist gebrauchen könnt, wäh-
rend ich das nicht mehr konnte.
Schiebeler:
Ich möchte dich noch folgendes fragen: Hat man euch einmal gesagt, warum der Luzifer von Gott
abgefallen ist?"
Heinrich:
Wir sind belehrt worden, aber bestimmt nicht richtig und der Wahrheit entsprechend, daß der einzig
wahre Herr, der gute Taten vollbracht hat, Luzifer sei und daß der andere Herr abgefallen sei. Dieser
habe nicht mehr die Aufgaben erfüllt, die er erfüllen sollte. Er sei der Störenfried, werde aber trotz-
dem von den Menschen angebetet. Das ist uns eingehämmert worden, ist aber mit Sicherheit nicht
richtig. Diese Erkenntnis von der wahren Natur Luzifers ist aber gar nicht einfach zu gewinnen,
wenn man zunächst nicht weiß, daß man nach dem Tode weiterlebt und dann plötzlich merkt, daß
man zwar seine irdische Hülle abgelegt hat, aber doch nicht tot ist, womit man gar nicht gerechnet
hat. Und nun kommen die Niederen zum Empfang und erklären einem mit vernünftigen Worten die
Lage, machen Versprechungen und sagen, daß man entweder das machen könne, was man zu irdi-
schen Lebzeiten getan habe oder daß man sich wünschen dürfe, was man tun wolle. Es wird dem
Verstorbenen völlig freie Hand gelassen.
Die gute Seite macht dagegen solche Versprechungen nicht. Sie empfängt den Neuangekommenen
und sagt ihm, daß er nicht tot sei und daß es für ihn in der jenseitigen Welt Aufgaben gäbe, die er zu
erfüllen habe, wenn er dazu bereit sei. Das sei freiwillig! Versprechungen werden ihm aber nicht
gemacht. Die gute Seite macht auf den Gott aufmerksam, dem die Menschen schon auf Erden ver-
sucht haben zu dienen, aber sie sagt nicht, daß der Verstorbene in seinem irdischen Beruf weiterar-
beiten dürfe oder daß er besondere Vorzüge genieße. Wenn man von all diesen Dingen nichts weiß,
ist die Entscheidung für die richtige Seite schwer. Sehr viele wählen dann die niedere Seite, weil
diese für sie sehr verlockend ist. Dabei sagen die Niederen nicht etwa, daß sie vom Teufel oder Luzi-
fer kommen, wie ihn die Menschen kennen, sondern sie sagen, daß es in der Welt, in welcher der
Verstorbene weiterlebt, nur einen wahren Herrn gebe. Die Wesen von der guten Seite sagen dage-
gen, daß sie Gott und dem Herrn Jesus Christus dienen und für diese ihre Aufgaben erfüllten. Beide
Seiten treten gleich stark in Erscheinung, doch die einen machen Versprechungen und die anderen
fordern zum Dienen und Erfüllen von Aufgaben auf, wodurch man die Möglichkeit habe, sich lang-
sam weiterzuentwickeln. Wenn der Verstorbene sich aber für die niedere Seite entschieden hat,
7 Ich weiß auch von Menschen dieser Erde, daß es ihnen, wenn sie unter dem Einfluß von niederen Wesen standen, nicht
möglich war, ein Gebet zu sprechen, obwohl sie es wollten.
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kommen bald Forderungen, z. B. die, an Sterbebetten zu warten und dem Neuankömmling die ersten
Versprechungen zu machen. Wer das aber getan hat, vollbrachte damit schon die erste schlechte Tat.
Wenn er nun noch schwankend sein sollte, wird er bedroht und bedrängt, weiteres zu tun. Aus solch
einer Lage kann man ohne Hilfe nicht mehr zurück.
Die weitere Diskussion, in der es darum ging, ob Luzifer wohl auch persönlich in ein menschliches
Medium eintreten könne, wird hier übergangen. Heinrich schloß dann mit den Worten:
Heinrich: Ich möchte mich von euch für heute verabschieden. Ich gehe ungern von euch weg und danke euch
für euer Verständnis und eure Hilfe. Auf Wiedersehen und Gott zum Gruß!
Am 26. Mai 1979 meldete sich Heinrich erneut, diesmal durch den Mund von Frau A., wobei insge-
samt sieben Personen anwesend waren. Er berichtete, daß er jetzt in guter Verfassung sei und zuneh-
mend an Kraft gewinne. Er verstehe allmählich immer mehr, weshalb ihm diese schreckliche Strafe
auferlegt worden sei (Damit meint er die Bedrängnis, der er nach der Loslösung aus dem niederen
Bereich ausgesetzt gewesen war), die er sich nur allein zuzuschreiben habe. Doch das sei nun zu Ende.
Er wisse jetzt auch, daß es eine sehr lange Zeit gewesen sein müsse, die er in dem anderen Bereich
verbracht habe. Jetzt sehe er klarer und erkenne die Macht des Bösen, die aber, so habe man ihm versi-
chert, eines Tages gebrochen werde. Er sei sehr glücklich, daß er wieder klar denken könne und daß er
die Möglichkeit habe, hier zu uns sprechen zu können. Es sei ihm jedoch bewußt, daß er noch lange
nicht aus der Gefahrenzone heraus sei. Er lebe jetzt nicht mehr in seinem früheren Bereich, sondern in
einer sehr schönen Zone. Er befürchte aber, jederzeit wieder angegriffen werden zu können. Heinrich
hoffe jedoch, immer wieder zu uns zu kommen und uns etwas helfen zu können, z. B. dadurch, daß
wir aus seinen Fehlern etwas lernten.
Heinrich wurde dann wie sein Vorgänger Georg ein tatkräftiger Helfer unserer Kontrollgeister. Seine
Nachfolger auf der niederen Seite aber traten sehr bald störend in Erscheinung und das bis zum heuti-
gen Tag (Juli 1990). Oft mußten wir viele Male hintereinander unsere Zusammenkünfte ergebnislos
beenden, weil das Eintreten der Kontrollgeister in die Medien von den Niederen verhindert wurde oder
weil diese selbst die Medien besetzten. Sie ließen sich aber niemals mehr auf Unterhaltungen mit uns
Menschen ein, so daß wir keinen von ihnen auf die Welt Gottes aufmerksam machen konnten.
Heinrich hat uns auf unser Bitten am 05. Mai 1983 durch den Mund von Herrn B. einen ausführlichen
Bericht über sein bisheriges Leben gegeben. Das war möglich, weil er langsam die Erinnerung in ge-
wissem Maße zurückgewonnen hatte. Heinrich sagte:
Heinrich: Ich habe versucht, meine Vergangenheit zu durchforschen. Das ist nicht so ganz einfach, weil die
Zeit, in der man früher etwas anderes getan hat, irgendwann in der Erinnerung ausgelöscht wird. Das
geht auch anderen Geistwesen so. Man widmet sich dann ganz den Aufgaben, die man neu über-
nommen hat. Es spielt dann keine Rolle mehr, wie ich geheißen habe und wann ich geboren und ge-
storben bin. Das liegt alles hinter mir. Für mich ist heute wichtig, daß ich mich nach recht langer
Zeit für Gott entschieden habe.
Ich möchte jetzt versuchen, meinen Werdegang von Tod an zu schildern. Es sind gegenüber Georg
ganz andere Vorgänge gewesen. Ich habe zu Lebzeiten Gustav Lehmitz geheißen, habe in der Nähe
der Küste gelebt und meine, von Beruf Seemann gewesen zu sein, ein Matrose. Ich bin geboren, aber
das bitte ich, mit Vorsicht zu genießen, im Jahre 1623. Mit 75 Jahren bin ich beim Übergang vom
Winter zum Frühling einen normalen Tod an Altersschwäche gestorben. Ich meine, in der Nähe von
Bremerhaven oder Bremen gelebt zu haben. Bis zum 53. Lebensjahr bin ich zur See gefahren, und
zwar auf verschiedenen Schiffen. Danach habe ich an meinem früheren Wohnort an Land gelebt und
mich mit Gefälligkeitsarbeiten für andere durchgebracht.
Ich habe zu Lebzeiten an Gott geglaubt, war aber nicht sehr gläubig. Ich habe auch in bestimmten
Situationen, wenn wir in Not waren, aber nur dann, auf See gebetet. Wenn ich an Land war, bin ich
schon mal in die Kirche gegangen, war aber kein eifriger Kirchgänger. Ich hatte keine Angehörigen,
keine Geschwister. Meine Eltern sind früh gestorben. Zu Lebzeiten wußte ich nichts von einem Le-
ben nach dem Tode. Meinen Sterbevorgang verspürte ich bewußt und hatte dabei ein besonderes Er-
lebnis. Als ich schon ziemlich weit "hinübergegangen" war, sprach mich ein mir unbekanntes und
unsichtbares Wesen an und sagte mir, daß ich diese Welt nun verlassen und in kurzer Zeit einschla-
fen werde. Ich hatte keine Schmerzen, war nur sehr schwach, wurde aber durch diese Stimme, die
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mir das mitteilte, sehr ruhig, während ich mich vorher gegen etwas Unbekanntes zu wehren versucht
hatte. Als ich nun tot und doch nicht tot war, stand keiner um mich herum. Ich war ganz allein. Es
war kein Verwandter zu sehen. In meinem jenseitigen Leib stand ich ziemlich betreten da und wußte
gar nicht, was mit mir geschehen sollte. Meine Umgebung war neblig, was für mich aber nichts
Neues war, da ich zu Lebzeiten oft im Nebel zur See gefahren war, wo wir tagelang nichts sehen
konnten.
So konnte ich auch jetzt nichts sehen und befand mich in einem schönen weißen Nebel, weißer, als
ich ihn zu Lebzeiten gesehen hatte. In diesem Nebel ging ich ziellos für eine nicht bestimmbare Zeit
umher. Es können Tage oder auch Monate gewesen sein. Eines "Tages" gelangte ich an den Rand
eines finsteren Dorfes, wobei sich der Nebel lichtete. In diesem Dorf lebten 17 Verstorbene, wie ich
einer war. Sie sprachen mich an und nahmen mich sehr freundlich auf, worüber ich überaus glück-
lich war, vor allem, weil ich jetzt wieder mit jemandem sprechen konnte. Ich hatte übrigens während
der ganzen Zeit meiner Wanderschaft nie das Bedürfnis, wieder zur Erde zurückzukehren. Wir ha-
ben uns in dem Dorf dann über unsere jeweilige Vergangenheit und die Erlebnisse nach dem Sterben
unterhalten. Bei allen war das Erwachen nach dem Tode ähnlich verlaufen wie bei mir. Auch die
anderen irrten in einem weißen Nebel umher und landeten in diesem Dorf. Ich lebte hier schät-
zungsweise 35 Jahre. Es war rückblickend gesehen eine trostlose Zeit. Wir hatten keinerlei Beschäf-
tigung und konnten uns nur ab und zu unterhalten.
Hier erfolgte mit Heinrich eine lange Erörterung über die Zeitrechnung im Jenseits und den dortigen
Zeitbegriff. Alle Zeitangaben sind ja sehr problematisch und mit großer Vorsicht zu genießen. Hein-
rich sagte, daß die Gruppe der jenseitigen Geistwesen, der er nun ebenfalls angehöre, sich unserer
menschlichen Zeitrechnung mit Wochen und Jahren erst wieder angeschlossen habe, seitdem sie mit
uns Menschen zusammenarbeite. Vorher hätte sie nicht in Jahren und Wochen gerechnet. - Heinrich
fuhr dann fort:
Heinrich: Während meiner Zeit in dem Dorf habe ich nie gebetet. Es gab dort auch kein Gespräch über Gott.
Es trat aber auch die andere Seite, die ich erst später kennenlernte, nicht in Erscheinung. Es war ein
In-den-Tag-Hineinleben. Nach 35 Jahren verspürte ich einen inneren Drang, das Dorf zu verlassen,
und ging einfach weg. Auf die gleiche Weise waren schon vor mir und sind später auch nach mir
Geistwesen aus diesem Dorf fortgegangen, einfach aus innerem Zwang heraus, und ohne Abschied
zu nehmen. Auf meiner Wanderschaft von diesem Dorf weg mußte ich nicht wieder durch eine neb-
lige, sondern jetzt schon farbige Gegend ziehen. Nach einer gewissen Zeit traf ich sechs Geistwesen,
die mich ansprachen und mir sagten, daß sie wüßten, woher ich käme und daß sie die Aufgabe hät-
ten, mich zu begrüßen. Gleiches machten sie auch bei den anderen Bewohnern des Dorfes, wenn sie
es verließen. Das sagten sie mir und fragten mich zugleich, ob ich ihnen bei dieser Aufgabe nicht
helfen wollte. Es stellte sich heraus, daß es das Ziel war, weitere Gruppen zu bilden, die andere
Geistwesen zu empfangen hatten.
Ich lebte von nun an in einer Gemeinschaft, die in zwei gebäudeartigen Behausungen wohnte. Die
neue Tätigkeit, zu der ich mich bereiterklärt hatt, übte schätzungsweise 53 Jahre aus. Nach meinem
vorher langweiligen Leben war das jetzt eine abwechlungsreiche Tätigkeit, da ich fast ständig Gele-
genheit hatte, mit neuen Geistwesen zu sprechen. Die kamen alle aus solchen Dörfern, ähnlich dem,
in dem ich auch gelebt hatte. Sie wurden in Gruppen zusammengeführt und mit ihnen neue kleine
Dörfer in räumlichen Abständen gegründet. Die Bewohner konnten sich aber gegenseitig besuchen.
Nach den etwa 53 Jahren kam zu uns ein bis dahin unbekanntes Geistwesen, das sehr bestimmt und
wissend auftrat. Es berichtete uns, daß es viele andere große Dörfer gäbe, die viel farbiger seien als
unser kleines Dorf, wo man auch Blumen und sogar die Sonne sehen könne und wo ein abwechs-
lungsreiches Leben herrsche. Das Geistwesen fragte uns, ob einzelne bereit wären, mit ihm in ein
solches Dorf zu gehen. Ich erklärte gleich meine Zustimmung, zumal mir meine bisherige Tätigkeit
mittlerweile doch eintönig geworden war. Ich begleitete daher das Geistwesen und gelangte mit ihm
in eine ansehnliche Stadt. Es herrschte dort eine gelöste Stimmung, doch gab es in dieser Stadt, wie
auch in allen Dörfern, die ich vorher gesehen hatte, kein Gebäude, in dem man hätte beten können,
also keine Kirche, wie ich es doch aus Lebzeiten her von jedem Dorf kannte. Da es mir in dieser
Stadt nicht schlecht ging, habe ich das Gebet dort nicht vermißt. Früher auf Erden hatte ich ja nur
gebetet, wenn es mir schlecht ging, was jetzt aber nicht der Fall war.
Nach einigen Wochen wurde ich von einigen Geistwesen sehr freundlich angesprochen. Sie erzähl-
ten mir, daß es in dieser Stadt andere Geistwesen gäbe, die Streit suchten, welche die Eintracht in
der Stadt nicht duldeten und widerspenstig seien. Sie fragten mich, ob ich nicht bereit sei mitzuhel-
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fen, diese Geistwesen zur Vernunft zu bringen. Sie würden mich dabei anleiten, so daß ich das
schnell lernen würde. Es stellte sich dann heraus, daß es sich bei den Widerspenstigen um Geist-
wesen handelte, welche die Stadt verlassen wollten, die beteten und Gott um Hilfe anriefen. Unsere
Aufgabe war es nun, diese Geistwesen zu beeinflussen, ihre Gedanken auszuschalten, und sie am
Beten zu hindern. Das war der Beginn meiner schlechten Taten.
Bis dahin war bei den Schulungen, die ich erhielt, wie auch vorher in den verschiedenen Dörfern,
nie von Luzifer die Rede gewesen. Es war nur von den Betenden zu hören: "Herrgott, errette uns bit-
te von dem Teufel!" Ich glaubte damals, die seien eben krank, denn wo sollte hier der Teufel sein?
Jetzt weiß ich, daß diese Wesen schon weiter fortgeschritten waren als wir damals. Sie hatten er-
kannt, um was es damals eigentlich ging. Von diesen Betenden, bei denen wir immer versuchten, die
Gedanken auszuschalten, so daß sie aufhörten zu beten, bildete sich einmal eine Gruppe von 27
Geistwesen, die gemeinsam beteten und sangen und Gott um Hilfe anriefen. Diese wurden daraufhin
ganz schnell von vielen Geistwesen aus Gottes Reich, wie ich heute weiß, umringt und weggeführt.
Ich merkte später, daß sich solche Vorgänge mehrfach wiederholten, daß also 96 Gruppen von
Geistwesen von Gottes Seite abgeholt wurden. In der großen Stadt fiel das allerdings gar nicht wei-
ter auf. Außerdem wurden wir in unseren Fähigkeiten auch immer besser, so daß wir viele
Betende von ihrem Vorhaben abbringen konnten.
Ich habe diese Tätigkeit viele Jahre ausgeübt. Doch eines Tages wurde uns gesagt, daß es in der
Welt, in der wir damals lebten, zwei Gewalten gebe, einmal den tatsächlichen Herrn und dann den,
der sich Herr nenne und dafür ausgebe, und von dem immer wieder Geistwesen verführt würden.
Diesem "wahren" Herrn, von dem aber damals noch nicht gesagt wurde, daß es Luzifer sei, legten
wir nun ein Gelübde ab, daß wir ihm immer dienen wollten. Das wurde alles sehr geschickt eingefä-
delt, und weil es uns gut ging, besser als den anderen in der Stadt, leisteten wir dieses Gelübde, das
auch in regelmäßigen Abständen wiederholt wurde.
So habe ich meine Tätigkeit weiter ausgeübt, bin dabei aber nie mit Sterbenden in Berührung ge-
kommen und habe mich auch nie in eine andere Gestalt, z. B. die eines Verwandten, verwandeln
können. Doch kamen wir aus unserer Gruppe, die wir die gleiche Tätigkeit ausübten, uns sehr stark
und als etwas Besonderes vor, so etwa wie die Ritter in früheren Jahrhunderten, als ein Stand mit
besonderen Rechten. Wir wirkten über Jahre hinweg und wurden mit der Zeit immer rücksichtsloser.
Wenn wir im Anfang mit den Geistwesen, welche die Stadt zu verlassen trachteten, noch zu disku-
tieren versuchten, so trat das im Laufe der Zeit vollkommen zurück, und wir schalteten den Geist
dieser Wesen und damit ihren Willen lediglich aus. Selbst wenn es einzelnen Gruppen damals trotz-
dem gelang, unsere Stadt zu verlassen, so waren wir im Laufe der Zeit in zunehmendem Maße im-
stande, auch aus diesen Gruppen noch einzelne der Geistwesen wieder zurückzuholen. Es ist uns
auch gelungen, von den Geistwesen, die einen Schutzkreis um die Gruppen bildeten, einzelne geistig
auszuschalten. Es war ein Kampf, wie ihr ihn hier ja auch kennengelernt habt, als ich versuchte, mit
meiner Kraft hier einzutreten und die Medien auszuschalten, obwohl ich es nicht sollte. Ich lernte es
hier ja auch, das Kruzifix in der Hand zu halten, ohne es gleich fallenzulassen. Auf diese Fähigkeit
bin ich damals vorbereitet worden. Aber auch damals haben wir nicht immer gewonnen. Wenn ich
ehrlich bin, haben wir sogar überwiegend verloren. Aber das haben wir damals nicht zur Kenntnis
genommen.
Nachdem ich nun lange Zeit nichts anderes getan hatte als das zuletzt Geschilderte, kam eines Tages
für mich die große Wende. Ich wurde angesprochen und darüber unterrichtet, daß es da auf Erden
einen Kreis von Menschen gäbe, die sich mit Verstorbenen befaßten und versuchten, sie dem fal-
schen Herrn zuzuführen. Bei diesem Kreis sei bislang von unserer Seite ein Wesen Georg einge-
setzt gewesen. Dieser sei aber abtrünnig geworden und habe sich zu dem anderen Herrn bekannt.
Die Menschen hätten ihn beeinflußt, immer auf ihn eingeredet und ihm überhaupt nichts an eigenem
Willen gelassen. Sie hätten ihn aufgefordert zu beten, und sich für den anderen Herrn zu entschei-
den. Man fragte mich, ob ich nicht dessen Nachfolge antreten wolle, da ich doch schon über große
Erfahrung verfüge. Ich habe zugestimmt und wurde dann etwa acht Wochen ganz gezielt auf euch
vorbereitet. Man schilderte mir eure Eigenheiten, wie ihr euch gebt, wie ihr betet und wie ihr uns zu
stören versucht. Ich wurde darauf vorbereitet, in eure Medien einzutreten und eure Gebete auszuhal-
ten, indem ich mich während dieser Zeit auf etwas anderes konzentrieren sollte, um dadurch das Ge-
bet unwirksam zu machen. Ich wurde auch darin geübt, ein Kruzifix in der Hand zu halten, was ja
bereits Georg, meinem Vorgänger, solche Schwierigkeiten bereitete. Ich hatte ebenfalls anfangs da-
mit Schwierigkeiten.
Als ich dann meine Tätigkeit bei euch aufnahm, hat mich sofort Georg zu beeinflussen versucht, der
sich bei euch für Gottes Seite entschieden hatte. Er sagte mir, daß er innere Klarheit gefunden habe,
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nachdem ihr ihm mit Hilfe des Gebets den rechten Weg gewiesen hattet. Er habe danach erstmals
wieder eigene Gedanken fassen können. Rückblickend muß ich sagen, daß auch ich damals keine
eigenen, klaren Gedanken fassen konnte. Ich war nur ein Handlanger und tat nur das und gab nur das
weiter, was man mir auftrug. Als ich mich dann später bei euch nach schweren Kämpfen ebenfalls
für Gottes Seite entschieden hatte, war es für mich wie das Aufgehen eines Lichtes, wie die Befrei-
ung von einem Panzer, so daß ich nun ebenfalls eigene, freie Gedanken fassen konnte. Vorher habe
ich aber diesen Mangel gar nicht gespürt gehabt.
Mein Übertritt selbst war sehr schlimm. Zuerst wollte ich ja gar nicht wechseln. Ich wollte euch stö-
ren und habe es lange getan. Jedesmal, wenn ich nach einem Abend, an dem ich bei euch war, in
meine Welt zurückkam, wurde ich weiter geschult. Immer wieder wurde mir gesagt, daß es einen
wahren Herrn und noch einen anderen gäbe. Ihr habt mir jedoch, wenn ich in dem Medium war, die
Hände auf den Kopf gelegt, mir das Kruzifix in die Hände gegeben, gemeinsam gebetet und mich
auf das Reich Gottes aufmerksam gemacht. Die ständigen Ermahnungen von euch nahm ich eines
Tages auf. Es kam mir der Gedanke: Warum machst du das eigentlich alles? Du wirst zwar immer
geschult. Man spricht von einem wahren Herrn. Ihr aber hier und auch die Geistwesen um euch
sprechen vom Herrgott. An ihn erinnerte ich mich ja noch aus Lebzeiten, denn ich hatte ja zu ihm,
wenn auch sehr selten, gebetet. Als mir dieser Gedanke kam, wurde ich von meiner Seite geistig
vollkommen ausgeschaltet, so, wie ich es bei anderen ja selbst auch getan hatte. Es geschah einmal,
daß ich völlig ausgeschaltet wurde, als ich hier im Medium war, mich schon entscheiden wollte und
es dann doch nicht konnte.
Ein entscheidender Anstoß zu meinem Übertritt kam dann, als ich bei euch am 12. Januar 1979 den
Messias zu hören bekam, und darum bat, ihn nochmals hören zu dürfen. Mich hat damals die Musik
sehr stark berührt, so daß ich sogar Tränen in den Augen hatte. Von da an wurde ich nach den je-
weiligen Abenden bei euch jedesmal von meiner Seite geschult. Anschließend wurde ich geistig
ausgeschaltet. Ich bekam damals aber schon Hilfe von der guten Seite, von euren Geistwesen, die
euch begleiten. So konnte ich heimlich beten. Ich habe bekannt, daß ich sehr viel Unrecht getan und
alles bisher falsch gemacht hatte, und habe um die Möglichkeit gebeten, mich, ähnlich wie Georg,
hier in diesem Kreis für die Seite Gottes entscheiden zu können. Diese Möglichkeit erhielt ich dann
auch (am 20. 04. 1979). Von da an begann für mich eine andere Zeit. Ich konnte und durfte frei
überlegen und mich frei bewegen. Ich unterliege keinen Zwängen mehr. Ich habe also auch die
Möglichkeit, euch jederzeit zu verlassen.
Jetzt kann ich nur sagen, ich hätte früher beten sollen. Seitdem ich es tat, war der Panzer von mir
abgefallen, und ich konnte mich wieder frei bewegen. Dafür bin ich euch besonders dankbar. Ich
werde euch hier in diesem Kreis nicht wieder verlassen, solange ihr zusammenbleibt und ich von
euch geduldet werde. Ich werde an den Freitagen, an denen ihr euch trefft, immer bei euch sein. Es
ist äußerst wichtig, daß ihr Geistwesen, die völlig fehlgeleitet sind, von eurer Ebene aus ein wenig
belehrt, ihnen etwas Hilfe gebt, sie aber nicht überrumpelt. Das wurden sie die ganze Zeit vorher
von der anderen Seite. Es wäre der falsche Weg, sie auf einmal überreden zu wollen. Man muß da
sehr behutsam vorgehen. Wenn sich nicht beim ersten Mal Erfolg einstellt, müssen wir gemeinsam
Geduld haben. Es gibt sehr viele Geistwesen, die auf Hilfe warten. Wir sollten daher unbedingt diese
Arbeit weiterführen. - Gott zum Gruß!
Zur Ergänzung dieser Schilderungen von ehemaligen Angehörigen der niederen Seite soll hier noch
der Bericht eines Geistwesens folgen, das von vornherein der göttlichen Seite diente und zu denen
gehört, die Wesen wie Georg und Heinrich entgegenwirken. Der Bericht wird hier nur auszugsweise
in den Teilen wiedergegeben, die für das jetzige Thema bedeutsam sind. Vollständig ist er in dem
Buch "Leben nach dem irdischen Tod" (82, S. 76 ff) nachzulesen. Das Geistwesen nennt sich uns
Menschen gegenüber Rexus und berichtete am 10. Februar 1984 durch den Mund des medialen Herrn
B, bei gleichzeitiger Anwesenheit von Frau A. und sechs weiteren Personen:
Rexus: Hier spricht Rexus. Ich bin ein Geistwesen aus der jenseitigen Welt. Ich habe versucht nachzuforschen,
wo ich auf der Erde gelebt habe und wann ich gestorben bin. Exakte Angaben kann ich dazu aber nicht
machen. Ich bin ungefähr um 1800 gestorben und war ein evangelischer Pastor. Ich habe eine kleine
evangelische Gemeinde von etwa 100 Gemeindegliedern gehabt, davon waren etwa 20 Kinder. Ich
glaube, daß diese Gemeinde in Deutschland war, bin da aber nicht ganz sicher. Vielleicht gelingt es mir
später noch, das herauszubekommen.
Als ich an Altersschwäche starb, war ich nach meiner Erinnerung 87 Jahre alt. Ich war während meines
Lebens auf Erden bis zu meinem Tode nie krank. Ich bin ein Glückskind oder Sonntagskind gewesen, in
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einer Zeit, in der andere Menschen sehr leiden mußten. Für mein günstiges Geschick war ich immer
sehr dankbar.
Ich habe zu Lebzeiten als evangelischer Pastor immer an ein Weiterleben geglaubt. Es war auch damals
schon sehr mutig, wenn das überhaupt jemand aussprach. Wir haben uns seinerzeit in meiner Gemeinde
in einem Kreis von fünf Personen, drei Frauen und zwei Männer, regelmäßig getroffen und über diese
Dinge gesprochen. Wir haben uns damals schon auf unseren Tod vorbereitet. Unsere Zusammenkünfte
begannen wir mit einem Gebet und überlegten uns, was wir tun könnten, wenn wir diese Welt verlassen
würden. Wir hatten uns vorgenommen, nicht überrascht zu sein, wenn wir nach unserem Tode weiterle-
ben sollten. Einen Beweis dafür hatten wir allerdings nicht, aber wir haben daran geglaubt.
Als ich nun starb, war ich nicht erstaunt, als ich neben meinem Körper stand und es mir auch gut ging
wie im Erdendasein. Ich habe dann sofort zu Gott gebetet und ihm gedankt, daß ich schon zu Lebzeiten
erkennen durfte, daß es nach dem Tode ein Weiterleben gibt. Als ich starb, standen an meinem Bett drei
Geistwesen, die mir aus meinen und ihren früheren Lebzeiten auf Erden als sehr vertraute und liebe
Menschen bekannt waren. Dazu kamen noch fünf weitere mir unbekannte Wesen. In einem langen Ge-
bet zu Gott habe ich um Klarheit gebeten, erkennen zu können, ob die drei "lieben" Geistwesen nun
wirklich meine früheren Verwandten seien, die ich auf Erden so lieb hatte. Während meines Gebetes
wurde mir dann eingegeben, daß die drei "Lieben" gar nicht meine Verwandten waren, sondern zu
Luzifers Seite gehörten. Die anderen fünf aber waren von der Seite Gottes und dazu bestimmt, mich ab-
zuholen.
Nach dieser Erfahrung möchte ich alle Sterbenden warnen, nach ihrem Tode, wenn sie vermeintlich ver-
trauten und lieben Menschen aus ihrem Erdenleben gegenüberstehen, auf diese sofort vertrauensselig
mit geöffneten Armen zuzugehen. In diesem Fall muß um Klarheit gebetet werden. Darauf sollten sich
die Menschen, die an ein Weiterleben glauben, vorbereiten. Sie dürfen auch nicht in den Fehler verfal-
len, bei den Angeboten, die ihnen nach dem Tode von Geistwesen gemacht werden und die ihnen alles
das versprechen, was sie sich zu Lebzeiten gewünscht, aber nicht erreicht haben, sofort zuzugreifen.
Davor warne ich dringend, weil es meistens (aber nicht immer) Angebote von der gottfernen Seite sind, die
sich sehr schnell auf das verstorbene Geistwesen einstellen kann. Geistwesen von der anderen Seite
können, und das habe ich später erlebt, sogar mit dem Verstorbenen beten. Das sind Dinge, die ganz
deutlich ausgesprochen werden müssen. Denn als Verstorbene müßt ihr in eurem Gebet zu Gott, bei
dem die anderen von Luzifers Seite unter Umständen mitbeten, spüren, daß diese Wesen von der fal-
schen Seite sind. In diesem Zustand, in dem ihr ja nicht mehr auf Erden lebende Menschen seid, habt ihr
die Fähigkeiten zu erkennen, wer die Wesen um euch sind. Ihr müßt euch Gott nur öffnen und in eurem
Gebet Vertrauen haben. Ihr müßt versuchen, euch in die anderen Geistwesen hineinzudenken und euch
in ihre Gedanken einzuschalten. Ihr könnt das in der jenseitigen Welt, denn ihr dürft ja keine Nachteile
haben, weil ihr nun gerade gestorben seid. Es ist euch dann möglich zu erkennen, daß dort falsch ge-
spielt wird. Nur wissen viele nicht, daß sie das können. Sie lassen sich blenden und sind dann sehr
schnell der anderen Seite verfallen. Im Prinzip könnt ihr nicht getäuscht werden, wenn ihr euch frei
macht und euch in die anderen Geistwesen hineinversetzt. Aber wer bei seinem Tode nichts von einem
Weiterleben weiß, ist viel zu überrascht, wenn er in eine solche Lage kommt, als daß er fähig wäre, ent-
sprechend zu handeln. Übrigens habe ich später in dem Dorf, in das ich kam, meine wirklichen irdi-
schen Eltern dann doch noch wiedergesehen.
Nachdem ich die drei falschen Verwandten in meinem Gebet erkannt hatte, habe ich ihnen gesagt, daß
ich mit ihnen nichts zu tun haben möchte und daß ich in der jenseitigen Welt nur dem Herren dienen
wolle, den ich auch zu Lebzeiten auf Erden hatte, nämlich meinem Herrgott. Mit Luzifer aber wolle ich
nichts zu tun haben, denn schon zu Lebzeiten auf Erden glaubte ich an seine Existenz. Ich forderte diese
drei Geistwesen auf, dorthin zurückzukehren, woher sie gekommen seien. Für diese war es ein Schock,
daß jemand kam, der sie erkannte, so daß sie sich sehr schnell zurückzogen, zumal sich auch die ande-
ren fünf Geistwesen nun in den Vordergrund drängten. Diese, die ich vom irdischen Leben her nicht
kannte, sagten mir, daß sie zur guten Seite, zur Seite Gottes gehörten. Sie sagten mir, daß sie mich,
wenn ich nichts dagegen hätte, in eine Art Dorf führen würden, wo wir uns unterhalten und die Erfah-
rung, die ich gerade gemacht hätte, näher besprechen könnten. Ich erklärte mich dazu sehr gerne bereit.
In dem Dorf von etwa 200 Einwohnern, in dem ich mich nach meinem Tode aufhielt, und wo ich auch
meine Eltern traf, verlebte ich eine wunderschöne Zeit. Es war farbenprächtig und warm. Dort zu leben,
gab ein herrlich freies Gefühl. Meine Eltern und ich waren gesund und sahen verjüngt aus, etwa im
mittleren Lebensalter stehend.
In unserem Dorf hatten wir eine Art Kirche, in der wir uns regelmäßig zum Gebet zusammenfanden und
für das dankten, was wir dort erleben durften. Wir haben auch gemeinsam gesungen. Ich habe mich da-
bei aber nicht als Pastor oder Prediger betätigt, sondern war einer wie alle anderen. Es gab dort auch
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sonst keinen Führer oder Ortsvorsteher. Alle waren gleich. Ebenso hatten wir nie Streit. Daher war es so
wie ein kleines Paradies, wie ich es mir vorstelle. Wie das Paradies allerdings wirklich ist, weiß ich
auch nicht.
Wir haben uns in der damaligen Zeit sehr viel unterhalten, besonders über unser irdisches Leben. Jeder
hat sein ganzes Leben geschildert. Wir haben alle gemeinsam schwierige Situationen des irdischen Le-
bens durchleuchtet. So wurde alles ausgesprochen, was auszusprechen war. Alle unsere Fehler haben
wir offenbart. Dadurch wurden wir von Tag zu Tag innerlich immer freier. Es war aber kein Richter da-
bei, der uns zur Rechenschaft zog.
Es gab unter uns auch einige, die während ihres Erdenlebens größere Schuld auf sich geladen hatten. Da
sie aber nach dem Tode einen festen Gottesglauben besaßen, waren sie zu uns und nicht auf die andere
Seite gekommen. Sie hatten später Aufgaben zu übernehmen, bei denen sie zu beweisen hatten, daß sie
wirklich fest zu Gott stehen, Aufgaben, bei denen sie anderen zu helfen oder gegen die Seite Luzifers
anzutreten hatten. Das sind sehr harte Kämpfe, bei denen man starken Angriffen und starken Zweifeln
ausgesetzt ist und bei denen man wirklich seine Standhaftigkeit beweisen muß. Derartige Situationen
hat es auch in meinem Werdegang in dieser Welt, in der ich jetzt lebe, immer wieder gegeben. Ich kann
nur betonen, daß ohne einen festen Glauben an Gott derartiges nicht zu bestehen ist. Bei Angriffen von
der niederen Seite ist es wichtig zu beten und wachsam zu sein. Luzifer hat sehr viel Kraft und kann
auch in unserem Bereich Geistwesen in der Gestalt eines der Unseren erscheinen lassen, die aber in
Wirklichkeit zur anderen Seite gehören.
Ich erfuhr in diesem Dorf damals, daß es immer wieder Geistwesen gab, die von der anderen Seite ge-
täuscht wurden und in den Bereich Luzifers übertraten, und daß es weiter Geistwesen gab, die sich von
Erdlebzeiten her noch verkrüppelt fühlten. Diese Schilderungen habe ich in mich aufgenommen, und sie
ließen in mir den Gedanken aufkommen, in der Hilfeleistung für solche Geistwesen eine Aufgabe zu
sehen. Ich kam darauf mit zwei Geistwesen in Verbindung, die mir sagten, daß sie mich, wenn ich eine
solche helfende Aufgabe übernehmen wollte, aus meinem Dorf wegführen und in einen Bereich bringen
dürften, in dem diese Arbeit möglich sei. So verließ ich denn nach 25 bis 30 Jahren auf eigenen Wunsch
mein bisheriges Dorf.
Ich kam wiederum in eine schöne Gegend und übe von dort aus seit damals bis zum heutigen Tag diese
neue Tätigkeit aus. Das Geistwesen Alberto Petranius (ein Geistwesen, das Heilkräfte über den Herrn B. in unsere
Welt hineinleitet und ebenfalls in der jenseitigen Welt "kranke" Geistwesen behandelt und angibt, als Mensch in Italien gelebt zu
haben) habe ich erst bei euch kennengelernt und arbeite jetzt mit ihm zusammen. Wir haben dadurch viel
mehr Erfolg. Ich begebe mich dazu oft in graue, nebelerfüllte Zonen, in denen Geistwesen herumirren
und sich auch manchmal wie zu Lebzeiten auf Erden irr verhalten. Hier können sowohl diese Wesen als
auch ich regelrecht frieren. Es ist ein inneres Frieren. In diesen Bereichen ist die niedere Seite sehr
stark. Es erfordert daher sehr viel Kraft, sich in diese Zonen zu begeben. Da benötigt man sehr viel Hil-
fe, die ich auch immer erhalten habe. In diesen Nebelzonen leben Geistwesen, die oft zu Lebzeiten nie
gebetet haben, und die nun verschiedene Stadien durchlaufen und manchmal lange Zeit überhaupt nicht
weiterkommen. Sie erkennen in diesem Zustand nicht, daß sie in vollem Umfang weiterleben und daß
sie im Grunde genommen gesund sind. Sie werden von der niederen Seite beeinflußt und
irregeführt und daran gehindert, sich zu entfalten. Sie beten nicht und haben keinerlei Kenntnisse von
den Verhältnissen in unserer Welt. In diese Beeinflussungsversuche der niederen Seite kann ich mich
einschalten. Diese irrenden Geistwesen müssen erkennen, daß es nur einen Herrn gibt. Wenn sie das
tun, können sie Hilfe bekommen. Aber oft weisen sie mich und meinesgleichen zurück, weil sie uns
nicht glauben.
Ebenso müssen wir oft mit den Geistwesen von der niederen Seite kämpfen, nicht handgreiflich, son-
dern mit unseren Gedanken von Geist zu Geist. Mit der Hilfe Gottes und der guten Geister erreiche ich
es dann, daß sich die Niederen letzten Endes zurückziehen. Dann erst beginnt die Heilungsphase für die
irrenden Geistwesen und die Arbeit, sie zu öffnen und ihnen klarzumachen, daß sie nicht mehr krank
sind und keine Leiden mehr haben und daß es nur einen Gott gibt. Dazu bedarf es sehr langer Zeiten,
und es ist keineswegs in einem Tag zu erreichen. Mit solch einem Geistwesen muß man sich dann stän-
dig beschäftigen und darf es nicht eine Sekunde alleine lassen. Während dieser Tätigkeit bin ich dann
auch in der Grauen Zone und friere dort ebenfalls. Es ist ein Frieren, gegen das ich mich aber nicht
durch wärmere Kleidung schützen könnte, sondern das sich nur durch meine Gebete und durch die gro-
ße Hilfe, die ich immer wieder erhalte, lindern läßt.
Manchen Geistwesen können wir allerdings zeitweise gar nicht helfen, auch wenn wir uns noch so sehr
auf sie einstimmen und in sie hineindenken. Sie sind nur aufzurütteln, und ihnen ist nur dadurch zu hel-
fen, daß eine Konfrontation zwischen ihnen und auf der Erde lebenden Menschen herbeigeführt wird
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und sie dann von ihnen aufgeklärt werden. Wir haben in dieser Beziehung sehr viele Wesen, die hier bei
euch in eure Medien eintreten sollten, wozu wir sie dann mit einiger Nachhilfe veranlassen.
Diese Tätigkeit übe ich schon sehr lange aus und werde darin seit einiger Zeit von Alberto Petranius un-
terstützt. Wir bekommen jetzt auch anderweitig sehr viel Hilfe. Es geht uns daher gut, und wir sind
dankbar dafür. Wir kommen in unserem Kreis einmal in der Woche (meistens in der Mitte) zusammen und
ein weiteres Mal, wenn wir uns mit euch treffen. Dabei schildern wir uns gegenseitig, was wir in der
Zwischenzeit getan und erlebt haben. Während dieses Zusammenseins bekommen wir neue Energie, um
unsere Arbeit weiterzuführen.
Es gehört auch mit zu meinen Aufgaben, verschwundene oder verschollene Geistwesen wieder aufzu-
spüren, also Geistwesen, mit denen wir schon Kontakt hatten, die aber auf einmal für uns nicht mehr
greifbar sind. Sie muß ich wiederfinden. Ich weiß dann aber nicht, ob sie sich in der Grauen Zone oder
im Nebel oder sonstwo aufhalten. Ich konzentriere mich in einem solchen Fall auf dieses verschwunde-
ne Geistwesen. Es kann Tage oder Wochen dauern, bis es mir gelingt, mit dem gesuchten Geistwesen in
geistigen Kontakt zu kommen. Wenn ich selbst das Geistwesen vorher gar nicht gekannt habe, muß man
es mir genau beschreiben und schildern, wie es sich verhalten hat und welche Eigenarten es besaß. Ich
kann dann eine Art geistigen Spinnfaden zu dem gesuchten Wesen hinspinnen. An diesem Faden gehe
ich entlang und spüre dabei, daß ich immer näher an das Geistwesen herankomme, bis ich es schließlich
erreiche. Es ist aber auch schon in seltenen Fällen vorgekommen, daß ich mich dabei geirrt habe, daß
ich das gesuchte Geistwesen nicht gefunden habe. In diesem Fall war der Faden falsch gesponnen.
Wenn ich es aber erreicht habe, versuche ich, es geistig zu öffnen. Ich kann mich dann in die Störung
von der anderen Seite einschalten, die es zu seinem unfreiwilligen Fortgang veranlaßt hat. Derartige
Geistwesen können unter Umständen jahrelang durch den Nebel irren, ohne ein
anderes Wesen zu sehen, und dabei ständig mit dem Gefühl, allein zu sein. Trotzdem werden sie aber,
für sie unsichtbar, von den Anderen umgeben und beeinflußt. Zusammen mit Alberto Petranius kann
ich solche Wesen, wenn ich sie gefunden habe, aus dem Nebel herausführen.
An den Vorbereitungen zu meinem Bericht habe ich sehr lange gearbeitet und kann nur nochmals beto-
nen, daß ich es immer gut gehabt habe. Ich möchte aber auch anderen helfen und sehe das als eine sehr
wichtige und schöne Aufgabe an, die viel Freude macht. Daher empfinde ich sie auch nicht als Arbeit,
sondern mehr als Liebhaberei. Für heute möchte ich mich von euch verabschieden. Gott schütze und
behüte euch! - Gott zum Gruß!
Der Leser dieser Berichte wird sich möglicherweise fragen: Kann man das überhaupt glauben? Was
ich persönlich völlig ausschließe ist, daß die Berichte nur dem Unterbewußtsein der durchgebenden
Medien entstammen. Die Animisten reden bei spiritistischen Kundgaben ja immer vom "Steigrohr des
Unterbewußten", welches Verdrängtes oder Wunschvorstellungen zutage fördert. Der Inhalt derartiger
Berichte entspricht aber mit Sicherheit nicht den geheimen Wünschen der Medien, die bestimmt viel
lieber an einen lieblichen "Himmel" für alle glauben würden. Weiter muß man bedenken, daß keines-
falls alle Verstorbenen in Situationen geraten, wie sie Georg und Heinrich schildern. Ganz andersarti-
ge Schicksale habe ich in dem Buch "Leben nach dem irdischen Tod" (82) dargestellt. Es ist also wie
auf unserer Erde, wo die Menschen in die verschiedenartigsten Lebensbereiche hineingeraten und den
unterschiedlichsten Versuchungen, Prüfungen und Schicksalen ausgesetzt sind.
Wenn wir das grausige Geschehen auf unserer Erde betrachten, das in weiten Bereichen von Habgier,
Verbrechen, Amoralität und Grausamkeit geprägt ist, wenn wir weiter die Berichte der Bibel ernst-
nehmen, die ich am Anfang dieses Buches aufgeführt habe, und wenn wir weiter davon ausgehen, daß
die Menschen durch ihren Tod nicht gleich zu "Heiligen" werden, dann bilden die Berichte von Georg,
Heinrich und Rexus ergänzende Steine, die in ein für alle sichtbares, wenn auch grobgerastertes, Mo-
saikbild hineinpassen. Der auf unserer Erde lebende Christ würde gut beraten sein, die Schilderungen
dieses Kapitels zumindest im Kern für möglich zu halten, und sich innerlich auf ähnliche Erlebnisse
nach seinem Tod einzustellen. Ich halte es durchaus für möglich, daß gewisse Einzelheiten, insbeson-
dere Jahreszahlen, bei der medialen Durchgabe nicht korrekt durchgekommen sind, aber insgesamt
halte ich die Berichte für sehr bedeutsam und für mich persönlich beherzigenswert, auch wenn ich
ihren Inhalt nicht wissenschaftlich beweisen kann. Aber das ist mir bereits bei den biblischen Berich-
ten nicht möglich. Ich bewerte die Berichte so, wie den täglichen Wetterbericht. Wenn ich morgens
verreisen will und die Meteorologen sagen Regen voraus, dann nehme ich einen Regenschirm mit,
selbst auf die Gefahr, daß die Voraussage nicht stimmt und es keinen Regen gibt.
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Zum Schluß möchte ich das Erlebnis eines jetzt sehr betagten Herrn (geb. 1909) vortragen, den ich seit
etwa 15 Jahren persönlich kenne, und der in der Nähe von Ravensburg lebt. Er hat seinen Bericht 1967
in einer Zeitschrift (91) veröffentlicht und mir mündlich versichert, daß sich das Geschehen tatsächlich
so abgespielt habe, wie es gedruckt wurde. Der Berichterstatter spricht von der Wahrnehmung eines
"Todesengels", läßt aber offen, aus welchem Bereich dieser kam. Der Leser möge selbst Überlegungen
darüber anstellen, wem die Erscheinung zugerechnet werden könnte. Der Bericht lautet (91):
"Der Todesengel an Vaters Bett
Ein unheimliches Erlebnis, das ich nie vergessen kann. - Bestanden Zusammenhänge zwischen der seltsa-
men Erscheinung und der Zugehörigkeit meines Vaters zu einer Geheimloge?
Mein Vater starb am 03. September 1920 in Zweibrücken, Etzelweg 47, meine Mutter zwei Jahre vorher. Nach
dem Tode meiner Mutter lebten Vater und ich alleine zusammen. Ich schlief im Bett meiner Mutter, also neben
dem meines Vaters. Es war ungefähr ein Jahr vor dem Tode meines Vaters, Ende August oder Anfang Septem-
ber, als ich eines Morgens gegen 6 Uhr erwachte. Es war schon hell im Zimmer. Ich sah gerade meinen Vater am
Fußende meines Bettes vorbeigehen und das Fenster öffnen. Er litt an Asthma und war ein Mann von 70 Jahren.
Er hatte gerade wieder einen seiner schweren Asthmaanfälle. Für mich war dies nichts Schreckhaftes mehr.
Als ich nun so meinem Vater nachschaute, gewahrte ich im Blickwinkel meiner Augen, daß noch jemand im
Zimmer war. Schnell drehte ich den Kopf nach links in Richtung des Bettes meines Vaters und sah dort ein We-
sen stehen, das, wie ich mit Schrecken erkannte, kein Mensch war.
Es war eine kleine schwarze Jünglingsgestalt in einem schwarzen Umhang. Solch eine tiefe Schwärze hatte ich
niemals vorher gesehen. Der Kopf hatte die Struktur eines Totenschädels. Dagegen war das Gesicht lebendig,
mit scharfen Gesichtszügen geprägt. Die Zähne leuchteten in einem gelblich-roten Glanz, wobei jeder einzelne
Ober- und Unterzahn scharf zu unterscheiden war. Ich war wie gelähmt, konnte nicht sprechen und spürte, wie
alle Kraft aus mir wich. Auf dem Kopf trug die Gestalt eine Art Mütze, die oben eine Verzierung wie lauter
Dreiecke hatte. An der Stirn lag diese Mütze wie ein Diadem an und hatte die Struktur zweier ineinander ver-
schlungener Schlangen oder eines dicken Mädchenzopfes. Diese Kopfbedeckung ragte an beiden Seiten weit
hinaus und war leicht wie die Mondsichel gebogen.
Mein Vater ging mehrmals an der Gestalt vorbei, und jedesmal, wenn er sie passierte, war er in ein gelbrotes
Strahlenbündel getaucht. Jedesmal, wenn mein Vater wieder in sein Bett ging, setzte ich mich auf und faßte Mut,
doch ich konnte nicht sprechen. Ich sah deutlich, wie die Gewandfalten des Wesens das Nachtschränkchen am
Bette meines Vaters zur Hälfte bedeckten und wie diese Falten eine Uhr berührten. Das Kleid war wunderbar
wie Marmor gefaltet und unten wie eine Wolke gegen das Bett meines Vaters vorgelagert. Ich wäre gerne aus
der Türe gerannt, um die Nachbarn zu rufen, doch die Gestalt stand etwa zwei Meter von der Türe entfernt, und
ich hatte schreckliche Angst. Das Ganze sah ich etwa eine halbe Stunde. Da kam mir plötzlich der Gedanke,
Vater müsse sterben und diese Erscheinung sei das Vorzeichen. Voller Angst zog ich mir die Bettdecke über den
Kopf und verharrte so eine Zeitlang. Als ich dann mal wieder unter der Decke hervorlugte, war die Gestalt ver-
schwunden.
Schweißgebadet rannte ich zur Schule und erzählte meinen Mitschülern und Lehrern mein Erlebnis; doch von
allen wurde ich ausgelacht.
Als ich nach Hause kam, sagte mein Vater, dem ich von dem Erlebnis noch nichts erzählt hatte, er müsse mir
eröffnen, daß er bald sterben werde. Er hätte heute morgen im Zimmer etwas gesehen, das er mir aber nicht
sagen wolle, damit ich mich nicht fürchte. Daraufhin erzählte ich ihm alles, was ich gesehen hatte. Er sagte nur:
"Nun ja, das war der Todesengel."
Nun aber kommt das Interessanteste: Die Stelle an der Wand im Schlafzimmer, an der die Gestalt gestanden
hatte, war ganz blauschwarz verfärbt, und der Abdruck der ganzen Gestalt war zu sehen, genau an der Uhr her-
ab, wie ich die Erscheinung in den Morgenstunden gesehen hatte. Nur war jetzt im Bild der Unterkörper zur Tür
gedreht, und das Gewand erschien schwebend, wie ein Engel im Flug. Das volle Angesicht war im Abdruck zu
sehen, geradeso, als wenn die Gestalt den Kopf drehen würde. Nur bei der Kopfbedeckung waren die Ornamente
verwischt, wenn auch die Form deutlich zu sehen war. Der Abdruck war dreidimensional, also wie lebendig
anzusehen.
Mein Vater und ich sprachen nie mehr über dieses Erlebnis. Niemand durfte mehr das Schlafzimmer betreten,
Die Tapete wurde später abgerissen. Doch lange Zeit noch mußte ich an dieses Bild denken.
Ein Jahr danach starb mein Vater. Nach dem Gottesdienst sprach mich plötzlich ein mir völlig fremder Herr an
und erkundigte sich nach meinem Ergehen. Er wollte möglichst sehr genau über die letzten Lebenstage meines
Vaters Bescheid wissen. Ich erzählte ihm das Erlebnis mit dem Todesengel an jenem Morgen. Ich hatte schon
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Angst, er könnte mich auslachen, doch er sagte nur: "Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin davon überzeugt,
daß du dies alles gesehen hast. Ich habe deinen Vater besser gekannt als du selbst. Dein Vater gehörte einer
Geheimgesellschaft (Loge) an."
Diese Erlebnis ist heute noch so stark in mir wach, so daß ich bei jedem Totenbesuch erst an die Wand blicke, ob
dieser Todesengel oder sein Abdruck auch dort zu sehen sind. Aber niemals wieder begegnete ich ihm oder sei-
nem Bild.
W. Thielefeld in W."
Die Möglichkeit wiederholter Erdenleben
Wenn man aufgrund der zahlreichen in Jahrhunderten gesammelten Erfahrungsbeweise davon ausgeht,
daß der irdische Tod nicht das Ende des Lebens ist (61; 80; 81), stellt sich natürlich die Frage, was
dann weiterhin alles geschieht. Über die unterschiedlichen nachtodlichen Schicksale gibt es durch die
Verbindung mit der jenseitigen Welt seit 150 Jahren umfangreiche Schilderungen. Eine Auswahl da-
von habe ich in dem Buch "Leben nach dem irdischen Tod. Die Erfahrungen von Verstorbenen" (82)
dargestellt. Doch ergibt sich die weitere Frage: Ist die irdische Geburt überhaupt der Beginn
unseres Daseins, und wie und von wem wird unser Verhalten auf dieser Erde beurteilt? Sind Wohlver-
halten oder begangene Verbrechen völlig folgenlos?
Über diese Fragen haben sich die Menschen schon sehr früh, bereits vor Jahrtausenden, Gedanken
gemacht, die dann auch in die jeweiligen religiösen Vorstellungen eingegangen sind. Diese waren
derart, daß das menschliche Dasein durch einen Schöpfungsakt der Gottheit in Erscheinung getreten
ist. Die den Menschen mitgegebene Willensfreiheit führte aber dazu, daß die Geschöpfe nicht immer
nach den Wünschen und Gesetzen des Gottes oder der Götter ihr Leben verbrachten. Begangene Ver-
gehen oder Untaten erforderten aber gemäß dem Gerechtigkeitssinn der Menschen eine Bestrafung,
Wiedergutmachung und Reue. Wo und wie aber sollte oder konnte das erfolgen?
Die Bestrafung oder Belohnung wurde in manchen religiösen Systemen (auch im christlichen) im
Jenseits, im Himmel, Fegefeuer und Hölle angesiedelt. Im Himmel oder Paradies erfolgt die ewige
Belohnung, im Fegefeuer eine zeitlich befristete Freiheitsstrafe mit anschließender Begnadigung und
in der Hölle oder Tartarus die "lebenslängliche" Freiheitsstrafe unter erschwerten Bedingungen mit
eingeschalteten Folterungen durch Feuertorturen. Hier war Reue zwecklos und Umkehr unmöglich. In
diesem System hatten Einsicht in begangene Fehler, der Wille und die Möglichkeit zur Wiedergutma-
chung und die Rückgliederung auch des Schwerverbrechers, wenn er erst einmal gestorben war, kei-
nen Platz. Außerdem sollte die jenseitige Einstufung nicht nur vom irdischen Lebenswandel des Ver-
storbenen, sondern in starkem Maße auch von der Wirksamkeit priesterlicher Zeremonien und be-
stimmter Opferriten abhängen.
Eine solche Regelung widersprach dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen und dem Glauben
an eine liebende Gottheit. Aus diesem Grund entwickelte sich schon sehr früh eine andere Anschau-
ung, nämlich die, daß das menschliche Erdenleben nicht einmalig und unwiederholbar ist. Je nach
moralischem Erfolg oder Mißerfolg eines beendeten Erdenlebens wird ein Verstorbener entweder
sofort oder nach einer mehr oder weniger langen Übergangszeit im Jenseits in ein neues Erdenleben
hineingeboren. Man spricht von Wiedergeburt, Reinkarnation, Metempsychose oder Seelenwanderung,
wobei den verschiedenen Bezeichnungen oft etwas unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird. Die
Form der Wiedereinverleibung, z. B. in den Körper eines Tieres (im Hinduismus möglich) oder den
eines hoch- oder tiefgestellten Menschen mit mehr oder weniger schwerem Schicksal, hängt von der
Vorbelastung des Verstorbenen bzw. Neugeborenen ab. Man spricht von "Karma". Das Wort kommt
aus dem Sanskrit und heißt zunächst "Tat, Werk, Handlung", bedeutet dann aber auch die Frucht oder
Folge der Tat. Unter Karma versteht man eine Kette von Auswirkungen früherer, in anderen Existen-
zen begangener Taten. Karma ist die gute oder böse Vergeltungskraft moralischer oder unmoralischer
Handlungen, ein Prinzip allgemeiner Ursächlichkeit, das unser gegenwärtiges Schicksal aus den guten
Taten oder Verfehlungen früherer Existenzen auf dieser Erde oder in der jenseitigen Welt herleitet.
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Diese Auffassung begann sich, soweit man das heute historisch noch nachweisen oder erschließen
kann, zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends in etwas unterschiedlichen Formen auszubil-
den und war um 500 vor Chr. voll entwickelt. Bedeutende Vertreter dieser Lehre waren der Religions-
stifter Siddhartha Gautama, genannt Buddha (um 560 - 480 v. Chr.), der griechische Philosoph und
Mathematiker Pythagoras (580 - 500 v. Chr.) und seine Schule und der griechische Philosoph Platon
(427 - 347 v. Chr.). Zur Zeit Christi war der Glaube an die Reinkarnation in allen damaligen Kultur-
völkern bekannt, so im ganzen römischen Reich einschließlich Palästina und Griechenland, in Ägyp-
ten, Persien und Indien. Das bedeutet allerdings nicht, daß alle Menschen dieser Völker auch daran
glaubten oder daß er Bestandteil der jeweiligen Staatsreligionen war. Zum Beispiel ist in der überlie-
ferten Mosaischen Religion von Reinkarnation keine ausdrückliche Rede. Doch hielten die Juden es
zumindest für möglich, daß jemand, der schon einmal als Mensch auf dieser Erde gelebt hatte, in einer
neuen Menschengestalt wiederkehren könne.
Diese Auffassung ergibt sich z. B. aus der Frage Christi an seine Jünger (Luk. 9,18-21):
"'Für wen halten mich die Volksscharen?' Sie gaben ihm zur Antwort: 'Für Johannes den Täufer,
andere für Elia, noch andere meinen, einer von den alten Propheten sei auferstanden." Christus
weist diese Auffassungen nicht als absurd zurück, weil derartiges ja gar nicht möglich sei, sondern
fragt einfach weiter: "'Ihr aber, für wen haltet ihr mich?' Da antwortete Petrus: 'Für Christus, den
Gottgesandten!' Da gab er ihnen die strenge Weisung und gebot ihnen, sie sollten das niemand sa-
gen."
Auch gegenüber Johannes dem Täufer wird die Vermutung geäußert, daß er ein Reinkarnierter sei.
Priester und Leviten aus Jerusalem sind zu ihm gesandt worden, um ihn zu fragen, wer er sei
(Joh. 1,19-23). Zunächst betont Johannes, daß er nicht Christus (also der Gesalbte, der Messias) sei.
Aber dann fragen die Abgesandten weiter: "Was denn? Bist du Elia?" Doch Johannes bescheidet sie:
"Nein, ich bin es nicht." Und mit Elia ist der alttestamentliche Prophet gemeint, welcher der große
Warner und Ankläger König Ahabs (etwa 874 - 853 v. Chr.) von Israel war. Seine Wiederkunft war
nämlich von dem Propheten Maleachi (um 450 v. Chr.) prophezeit worden. Diesen hatte Gott sagen
lassen (Mal. 3, 22-24): "Wisset wohl: Ich sende den Propheten Elia, ehe der große und furchtbare Tag
des Herrn kommt."
Sogar an König Herodes Antipas, den Vierfürst und zweiten Sohn König Herodes d. Gr., wurden in
Bezug auf Jesus Christus ähnliche Vermutungen herangetragen. Von ihm heißt es (Luk. 9,7-9):
"Es hörte aber der Vierfürst Herodes von all diesen Begebenheiten und fühlte sich dadurch beun-
ruhigt, denn manche behaupteten, Johannes (der Täufer) sei von den Toten auferweckt worden. An-
dere wieder meinten, Elia sei erschienen, noch andere, einer von den alten Propheten sei aufer-
standen."
Christus selbst geht davon aus, daß Johannes der Täufer der wiedererschienene Elia ist. Denn bei
Matthäus 17,9 heißt es nach Christi Unterredung mit den aus dem Jenseits erschienenen Mose und.
Elia in Gegenwart von Petrus, Jakobus und Johannes:
"Als sie dann von dem Berge hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: 'Erzählt niemand etwas von der
Erscheinung, die ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt worden ist!'
Da fragten ihn die Jünger: 'Wie können denn die Schriftgelehrten behaupten, Elia müßte zuerst
kommen?' Er gab ihnen zur Antwort: 'Elia kommt allerdings und wird alles wieder in den rechten
Stand bringen. Ich sage euch aber: Elia ist bereits gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt,
sondern sind mit ihm verfahren, wie es ihnen beliebte. Ebenso wird auch der Menschensohn durch
sie zu leiden haben.' Da verstanden die Jünger, daß er von Johannes dem Täufer gesprochen hatte."
Hier kommt ein Widerspruch zur Aussage Johannes des Täufers zutage. Dieser stritt ja ab (Joh. 1,19-
23), der wiedererschienene Elia zu sein. Aber vielleicht wußte er gar nicht, von welcher Herkunft er
war, oder er wollte es nicht jeden wissen lassen.
Man kann aus diesen Berichten nicht schließen, alle Juden seien davon überzeugt gewesen, daß jeder
Mensch mehrfach auf diese Erde zurückkehren müsse. Es geht aus ihnen aber sehr wohl hervor, daß
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man es allgemein für möglich hielt, ein verstorbener Mensch könne auch einmal in einer neuen Gestalt
auf unserer Erde wiedergeboren werden.
Nun werden Kritiker der Wiedergeburtslehre sofort einwenden, das seien ja alles, wie der Gottesglau-
be überhaupt, nur menschliche Hilfskonstruktionen, also reines Wunschdenken. Nach Meinung des
deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach (1804 - 1872), der einer der Wegbereiter des Marxismus
war, ist Religion nur Schein an Stelle von Wirklichkeit, gegründet auf ein natürliches
Abhängigkeitsgefühl. Die Vorstellung von Gott und einem ewigen Leben ist nichts als menschliche
Einbildung, ein Produkt unserer schöpferischen Phantasie. Das jedenfalls geht aus seinen beiden
Hauptwerken: "Das Wesen des Christentums" (1841) und "Das Wesen der Religion" (1845) hervor.
Diese Auffassung hat dann maßgeblich die Einstellung des Marxismus und Kommunismus zu Religi-
on und Christentum geformt.
Dagegen haben die zahlreichen Jenseitskontakte (61; 80; 81; 82), welche zu allen Zeiten erfolgten, die
besonders aber in den letzten 140 Jahren durch Parapsychologie und Spiritualismus (die religiöse
Ausprägung des Spiritismus) zustande kamen, gezeigt, daß tatsächlich eine jenseitige Welt und eine
göttliche Ordnung vorhanden sind. Insofern ist es auch gut möglich, daß bereits im Altertum in Indien
und Griechenland die Mitteilungen über eine mögliche mehrfache irdische Wiedereinverleibung über
Jenseitskontakte erfolgten und nicht rein menschliche Erfindung sind.
Für das frühe Christentum wird von dem Kirchenvater Origenes (geb. um 185, gest. 254) und seiner
Schule überliefert, daß sie die Reinkarnationslehre vertreten haben. Origenes war der erste bedeutende
frühchristliche Theologe des griechischen Ostens. Er sichtete und bewertete die Schriften des Neuen
Testamentes auf Fälschungen und Fehler und fertigte eine wissenschaftliche Übersetzung des Alten
Testamentes aus dem Hebräischen ins Griechische an. In ihr verglich er den Urtext, dessen Um-
schreibung mit griechischen Buchstaben und seine (also des Origenes) griechische Übersetzung mit
den Übersetzungen des Symmachus, des Theodotion und der "Septuaginta". Diese Bibel wurde die
"Hexapla", d. h. die "Sechsfache", genannt, weil auf jeweils zwei gegenüberliegenden Seiten die sechs
verschiedenen Texte in sechs Spalten nebeneinander standen und auf diese Weise ein müheloses Ver-
gleichen möglich war. Leider ist diese Bibel bis auf 35 einzelne Bruchstücke nicht mehr erhalten.
Auch sonst sind viele der Schriften des Origenes heute nicht mehr vorhanden, was auf die späteren
Verfluchungen seiner Lehren und seiner Person in den Jahren 543 und 553 zurückzuführen ist.
Ein weiteres Hauptwerk des Origenes waren die vier Bücher "Peri archon" ("Über die Ursprünge"
oder "über die ersten Dinge"), in denen er den ersten Versuch einer systematisch angelegten Darstel-
lung des christlichen Glaubens unternahm. Auch dieses Werk ist in seiner vollständigen griechischen
Urform nicht erhalten geblieben. Es ist uns nur in der im Jahre 398 in Italien von Rufin (oder Rufinus
aus Aquileia) angefertigten lateinischen Übersetzung überliefert. Sie trägt den Titel "De principiis".
Leider handelt es sich dabei nicht um eine wortgetreue Übersetzung, sondern schon um eine im
"orthodoxen" Sinn erfolgte Überarbeitung, bei der besonders anstößige Stellen bereits entfernt wurden
(28, S. 33). Rufinus sagt selbst in dem Vorwort (Praefatio Rufini) zu seiner Übersetzung (28, S. 79):
"Wo wir deshalb in seinen Büchern etwas fanden, was seinen eigenen rechtgläubigen Lehraussa-
gen über die Trinität widersprach, die er an den übrigen Stellen gegeben hatte, so haben wir das als
verfälscht und unzugehörig entweder ausgelassen oder nach der Vorschrift dargestellt, die wir bei
ihm selbst vielfach bekräftigt fanden."
Insofern kann man heute nur bedingt sagen, in welchem Umfang Origenes eine Wiedergeburtslehre in
dem bisher beschriebenen Sinn vertreten hat. Doch deutet die schriftliche Begründung des Ediktes von
Kaiser Justinian gegen Origenes (16, S. 46), das später genauer besprochen wird, daraufhin, daß dieser
mehrfache Erdenleben des Menschen in Betracht gezogen hat.
Aber wo genaue Äußerungen fehlen, setzt leicht die Phantasie oder auch Erfindung ein. So führt z. B.
der Autor K. O. Schmidt in seinem Buch "Kehret wieder Menschenkinder" (1970), S. 43, ein angebli-
ches Origeneszitat ohne Seitenzahl der Fundstelle an, das folgendermaßen lautet:
"Jede Seele tritt in diese Welt entweder gestärkt durch die Siege oder geschwächt durch die Ver-
fehlungen und Niederlagen ihres vorhergehenden Lebens. Ihre Stellung in der Welt als Träger von
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Ehren oder Verunglimpfungen ist durch ihre früheren Verdienste oder Verschuldungen bestimmt.
Und ihr Wirken in der Welt heute bestimmt wiederum ihren Platz in dem Dasein, das diesem Da-
sein folgt. Jeder von uns eilt der Vollkommenheit zu. Wir sind gebunden, stets neue und bessere
Leben zu führen, sei es auf der Erde oder auf anderen Welten. Erst unsere völlige Hingabe an Gott,
die uns von allem Niederen reinigt, bedeutet das Ende unserer Wiedergeburten."
Dieses Zitat klingt wunderschön, nur habe ich es leider vergeblich in den "Vier Büchern von den Prin-
zipien" (28) gesucht, aus denen es angeblich entnommen sein soll. Aber weil sich das Zitat so schön
anhört, wird es auch von anderen Autoren mit Hinweis auf K. O. Schmidt übernommen. Wahrschein-
lich hat Origenes wirklich so gedacht, nur nachweisen kann man es heute nicht mehr.
Was sich dagegen nachweisen läßt, ist seine Lehre von der "Präexistenz", weil darüber sogar Rufin in
seiner Übersetzung der "Bücher von den Prinzipien" berichtet, weil sie auch seine Befürworter und
Feinde anführen und weil sie Hauptpunkt der späteren Verfluchungen von 543 und 553 war. Dahinter
verbirgt sich folgende Lehre: Die Menschen auf dieser Erde sind nicht erst durch ihre irdische Geburt
in das Leben getreten, sondern haben als Geschöpfe Gottes schon ein langes Dasein hinter sich. Einst
waren sie Mitbewohner des Reiches Gottes, das von ihm zusammen mit einer Schar hoher Engel ge-
lenkt wurde. An deren Spitze stand Gottes erster Sohn, der als späterer Mensch den Namen Jesus der
Christus trug. Der Apostel Paulus nennt ihn (Kol. 1,15):
"…das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung, denn durch ihn ist
alles geschaffen worden, was im Himmel und auf der Erde ist, das Sichtbare wie das Unsichtbare,
mögen es Throne oder Herrschaften, Mächte oder Gewalten sein: alles ist durch ihn und für ihn
geschaffen worden."
Weiter war nach dieser Lehre der Christus nachfolgende Engelfürst ein Wesen, das bei uns Menschen
unter dem Namen "Luzifer = Lichtträger oder Lichtbringer" bekannt ist. Dieser litt darunter, daß er
Christus nachgeordnet war, und er versuchte daher, einen Aufstand gegen ihn vorzubereiten. Dazu
brachte er einen Teil der anderen Geisterfürsten und sonstigen Wesenheiten auf seine Seite. Als diese
Umtriebe zu offener Rebellion ausarteten, gab Gott dem Erzengel Michael als Anführer der Himmli-
schen Heerscharen den Befehl, Luzifer mit seinem aufständischen Anhang aus dem himmlischen
Reich zu vertreiben (29, S. 270). Es ereignete sich das, was wir den "Engelsturz" nennen, und der an
einigen Stellen im Alten und Neuen Testament erwähnt wird (Hes. 28, 1-19; 2. Petr. 2,4; Judas 5).
Christus sagt dazu (Luk. 10,18):
"Ich habe den Satan wie ein Blitz aus dem Himmel herabgestürzt gesehen."
Und in der Offenbarung Johannes (12,7) heißt es:
"Es erhob sich dann ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen;
auch der Drache und seine Engel kämpften, doch gewannen sie den Sieg nicht, und ihres Bleibens
war nicht länger im Himmel. So wurde denn der große Drache, die alte Schlange, die da "Teufel"
und "Satan" heißt, der Verführer des ganzen Erdkreises, auf die Erde hinabgestürzt, und seine
Engel wurden mit ihm hinabgestürzt."
Diese abgefallenen Wesen sollten nun nicht für ewig aus Gottes Reich ausgeschlossen bleiben, son-
dern es sollte ihnen die Möglichkeit der Rückkehr eröffnet werden. Daher wurden für sie von Gott,
oder in Gottes Auftrag, Besserungs- und Aufstiegsstufen geschaffen, worunter sich auch unsere mate-
rielle Erde befand und befindet. Nach dieser Lehre sind die Menschen auf unserem Planeten die Inkar-
nationen jener gefallenen Engel, die hier eine Bewährungs- und Besserungsphase durchlaufen, d. h.
geprüft werden, ob sie in Zukunft wieder Gott und Christus untertan sein wollen und können.
Bei Origenes stehen diese Zusammenhänge sehr verstreut, sind langatmig dargestellt und außerdem
von Rufin vom Schlimmsten gereinigt worden. Daher bringe ich hier über die Präexistenzlehre des
Origenes eine Zusammenfassung des Pseudo-Leontius von Byzanz. Er schreibt (28, S. 273):
"Über die Präexistenz war seine (des Origenes) Meinung folgende: Vor den Äonen existierten Intelli-
genzen, die alle rein waren, sowohl die Dämonen, wie die Seelen, wie die Engel; sie dienten Gott
und taten seine Gebote. Einer aber, der Teufel, da er freien Willen hatte, entschloß sich, Gott zu
widerstehen, und Gott verstieß ihn. Mit ihm fielen alle anderen Mächte ab. Die, die schwer gesün-
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digt hatten, wurden Dämonen; die weniger gesündigt hatten, Engel; die noch weniger gesündigt
hatten, Erzengel, und so wurde jedem nach seiner eigenen Sünde vergolten. Es blieben die Seelen
übrig, welche weder so schwer gesündigt hatten, daß sie Dämonen, aber auch nicht so viel leichter,
daß sie Engel geworden wären. Gott schuf nun die gegenwärtige Welt und fesselte die Seele an
den Körper zu ihrer Bestrafung. Denn, so sagt er, 'Gott sieht nicht auf die Person' (vergl. Apg.
10,34) und kann darum nicht diese Wesen, die alle dieselbe Natur haben (denn alle sind vernunftbegabt
und unsterblich), teils zu Dämonen, teils zu Seelen, teils zu Engeln machen. Vielmehr ist es klar, daß
er einen jeden nach seiner Verfehlung strafte und deshalb den einen zum Dämon, den anderen zur
Seele, den anderen zum Engel machte. Denn wenn das nicht so wäre und die Seelen nicht präexis-
tent wären, warum finden wir dann, daß einige Neugeborene blind sind, ohne gesündigt zu
haben, während andere gesund auf die Welt kommen? Offenbar gibt es präexistente Sünden in den
Seelen, für die einer jeden nach Verdienst vergolten wird."
Der evangelische Kirchenhistoriker Prof. Adolf von Harnack beschreibt Teile der Lehre des Origenes
folgendermaßen, wobei er in Fußnoten die Fundstellen in den Schriften des Origenes angibt, auf die er
sich gerade bezieht (34, Bd. I, S. 693):
"Nach Origenes werden alle Geister in der Form ihres individuellen Lebens schließlich zurückge-
führt, gereinigt und verklärt, um einer neuen Weltepoche zu dienen, nachdem das sinnlich Materi-
elle durch Verklärung gleichsam ausgeglüht ist. Alle sinnlich-eschatologischen Erwartungen sind
dabei von Origenes abgeschnitten worden. Der Formel 'Auferstehung des Fleisches' hat er sich an-
geschlossen, weil die Kirchenlehre sie enthielt und weil auch der Leib belohnt oder bestraft wer-
den müsse. Er hat sie aber nach 1. Kor. 15 so gedeutet, daß ein corpus spirituale auferstehen wird,
dessen Keim als eine ratio substantialis in dem sinnlichen Leib verborgen liegt und nun zu unge-
messener und mannigfaltiger Entfaltung kommt. Alle Eigenschaften des Sinnlichen, ja auch alle
Glieder, die sinnliche Funktionen haben, werden diesem neuen Leibe fehlen, und er wird, wie die
Engel und Gestirne, in Lichtglanz strahlen. Unter Ablehnung der Lehre, daß die Seele mit dem
Körper zunächst stirbt und sich auflöst, nahm Origenes an, daß die Seelen der Entschlafenen sofort
in das (zur Erde gehörige) Paradies kommen und dort lehrend und lernend sich höher entwickeln.
Die noch nicht geläuterten Seelen dagegen werden in einen Strafzustand geschickt, ein Straffeuer,
das aber wie die ganze irdische Welt als ein Läuterungsort aufzufassen ist. Von hier aus vermochte
Origenes auch den Anschluß an die kirchliche Lehre vom Gericht und den Höllenstrafen zu finden.
Aber, wie dem Clemens, ist ihm das Läuterungsfeuer ein zeitweiliges und ein uneigentliches; es
besteht in den Qualen des Gewissens. Schließlich werden alle Geister im Himmel und auf Erden,
ja selbst die Dämonen und der Teufel, vom Logos-Christus geläutert zur Gottheit zurückgebracht
werden, aufsteigend von Stufe zu Stufe (durch die sieben Himmel hindurch). Daher hat Origenes
diese Lehre als eine esoterische behandelt; 'für den gemeinen Mann genügt es zu wissen, daß der
Sünder bestraft wird, und der Geistesmensch weiß, daß er als Geist mit Gott, dem Geiste, vereinigt
sein wird und daß das 'ewige Evangelium' nur diese Botschaft enthält.'"
Diese Lehre des Origenes erregte bei seinen Gegnern schon zu seinen Lebzeiten und in steigendem
Maße in den folgenden Jahrhunderten lebhaften Widerspruch. Er führte schließlich zu den sogenann-
ten "origenistischen Streitigkeiten", die im sechsten Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten (16). Sie
wurden äußerlich erst durch das Eingreifen des oströmischen Kaisers Justinian beendet.
Was aber war dieser Kaiser für ein Mann? Geboren um 483 regierte er von 527 bis zu seinem Tod
565. Er ist also ungefähr 83 Jahre alt geworden. Während fast seiner gesamten Regierungszeit (bis
562) führte er Kriege: gegen die Perser, Hunnen, Slawen, Goten und Vandalen. Justinian betrieb und
erreichte die gewaltsame Wiedervereinigung des Römerreiches, eroberte durch seinen Feldherrn
Belisar Nordafrika und Italien und überstand zahlreiche Revolten und Generalsverschwörungen. Auch
verfaßte er (oder ließ unter seinem Namen verfassen?) einige theologische Schriften. Die herausragen-
de Tat, die Justinian jedoch vollbrachte, war die Kodifizierung des römischen Rechtes, die seit dem
16. Jahrhundert als Corpus iuris civilis bezeichnet wird. Neben dem Kodex der Kaisergesetze
(528/529) erschien 530-533 das Digesten- und Pandektenwerk. Justinian verfolgte dabei die Arbeit der
Juristenkommissionen mit größtem Interesse und gab entscheidende Anregungen. Das Digestenwerk
ist das folgenreichste juristische Buch der Welt. Nach der Bibel ist kein Werk so oft herausgegeben
und studiert worden wie die Digesten. Als "Gemeines Recht" galt das Corpus iuris civilis in Deutsch-
land teilweise noch bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900.
- 72 -
Diesem auf Ordnung und Einheitlichkeit bedachten und religiös interessierten Kaiser waren natürlich
theologische Streitigkeiten in seinem Reich völlig zuwider. Als daher antiorigenistische Gruppen ihm
eine Klageschrift, versehen mit Auszügen aus "De prinicipiis", einreichten, griff er höchstpersönlich
ein (16, S. 41 f; 28, S. 34; 35, S. 786 f. Im Januar des Jahres 543 erließ er ein Edikt gegen Origenes
und seine Lehren. Den wesentlichen Inhalt gebe ich nach der Darstellung des Münsteraner Theo-
logiedozenten Franz Diekamp wieder (16, S. 46). Dieser beruft sich auf "Iustiniani Liber adversus
Origenem" bei Mansi IX, Sp. 488 D - 533 E und schreibt:
"Das kaiserliche Edikt ist eines der wichtigsten Dokumente der Religionspolitik Justinians und zu-
gleich ein getreuer Ausdruck der unter den Antiorigenisten herrschenden Anschauungen und Ge-
sinnungen. In kurzen Zügen läßt sich sein Inhalt wie folgt wiedergeben: Der Kaiser beteuert im
Eingang, es sei stets seine erste Sorge, mit Gottes Hilfe den Glauben rein zu erhalten und der Kir-
che den Frieden zu sichern. Deshalb erachte er es auch jetzt für seine Pflicht einzugreifen, da er
vernommen habe, daß gewisse Personen dem Origenes und seinen Lehren anhängen, Lehren, die
nicht mehr christlich, sondern heidnisch, manichäisch und arianisch zu nennen seien. Wagt dieser
Mann es doch, die heilige und wesensgleiche Trias zu lästern und zu sagen, der Vater sei größer
als der Sohn, der Sohn größer als der heilige Geist und der heilige Geist größer als die anderen
Geister. Er behauptet, der Sohn könne den Vater, der heilige Geist den Sohn nicht sehen; der Sohn
und der heilige Geist seien Geschöpfe; was wir im Vergleich zum Sohne, das sei der Sohn im Ver-
gleich zum Vater. Die göttliche Macht hält er für begrenzt, alle Gattungen und Arten für gleich-
ewig mit Gott. Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er meint, in Sünde gefallen und zur Stra-
fe in Leiber gebannt; nach dem Maße ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male
und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sün-
de- und leiblosen Zustand zurückzukehren. Er nimmt auch verschiedene Welten an, die teils schon
vorübergegangen sind, teils noch kommen werden.
Wer wird nicht, fragt der Kaiser, von Entsetzen erfaßt, wenn er von diesem Übermaß der Gottlo-
sigkeit hört? Alle Häretiker sind wegen der einen oder der anderen Irrlehre aus der Kirche ausge-
stoßen worden, welcher Christ mag also dem Origenes anhängen wollen, der in seinen Schriften so
viele Lästerungen vorgetragen und fast allen Ketzern so viel Stoff zu ihren verderbenbringenden
Lehren dargeboten hat und deshalb schon vor alters von den heiligen Vätern mit dem Anathem (d.
h. der Verfluchung) belegt worden ist? Zwar hat er auch einige wahre Dogmen in seine schlechten
Bücher aufgenommen, aber dieselben sind eben nicht sein Eigentum, sondern das der Kirche; und
nur aus böser Absicht hat er so gehandelt und seine abscheulichen Lehren besonders in seine Er-
klärungen der heiligen Schriften eingestreut, um arglose Seelen desto leichter zu täuschen. Plato ist
sein Lehrmeister gewesen; Arios hinwieder hat von ihm gelernt; dem Manichäer steht er an Gott-
losigkeit nicht nach."
Diekamp berichtet im Verlauf zweier weiterer Seiten noch Zusätzliches über den Inhalt des Justinia-
nischen Ediktes und führt dann wörtlich die abschließenden zehn Verfluchungen (Anathematismen)
auf, von denen ich hier nur die für unser Thema wichtigen wiedergebe (16, S. 49; 28, S. 823; 35, S.
788):
"1. Wenn jemand sagt oder meint, die Seelen der Menschen präexistieren, sie seien nämlich zuvor
Geister und heilige Kräfte gewesen, haben dann aber, der göttlichen Anschauung überdrüssig, sich
zum Schlimmeren gewendet, und seien, weil dadurch die göttliche Liebe in ihnen erkaltet sei, See-
len genannt und zur Strafe in Leiber hernieder-geschickt worden, so sei er Anathema (verflucht).
2. Wenn jemand sagt oder meint, daß die Seele des Herrn präexistiert habe und vor der Men-
schwerdung und der Geburt aus der Jungfrau mit dem Gott Logos vereinigt gewesen sei, so sei er
Anathema.
9. Wenn jemand sagt oder meint, die Strafe der Dämonen und der gottlosen Menschen sei eine
zeitliche und werde einmal ein Ende haben, mit anderen Worten, es werde eine Apokatastasis
(griech. = Wiederherstellung. Gemeint ist damit die Rückkehr aller zu Gott) der Dämonen oder der gottlosen
Menschen eintreten, so sei er Anathema.
10. Anathema (Fluch) auch dem Origenes, der auch Adamantios heißt, der dieses gelehrt hat, samt
seinen abscheulichen, verfluchten und lasterhaften Dogmen, und jeder Person, die dieses denkt
oder verteidigt oder überhaupt auf irgend eine Art zu irgendwelcher Zeit hierfür einzutreten wagt."
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Zusätzlich zu seinem eigenen Edikt verlangte Justinian vom dem Patriarchen Menas die Einberufung
einer (lokalen) Synode in Konstantinopel (35, S. 790), welche die Verfluchungen des Kaisers zu bestä-
tigen hatte. Die Synode wurde noch im Jahre 543 abgehalten. Alle Teilnehmer, sowie später weitere
Patriarchen und Bischöfe, unterschrieben das Edikt (16, S. 50; 28, S. 34). Außerdem wurde die Zu-
stimmung des römischen Papstes Vigilius (537 - 555) eingeholt. Es kam also eine Verdammung des
Origenes und seiner Lehren durch die Gesamtkirche zustande, wenn auch nicht durch ein ökumeni-
sches Konzil. Auch mag manche Unterschrift unfreiwillig geleistet worden sein (16, S.50 u. 137).
Das Edikt und die Verfluchungen beseitigten den Origenismus in Palästina jedoch nicht (28, S. 34). Im
Jahre 553 berief Justinian die christlichen Kirchenfürsten zum 5. ökumenischen Konzil nach Konstan-
tinopel ein. Der Zweck war die Schlichtung theologischer Streitfragen, des sogenannten "Dreikapitel-
streites". Das Konzil begann am 05. Mai 553 (16, S. 131; 35, S. 854). Vor der offiziellen Konzilser-
öffnung fanden erneut Verhandlungen über Origenes und seine Lehre statt, wobei dieselben Bischöfe
versammelt waren, die später das 5. Konzil bildeten (16, S. 137). Zu den dabei erneut erfolgten (dies-
mal) 15 Verfluchungen gab Papst Vigilius im voraus seine ausdrückliche Zustimmung. Sie waren zwar
kein offizieller Bestandteil des 5. ökumenischen Konzils, wurden aber doch von der Gesamtkirche
gebilligt. Manche Kirchenhistoriker rechnen übrigens diese erneuten 15 Verfluchungen bereits der
Synode von 543 zu (35, S. 790). Von den 15 Verfluchungen der 165 heiligen Väter des 5. heiligen
Konzils in Konstantinopel (28, S. 825) lauten die ersten sieben, die für unsere Betrachtung
hier
wesentlich sind:
"1. Wenn einer die erdichtete Präexistenz der Seelen und ihre daraus folgende phantastische Wie-
derherstellung vertritt, so sei er verflucht (griech. 'anáthema ésto').
2. Wenn einer sagt: Der Ursprung aller Vernunftwesen seien Intelligenzen ohne Körper und Stoff
gewesen, zahllos und namenlos, und sie alle hätten eine Einheit gebildet durch die Identität der
Substanz, der Kraft und Wirksamkeit und durch ihre Einung mit dem Gott-Logos und seine Er-
kenntnis; dann habe sie Überdruß erfaßt an der Schau Gottes; sie hätten sich zum Schlechteren
gewendet, je nachdem wie sehr eine jede dazu hinneigte, und hätten Körper angenommen, feinere
oder dichtere, und einen Namen zugeteilt bekommen - denn es gibt Unterschiede sowohl der Na-
men wie auch der Körper bei den oberen Mächten -, und so seien sie teils Cherubim, teils Sera-
phim, teils Fürstentümer, Gewalten, Herrschaften, Throne, Engel und was es sonst an himmlischen
Ordnungen gibt, geworden und benannt worden - so sei er verflucht.
3. Wenn einer sagt: Die Sonne, der Mond und die Sterne hätten ebenfalls zu der gleichen Einheit
der Vernunftwesen gehört und seien durch eine Wendung zum Schlechteren das geworden, was sie
sind - so sei er verflucht.
4. Wenn einer sagt: Die Vernunftwesen, die von der Liebe zu Gott erkalteten, seien an dichtere
Körper gebunden worden, wie wir sie haben, und seien Menschen genannt worden; die aber, die
zum Gipfel der Schlechtigkeit fortgeschritten seien, seien an kalte und finstere Körper gebunden
worden, sie seien und hießen Dämonen oder Geister der Bosheit (vergl. Eph. 6,12) - so sei er ver-
flucht.
5. Wenn einer sagt: Aus dem Stand der Engel und Erzengel entstehe der Stand der Seelen, aus der
Seele dann der Stand der Dämonen und Menschen, aus dem menschlichen wieder Engel und Dä-
monen; und jede Ordnung der himmlischen Mächte sei entweder ganz aus den höheren oder aus
den niederen (Wesen) entstanden oder aber aus den höheren und den niederen - so sei er verflucht.
6. Wenn einer sagt: Das Geschlecht der Dämonen sei zwiefach in Erscheinung getreten, es sei zu-
sammengesetzt aus menschlichen Seelen und aus höheren Geistern, die hierhin herabgesunken sei-
en; nur eine einzige Intelligenz aus der ganzen angeblichen Einheit der Vernunftwesen sei
unerschüttert in der Liebe und Schau Gottes geblieben, sie sei zum Christus und König aller
Vernunftwesen geworden und habe die ganze körperliche Natur ins Dasein gerufen, den Himmel,
die Erde und was dazwischen ist; der Kosmos habe Elemente, die schon vor seinem Dasein exis-
tiert hätten: das Trockene, Feuchte, Warme, Kalte sowie die Idee, nach der er geformt sei, und erst
auf Grund davon sei er entstanden; nicht die hochheilige und wesenseine Dreifaltigkeit habe die
Welt geschaffen, und deshalb sei diese geworden, sondern der sogenannte Schöpferische Nus
(griech. = Vernunft, Geist, Wille), der vor der Welt existiert und der Welt selbst das Sein verliehen habe,
habe sie als Gewordene hingestellt - so sei er verflucht.
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7. Wenn einer sagt: Christus, der, wie es heißt, in göttlicher Gestalt war (vergl. Phil. 2,6) und vor aller
Zeit mit dem Gott-Logos geeint war, habe sich in den jüngsten Tagen entäußert (vergl. Phil. 2,7) zum
Menschlichen, da er Mitleid hatte mit dem, wie sie sagen, 'vielzerteilten Fall' der Wesen, die zur
gleichen Einheit gehörten; und in der Absicht, sie zurückzuführen, sei er zu allen gekommen, er
habe sich in verschiedene Körper gekleidet und verschiedene Namen angenommen, er sei allen
alles geworden (vergl. 1. Kor. 9,22), unter Engeln ein Engel, unter Mächten eine Macht, und unter den
anderen Ordnungen und Arten der Vernunftwesen habe er die zu einer jeden passende Gestalt
angenommen; endlich habe er 'ähnlich wie wir Fleisch und Blut erhalten' (vergl. Hebr. 2, 14) und sei
auch für die Menschen Mensch geworden - und wenn einer nicht bekennt, daß der Gott-Logos sich
entäußert hat und Mensch geworden ist - so sei er verflucht."
Damit war für die (damals noch vereinte) christlich-katholische Kirche das Thema "Präexistenz" und
"Wiedergeburt" abgeschlossen.
Es fällt auf, daß in der Übersetzung und Bearbeitung des Rufinus und in den Verfluchungen von 543
und 553 der Begriff der mehrfachen irdischen menschlichen Wiedergeburt nicht auftritt. Dagegen
kommt Kaiser Justinian in dem einleitenden Text seines Ediktes von 543 ausdrücklich darauf zu spre-
chen, indem er sagt (16, S. 46):
"Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er (Origenes) meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in
Leiber gebannt. Nach dem Maß ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und
noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde-
und leiblosen Zustand zurückzukehren."
Mit diesen Worten betont Justinian, daß Origenes eine vollständige Wiedergeburtslehre vertreten hat.
Wie Origenes darauf gekommen ist, entzieht sich unserer Kenntnis. War es die Wiederaufnahme alten
Gedankengutes aus seiner griechisch geprägten Umwelt (Er selbst war Ägypter aus Alexandrien),
waren es eigene gedankliche Schlußfolgerungen oder war es Wissen, das er oder Freunde oder Vor-
gänger von ihm aus einem Jenseitsverkehr gezogen hatten? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall war
das Thema "Wiedergeburt" seit 553 für die Christenheit äußerlich für 1.300 Jahre vom Tisch. Erst der
Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommende neuzeitliche Spiritismus und Spiritualismus belebte für
Christen das Thema erneut.
Von Nordamerika ausgehend breiteten sich spiritistische Praktiken in wenigen Jahren über die ganze
Kulturwelt aus. Darunter ist zu verstehen, daß über besonders veranlagte Menschen, sogenannte
Medien, Verbindung zur jenseitigen Welt aufgenommen wurde. Eines diese Medien war eine Franzö-
sin Célina Japhet, die ab 1845, als sie ihre schreibmediale Tätigkeit aufnahm (3; 4; 5), den Deckna-
men Célina Béquet annahm. Unter Betreuung eines Herrn Roustan gab sie medial empfangene medi-
zinische Ratschläge, die ihr von ihrem verstorbenen Großvater, welcher Arzt gewesen war, übermittelt
wurden.
Vom Jahre 1846 an empfing sie auch mediale Mitteilungen über die Reinkarnationslehre, die von
ihrem Großvater, der heiligen Theresia und anderen Geistwesen stammen sollten. Ab 1849 bildete sich
um Célina Béquet ein aus insgesamt neun Personen bestehender spiritistischer Kreis, der einmal in der
Woche in der Wohnung von Célina in der Rue des Martyrs, Nr. 46, zusammenkam. 1856 gesellte sich
zu diesem Kreis ein Herr Denizard Rivail (1804 - 1869), der später den Namen Allan Kardec führte,
von dem er meinte, ihn in früherer Inkarnation auf dieser Erde getragen zu haben. Rivail bzw. Kardec
nahm sich alsbald der inzwischen zahlreichen medialen Schriften Célinas an, sichtete die vorhandenen
Themen, stellte selbst an die durchgebenden Geistwesen eine Anzahl Fragen (5, S. 261) und fügte
alles in eine systematische Ordnung ein. Daraus entstand zunächst das am 18. April 1857 in Paris ver-
öffentlichte Buch "Le livre des Esprits", zu deutsch "Das Buch der Geister" (52). Den Namen des Me-
diums verschwieg er darin und gab diesem später auch nicht trotz wiederholter Rückforderungen die
überlassenen medialen Manuskripte zurück.
Die Lehre Kardecs ist gemäß den von den Geistern übermittelten Durchgaben in Auszügen folgende
(52, S. 21):
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"Gott ist ewig, unwandelbar, unmateriell, einig, allmächtig, allgerecht und allgütig. Er hat das
Weltall erschaffen, das alle belebten und unbelebten Wesen, materielle und immaterielle, umfaßt.
Die materiellen Wesen bilden die sichtbare Welt, die Körperwelt, die immateriellen Wesen die
unsichtbare Welt, die Geisterwelt. Die geistige Welt ist die normale, ursprüngliche und ewige
Welt, die vor allem physischen Sein war und alles Materielle überdauern wird. Die Körperwelt ist
von untergeordneter Bedeutung. Sie könnte in ihrer Existenz aufhören und brauchte nie existiert zu
haben, ohne die Wesenheit der geistigen Welt zu verändern. Die Geister legen für gewisse Zeit ei-
ne vergängliche, materielle Hülle an, deren Zerstörung, für gewöhnlich Tod genannt, sie wieder in
Freiheit setzt.
Unter den vielerlei Arten körperlicher Wesen ist die Ordnung 'Mensch' zur Verkörperung solcher
Geister bestimmt, die eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht haben. Dies bedingt sittliche und in-
tellektuelle Überlegenheit über die anderen Ordnungen. Die menschliche Seele ist ein verkörperter
Geist, der Körper ist des Geistes Hülle. Der Mensch besteht aus drei Teilen:
1. Aus dem Körper, dem materiellen Wesen, das dem Tier entspricht und durch das nämliche
Lebensprinzip belebt wird.
2. Aus der Seele, dem immateriellen Wesen, dem in den Körper inkarnierten Geiste.
3. Aus dem Bande, das Seele und Körper eint, dem zwischen Materie und Geist vermittelnden
Prinzip.
Somit hat der Mensch zwei Naturen: Durch den Körper nimmt er an der Natur der Tiere teil, deren
Instinkte er besitzt, und mit seiner Seele nimmt er an der Natur der Geister teil.
Das Band, der Perisprit, das Körper und Geist verbindet, ist eine Art halbmaterieller Hülle. Mit
Tod bezeichnen wir die Zerstörung der gröbsten Hülle, der Geist besitzt aber noch eine zweite, die
für ihn einen ätherischen Körper bildet. Im normalen Zustande ist er uns unsichtbar, bei Geisterer-
scheinungen aber kann er sichtbar und sogar fühlbar gemacht werden."
Es folgen jetzt eine Reihe von Fragen Kardecs und die Antworten der Geister (52, S. 59):
"76. Wie sind die Geister zu definieren?
'Die Geister sind die intelligenten Wesen der Schöpfung. Sie bevölkern das All außerhalb der
stofflichen Welt.'
(Das Wort 'Geist' bezeichnet hier die Individualitäten außerkörperlicher Wesen und nicht das all-
gemeine intelligente Element.)
77. Sind die Geister von der Gottheit unterschiedene Wesen, oder sind sie nur Ausströmungen
oder Bestandteile der Gottheit und deswegen Söhne oder Kinder Gottes zu nennen?
'Mein Gott, sie sind sein Werk, genauso wie ein Mensch eine Maschine macht. Du weißt,
daß, wenn der Mensch eine schöne, nützliche Sache machte, er sie seine Schöpfung nennt.
Geradeso ist es mit Gott: Wir sind seine Kinder, weil wir sein Werk sind.'
78. Haben die Geister einen Anfang oder sind sie von Ewigkeit her?
'Hätten sie keinen Anfang gehabt, so wären sie Gott gleich, während sie doch seiner Schöp-
fung und seinem Willen unterworfen sind. Gott ist von Ewigkeit her, das ist unwidersprech-
lich. Aber wann und wie er uns geschaffen hat, davon wissen wir nichts. Du kannst sagen,
wir seien ohne Anfang, wenn du darunter verstehst, daß der ewige Gott ohne Unterbrechung
habe schaffen müssen. Wann und wie jeder von uns gemacht wurde, ist ein Geheimnis.'
79. Da es zwei allgemeine Elemente im All gibt, das intelligente und das stoffliche, könnte man
da sagen, die Geister seien aus dem intelligenten gebildet, wie die trägen Körper aus den
stofflichen?
'Offenbar. Die Geister sind Einzelwesen des intelligenten Prinzips wie die Körper die des
stofflichen. Zeit, Art und Weise dieser Bildung bleiben unbekannt.'
80. Ist die Schöpfung der Geister eine fortwährende, oder fand sie nur zu Anfang der Zeiten
statt?
'Sie ist fortwährend. Gott hat nie aufgehört zu schaffen.'
81. Bilden sich die Geister von selbst, oder geht einer aus dem anderen hervor?
'Gott schafft sie wie alle Geschöpfe kraft seines Willens.'
82. Ist es richtig, daß die Geister immateriell sind?
'Man kann nichts definieren, wenn man keine Vergleichspunkte und ausreichende Sprache
hat. Kann ein Blinder das Licht definieren? Unkörperlich statt immateriell wäre genauer. Da
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der Geist eine Schöpfung ist, muß er doch ein Etwas sein. Er ist ein auf das äußerste verfei-
nerter Stoff ohne Analogie für euch, und so ätherisch, daß er euren Sinnen entgeht.'
83. Haben die Geister ein Ende? Es ist schwer zu begreifen, daß etwas, das einmal einen Anfang
hatte, nicht auch ein Ende haben soll.
'Ihr begreift vieles nicht, weil eure Intelligenz beschränkt ist. Ein Kind begreift auch nicht
alles, was sein Vater begreift. Kurz: Die Existenz der Geister hört nicht auf. Das ist alles, was
wir jetzt sagen können.'
Über die irdische Einverleibung der Geister schreibt Kardec (52, S. 69):
132. Was ist der Zweck der Inkarnation der Geister?
'Gott will die Geister dadurch zur Vollendung führen. Für die einen ist sie Sendung, für die
anderen wieder Sühne. Um aber zur Vollendung zu gelangen, müssen sie alle Wechselfälle
der leiblichen Existenz durchmachen. Hierin liegt die Sühne. Durch die Inkarnation soll der
Geist auch befähigt werden, für seinen Teil zum Schöpfungswerk beizutragen. Zu diesem
Zweck nimmt er auf jeder Welt eine zum Stoff derselben stimmende Ausrüstung an, um dort
die Befehle Gottes auszuführen. So schreitet er selbst fort, während er zum allgemeinen Fort-
schritt beiträgt.'
133. Bedürfen jene Geister, die von Anbeginn den Weg des Guten beschritten, auch der Inkarnati-
on?
'Alle werden einfach und unwissend geschaffen. In Kämpfen und Trübsalen des leiblichen
Lebens bilden sie sich heran. Der gerechte Gott konnte nicht die einen ohne Mühe, Arbeit
und eigenen Verdienst glücklich werden lassen. Durch die Leiden körperlichen Lebens
gelangen sie schneller zum Ziel. Manchmal sind auch die Leiden des Lebens Folgen der
Unvollkommenheit des Geistes. Je weniger er deren hat, desto weniger Qualen hat er.'
167. Was ist der Zweck der Wiedereinverleibung?
'Die Sühne, die fortschreitende Besserung der Menschheit.'
168. Ist die Zahl der leiblichen Existenzen eine begrenzte, oder reinkarniert sich der Geist in alle
Ewigkeit?
'In jeder neuen Daseinsform macht der Geist einen Schritt auf dem Wege zum Ziel. Hat er
sich einmal aller Unreinigkeiten entledigt, bedarf er keiner Prüfungen des Leibeslebens
mehr.'
169. Ist die Zahl der Inkarnationen für alle Geister dieselbe?
'Nein. Schneller Fortschritt erspart Prüfungen. Aber die sich folgenden Inkarnationen sind
sehr zahlreich, denn der Fortschritt ist fast ein unendlicher.'
170. Was wird aus dem Geist nach seiner letzten Inkarnation?
'Ein seliger Geist. Er ist dann reiner Geist.'
171. Worauf gründet sich der Glaubenssatz der Reinkarnation?
'Auf Gottes Gerechtigkeit und die Offenbarung. Sagt dir denn nicht bereits die Vernunft, daß
es ungerecht wäre, alle zu verdammen, denen es nicht gelang, sich zu bessern?'
(Die Reinkarnationslehre, die dem Menschen mehrere sich folgende Existenzen zuschreibt,
ist die einzige, die der Gerechtigkeit Gottes für die Menschen entspricht, die Zukunft erklärt
und unsere Hoffnungen festigt, weil sie uns das Mittel gibt, unsere Irrtümer durch neue Prü-
fungen wieder gutzumachen.)
172. Erfüllen sich unsere verschiedenen leiblichen Existenzen alle auf der Erde?
'Nein, nicht alle, sie erfüllen sich in den verschiedenen Welten. Eure Erde ist weder die erste
noch die letzte, sie ist eine der am meisten stofflichen und am weitesten von der Vollendung
entfernten.'
173. Geht die Seele bei jeder leiblichen Existenz von einer Welt in die andere, oder kann sie meh-
rere auf der gleichen Welt durchlaufen?
'Sie kann mehrere Male auf derselben Welt zu einem neuen Leben erwachen, wenn sie nicht
fortgeschritten genug ist, um in eine höhere Welt überzugehen. Sie kann also auch mehrere
Male auf Erden erscheinen.
173a.Können wir auch nach einem Leben auf anderen Weltkörpern wieder zur Erde zurückkehren?
'Gewiß! Ihr habt auch schon anderswo gelebt und seid auf Erden.'
174. Ist es notwendig, daß wir auf der Erde ein neues Leben wieder anfangen?
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'Nein, aber wenn ihr nicht fortschreitet, müßt ihr vielleicht auf eine andere Welt, die nicht
besser, vielleicht gar schlimmer ist.'
175. Liegt ein Nutzen darin, auf die Erde zurückzukehren?
'Kein besonderer, es sei denn, man habe eine Sendung.'
175a.Wäre es nicht herrlicher, immer Geist zu bleiben?
'Nein, nein, man käme nicht von der Stelle und will sich doch Gott nähern.'
176. Können Geister, die auf anderen Welten inkarniert waren, auch auf dieser inkarniert werden,
ohne vorher hier gewesen zu sein?
'Ja, genauso wie ihr auf den anderen. Die Welten stehen eine für alle und alle für eine. Was
sich in der einen nicht erfüllt, erfüllt sich in der anderen.'"
Bei allen Schilderungen Kardecs muß man bedenken, daß es sich hierbei nicht um unfehlbare göttliche
Offenbarungen handelt, sondern um Berichte Jenseitiger, die entweder ihrem Wissensstand oder ihrer
persönlichen Meinung entsprachen. Neben wahren Kerninhalten können daher auch durchaus eigene
Mutmaßungen eingeflochten sein. Außerdem weiß man nicht, wie Kardec selbst die Durchgaben noch
überarbeitet hat.
Die Lehren Kardecs und seiner jenseitigen Informanten fanden im romanischen Sprachbereich durch
riesige Buchauflagen größte Verbreitung. Ihre Anhänger zählen in Brasilien nach vielen Millionen.
Dagegen wurde im angelsächsischen Sprachbereich in manchen Jenseitsdurchgaben die Möglichkeit
einer irdischen Wiedergeburt heftig bestritten. Das kann natürlich darauf beruhen, daß diese Jenseiti-
gen darüber noch nicht unterrichtet waren, und sie außerdem über keine eigenen erinnerbaren Erfah-
rungen verfügten. Kardec erhielt zu der folgenden Frage (52, S. 128):
331. Beschäftigen sich alle Geister mit ihrer Reinkarnation?
(die Antwort) 'Es gibt welche, die gar nicht an dieselbe denken, und andere, die sie nicht
begreifen. Das hängt vom Fortschritt ihres Wesens ab. Einigen dient ihre Ungewißheit über
ihre Zukunft als Strafe.'
Andererseits gibt es aber auch Geister, die sich bereits zu irdischen Lebzeiten mit der Reinkarnation
befaßt haben und daran glaubten, weil sie beispielsweise Theosophen waren. Wenn diese dann nach
ihrem Tode im Jenseits ankommen, meinen sie, die Wiedereinverleibung in einen irdischen Körper
gleich selbst vornehmen zu können. Da das aber nicht in ihrer Macht liegt, ergeben sich daraus unter
Umständen große Schwierigkeiten. Darüber berichtet der amerikanische Psychiater schwedischer
Abstammung Dr. Carl Wickland (1862 - 1937), der mit Hilfe seiner medial veranlagten Ehefrau eine
Vielzahl von Besessenheitsfällen behandelte. Er schreibt (95, S. 408):
"Daß die Wiederverkörperungslehre, der Glaube an eine mehrfach sich wiederholende Wiederkehr
des Menschen ins Erdenleben irrig ist und nach dem Tode dem Aufstieg in höhere geistige Reiche
nur hindernd im Wege steht, ist uns von höheren Geistern des öfteren dargelegt worden. Zahlrei-
che Fälle von Besessenheit, welche in unsere Behandlung kamen, hatten ihre Ursache in Geistern,
die sich bei dem Versuch, sich in Kindern wiederzuverkörpern, in deren Aura einge-schlossen fan-
den und dadurch ihren Opfern und auch sich selber große Leiden schufen."
Wickland berichtet dann von einem Geist William Stanley, der am 19. November 1916 in seine Frau
eingetreten ist und durch deren Mund sein Schicksal schildert (95, S. 409):
"Ich wollte ins Erdenleben zurückkehren und mich in einem Kinde wiederverkörpern. Hinein in
das Kind kam ich wohl, konnte aber nicht wieder heraus. Ich war völlig gelähmt, so daß ich mich
überhaupt nicht verständlich machen konnte. Es war ein fürchterlicher Zustand.
Ich war Theosoph und wollte mich wiederverkörpern, um etwas Großes zu werden. So geriet ich
in den Körper eines Kindes und machte es zu einem Krüppel. Damit verkrüppelte ich zugleich
auch meine eigene und des Kindes Seele. Ich blieb in dem Kinde, weil ich nicht wußte, wie ich
wieder herauskommen sollte. Ich benahm mich wie ein Kind und konnte nicht sprechen.
Ich weiß wohl, daß ich aus meinem sterblichen Körper ausgetreten bin, und zwar schon vor mehre-
ren Jahren, weit weg in Indien. Ich erinnere mich aber nicht, wann das stattgefunden hat. Ich woll-
te mich so gern wiederverkörpern und ins Erdenleben zurückkehren, um mein weiteres Karma
auszuleben.
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Klammert euch nicht an den Gedanken der Wiederkehr, sondern trachtet lieber nach höheren Din-
gen, denn der Zustand, in dem ich mich befunden habe, war die schlimmste Quälerei, die einer nur
haben kann.
Ich lebte in Kalkutta und wollte gern 'Meister' werden und mein Karma ausleben, aber statt dessen
bin ich nun das Häufchen Elend, das ihr vor euch seht."
Der Bericht des Geistes erstreckt sich noch über weitere zwei Seiten. Zum Schluß wird er von
Dr. Wickland über seinen Zustand aufgeklärt und kann sich danach von dem siebenjährigen Jungen,
den er besessen gemacht hatte, lösen. Jener Geist hatte nicht erkannt, daß er seine Wiederverkörperung
nicht selbst bewerkstelligen konnte. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, daß es diese überhaupt
nicht gibt. Doch wenn man als Mensch auf dieser Erde an eine solche Möglichkeit selbst nicht glaubt,
so sollte man sich wenigstens Gedanken darüber machen, was es für persönliche Folgen hätte, wenn
man zu irgendeinem Zeitpunkt einmal wieder auf diese Erde kommen müßte.
Die Lehre des Origenes über die Präexistenz mit Engelsturz und Geisterfall wird bei Kardec nicht
erwähnt. Sie spielt aber in der Lehre die ausschlaggebende Rolle, die dem bereits ausführlich erwähn-
ten Pfarrer Johannes Greber medial übermittelt wurde. Die ihm erteilten Belehrungen ergaben ein
umfassendes Bild über Gott, seine Persönlichkeit, seine Schöpfung und ihr Schicksal, über den Abfall
eines Teils der Geisterwelt und seine Vertreibung aus Gottes Reich. Über den anschließenden Erlö-
sungsplan wurde Greber von dem hohen jenseitigen Geistwesen folgendermaßen belehrt (29, S. 279):
"Nach dem Abfall eines großen Teiles der Geisterwelt legte Gott den Plan fest, nach dem er die in
die Tiefe gesunkenen unglücklichen Wesen retten und zu seinem Reiche wieder zurückführen
wollte.
Sein Erbarmen galt zunächst den weniger Schuldigen. Das waren die unermeßlichen Scharen, die
bei der erneuten Prüfung in der Sphäre des Paradieses die Sünde des endgültigen Abfalles
begangen hatten. Erst wenn sie Rettung gefunden, sollten ihre Verführer - Luzifer und seine
Miträdelsführer - zur Rückkehr ins Vaterhaus Gottes gelangen.
Gott ist gerecht. Bei den Verführten lag die Sünde der Schwachheit vor, bei den Verführern die
Sünde der Bosheit. Wie die Sünde wesentlich verschieden war, so auch die Strafe und der Weg der
Rückkehr aus der Tiefe.
Der erste Schritt zur Rettung bestand darin, daß Gott Besserungssphären schuf, und zwar stufen-
weise, nach euch unbegreiflichen Gesetzen, wie sie nur die Weisheit Gottes zu ersinnen vermag.
Auf diesen Stufen des Emporsteigens der gefallenen Geister aus der Tiefe der Finsternis hinauf zu
Gott weist Paulus in seinem Brief an die Epheser hin, indem er von Entwicklungsstufen spricht,
die Gott angeordnet habe, um seinen Ratschluß auszuführen, nach dem er alles wieder mit dem
Sohne vereinigen wolle. An dieser Stelle gebraucht der Urtext das Bild von dem Bau eines Hauses
mit verschiedenen Stockwerken. Nimm dieses Bild geistig, dann wird dir die Lehre von den 'Bes-
serungssphären' der gefallenen Geister leichter verständlich sein.
Das, was ihr 'Hölle' nennt, ist die tiefste Stufe, in welche alle gefallenen Geister kamen. Aber auch
die Hölle enthält eine Anzahl Besserungssphären, durch die ein Geist durch Besserung seiner Ge-
sinnung sich emporarbeiten kann bis zur ersten der irdischen Sphären. Diese beginnen mit der Stu-
fe der niedrigsten Tiere und finden ihre Fortentwicklung in den Stufen der Steine, der Pflanzen,
Kräuter, Blumen, der höheren Tiere und erlangen ihren Abschluß in der Stufe des höchsten Tieres,
dem ihr den Namen 'Mensch' gegeben habt. Diese irdischen Stufen existieren nicht bloß auf eurer
Erde, sondern auch auf anderen Weltkörpern. Es gibt also viele Parallelstufen zu denen eurer Erde.
Auch sind die irdischen Stufen nicht bloß in der materiellen Gestaltung vorhanden, wie ihr sie in
dem Tierreich, Pflanzenreich und Mineralreich vor euch seht, sondern auch in einer entsprechen-
den geistigen Gestaltung, so daß es auch ein geistiges Tierreich, Pflanzenreich und Mineralreich
der verschiedensten Gattungen und Arten der Lebewesen gibt, die in diesen Reichen in ähnliche
Odleiber8 gehüllt sind, wie ihr sie auf dieser Erde in materiellen Leibern erblickt. In diese geisti-
gen Parallelsphären der irdischen Stufen treten die nach dem irdischen Tode vom materiellen Kör-
per getrennten Geister wieder ein und bleiben darin, bis sie in einer neuen irdischen Geburt wieder
verkörpert werden. Bessert sich der Geist nicht, so wird er in derselben Stufe so oft wieder verkör-
pert, bis er reif ist für die Verkörperung in einer höheren Stufe.
8 Od = Feinstoffliche Substanz außerhalb der Nachweisbarkeit unserer irdischen Physik; Lebenskraft des Geistes (29, S. 67).
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Jede einzelne der Besserungsstufen erforderte zu der darin vorgesehenen leiblichen Gestaltung der
Geister ein besonderes Eingreifen Gottes. Es bestand darin, daß er die Odgestalten der Geister-
paare in der Form dieser Stufe verkörperte und ihnen die Fähigkeit verlieh, durch Zeugung den
Leib dieser Stufe fortzupflanzen. Doch die Geister selbst werden nach feststehenden Gesetzen der
Geisterwelt den gezeugten Körpern einverleibt.
Ihr Menschen könnt freilich das 'Wie' all dieser Vorgänge nicht verstehen, wie ihr ja auch von dem
ganzen Naturgeschehen, das euch umgibt und das ihr täglich mit eigenen Augen seht, in Wirklich-
keit nichts begreift.
(29, S. 281) Ein Zurücksinken eines Geistes aus einer höheren Besserungsstufe in eine tiefere gibt
es nicht. Wohl ein Stillstehen in derselben Stufe. Wie ich dir bereits gesagt habe, muß ein Geist-
wesen, das bei seinem irdischen Tode in der betreffenden Stufe seiner Verkörperung nicht weiter-
gekommen ist, so oft in derselben Stufe wiederverkörpert werden, bis es für die nächst höhere Stu-
fe reif ist. Das gilt auch vom Menschen. Hat sich sein Geist im irdischen Leben auf dem Wege zu
Gott nicht vervollkommnet, so wird er wieder Mensch. Jedes Leben ist ein Examen. Wer durch-
fällt, muß es so oft machen, bis er es besteht. Das sind göttliche Gesetze, die für die ganze Schöp-
fung gleichmäßig Geltung haben. Bei Gott gibt es keine Willkür.
(29, S. 282) Leider sind die wichtigen Lehren, die ich dir soeben vorgetragen habe, aus dem bibli-
schen Schöpfungsbericht beseitigt worden. Er enthält fast nichts mehr davon. Er weiß nichts von
der Geisterschöpfung Gottes, nichts von dem Kampf der Geister und ihrem Abfall9, nichts von den
Besserungssphären und der Gestaltung der Odleiber der Gefallenen in den einzelnen Stufen, nichts
von der Verkörperung der Odleiber zur irdischen Materie. Wo eure Bibel von der irdischen Schöp-
fung erzählt, stellt sie es so dar, als ob diese eine neue und vollkommen selbständige Schöpfung
sei, die mit der Geisterschöpfung und dem Abfall eines Teiles der Geisterwelt in keinerlei Verbin-
dung stehe.
Die Urbibel enthielt alle diese Wahrheiten. Bei der späteren Gestaltung der Heiligen Schrift war
die Macht des Bösen am Werk, die Zusammenhänge in dem Erlösungsplan Gottes der menschli-
chen Kenntnis zu entziehen. Der Menschheit sollte die tröstliche Wahrheit vorenhalten werden,
daß alles wieder zu Gott kommt. 'Denn Gott will, daß alle gerettet werden und zur Erkenntnis
der Wahrheit gelangen' (1. Tim. 2,3). Alles wieder zu Gott zu führen, ist auch der Zweck der mate-
riellen Schöpfung."
Im Laufe der Zeit wurde Pfarrer Greber zur Belehrung auch mehrfach mit Geistwesen der verschiede-
nen Besserungsstufen durch seine Medien in Verbindung gebracht. Zusammenfassend wurde ihm dazu
mitgeteilt (29, S. 291):
"Aus dem, was du mit den Geistern aus den untersten Sphären erlebt hast, wirst du ersehen haben,
wie schwer es für diese Geistwesen ist, sich aus ihrem beklagenswerten Zustand emporzuarbeiten.
Denn ein Aufstieg in jenen Geistersphären ist für sie nur dann möglich, wenn sie sich zu Gott
wenden. Nun hast du aber selbst erfahren, ein wie großer Widerstand dem Gottesgedanken gerade
von diesen Geistern entgegengesetzt wird. Für sie ist es daher eine große Gnade Gottes, wenn sie
möglichst bald wieder von neuem Mensch werden. Denn als Menschen können sie durch das, was
sie in der Schöpfung Gottes sehen, sowie infolge eigenen Nachdenkens oder durch fremde Beleh-
rung und das Beispiel anderer leichter zum Gottesglauben kommen als in jenen tiefen Geistersphä-
ren.
Die meisten Menschengeister müssen wiederholt zur Erde zurück. Denn der Abschluß ihres dies-
seitigen Lebens ist immer wieder ein ungünstiger und führt sie in die tiefsten Geistersphären zu-
rück, anstatt sie für die höheren Stufen des Jenseits reifzumachen. - Betrachte dir das Leben der
meisten Menschen! Ist nicht ihr ganzes Sinnen und Trachten auf das Irdische eingestellt? Wieviele
denken überhaupt an Gott und glauben fest an ihn und tun das Gute? Seitdem die bösen Mächte
das Geld unter die Menschen gebracht, haben sie ein Mittel, durch das sie eine unumschränkte
Herrschaft über den größten Teil der Menschheit ausüben.
Die Zeit, welche die Geister der tieferen Sphären im Jenseits zubringen müssen, bis sie als Men-
schen wiederverkörpert werden, ist bei jedem Geist verschieden. Sie richtet sich auch nach dem,
was der einzelne als Strafe für sein letztes irdisches Leben zu verbüßen hat. Gott ist gerecht, und
jedes Vergehen erheischt seine Sühne. Doch Gott ist auch gütig und straft nie so hart, wie seine
Geschöpfe es verdienen."
9 Was von diesem Kampf im Neuen Testment noch vorhanden ist, habe ich im vorangehenden Kapitel vorgetragen.
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Auch über die zentrale Rolle Christi bei der Erlösung und Rückführung der gefallenen Geister und
Menschen wurde Greber ausführlich belehrt. Einige Sätze aus den umfangreichen Darlegungen mögen
das hier nur andeuten (29, S. 327):
"So hing die Erlösung durch Christus von zwei Dingen ab: Zuerst mußte auch er die in der
Knechtschaft des Bösen schmachtenden Geister, die in der Stufe des Menschen verkörpert waren,
dahin bringen, daß sie bereit waren, dem Bösen zu entsagen. Dann aber blieb noch als schwierigste
Aufgabe, die Herrschermächte des Bösen unter Luzifer zu zwingen, diejenigen freizugeben, die zu
Gott wollten. Diese beiden Aufgaben waren sowohl bei Mose als auch bei Christus scharf vonei-
nander getrennt. - - - Für Christus war es wertlos, dem Volk darüber Mitteilung zu machen, auf
welche Weise die Erlösung erfolgen sollte. Er hatte es bloß darüber zu belehren, daß die Zeit der
Befreiung nahe sei, daß es sich der Befreiung würdig machen solle und daß er selbst derjenige sei,
der von Gott als Retter zu ihm gesandt worden sei. - - -
Es war klar, daß Christus nicht als Mensch gegen Geister zum Angriff vorgehen konnte. Menschen
haben bloß die Möglichkeit, sich gegen den Ansturm der bösen Mächte zu wehren, wenn diese
durch Einflüsterungen, Verlockungen, Einjagen von Furcht oder auch durch Erscheinungen sowie
durch menschliche Helfershelfer sie zum Bösen zu verleiten suchen. Zum Angriff konnte daher
Christus bloß als Geist nach seinem irdischen Tode gegen Satan vorgehen. Dann erst konnte es
heißen: 'Abgestiegen zu der Hölle.' - - - (29, S. 348) Als Mensch hatte er alle Angriffe seines ge-
waltigen Gegners abgeschlagen. Das war alles, was er als Mensch tun konnte. Jetzt aber, wo er frei
war vom irdischen Körper, konnte er als Geist auch zum Angriff gegen seinen Feind, den Fürsten
der Finsternis, vorgehen. Er stieg hinab zur Hölle im Vertrauen auf die alles überwindende Kraft
Gottes, die er sich durch seine Standhaftigkeit in der Gottestreue als Mensch verdient hatte. Gott
sandte ihm nun die himmlischen Heerscharen als Kampfgenossen. Es begann ein Ringen, das dem-
jenigen ähnlich war, das sich damals abspielte, als Luzifer mit seinem Anhang gegen die himmli-
schen Legionen am Tage der großen Revolution im Geisterreiche Gottes kämpfte. Der jetzige
Kampf spielte sich im Reiche Satans ab. Es war sowohl ein Einzelkampf zwischen Christus und
Luzifer, als auch ein Massenkampf zwischen den himmlischen Legionen und denen der
Finsternis.
Dieses gewaltige Ringen pflanzte sich fort bis in die tiefsten Sphären der Hölle, wohin Luzifer und
sein Anhang zurückweichen mußte. Da - als die Niederlage der Höllenmächte nicht mehr zweifel-
haft war - traten auch viele von denen, die bisher ihre Vasallen waren, aber ihren Abfall von Gott
bereuten, auf die Seite der himmlischen Heerscharen und kämpften mit diesen zusammen gegen
ihre bisherigen Unterdrücker. Und die Zahl dieser Überläufer wuchs von Sekunde zu Sekunde. Als
Luzifer sah, daß alles verloren war, flehte er um Schonung. - - - Christus eröffnete ihm jedoch, daß
ihm seine Herrscherrechte nicht ganz entzogen, sondern bloß auf die beschränkt würden, die ihm
der Gesinnung nach angehörten. Aber die, welche aus seinem Reiche zu Gott zurückwollten, müs-
se er freigeben. Er dürfe sie nicht mehr als seine Untertanen betrachten. Wohl stehe es ihm frei, sie
durch Betörung und Verführung an sich zu fesseln, aber nicht mehr mit Gewalt wie bisher. - - -
Damit war das große Rettungswerk der Erlösung zum Abschluß gebracht. Der Erlösungsplan Got-
tes hatte in seinen wesentlichen Teilen die Verwirklichung gefunden. Die zwischen dem Reiche
der Finsternis und dem Reiche Gottes gähnende Kluft war überbrückt. Jeder, der von jetzt an aus
der Fremdenlegion Satans nach der alten Heimat Gottes zurückkehren wollte, konnte über diese
Brücke gehen. Kein Wächter des Höllenreiches durfte ihm das Überschreiten der Grenzen verweh-
ren."
Über die Natur und Stellung Christi wurde Johannes Greber von seinem jenseitigen, hochgestellten
Informanten unter anderem folgendermaßen unterrichtet (29, S. 330):
"Gegen den Vorwurf, daß er in einem einzigartigen Sinne Gott seinen Vater nannte, wehrte sich
Christus nicht, denn er war in einem Sinne ein 'Sohn Gottes' wie kein anderer der 'Gottessöhne'
oder der Geister Gottes. Er war nicht bloß der höchste der von Gott geschaffenen Geister, sondern
auch der einzige Geist, der auch seinem himmlischen Leibe nach von Gott ins Dasein gerufen
worden ist. Die anderen Söhne Gottes hatten bloß ihrem Geiste nach von Gott ihr Dasein erhalten,
während ihre himmlischen Leiber dem erstgeschaffenen Sohne ihr Entstehen verdankten. Christus
war also nicht bloß der 'Erstgeborene' Gottes, sondern auch der einzige, der nach seinem ganzen
Sein eine direkte Schöpfung Gottes war. Er war der einzige in seiner Art. Er war der 'Eingeborene'
des Vaters. - - -
- 81 -
Aber wogegen sich Christus bis aufs äußerste wehrte, war die Behauptung seiner jüdischen Feinde,
er stelle sich Gott gleich. Er beteuerte immer wieder, daß er keinerlei Macht von sich selbst habe
und aus sich selbst nicht das Geringste tun könne. Wenn einer aus sich selbst nichts kann, dann ist
damit der unwiderlegliche Beweis erbracht, daß er nicht Gott sein kann. - - - Es ist wahr, Christus
hatte alle Macht im Himmel und auf Erden. Aber er hatte sie ebensowenig von sich selbst, wie der
ägyptische Josef alle Macht über Ägypten aus sich hatte. Wie Josef nicht der Pharao war, so war
Christus nicht Gott."
Diese Belehrungen aus der jenseitigen Welt decken sich mit dem, was schon der Apostel Paulus in
seinem Brief an die Kolosser (Kap. 1,15) über Christus schrieb, und was ich bereits auf Seite 45 wie-
dergegeben habe. Es heißt dort, daß Christus der Erstgeborene aller Schöpfung ist, durch den alles
geschaffen wurde, was im Himmel und auf der Erde ist. Christus selbst sagt über sich (Joh. 12,49):
"Denn ich habe nicht von mir selbst aus geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat
mir Auftrag gegeben, was ich sagen und was ich reden soll, und ich weiß, daß sein Auftrag ewiges
Leben bedeutet. Was ich also rede, das rede ich so, wie der Vater es mir gesagt hat."
Greber wurde eine Gesamtschau über die Entstehung der Welt und der Bibel, sowie ihren Inhalt und
ihre Bedeutung vermittelt. Alles, was dem heutigen Menschen seltsam, unverständlich und wider-
sprüchlich erscheint, wurde ihm erläutert und verstehbar gemacht. Auf diese Weise kann auch ein
moderner Mensch im Zeitalter der Technik nachvollziehen, was durch die Bibel ausgesagt werden
soll. Wer an religiösen Fragen und dem Schicksal der Welt interessiert ist, sollte das Grebersche Buch
"Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck" (29) unbedingt einmal lesen.
Es wird in deutscher und englischer Sprache in immer neuen Auflagen von der Greber Memorial
Foundation in den U.S.A. verbreitet. In dem Buch wird keine neue Heilslehre verkündet, die dem
Anhänger einen sicheren Platz im Himmel garantiert. Es werden keine Weltuntergangsprophezeiungen
verbreitet wie bei manchen anderen spiritistischen Gruppierungen. Es wird auch nicht in süßlich
frömmelndem Ton gepredigt, sondern in sachlicher Sprache werden die Zusammenhänge geschildert,
so daß auch einem nüchtern und technisch eingestellten Leser die Lektüre zuzumuten ist.
Wenn man nun in Erwägung zieht, daß Menschen unter Umständen mehrfach auf dieser Erde leben
müssen, fragt man sich natürlich, wie das eigentlich physiologisch ablaufen könnte. Wir wissen ja, daß
der Astralleib, der sich beim irdischen Tod vom materiellen Körper trennt und in dem das geistige und
sonstige Leben seine Fortsetzung findet, der äußeren Form nach dem irdischen Körper ähnlich
gestaltet ist. Er unterliegt aber im Jenseits keinem Alterungsprozeß. Wie könnte nun die Umformung
in einen neuen säuglingshaften Körper möglicherweise ablaufen? Wer bestimmt das überhaupt, und
wer führt es durch?
Bei Greber und Kardec findet man darüber keine Angaben. Doch durch ein Züricher Medium, Frau
Beatrice Brunner (1910 - 1983), erfolgte zu jener Frage einmal eine Durchsage. Über dieses Medium
gab sich unter anderen ein Geistwesen kund, das sich uns Menschen gegenüber 'Lene' nannte. Seine
vielseitigen Jenseitsschilderungen trug dieser weibliche Geist über viele Jahre bis zum Tode des
Mediums einem großen Teilnehmerkreis vor. Seine Berichte können als weitere Ausgestaltung der
Lehre angesehen werden, die Pfarrer Johannes Greber aus der jenseitigen Welt mitgeteilt wurde. Die-
se Lene erörterte am 19. Februar 1975 im Verlauf eines längeren Vortrages auch die Wiedereinverlei-
bung und sagte damals (99, S. 252; die Worte in Klammern sind jeweils erläuternde Einfügungen des
Verlegers und Ehemannes des Mediums):
"Ich habe davon gesprochen, daß es göttliche Wesen gibt, deren Aufgabe es ist, gemeinsam mit
ihren Geistgeschwistern sich der jenseitigen Wesen (der Abgefallenen) anzunehmen und zu beur-
teilen, ob sie so weit gekommen sind, um sie in ein neues Erdenleben geleiten zu können, oder ob
sie noch eines längeren Aufenthaltes in der geistigen Welt bedürfen. Damit möchte ich dies aber
bewenden lassen und nun noch darauf zu sprechen kommen, wie sich der Geist zu einer Wieder-
einverleibung verhält. Ihr habt euch schon selbst gefragt, wie es denn möglich ist für den Geist,
sich in der materiellen Hülle mit der neuen Welt der Erde vertraut zu machen. Ich will versuchen,
dies so gut als möglich zu erklären.
Ich sagte, daß man Geister, die von ganz unten heraufkommen, nicht einmal davon unterrichtet,
daß sie der Weg jetzt ins Erdenleben führt. Man sagt es ihnen nicht, weil man weiß, daß sie Wider-
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stand leisten würden. Es liegt aber in der Ordnung Gottes, daß sie auf diese Weise gelenkt werden,
weil es darum geht, ihren Aufstieg zu fördern. Andere Geister geben, wie ich sagte, gerne ihr Ein-
verständnis zur Menschwerdung, um so höher aufsteigen zu können. Sie alle holt man, und dann
führt man diejenigen Geistwesen, die auf gleicher geistiger Entwicklungsstufe stehen, zusammen.
Diese haben nun aber doch eine ganz verschiedene Geistgestalt. Sie sind ebenso verschieden groß
wie ihr Menschen hier. Die einen sind größer, die anderen kleiner, die einen sind von Gestalt zar-
ter, die anderen kräftiger - sie sind also ganz verschieden.
Ich muß mich jetzt eines menschlichen Vergleichsbeispieles bedienen. Wenn ihr als Menschen
krank seid oder wenn ihr fastet, nehmt ihr an Umfang, an Körpergewicht ab. Im Geistigen nun
geht es so vor sich: Die Wesenheiten werden in einen Schlaf versetzt. Während dieses Schlafes
muß ihr geistiger Leib umgestaltet werden, denn er muß ja zu gegebener Zeit in den kleinen irdi-
schen Leib eines Kindes eintreten. Während der Zeit dieses Schlafes wird der geistige Leib einer
Wesenheit - ich möchte es so ausdrücken: - immer etwas durchsichtiger. Er verliert an Substanz.
Ist der Geistesleib dann so weit, daß er in einen Kindesleib einziehen kann, dann begleitet man den
betreffenden Geist zu der betreffenden Mutter - einige Stunden vor der Geburt, vielleicht sogar ei-
nige Tage, um den Geistleib in ihrer Nähe zu halten.
Die Substanz des Geistleibes geht aber bei dieser 'Durchsichtigwerdung' nicht etwa verloren, son-
dern sie zieht in die Seele ein. Nichts geht verloren, denn in dieser Substanz liegt ja die Kraft, lie-
gen die Aufbaustoffe für das künftige Wachsen des Kindes-Leibes, der doch gegenüber dem
ursprünglichen Geistleib so an Umfang und Größe eingebüßt hat. Die ganze Substanz wird von der
Seele aufbewahrt; es ist ihr Eigentum und bleibt in ihr wie ein Samen, der aufgeht, sobald ihm die
Möglichkeit dazu gegeben wird. Also gibt es aus der Seele heraus ein Wachsen (des Geistleibes).
Ist der irdische Kindesleib organisch ganz in Ordnung, entstehen für den Geist keinerlei Schwie-
rigkeiten, in ihn einzutreten, und die Geisteswelt tut das ihrige dazu. Der 'Kindesgeist'
arbeitet sich (bei der Geburt) in den kleinen menschlichen Leib (des Neugeborenen) hinein.
Ihr mögt nun denken, daß doch manchmal der kleine Körper organisch nicht gesund ist. Ich habe
euch gesagt, daß die werdende Mutter Stunden oder schon Tage vorher von dem zur Einverleibung
bestimmten Kindesgeist begleitet wird, der sie zusammen mit einem Engel Gottes gewissermaßen
umschwebt. Dieser und auch weitere Geister erkennen rechtzeitig, ob die Mutter, die man um-
schwebt, dem Geist auch die richtige körperliche Wohnung bieten kann (durch ein gesundes Neu-
geborenes). Auch kann die Geisteswelt erkennen, ob sich - aus dem menschlichen Willen heraus
oder durch sonstige Ursachen - unvorhergesehene Schwierigkeiten ergeben werden. Vorsorglich
wählt man daher nicht nur eine bestimmte Mutter aus, sondern eine ganze Gruppe von werdenden
Müttern, die ebenfalls die Möglichkeit bieten, diesen Geist sich verkörpern zu lassen. Fällt also die
eigentlich vorgesehene Mutter plötzlich aus, so wird der betreffende Geist dahin verbracht, wo die
für ihn nächste beste Möglichkeit besteht und wo sich alles in ähnlicher Weise schicksalhaft voll-
ziehen kann, das heißt, wo dieser Geist in ganz vergleichbare Verhältnisse hineingeboren werden
kann. Mit anderen Worten: Man setzt nicht von allem Anfang an nur auf eine einzige, bestimmte
werdende Mutter, sondern man hält sich Ausweichmöglichkeiten offen. Fällt die erste werdende
Mutter aus, sucht man eine zweite auf, welche für dieses Menschenkind die ähnlichsten Möglich-
keiten für dessen Aufstiegsentwicklung bietet. So also geht dies vor sich.
Der Geist hat sich nach seiner Einverleibung allmählich mit diesem Kindesleib vertraut gemacht.
Ihr könnt euch aber selbst ein solches Kleinkind vorstellen: in ihm hat der Geist zunächst noch
keine Möglichkeit zu wirken. Er ist vielmehr eingeengt, und es beginnt nun ein langsames Wach-
sen dieses irdischen Körperchens. Von Tag zu Tag wächst die Wahrnehmungsfähigkeit des ihm
innewohnenden Geistes. Inwendig in diesem Kindesleib wächst und entfaltet sich der inkarnierte
Geist. Denn der Geist ist das Ewige, das diesen Menschen lebendig macht.
Andererseits übt die Umwelt ihren Einfluß auf dieses heranwachsende Kind aus. Es muß genährt
und erzogen werden, wobei wir annehmen wollen, daß es eine sorgfältige Erziehung erfährt. Mit
dem Wachstum des Körpers wächst auch der ihm einverleibte Geist heran. Dabei gibt die Seele
ihrerseits von ihrer Substanz. Nur so ist es möglich, daß nicht nur der irdische Leib des heran-
wachsenden Menschen seine von der Erde genommene Nahrung erhält, sondern zugleich auch die
Seele ihm die Nahrung für seinen geistigen Leib, für dessen geistige Gestaltung gibt.
Denn der geistige Leib eines Menschen hat genau dieselbe Gestalt wie dessen irdischer Leib. Doch
besitzt dieser irdische Körper seit dem Zeitpunkt, da ein geistiger Leib in ihn eingezogen ist, eine
über ihn hinausreichende Aura. Die seelische Substanz geht also über den Erdenleib hinaus, weil
der geistige Leib sozusagen größer ist als der irdische. Das ist beim Kind so, beim Heranwachsen-
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den wie auch beim älteren Menschen. Ein jeder besitzt eine solche Aura, selbst das Tier, ja sie ist
auch in der Natur überall vorhanden, und sie ragt über die äußere Gestalt des betreffenden Wesens
hinaus. - - -
Das Wachstum des Menschen geht, wie ich es euch schilderte, von innen nach außen bis zur Ge-
stalt des Erwachsenen. Wenn nun ein Kind stirbt, wird sein Geist im Kinderparadies erzogen, in
das er mit einem Geistleib einzieht, wie er eben einem Kinde entspricht. Manche Freunde können
das nicht so recht verstehen, doch hoffe ich, es durch meine heutigen Darlegungen erklärt zu ha-
ben. Denn es ist Gesetz, daß die Seele alle 'Substanz' an sich zieht, um sie dann beim Wachstum
allmählich wieder herzugeben, bis das betreffende Wesen erwachsen ist. Wenn also ein Wesen im
Kindesalter stirbt, so hat es in seinem Geistleib genau Alter und Aussehen der Zeit seines mensch-
lichen Lebens. Stirbt ein Kind schon wenige Tage oder Wochen nach der Geburt, so ist es eben
wirklich noch ein Kleinkind und muß also im geistigen Reiche dementsprechend gehegt und ge-
pflegt werden. Es wird dort heranwachsen und auch erzogen. Wiederum gibt seine Seele von ihrer
Substanz, damit das kleine Wesen in der geistigen Welt heranwachsen kann. Dort wird es von Stu-
fe zu Stufe geführt, und entsprechend seinem Heranwachsen erhält es die notwendigen Belehrun-
gen.
Ein Wesen, das als Kindesgeist in ein Kinderparadies eintritt, bleibt zwar auf derselben Stufe der
geistigen Welt, von der es zur Menschwerdung ausgegangen war; aber jetzt wird es von Engeln
Gottes erzogen. Auch zieht man Geistwesen aus derselben Stufe heran, damit sie mithelfen, dieses
Kindlein zu pflegen. Eine solche Tätigkeit bewirkt für manche Geistwesen - seien sie weibliche
oder männliche Wesen - eine Beschleunigung ihres geistigen Aufstieges, nämlich dann, wenn sie
solche Kind-Geistchen lieben und es ihnen liegt, sich mit ihnen abzugeben. Denn auf diese Weise
kommen sie in nähere Beziehung zu Engeln Gottes, und dadurch hebt sich allmählich auch ihr
eigenes inneres Wesen und Denken, was ihren Aufstieg beschleunigt.
Wenn also ein Kind von der Erde abscheidet, hat sein Geist - ich wiederhole es - in der Geisteswelt
die Möglichkeit heranzuwachsen, und zwar von innen heraus, weil seine Seele die Substanz wie-
der abgibt, die sie vordem in sich zusammengezogen hatte, als der Geistkörper vor der Einverlei-
bung in die kleine Gestalt eines Erdenkindes eingeengt, gewissermaßen verkleinert worden war.
Genau entsprechend ist es, wenn ein erwachsener Mensch stirbt. Dann sind in seinem irdischen
Körper noch viele odische Kräfte vorhanden. Sie werden nun sogleich von der Seele angezogen,
aufgesogen. Alle Substanzen nimmt die Seele in sich auf, sie entzieht sie dem irdischen Körper, so
daß dieser jetzt wirklich der Erde und damit der Vergänglichkeit anheimgegeben werden kann.
Der verwesliche Leib besitzt also nichts mehr von diesen durchdringenden Kräften, welche die
Seele zu Lebzeiten auf den ganzen Körper hatte ausfließen lassen. Auch beim Tod eines (erwach-
senen) Menschen nimmt die Seele alle diese Kräfte in sich hinein."
Soweit ein Auszug aus den Darlegungen des Geistwesens Lene. Wir können diesen Bericht zwar nicht
nachprüfen oder gar beweisen, aber es ist doch der Überlegung wert, ob es nicht so oder so ähnlich bei
einer Inkarnation tatsächlich ablaufen könnte.
Nun wird mancher einwenden: Wenn das, was Origenes, Allan Kardec, Johannes Greber und jenseiti-
ge Geistwesen mitteilen, wirklich wahr sein sollte, dann hätte doch auch Christus schon zu irdischen
Lebzeiten darüber ausführlich gesprochen und die Apostel hätten davon berichtet. Dazu ist zu sagen:
Vom Geisterfall, von Satan, dem Vater der Lüge und dem Menschenmörder von Anfang an (Joh.
8,44), welcher der Fürst (also Beherrscher) dieser Welt ist (Joh. 12,31; 16,11), sprach Christus aus-
drücklich. Nur glaubt das heute fast keiner mehr. Daß Christus die menschliche Präexistenz und die
unter Umständen mehrfache irdische Wiedergeburt nicht ausführlich besprochen hat, liegt wahrschein-
lich daran, daß ihm sonst die Verkündigung seiner Lehre noch schwerer gefallen wäre, als es so schon
der Fall war. Dann hätte er wahrscheinlich noch früher Schwierigkeiten mit der jüdischen Geistlichkeit
bekommen, und vielleicht hätten ihm nicht einmal seine zwölf Jünger geglaubt, geschweige denn die
anderen. So hat er diesen Teil, der für den Anfang und den Hauptteil seiner Lehre nicht so wesentlich
war, einfach ausgespart. Für die Ausrichtung des persönlichen Lebens und den Glauben an Gott, d. h.
das Vertrauen zu ihm und den Dienst für ihn, ist es unwesentlich, ob man an die Reinkarnation glaubt
oder nicht.
Heutzutage aber, wo die Menschen kritischer geworden sind, als es vor 300 oder 2.000 Jahren der Fall
war, führt das Wissen oder das Fürmöglich-halten von Reinkarnation für manche Menschen zu einer
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Bereicherung oder Klärung und Festigung der religiösen Einstellung. Denn was bieten die christlichen
Kirchen sonst für Lehren über die Zeit nach dem irdischen Tod an, und warum sind die meisten
Theologen Gegner des Reinkamationsglaubens? Sie sagen, der Glaube an ein Fortleben nach dem
Tode (was sie als Unsterblichkeitsglauben bezeichnen) und an die Reinkarnation sei griechisches Ge-
dankengut und somit heidnisch und zu verwerfen. Als ob nicht auch andere Religionen Teile der
Wahrheit enthalten können? Statt dessen bieten sie die "Ganztodtheorie" an. Diese besagt, daß der
Mensch im irdischen Tod mit Leib und Seele stirbt. Der Tod ist die völlige Vernichtung der menschli-
chen Existenz durch Gott. Nach sehr langer Zeit, am Tage des Jüngsten Gerichtes, findet eine Neu-
schöpfung der Menschheit statt. Nach den alten Bauplänen werden Menschen neu geschaffen und
anschließend die Nachfolger für die Sünden ihrer Vorgänger gerichtet. Das heißt, sie werden entweder
zum Rösten auf ewig in die Hölle geschickt oder kommen in den Himmel. Aber was können die armen
Kerle in der Hölle dafür, wenn ihre Vorgänger gesündigt haben? Sie sind ja nur äußerlich die gleichen
wie ihre Vorgänger, denn die sind ausdrücklich durch den Tod ausgelöscht worden. Eine sehr seltsame
Vorstellung.
Der evangelische Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte an der Universität Marburg Ernst
Benz (1907 - 1978) drückt diese Auffassung folgendermaßen aus (7, S. 30):
"Im Protestantismus hat sich die kümmerlichste aller Jenseitsvorstellungen durchgesetzt, nämlich,
daß der Mensch, wenn er stirbt, mausetot ist, und dann vielleicht nach einem Zeitraum von unbe-
stimmter Länge am Jüngsten Tag, an den auch niemand mehr glaubt, wieder durch einen Akt der
Neuschöpfung auferweckt wird, um dann gerichtet zu werden. Das ist alles so absurd wie nur
möglich und verkennt schon die Tatsache, daß zum persönlichen Leben die Kontinuität der Per-
sönlichkeit und die lebendige Entwicklung gehört. In der katholischen Kirche war dieser Gedanke
der Kontinuität der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung wenigstens noch durch die Lehre vom
Fegfeuer gewahrt, aber die Katholiken glauben ja auch nicht mehr ans Fegfeuer.
Die Kirche ist offenbar weitgehend den Angriffen der zweiten Aufklärung erlegen. Sie hält noch
immer die materialistische und positivistische Wissenschaft des 19. Jahrhunderts für den höchsten
Stand der Wissenschaftlichkeit und hat übersehen, daß die führenden Männer der heutigen Natur-
wissenschaft das stolze Selbstbewußtsein Haeckels, die Welträtsel gelöst zu haben, hinter sich ge-
lassen haben und daß sich an der Spitze der wissenschaftlichen Entwicklung bereits ein ganz neues
Verständnis des Verhältnisses von Glaube und wissenschaftlicher Erkenntnis abzeichnet. Bei die-
ser Absage der Kirchen an das Jenseits spielt auch der Schreck über die massive Polemik des Mar-
xismus gegen die Kirche eine Rolle."
Ein anderes theologisches Argument gegen die Reinkarnation ist, daß sie eine "Selbsterlösung" sei,
und die gebe es im Christentum nicht. Man könne sich nicht durch gute Taten oder nachtodliche Läu-
terung die Seligkeit verdienen, sondern nur durch den Glauben und die Gnade Gottes, die er uns durch
den Sühnetod seines Sohnes (gestorben für unsere Sünden) zukommen läßt. Der evangelische Theolo-
ge Dr. Reinhard Hummel drückt das so aus (42, S. 122):
"Gott ist es, der das Geschöpf läutert, nicht der Mensch sich selbst. Damit sind alle Hoffnungen,
das eigene jenseitige Geschick durch nachtodliche Leistungen entscheidend verbessern zu können,
ausgeschlossen. Christliche Hoffnung gründet sich auf die Gewißheit, daß Gott in der Auf-
erstehung aus dem Bruchstückhaften des Menschenlebens etwas Rundes und Ganzes machen
kann. An dem so verstandenen Prinzip Gnade scheitern die Versuche, der Reinkarnationslehre ei-
nen legitimen Platz im Bereich des Strebens nach christlicher Heiligkeit und Vollkommenheit zu
verschaffen."
Aber wäre ein solches Verfahren aus Gottes Sicht sinnvoll? Da begnadigt er sündhafte Menschen,
eventuell Übeltäter schlimmster Sorte, nur weil sie kurz vor dem Tode aus Angst noch einmal
gebeichtet und die Absolution empfangen haben. Und wenn sie dann im Jenseits, im Himmel sind,
brechen die alten Triebe wieder durch. Wer schützt dann Gott davor, daß nicht eines Tages erneut ein
Aufstand gegen ihn ausbricht, den er anschließend mit militärischer Gewalt, wie schon einmal, nieder-
schlagen muß? Derartige Fehler machen nur wir Menschen hier auf Erden, die Verbrecher nach Ver-
büßung der halben Strafzeit entlassen, mit der Folge, daß ein großer Teil bald wieder neue Verbrechen
begeht. Da ist es doch aus Gottes Sicht sinnvoller, sich die Menschen über lange Zeit etwas genauer
anzusehen, und sie nicht leichtfertig zu begnadigen.
- 85 -
Und was geschieht in dem überlieferten christlichen System überhaupt mit den vielen Nichtchristen?
Sie stellen doch die Mehrheit der Menschen. Nach kirchenchristlicher Überzeugung sind sie ja nicht
im Heil und wandern daher später alle auf ewig in die Hölle. Das war im Mittelalter und in der begin-
nenden Neuzeit ein Hauptgrund oder Hauptvorwand für die gewaltsame Christianisierung der Heiden
(z. B. der Indianer), die verbunden war mit der Eroberung ihrer Länder. Ihre Seelen sollten für das
Heil gerettet werden, mochten dabei die zu Bekehrenden irdisch auch zugrunde gehen.
Da erscheint mir das System der vielfachen Prüfung der Menschen, möglicherweise durch mehrfache
irdische Wiedergeburten, sehr viel sinnvoller und der Liebe Gottes für seine Geschöpfe angemessener
zu sein. Hier wird niemand auf ewig verworfen, aber die Rückkehr muß er sich durch Wiedergutma-
chung, wiederholte Prüfungen und echten Gesinnungswandel verdienen. Pfarrer Greber wurde durch
seinen Engel belehrt (29, S. 263):
"Ferner lehrt ihr einen ewig strafenden Gott. Ihr lehrt eine ewige Hölle. Die Hölle ist nicht ewig.
Gott ist die Liebe. Er verstößt kein Geschöpf für immer. Alle, die durch eigene Schuld von ihm
abgewichen sind, kehren auch wieder zu ihm zurück. Das ist die Wahrheit, für die ich ein anderes
Mal den Beweis liefern werde."
Nun werden manche einwenden, daß Christus im Neuen Testament ausdrücklich vom ewigen Feuer
spricht, z. B. im Matthäus-Evangelium, wo er ein großes jenseitiges Gericht beschreibt, in dem die
Gerechten und die Ungerechten geschieden werden und wo es dann heißt (Matt. 25,41):
"Dann wird er auch denen zur Linken sagen: Hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer,
das für den Teufel und seine Engel bereitet ist."
Eine gleichartige Stelle haben wir bei Matt. 18,8, wo auch vom "ewigen Feuer" (to pyr aiónion) ge-
sprochen wird. Doch das ewige Feuer haben erst die Übersetzer in Anlehnung an das inzwischen ent-
standene Dogma aus dem griechischen Text gemacht. Das hier zugrunde liegende griechische Wort
"aiónios" ist das Adjektiv zu "aión" (im Deutschen Aeon) und bedeutet Zeitraum, Weltzeit, Men-
schenalter, Lebenszeit. Und erst als letztes findet man im griechischen Wörterbuch auch die Bedeu-
tung Ewigkeit. Wenn also Christus von pyr aiónion spricht, dann meint er damit eine langdauernde,
unangenehme Strafe, aber nicht ein zeitlich unbegrenztes Geröstetwerden. Greber wurde dazu gesagt
(29, S. 377):
"Du darfst daher das Wort "Aeon" nie mit "Ewigkeit" und das davon abgeleitete Eigenschaftswort
nie mit "ewig" übersetzen, sondern mußt dafür die Bezeichnung "Zeit" und "zeitlich" gebrauchen."
Zur christlichen Auffassung über die Hölle und ihre Anwärter noch folgende Begebenheit. Als ich
1955 eine Zeit in Niederbayern verbrachte, kam ich mit dem Pfarrer einer dortigen evangelischen
Diasporagemeinde in Verbindung. Er erzählte mir, daß nach dem letzten Weltkrieg die dortige Bevöl-
kerung durch die einströmenden Flüchtlinge erstmals auch mit andersgläubigen, evangelischen Chris-
ten in Berührung gekommen sei. Nach einer gewissen Zeit hätten die Einheimischen festgestellt, daß
die Zugewanderten ebenfalls ganz normale Menschen waren wie sie selbst. Da sei ihm gesagt worden:
"Die (evangelischen) Flüchtlinge sind doch auch ganz ordentliche Leute. Eigentlich schade, daß sie
allesamt in die Hölle kommen." - Diese Auffassung haben die Einheimischen sicher nicht selbst er-
funden, sondern sie muß ihnen in der Kirche nahegebracht worden sein.
Hier finden wir ein Motiv, das auch für die Ablehnung des Reinkarnationsglaubens die wesentliche
Rolle spielt. Solange die christlichen Großkirchen und viele Sekten jeweils nur für sich das Alleinver-
kaufsrecht für die Eintrittskarten in den Himmel beanspruchten, mußten sie für die Andersgläubigen
die ewige Hölle festlegen und durften auch keinen Umweg zum ewigen Heil über die Reinkarnation
zulassen. Alles andere wäre geschäftsschädigend gewesen. Erst in den letzten Jahrzehnten sind einige
Kirchen (z. B. auch die römisch-katholische) von dieser starren Haltung abgewichen und lassen auch
die jeweils anderen Christen (event. auch Nichtchristen?) zum Heil zu. Pfarrer Greber wurde zu die-
sem Punkt von dem belehrenden Geistwesen mitgeteilt (29, S. 267):
"Die Kirche ist also die Gemeinschaft der gottestreuen Geister mit dem Königtum Christi. Das
Wort 'Kirche' bedeutet 'Herrschaft des Herrn'. Wer sich dieser Herrschaft und dadurch Gott unter-
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stellt, gehört zur 'Kirche'. Der richtige Begriff 'Kirche' hat also mit euren irdischen Kirchen und re-
ligiösen Gemeinschaften nichts gemein. Das alles ist Menschenwerk, aus menschlichen Irrungen
entstanden und vergänglich wie alles Menschliche. - (29, S. 360) Zur Kirche Christi gehören Men-
schen aus allen Religionen der Welt."
Ein manchmal gegen die Wiedergeburtslehre vorgebrachtes theologisches Argument ist, daß der
Mensch ja zumindest wissen müßte, warum er hier wieder auf die Erde geschickt und wofür er eigent-
lich bestraft wird. Der evangelische Theologe Prof. Adolf Köberle (1898 - 1990) drückt das so aus
(56, S. 119):
"Wenn die moralische Verrechnung hartes Geschick erklären und einsichtig machen will, dann
wäre allererste Voraussetzung, daß wir Erinnerung an das vergangene Erdenleben und seine Unter-
lassungsfehler besäßen. Nur bei bestehendem Identitätsbewußtsein zwischen damals und heute
könnte begangene Schuld erkannt, bereut und angenommen werden."
Bei dieser Auffassung wird unterstellt, daß bei Reinkarnation das neue Erdenleben Strafcharakter im
irdischen Sinn habe. Der Dieb hat gestohlen und kommt dafür ins Gefängnis. Dort geht es ihm
schlecht, und er weiß warum. Nach der Wiedergeburtslehre, wie ich sie hier nach verschiedenen Quel-
len dargestellt habe, hat das irdische Leben aber mehr Prüfungs- und Wiedergutmachungs-Charakter,
und dabei ist es wichtig, daß man seine Vergangenheit nicht kennt, daß man innerlich
unbelastet einen neuen Anfang machen kann, und nicht mit völliger Sicherheit über alle Folgen
unterrichtet ist. Das, was man vielleicht "Strafe" nennen könnte, die zur inneren Einsicht führen soll,
findet im Anschluß an den irdischen Tod im Jenseits statt. Vielfältige Berichte aus dem Jenseits deuten
darauf hin. Dort, in der jenseitigen Welt, soll oder kann der Mensch unter dem Eindruck und den Fol-
gen seines vergangenen Lebens seine Einstellung ändern. Was davon dann in seiner Seele zutiefst
haften geblieben ist, wird, falls es für ihn dazu kommt, in einem neuen Erdenleben geprüft, und zwar
ohne, daß er so ganz genau weiß, wann, wo und wie er geprüft wird. Dazu ein Beispiel: Wenn auf
einer Straße eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/Stunde besteht und außerdem ein
Radarmeßwagen der Polizei gut sichtbar ist, wird sich jeder Autofahrer an die Vorschrift halten. Ist
aber kein Radarmeßwagen zu sehen, zeigt sich erst, wer wirklich gesetzestreu ist. Der Bankräuber
überfällt eine Bank auch nur, weil er hofft, unerkannt und ungefaßt zu bleiben. Wüßte er mit Sicher-
heit, daß er vor den Richter und ins Gefängnis kommt, würde er niemals eine Bank ausrauben. Seine
Gesinnung wäre aber trotzdem kriminell.
So ähnlich ist es mit unserem Erdenleben. Jeder Mensch kann sagen oder hoffen: Einen Gott gibt es
nicht, an ein Leben nach dem Tode und an eine ausgleichende Gerechtigkeit glaube ich nicht und an
eine irdische Wiedergeburt schon überhaupt nicht. Hier auf Erden ist es nur wichtig, sich nicht
erwischen zu lassen. Das aus solcher Einstellung resultierende Leben ist für Gott ein gewichtigeres
Zeugnis für die innere Einstellung eines Menschen, als wenn dieser nur aus Furcht vor Strafe das Böse
unterläßt. Am Abschluß des ganzen Prüfungsverfahrens muß natürlich die durchgehende Erinnerung,
das Identitätsbewußtsein für alle Existenzen, wiederhergestellt werden, damit der Mensch erkennt,
warum alles so abgelaufen ist.
Viele Ungereimtheiten in den offiziellen kirchlichen Lehren haben trotz Verfluchung durch Justinian
schon immer einzelne Menschen dazu geführt, eine mehrfache irdische Wiedergeburt in Betracht zu
ziehen, und zwar nicht nur Menschen, die von Kardec, Greber oder anderen Verkündern beeinflußt
waren. So wurde im Dezember 1985 bei der katholischen Bischofssynode in Rom ein Statistik vorge-
legt, nach der 23% der befragten Katholiken, 21% der Protestanten und 12% der Atheisten sich zur
Wiederverkörperungslehre bekennen (39, S. 188). Eine wirklich erstaunlich große Zahl. Auch bekann-
te Dichter haben gelegentlich ihre wohlwollende Einstellung zur Wiederverkörperungslehre durchbli-
cken lassen. Am besten kommt sie in einer Äußerung des bedeutenden belgischen Dichters und Philo-
sophen Maurice Maeterlinck (1862 - 1949, Nobelpreis für Literatur 1911) zum Ausdruck. Er schreibt
(zitiert nach 86, S. 10):
"Nie gab es einen Glauben, der schöner, gerechter, reiner, moralischer, fruchtbarer, tröstlicher und
wahrscheinlicher ist, als der an die Wiederverkörperung. Er allein gibt mit seiner Lehre von der
allmählichen Sühne und Läuterung allen körperlichen und geistigen Ungleichheiten, allem sozia-
lem Unrecht, allen empörerischen Ungerechtigkeiten des Schicksals einen Sinn."
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Diesen Ausführungen möchte ich noch folgendes anfügen: Der Glaube an wiederholte Erdenleben,
denen die meisten, aber nicht unbedingt alle Menschen unterworfen sind, läßt sich aus der uns heute
vorliegenden Bibel zwar nicht unmittelbar herleiten. Doch gibt es einige Stellen in der Bibel, wo das
Wort Wiedergeburt vorkommt, z. B. in dem Brief des Apostels Paulus an Titus, wo es in Kap. 3,4
heißt:
"Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschienen war, da hat er
uns - nicht auf Grund von Werken der Gerechtigkeit, die wir unsererseits vollbracht hätten, son-
dern nach seiner Barmherzigkeit - gerettet durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung
des heiligen Geistes, den er reichlich auf uns ausgegossen hat durch unseren Retter Jesus Christus,
damit wir durch seine Gnade gerechtgesprochen und unserer Hoffnung gemäß Erben des ewigen
Lebens würden."
Hier bedeutet das Bad der Wiedergeburt für mein Empfinden aber nicht Reinkarnation im Sinne
Kardecs und Grebers, sondern die innere Umkehr zu einem neuen Menschsein auf dieser Erde nach
dem Anschluß an Jesus Christus und den Glauben an ihn.
Jedoch widerspricht die Botschaft der Bibel ihrem Inhalt nach für mein Empfinden in keiner Weise
dem Gedanken der Reinkarnation. Er bildet dagegen eine sinnvolle Ergänzung der christlichen Lehre,
die für viele Menschen das irdische Geschehen verständlicher macht. Die Wiedergeburtslehre bekräf-
tigt, daß das nachtodliche Schicksal nicht von den Gnadengaben einer irdischen Kirche abhängt, son-
dern von der Gnade Gottes, die keine ewige Verdammnis kennt. Sie ermöglicht es jedem, auch wenn
es vielleicht sehr lange dauert, in Gottes Reich zurückzukehren. Wir Menschen auf dieser Erde, die
wir alle ein ähnliches Schicksal hinter uns und gleiche Schuld auf uns geladen haben, dürfen nicht auf
Notleidende jeder Art herabblicken mit der Bemerkung, daß sie ihr Schicksal selbst verschuldet hätten.
Sie durchlaufen ja nur eine Prüfung unter erschwerten Bedingungen. Wir anderen sind dagegen aufge-
rufen, ihnen zu helfen, den Weg ebenfalls zu finden, und sie dabei nach Kräften nach dem Gebot
Christi zu unterstützen: "Liebe Gott über alle Dinge und deinen Nächsten wie dich selbst."
Nun wird mancher vielleicht einwenden, daß das ja alles nur religiöse Theorie sei und fragen, ob denn
dafür Beweise beigebracht werden können oder wenigstens Indizien vorhanden sind. - Darauf ist zu
antworten, daß es zwingende wissenschaftliche Beweise nicht gibt, wohl aber Indizien, wenn auch
nicht so stark und zahlreich wie die Indizien für das persönliche Fortleben nach dem irdischen Tod.
Es kommt vor, daß kleine Kinder, wenn sie im Alter von 1½ bis 2 Jahren anfangen zu sprechen, be-
haupten, daß sie eigentlich ein ganz anderer seien, daß sie andere Eltern hätten und ganz woanders zu
Hause seien. Zunächst drücken sie sich dabei noch unbeholfen und nur in kurzen Sätzen aus, sprechen
Worte falsch aus und benutzen Gesten, um das zu unterstützen, was sie sagen wollen (89, S. 24). Je
älter sie aber werden und je umfangreicher ihr Wortschatz wird, desto genauer werden die Schilderun-
gen der von ihnen empfundenen früheren Lebensläufe. Diese Kinder berichten in ausgeprägten Fällen
ihre früheren Namen, die ihrer Eltern und sonstiger Anverwandten und ihren früheren Lebensverlauf
mit Todesart ganz genau. Sie schildern ihre damalige Umgebung in vielen Einzelheiten und geben
oftmals Orts- und Straßennamen exakt an. Die Kinder verlangen meist, zu ihren früheren Eltern ge-
bracht zu werden oder zumindest die ehemalige Umgebung einmal wiederzusehen. Und was besonders
seltsam ist: Es kommt hin und wieder vor, daß ein solches Kind, das behauptet, in einem früheren
Leben gewaltsam zu Tode gekommen zu sein, beispielsweise durch Unfall oder Mord, in seinem neu-
en Leben ein auffälliges Muttermal an der Körperstelle aufweist, an der die frühere Verwundung statt-
gefunden
haben
soll.
Und
derartige
Fälle
sind
nachprüfbar
und
nachgeprüft worden (64; 89).
Beispielsweise bemerkte die Mutter des indischen Knaben Ravi Shankar 1951, als er drei oder vier
Monate alt war, an seinem Hals erstmals ein Muttermal, das einer Narbe von einer Verletzung mit
einem langen Messer sehr ähnlich sah (89, S. 111). Als der Knabe größer geworden war und sprechen
konnte, behauptete er, in einem früheren Leben Sohn eines Friseurs Sri Jageshwar Prasad im Distrikt
Chhipatti der Stadt Kanauj in der Nähe von Kampur gewesen zu sein. Im Alter von sechs Jahren sei er
von zwei Männern, die er genau beschrieb und deren Namen er angab, mit einem Messer ermordet
worden. Es konnte später festgestellt werden, daß tatsächlich sechs Monate vor der Geburt des Ravi
- 88 -
Shankar der sechs Jahre alte Sohn des Friseurs Sri Jageshwar Prasad in Kanauj am 19. Januar 1951
ermordet worden war, wobei ihm die Mörder mit einem Messer den Kopf abgeschnitten und den
Leichnam verbrannt hatten. Der verstümmelte Kopf wurde später gefunden. Auch die sonstigen Anga-
ben des Knaben Ravi Shankar erwiesen sich als zutreffend.
Der amerikanische Psychiater Prof. Jan Stevenson hat zusammen mit Kollegen etwa 200 derartige
Fälle untersucht und daraus einen repräsentativen Querschnitt von 20 Berichten, die er aus erster Hand
erforscht hat, 1973 in zweiter Auflage (89) veröffentlicht. Er sagt, daß in der von ihm bis 1973 aufge-
stellten internationalen Statistik sich nahezu 600 Fälle befmden, die für die Reinkarnations-hypothese
sprechen
(89, S.
17). Etwa die Hälfte von diesen stammt aus Südostasien, aus Indien,
Ceylon, Thailand und Burma, also aus Ländern, wo der Glaube an die Reinkarnation verbreitet ist. Die
andere Hälfte der Fälle entstammt größtenteils der Türkei, Syrien, Libanon, Europa, Brasilien und
Alaska, also Ländern wo (ausgenommen Brasilien) der Glaube an die Reinkarnation nicht Allge-
meingut ist. Nur wenige Fälle kommen aus den U.S.A. und Kanada (89, S. 18).
Einer dieser Berichte soll hier in Kurzform dargestellt werden. Es handelt sich um einen arabisch-
libanesischen Jungen Imad Elavar aus einer islamischen (drusischen) Familie in dem Dorf Kornayel,
20 km östlich von Beirut. Er behauptete, in einem früheren irdischen Dasein in dem Dorf Khriby,
30 km südöstlich von Beirut gelebt zu haben. Sein Name sei Ibrahim Bouhamzy gewesen (gest. 1948).
Die beiden Dörfer sind in der Luftlinie 22 km voneinander entfernt. Die außerordentlich kurvenreiche
Straßenverbindung (89, S. 289) durch die Berge beträgt jedoch fast 40 km. Prof. Stevenson suchte die
Familie Elavar im August 1964 persönlich auf und berichtet (89, S. 287):
"Beim ersten Interview mit der Familie Imads erfuhr ich, daß er am 21. Dezember 1958 geboren
worden war. Imad war also etwas über fünf Jahre alt, als ich ihn das erste Mal besuchte. Im Alter
zwischen anderthalb und zwei Jahren hatte er begonnen, Anspielungen auf ein früheres Leben zu
machen. Er erwähnte dabei eine beträchtliche Anzahl von Personennamen und einige Ereignisse
aus diesem Leben; er berichtete aber auch über zahlreiche Gegenstände, von denen er behauptete,
sie hätten ihm gehört. Manchmal führte er Selbstgespräche über die Leute, deren Namen er nannte
und fragte sich laut, was mit diesen Menschen wohl sei. Abgesehen von solchen Träumereien für
sich gab er seine Erklärungen über das frühere Leben da und dort zu beliebiger Zeit von sich,
wenn irgend etwas eine solche Äußerung auslöste. Er schien, auch im Schlaf von diesen Dingen zu
sprechen. Äußerungen über das frühere Leben machte er auch noch zur Zeit meiner Besuche. Imad
hatte den Namen des Dorfes (Khriby) angegeben, wo er behauptete, gelebt zu haben. Ferner nannte
er die Familie (Bouhamzy), von der er angab, er gehöre zu ihr. Er hatte seine Familie dringend ge-
beten, ihn nach Khriby mitzunehmen.
Imads Vater sagte mir, er habe Imad als Lügner beschimpft, weil er solche Geschichten über ein
anderes Leben erzähle. Der Junge verstand es dann, dieses Thema bei seinem Vater zu meiden,
und sprach in der Folgezeit meist nur mit seiner Mutter und seinen Großeltern väterlicherseits, die
bei Imads Vater und Mutter wohnten.
Eines Tages kam ein Einwohner (Salim el Aschkar) aus dem Dorfe Khriby, wo Imad gelebt zu
haben behauptete, nach Kornayel, und Imad, der ihn auf der Straße erblickte, erkannte ihn wieder
in Gegenwart seiner Großmutter väterlicherseits. Dieses unerwartete Wiedererkennen trug bei
Imads Eltern dazu bei, daß seinen Erklärungen über das frühere Leben mehr Glauben geschenkt
wurde. Aber noch unternahm seine Familie keine Schritte, Imads Ausführungen nachzuprüfen.
Etwas später trafen sie zufällig eine Frau aus Maaser al Schouf, einem Dorf bei Khriby. Die Frau
war zu Besuch gekommen. Sie bestätigte Imads Eltern gegenüber, daß tatsächlich in Khriby einige
Leute lebten oder gelebt hätten, welche die von Imad erwähnten Namen trugen. Schließlich, im
Dezember 1963, etwa drei Monate vor meinem Besuch, erreichte eine Todesanzeige und die Ein-
ladung zum Leichenbegräbnis eines prominenten Drusen mit Namen Said Bouhamzy aus Khriby
das Dorf Kornayel. Ein Onkel von Imads Vater, selbst ein prominenter Mann in der Drusen-
Gemeinde, entschloß sich, dieser Leichenfeier beizuwohnen, und Imads Vater ging aus Neugier
auf das, was er in Khriby erfahren konnte, auch mit. In Khriby traf er einige Leute, die ihn auf zwei
Männer hinwiesen, welche Namen führten, die zwei der von Imad genannten Namen entsprachen.
Indessen lernte Mr. Mohammed Elawar jedoch bei diesem Besuch kein Mitglied der Familie ken-
nen, zu der Imad gehört zu haben behauptete. Dieser Besuch war überdies der erste, den er und
sein Onkel jemals in Khriby machten. Im übrigen stellten beide in Abrede, irgend jemanden zu
kennen, der mit jener anderen Familie bekannt war, abgesehen von den oben erwähnten Personen."
- 89 -
Stevenson berichtet nun ausführlich über 40 Seiten hinweg, was der Knabe Imad über sein früheres
Leben alles berichtet hat, wie er sich verhielt, als Stevenson mit ihm zu seinem früheren Elternhaus
fuhr, und was an Personen und Gegenständen er dort wiedererkannte. Imad brachte es bei dieser Gele-
genheit auf dreizehn Wiedererkennungen und gab weitere zutreffende Erklärungen ab, die sich auf das
Leben von Ibrahim Bouhamzy bezogen, der er gewesen sein wollte (89, S. 293). Als man ihm z. B.
eine mittelgroße Photographie von Ibrahim Bouhamzy zeigte und ihm andeutete, sie sei von seinem
Bruder oder Onkel, antwortete er, daß er selbst das sei (89, S. 313).
Stevenson beurteilt die von ihm untersuchten Fälle derart, daß sie die Reinkarnation nahelegen, aber
nicht beweisen (89, S. 9). Andere Erklärungsmöglichkeiten wären die der außersinnlichen Wahrneh-
mung verbunden mit Personifizierung oder der Besessenheit.
Prof. C. J. Ducasse, em. Professor der Philosophie an der Brown University auf Rhode Island und
Vorsitzender des Publikationsausschusses der "American Society for Psychical Research", der das
Geleitwort zu Stevensons Buch über die Reinkarnation geschrieben hat, sagt (89, S. 7):
"Wenn man dann fragt, was ein echter Beweis für die Wiederverkörperung sein würde, ist die ein-
zig mögliche Antwort wohl die gleiche wie auf die Frage, wie einer von uns denn jetzt wissen
könne, daß er schon einige Tage, Monate oder Jahre vorher gelebt hat. Die Antwort lautet, daß er
sich jetzt noch erinnert, zu einer früheren Zeit an dem und dem Ort und unter diesen oder jenen
Umständen gelebt, damals gewisse Dinge getan und gewisse Erlebnisse gehabt zu haben.
Aber behauptet denn jemand heute, er erinnere sich in ähnlicher Weise daran, daß er auf Erden ein
Leben vor seinem jetzigen geführt habe?
Obwohl Berichte über solche Behauptungen selten sind, gibt es sie. Die Person, die eine solche
Behauptung aufstellt, ist fast immer ein kleines Kind, aus dessen Gedächtnis diese Erinnerungen
nach einigen Jahren wieder verschwinden. Und wenn es fähig ist, detaillierte Tatsachen aus seinem
früheren Leben anzugeben, von denen es versichert, es könne sich daran erinnern und die durch
Nachforschungen als richtig bestätigt werden, von denen es aber auf normalem Wege in seinem
gegenwärtigen Leben keine Kenntnis erhalten konnte, dann werden wir mit der Frage konfrontiert,
ob wir uns die Richtigkeit seiner Erinnerungen anders erklären können als durch die Annahme,
daß es tatsächlich das frühere Leben geführt hatte, an das es sich erinnert."
Es gibt nun weiterhin Experimentatoren, die davon ausgehen, daß das Wissen und die Erinnerung an
frühere Existenzen auf dieser Erde auch bei vielen anderen Menschen, vielleicht sogar bei allen, vor-
handen ist. Nach deren Meinung ist es im Unterbewußtsein verborgen und kann durch geeignete
Techniken vorübergehend in das Tagesbewußtsein heraufgeholt werden. Das hierfür hauptsächlich
angewandte Verfahren ist die Alters-Regressionstechnik in der Hypnose. Dabei wird ein Mensch im
hypnotischen Zustand durch Einrede (Suggestion) des Hypnotiseurs in ein früheres Lebensalter, bei-
spielsweise von acht Jahren, zurückgeführt. In diesem Zustand empfindet die betreffende Versuchs-
person, als wenn sie acht Jahre alt wäre, hat das längst "vergessene" Wissen dieser Zeit, und hat auf
der anderen Seite alles "vergessen", was sie im späteren Leben gelernt hat. Sie benimmt sich also, als
wenn sie acht Jahre alt wäre und kann sich, wenn es sich um eine geeignete Versuchsperson handelt,
an alle längst "vergessenen" Namen der damaligen Zeit erinnern. Dieses Regressionsverfahren läßt das
Bewußtsein der augenblicklichen Lebensphase weiter zurückverlagem, in eine Zeit bis kurz nach oder
kurz vor der Geburt oder auch in ein früheres Leben, so hat es jedenfalls den Anschein.
Bereits um die Jahrhundertwende wurde die Altersregression benutzt und beschrieben, z. B. von dem
französischen Oberst Albert de Rochas (1837 - 1914) in seinem Buch "Die aufeinanderfolgenden
Leben" (75). Heute ist das Verfahren sehr verbreitet, zwar nicht so sehr unter Wissenschaftlern und
Ärzten, als vielmehr bei sogenannten "Reinkarnationstherapeuten". Unter ihnen ist der Münchner
Diplompsychologe Thorwald Dethlefsen besonders bekannt geworden. Ein Auszug aus seinem ersten
vor die Geburt führenden Regressionsversuch am 03. 06. 1968 an dem 25 Jahre alten Ingenieur-
Studenten Rudolf T. lautet folgendermaßen (15, S. 16):
"Ich suggerierte:
'Wir gehen noch ein bißchen weiter zurück - wir stehen ganz kurz vor deiner Geburt - was fühlst
du - welchen Eindruck hat du?'
- 90 -
'Es ist ziemlich eng.'
'Kannst du irgend etwas sehen?'
'Nein.'
'Wir gehen um zwei Monate weiter zurück! Sag mir, was fühlst du, was spürst du?'
'Nichts ...Nichts!'
'Wir gehen noch weiter zurück - wir gehen um ein ganzes Jahr weiter zurück! Wo befindest du
dich?'
'Ich weiß nicht!'
'Ist es hell oder dunkel?'
'Ich sehe nichts; alles ist so leer!'
'Sage mir deinen Namen!'
'Ich habe keinen!'
'Welches Jahr schreiben wir?'
'Weiß ich nicht!'
'Wir gehen jetzt noch weiter zurück, und zwar so lange, bis du auf irgendein markantes Ereignis
stößt, das du genau schildern und beschreiben kannst. Du wirst mir dann sagen, was du siehst und
wo du bist - so lange gehen wir in der Zeit zurück, bis du auf ein Ereignis stößt, das man in Worte
fassen kann!'
Herr T. atmet schwer - fast atemlos starren ich und die Anwesenden ihn an - wie wird es weiterge-
hen - wohin wird uns dieses Experiment führen? Herr T. beginnt zu sprechen - schwer gepreßt:
'Ja, ich bin in einem Keller.'
'Wo ist dieser Keller? In welchem Ort - welcher Stadt?'
'Wissembourg'.
'In welchem Land befindest du dich?'
'Im Keller.'
'In welcher Straße ist dieser Keller?'
'Rue du Connélable!'
'Warum bist du im Keller?'
'Krieg.'
'Es ist Krieg?'
'Ja.'
'Was für ein Krieg?'
'Gegen die Preußen.'
'Welches Jahr schreiben wir?'
'1870'.
'Wie alt bist du denn?'
'18 Jahre'
usw."
Derartige Versuche sind inzwischen sowohl von Dethlefsen als auch anderen zu Tausenden durchge-
führt worden. Aber bereits bei dem ersten Versuch von Dethlefsen fällt ein Schönheitsfehler auf: Die
Versuchsperson spricht als angeblicher Guy Lafarge nicht französisch, auch nicht deutsch mit franzö-
sischem Akzent, sondern normales Deutsch. Und wenn man die oft sehr ausführlichen Angaben der
Hypnotisierten nachzuprüfen versuchte (wenn z. B. das vorhergehende Leben noch nicht allzulange
zurücklag und in Deutschland und nicht gerade in Hinterindien stattgefunden haben sollte), blieben
diese Bemühungen in der Regel erfolglos (1, S.102).
Übrigens hat der französische Oberst de Rochas bei seinen Versuchen im Jahre 1904 eine weibliche,
18-jährige Versuchsperson namens Josefine nicht nur in "vergangene Leben" zurückführen können,
- 91 -
sondern versetzte sie auch in den Zustand "zukünftiger Leben" bis in das Jahr 1970 hinein (75, S. 70).
Sie gab dabei zwar die Namen ihrer Eltern und ihres Wohnortes an, war sonst aber ziemlich wortkarg.
Es stellt sich nun die Frage, woher diese "Erinnerungen" im hypnotischen oder hypnoseähnlichen Zu-
stand kommen. Seit Ende der sechziger Jahre hat der finnische Psychiater Dr. Reima Kampman, da-
mals von der Universität Oulu, jetzt Universität Tampere, aufschlußreiche Versuche in dieser Rich-
tung vorgenommen (50; 51; 98). Er führte finnische Schulkinder und erwachsene Patienten in Hypno-
se zu "früheren Leben" zurück und erhielt bei etwa zweifünftel von ihnen tatsächlich Auskünfte, die
solchen Erinnerungen entsprachen. Als er diese Rückerinnerungsfähigen später wiederum unter Hyp-
nose befragte, woher die Einzelheiten ihres vermeintlichen "Vorlebens" denn in Wirklichkeit stamm-
ten, insbesondere wenn Lebensläufe mit vielen Einzelheiten und genauen Namens- und Datumsan-
gaben hervorgebracht waren, erlebte er eine große Überraschung: Diese Versuchspersonen konnten
genau und nachprüfbar angeben, aus welchen Büchern oder anderen irdischen Bezugsquellen ihr vor-
geburtliches Wissen stammte. Eine 19-jährige Studentin z. B. hatte in einer durchgehenden chronolo-
gischen Abfolge acht frühere Inkarnationen vom alten China bis in die Zeit des finnischen Winterkrie-
ges geschildert, wo sie als Kaarin Bergstrom 1939 bei einem Luftangriff ums Leben gekommen sein
wollte. Eine der Inkarnationen sollte im 13. Jahrhundert im England als Tochter eines Gastwirts statt-
gefunden haben. Die Studentin schilderte eingehend die Einzelheiten des Lebens im England jener
Epoche (98, S. 996) und konnte sogar ein Volkslied in Mittel-Englisch aus jener Zeit vorsingen. Die-
ses Lied wurde auf Tonband aufgenommen. Als die Studentin in einer späteren Hypnosesitzung nach
der Quelle ihres "vorgeburtlichen" Wissens gefragt wurde, gab sie dazu einige Bücher an. In bezug auf
das mittel-englische Lied "erinnerte" sie sich, wie sie im 13. Lebensjahr in einer Bibliothek zufällig
ein Buch in die Hand genommen und nur darin geblättert hatte. Sie konnte auch die Autoren nennen:
Benjamin Britten und Imogene Holst und war fähig, die genaue Stelle in dem Buch anzugeben, wo das
Lied gestanden hatte. Dr. Kampman konnte tatsächlich das Lied in dem angegebenen Buch ausfindig
machen, in der gleichen Art, wie sie es in einer vorangegangenen Sitzung vorgetragen hatte. Auch der
"Tod im Winterkrieg" ließ sich aus der Lektüre eines Buches und dazugefügten eigenen Abänderun-
gen rekonstruieren.
Nicht in allen Fällen läßt sich auf derart "einfache" Art nachweisen, woher das Wissen aus "früheren
Leben" stammt und wie und aus welchem Grund es von einem phantasievollen Unterbewußtsein zu
einem kunstvollen "Roman" zusammengesetzt wurde. Kampman meint, daß vielfach traumatische
Erlebnisse dieses Lebens mit oder ohne Suggestion eines Hypnotiseurs als "Reinkarnationserinnerun-
gen" getarnt werden, weil die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem irdischen Erlebnis für einen
Patienten viel zu unangenehm wäre.
Prof. Stevenson beurteilt die Lage folgendermaßen (89, S. 18):
"Die bei hypnotisch induzierten Regressionen gewöhnlich evozierten (hervorgerufenen) 'Persönlich-
keiten' scheinen, eine Mischung verschiedener Bestandteile zu enthalten. Zu diesen können die ge-
genwärtige Persönlichkeit des Versuchssubjektes gehören, seine Erwartungen von dem, was der
Hypnotiseur wünscht, seine Phantasien darüber, wie sein früheres Leben nach seiner Meinung hät-
te sein müssen und schließlich paranormal erlangte Elemente.
Wenn wir annehmen dürfen, daß wir eindeutig paranormale Elemente in der unter hypnotischer
Regression evozierten 'früheren Persönlichkeit' identifiziert haben, müssen wir noch entscheiden,
wenn wir das können, ob wir diese am besten mit unseren Begriffen von Telepathie oder Hellse-
hen erklären oder mit dem Einfluß einer entkörperten Persönlichkeit oder Reinkarnation. (Diese
Entscheidung ist auch zu treffen bei spontanen Fällen unter Kindern.) Daß Benehmen und Verhal-
tensweisen der evozierten 'Persönlichkeit' echt wirken, gibt keinen sicheren Hinweis auf deren Ur-
sprung oder die Herkunft ihrer verschiedenen Komponenten. Zudem erleben wir, abgesehen von
sehr kleinen Kindern oder dem Fall der Mitteilung von Information nur wenig bekannter Art, größ-
te Schwierigkeiten beim Ausschließen normaler Informationsquellen für den Inhalt des 'früheren
Lebens'. Nichtsdestoweniger enthalten einige der unter Hypnose entwickelten Fälle Material und
Verhaltenszüge,
die
wir nicht
leicht
anders
als
durch eine paranormale
Hypothese erklären können. Ich habe selbst einen Fall dieser Art untersucht, in dem die Versuchs-
person eine fremde Sprache sprach, die sie ganz offenkundig auf normalem Wege nicht gelernt
haben konnte. Auch können künftige Experimente, insbesondere mit Kindern und resultierend in
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der Darstellung ungewöhnlicher und unerlernter Befähigungen wie z. B. fremder Sprachen, einen
wertvollen Beitrag zu diesem Gegenstand leisten.
Inzwischen scheint das vielversprechende Beweismaterial für Reinkarnation in den spontanen Fäl-
len zu liegen, insbesondere bei Kindern. Allerdings ist die Untersuchung und Auswertung solcher
Fälle ebenso schwierig wie bei anderen Arten spontaner Fälle in der parapsychologischen For-
schung und zwangsläufig der gleichen Kritik ausgesetzt."
Trotz der Unsicherheit in der Bewertung der Regressionstechnik hat sie sich zu einem vielfach ange-
wandten psychotherapeutischen Verfahren entwickelt. Patienten mit psychischen Fehlhaltungen,
Ängsten und unnormalen Abneigungen (z. B. Flugangst) werden dabei in Hypnose in ein "früheres
Leben" zurückgeführt. Dort erleben sie dann den "Grund" für ihre heutige Angst. Weil sie beispiels-
weise in einem früheren Leben ertrunken sind, haben sie in diesem Leben Angst vor dem Wasser.
Wenn ihnen der Hypnotiseur das bewußt macht und sie daran glauben, verlieren sie oft die Angst vor
dem Wasser. Eine Frau Ingrid Valliéres beschrieb am 10. November 1983 ihr eigenes Erleben in die-
ser Beziehung in einem Vortrag über die "Reinkarnationstherapie" folgendermaßen (93):
"Als ich selbst 1973 zum ersten Mal mit der Reinkarnationstherapie konfrontiert wurde, wußte ich
sofort, daß dieser Weg für mich ein absolut notwendiger Schritt war. Sechs Monate, nachdem ich
davon gehört hatte, entschloß ich mich, nach Amerika zu Dr. Netherton zu fahren, um diese Thera-
pie an mir durchführen zu lassen. Der Gedanke der Reinkarnation war mir nicht neu; als Kind
schon war mir bewußt, daß ich schon oftmals auf der Welt gewesen war.
Bestimmte Problematiken, die ich durch andere Techniken wie Yoga und Meditation nicht lösen
konnte, verschwanden nach und nach innerhalb weniger Stunden Therapie. Ich hatte einen Mutter-
Konflikt, bestimmte Hemmungen im Umgang mit anderen Menschen, Versagensängste und
Stimmungen der Niedergeschlagenheit. Durch das Auffinden der entsprechenden Geschehnisse in
früheren Leben wich alle Angst und Hemmung von mir ab, und ich fühlte mich immer sicherer im
Umgang mit anderen Menschen und mit mir selbst. Nach Abschluß der Therapie hatte ich das
Gefühl, vorher gar nicht richtig gelebt zu haben, und daß das Leben jetzt erst richtig anfing.
Die Reise ins Unterbewußtsein, in die Vergangenheit, ist sehr aufregend und aufschlußreich, ent-
deckt man doch zahlreiche Parallelen zum heutigen Verhalten und kann sich heutige Charakterei-
genschaften viel besser erklären. Die durchzuarbeitenden Geschehnisse sind oft mit Versagen,
Trauer, Angst und Trauma besetzt; schließlich sind es ja die negativen Erlebnisse von früher, die
heutige Probleme verursachen; aber gerade die Aufarbeitung des Negativen bringt eine Erlösung
und Erleichterung. Man wird erst frei von Problematiken, wenn man negative Erlebnisse durchlebt
und integriert hat. Solange man diese verdrängt, können sich keine Probleme auflösen.
Da das Unterbewußtsein nur speichert und nicht analysiert und ausfiltert, werden unangenehme
Ereignisse, Unfälle, Schockerlebnisse, Operationen usw. mit allen Sinneswahrnehmungen aufge-
zeichnet. Taucht im Heute nun eine Situation auf, die Ähnlichkeit mit der damaligen Situation hat,
empfindet man gleiche Schmerzen, Emotionen, hat sogar ähnliche Gedanken wie damals. Dies
trifft nicht nur auf Erlebnisse in früheren Leben zu; auch in diesem Leben gibt es genügend Scho-
ckerlebnisse und verdrängte unangenehme Ereignisse.
In der Reinkamationstherapie arbeitet man nun diese verdrängten Situationen gründlich durch.
Kommt man an die Ursache eines Problems in einem früheren Leben, so löst sich das Problem
meist sehr rasch auf. Die Anwendungsbereiche der Reinkamationstherapie sind ähnlich jeder ande-
ren Psychotherapie auch: Eltern-Kind-Konflikte, Partner-Konflikte, Ängste und nicht angepaßte
Emotionen wie Aggression oder Depression, psychosomatische Beschwerden, die Bedeutung von
Schicksalsschlägen und Sinnfragen.
Ein eindeutiger Hinweis auf das Zurückgehen eines heutigen Symptoms auf frühere Leben ist der
Wiederholungseffekt - immer wieder gerät jemand in finanzielle Schwierigkeiten, oft auch noch
auf dieselbe Weise; immer wieder landet man bei Partnern, die einen ausnützen; immer wieder be-
kommt man autoritäre Vorgesetzte usw. Das Unterbewußtsein fühlt sich vom Problem angezogen
und zieht uns immer wieder in die gleiche Problemsituation hinein, so lange, bis sie gelöst ist. Die
Wiederholungssituation will uns etwas lehren - was das aber ist, läßt sich selten von den Erlebnis-
sen in diesem Leben herleiten."
Bei dieser Art der Behandlung psychischer Leiden ist es völlig belanglos, ob es Reinkarnation tatsäch-
lich gibt oder nicht, ob wirklich ein Vorleben die Beschwerden im jetzigen Leben verursacht oder
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nicht. Wesentlich ist nur, daß für den Patienten ein Zusammenhang erkennbar wird, er daran glaubt
und dadurch seine Ängste und Schwierigkeiten verliert. Nur der Heilerfolg zählt hier. Ande-rerseits ist
aber auch zu sagen, daß es kein Gegenbeweis gegen eine mögliche Reinkarnation wäre, wenn man für
diese therapeutischen Fälle insgesamt schlüssig nachweisen könnte, daß alle psychischen Beschwer-
den nur subjektiv in ein Vorleben hineinprojiziert wurden. Ein Grund hierfür könnte sein, daß es für
den Patienten leichter erträglich ist, wenn ein früheres Leben Verursacher seiner jetzigen Beschwerden
ist als Ereignisse oder Fehler in seinem jetzigen Leben.
Von manchen Reinkarnationstherapeuten wird eine andere Regressionsmethode angewendet. Sie ver-
setzen ihre Patienten oder Probanden nicht in Hypnose, sondern durch zahlreiche Suggestionen, oft
verbunden mit beruhigender Musik, in einen entspannten Zustand. Sie nennen ihn "Alpha-Zustand".
Er ähnelt dem, wie er beim Autogenen Training oder bei manchen Meditationsübungen erreicht wird.
Durch weitere Suggestionen wird der Proband angeregt, sich in ein früheres Leben zurückzuversetzen.
Bei vielen steigen dann innerlich mehr oder weniger deutliche Bilder und Szenen auf, die als Rücker-
innerungen an frühere Leben gedeutet werden. Ähnliche Bilder entstehen bei manchen Menschen auch
bei gewissen Meditationsübungen und beim Autogenen Training. Ob diese inneren Bilder bei der
Regressionstechnik wirklich etwas mit einem früheren Erdenleben zu tun haben, kann man mit Fug
und Recht bezweifeln. Vielleicht mag es bei dem einen oder anderen tatsächlich zutreffen. Für die
vielen anderen werden es aber wohl mehr phantasievoll ausgestaltete Rückerinnerungen an gelesene
Bücher, gesehene Filme, zurückliegende Reiseerlebnisse, verborgene Wünsche und unangenehme
oder angenehme Situationen des jetzigen Lebens sein, die als früheres Erdenleben präsentiert werden.
Wenn ein solcher Mensch aber daran glaubt und es ihm in irgendeiner Weise bei der Bewältigung
jetziger Schwierigkeiten weiterhilft, sollte man ihm seine Überzeugung nicht auszureden versuchen.
Abschließend läßt sich zur Wiederverkörperungshypothese sagen: Es gibt eindeutige und vielfältige
Jenseitsmitteilungen, z. B. in dem Buch (29) von Johannes Greber, die auf ein mögliches mehrfaches
Erdenleben für viele Menschen hinweisen, unterbrochen jeweils durch kürzere oder meist längere
Zwischenaufenthalte in einer jenseitigen Welt. Weiterhin gibt es dafür stützende Indizien von dieser
Erde. Es gibt aber keine die Mehrheit der Menschen überzeugende oder zwingende Beweise. So bleibt
es dem einzelnen überlassen, ob er eine mögliche Reinkarnation in Erwägung zieht, darin eine sinn-
volle Einrichtung seines Schöpfers sieht und sie als Gnade und Gerechtigkeit empfindet. Oder ist es
ihm lieber, an die Ganztodtheorie mit Neuschöpfung von Nachfolgern zu glauben oder an die sofortige
Aufnahme in den Himmel oder in die Ewige Verdammnis oder an andere theologische Konstruktio-
nen? Für alle diese Anschauungen gibt es jedoch noch nicht einmal Indizien.
Bequemer und angenehmer ist natürlich der Glaube an die gnadenhafte automatische Vergebung aller
Sünden gemäß mancher kirchlichen Verkündigungen und an die sofortige Aufnahme in den Himmel.
Das erspart unnötige irdische Anstrengungen. - Aber hätten wir das wirklich verdient, und geht es nur
nach unseren Wünschen und Vorstellungen?
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Die Offenbarung Gottes in der Zarathustrischen Religion
In den vorangehenden Kapiteln wurde über die Verbindung des universalen Gottes durch medial ver-
anlagte Personen (Seher, Propheten, Priester) mit uns Menschen berichtet. So weit historisch erfaßbar,
begann diese um das Jahr 2000 v.Chr. bei dem Nomaden Abram (Siehe S. 4), setzte sich fort über
Mose, die Propheten des Alten Bundes und der urchristlichen Gemeinden bis hin in die Neuzeit.
Es ist nun sehr bedeutsam zu sehen, daß dieser universale Gott sich nicht nur durch Propheten an das
Volk der Israeliten gewandt hat, sondern ebenfalls durch einen Propheten an die Völkerschaften des
nordöstlichen Persiens. In den Personen der achämenidischen Perserkönige Kyros II. (der Große, 559 -
530 v. Chr.) und Darius I. (522 - 486 v. Chr.) begegnen sich die beiden Religionskreise in schicksal-
hafter Weise.
Der Prophet, um den er hier geht, heißt Zarathustra. Über seine genauen Lebensdaten bestehen unter-
schiedliche Meinungen. Unumstritten ist sein erreichtes Lebensalter von 77 Jahren. Das Geburtsjahr
aber wird von einigen Historikern um 599/98 v. Chr. angenommen, von dem Göttinger Prof. für Ira-
nistik und Zarathustraforscher Walter Hinz (geb. 1906) aber für 630 v. Chr. angesetzt (37, S. 25). Da
ich Hinz für den besten Kenner dieses Gebietes ansehe, werden im folgenden die angegebenen Jahres-
zahlen auch immer auf sein Werk "Zarathustra"
(37) bezogen. Wer diese dann mit
Zahlenangaben anderer Geschichtswerke vergleicht, kann gegebenenfalls Unterschiede von 30 bis 40
Jahren feststellen. Für den Inhalt der folgenden Darlegungen sind diese aber unerheblich.
Zarathustra war zunächst Priester im Lande Baktrien. Dabei handelt es sich um ein Gebiet um die
heutige Stadt Balch im jetzigen nördlichen Afghanistan. Der Kult, in dem Zarathustra aufwuchs,
kannte viele Götter mit zum Teil schauerlichen Opferriten, vor allem den Kult des Gottes Mithras, der
später große Verbreitung im römischen Reich fand und dort besonders beim Militär. Der Mithraskult
wurde einige hundert Jahre später die große Konkurrenz des Christentums.
Im Alter von 30 Jahren (600 v. Chr.) erlebte Zarathustra seine Berufung, die den unbekannten Priester
zum Begründer einer neuen Religion machte (37, S. 40 u. 56). Wie bei den meisten Propheten geschah
die Berufung durch eine Vision, d. h. durch eine paranormale sinnliche Wahrnehmung des "inneren
Auges" und "inneren Ohres". Es erschien ihm eine hohe Wesenheit, ein Erzengel, der sich als Vohu
Manah vorstellte, zu deutsch etwa "Guter Sinn". Er befragte Zarathustra mit hoheitsvoller Strenge, zu
wem er sich bekennen wolle (38, S. 98). Als dieser sich der göttlichen Welt angelobte, führte ihn der
Erzengel durch Belehrungen und innere Schauungen in sein Prophetenamt ein.
Die Erlebnisse, Predigten, Gebete und Meditationen Zarathustras sind in den sogenannten Gathas mit
16 Gesängen und insgesamt 229 Strophen als kunstvolle religiöse Dichtung niedergelegt und in alter-
tümlicher Sprache abgefaßt. Sie wurden zunächst, wie damals üblich, nur mündlich überliefert und
erst Jahrhunderte nach Zarathustras Tod schriftlich niedergelegt. In einem dieser Gesänge berichtet
Zarathustra über seine Berufung (38, S. 98):
"Als das Heilige mich durch den Engel umfing, als ich erstmals von Euch belehrt ward, da verhieß
mein Eifer, für das zu wirken, was Ihr als das höchste Gut mich habt erkennen lassen, nur Leid mir
unter den Menschen."
Trotz der Ankündigung des ihm bevorstehenden schweren Schicksals hat Zarathustra nicht gezaudert,
den ihm erteilten Auftrag des Erzengels anzunehmen und auszuführen. Gestärkt durch den Umgang
mit ihm machte er sich daran, als Prophet den neuen Glauben zu verbreiten, einen Glauben, der nur
einen einzigen Gott lehrte. In ihm wurden die alten Götter als Götzen verworfen.
Wie vorauszusehen, stieß Zarathustra mit seiner neuen Lehre auf den heftigsten Widerstand der Pries-
terschaft und des Adels. Nach zehn Jahren vergeblichen Wirkens mußte er das Land vor den Verfol-
gungen seiner Gegner verlassen (38, S. 101). Etwa 590 v. Chr. zog er mit seinen Herden und dem Ge-
sinde aus Baktrien fort und wandte sich nach Westen. In Chwaresmien (auch Chwarezm oder Chorezm
genannt; es ist der heutige Landesteil Chorassan im Nordosten Persiens), im Reiche des Königs
Wischtaspa, fand er eine neue Heimat und ein fruchtbares Wirkungsfeld. Schon zwei Jahre nach Za-
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rathustras Ankunft bekehrte sich König Wischtaspa und sein ganzer Hof zu dem neuen Glauben. Zum
Gedenken an dieses Ereignis pflanzte Zarathustra in Keschmar (heute ein kleines Dorf im Iran) eine
Zypresse. - Welches war nun die Lehre, die Zarathustra übermittelt wurde? (38, S. 102):
"Es gibt nur einen einzigen Schöpfergott, der anfangslos ewig ist. Zarathustra nennt ihn Ahura
Mazdah, den "Allweisen Herrn". Gott schuf geistige Wesen in seligen Gefilden, die er, der Uran-
fängliche, mit Lichtstrahlen durchflutet hat. Doch entwickelten sich seine beiden ersten
Geschöpfe zu äußerster Gegensätzlichkeit. Der Erstgeschaffene wurde zum Guten Geist, der zwei-
te zum Bösen Geist. Der Erstgeschaffene, in den Gathas meist Spanta Mainyu = "Heiliger Geist",
zuweilen auch Spanishta Mainyu = "Heiligster Geist" (37, S. 104) genannt, sprach zu Anbeginn
des Daseins zum Widersacher: 'Weder im Denken noch in unseren Lehren, weder im Willen noch
in unseren Überzeugungen, weder in Worten noch in Taten, im Wesen noch in der Seele, stimmen
wir beide überein!' So kam es zur großen Auseinandersetzung. Als die beiden Geister aufeinander-
stießen, da stifteten sie erstmals Leben und Tod, so daß am Ende bösestes Dasein der Lügenknech-
te harrt (37, S. 138). Unter Tod wird bei Zarathustra hier klar der Abfall von Gott verstanden."
In gleicher Weise verwendet die Bibel den Ausdruck "Tod" bei ähnlicher Gelegenheit als Bezeichnung
für die Trennung von Gott. Nach 1. Mose 2,17 sagt Gott zu Adam im Garten Eden:
"Von allen Bäumen des Gartens darfst du nach Belieben essen; aber vom Baum der Erkenntnis des
Guten und des Bösen - von dem darfst du nicht essen, denn sobald du von diesem ißt, mußt du des
Todes sterben."
Als nun Adam trotz des Verbotes von dem Baum der "Erkenntnis" aß, starb er ja nicht etwa eines
biologischen Todes, sondern wurde aus dem Garten Eden vertrieben und damit von Gott getrennt.
Der "Böse Geist" Zarathustras und seine Anhänger die "Lügenknechte" wurden wegen ihres Aufruhrs
in die Tiefe finsteren Daseins hinabgestürzt, in die grauenhafte Hölle (37, S. 138). Zu derselben Situa-
tion sagt Christus (Luk.10,18):
"Ich habe den Satan wie ein Blitz aus dem Himmel herabgestürzt gesehen."
Ahura Mazdah aber, der Vater des erstgeborenen Sohnes, des Heiligen Geistes,
"…schuf Welten nach seinem Sinn (38, S. 102) mit willenbegabten Wesen, deren Geistkörper er
stofflich machte. Er gab ihnen Tatkraft und setzte Gebote, so daß jeder sich frei entscheiden kann.
Wer zu den Gottestreuen hält, nennt künftiges jubelndes Glück im Hause des Lobgesanges, im Pa-
radies, sein Eigen. Den Gottesleugner und Satansknecht jedoch führt sein eigenes Ich in das Haus
der Lüge, in die Hölle. Die Seele des Falschgläubigen wird nach dem leiblichen Tode an der Brü-
cke des Richterengels aufschreien und sich mit Selbstvorwürfen anklagen. Denn bei der großen
Rechenschaft kommt alles an den Tag, und so führt der Weg dieser Seele in die Finsternis, wo
langdauernde Qual, ekle Speise und Jammergeschrei ihrer harren."
Wenn man die Lehren von Mose, Jesus Christus und Zarathustra vergleicht, so erkennt man, daß sie
in wesentlichen Punkten übereinstimmen. Gott Jahwe, der Vater Jesu Christi, und Ahura Mazdah sind
ein und dieselbe Gottheit. Ebenso sind Spanta Mainyu (der Erstlingsgeist und Heilige Geist Zarathust-
ras) und Jesus Christus der Gottessohn identisch. Und dem Bösen Geist (später Ahriman genannt)
Zarathustras entspricht der biblischen Satan oder Luzifer.
Der Engelsturz wurde ja bereits behandelt. Pfarrer Greber wurde über seinen jenseitigen Lehrer unter-
richtet, daß wichtige Teile über dieses schwerwiegende Ereignis in der Bibel nicht mehr vorhanden
sind. Einige der noch vorhandenen habe ich schon erwähnt. Zwei weitere sollen jetzt folgen. Der Pro-
phet Hesekiel, der 571 v. Chr. zusammen mit König Jojachin in die babylonische Gefangenschaft ge-
führt wurde, berichtet in der Bibel über das Schicksal eines verstoßenen Engels, der hochfahrenden
Sinnes war und später als Mensch auf der Erde als König von Tyrus (reiche phönizische Handelsstadt
und befestigte Insel vor der Küste Palästinas) wiedergeboren wurde. Weil er erneut hochfahrend wur-
de, weil dabei sich sein Herz überhoben hat, als ob er ein Gott wäre (Hes. 28,6), kündigte ihm Gott an,
ihn in die Grube hinabzustoßen, und den Tod eines Erschlagenen mitten im Meer sterben zu lassen.
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Seine frühere Stellung als jenseitiger hoher Engel beschreibt Gott durch den Mund des Propheten He-
sekiel folgendermaßen (Hes. 28,11):
"Der du das Bild der Vollkommenheit warst, voll von Weisheit und vollendeter Schönheit: in
Eden, dem Garten Gottes befandest du dich, allerlei Edelsteine bedeckten deine Gewandung:
Karneol, Topas und Jaspis, Chrysolith, Beryll und Onyx, Saphir, Rubin und Smaragd, und aus
Gold waren deine Einfassungen und die Verzierungen an dir gearbeitet. Am Tage deiner Erschaf-
fung wurden sie eingesetzt. Du warst ein gesalbter schirmender Cherub (Engelwesen, die dort erscheinen,
wo Gott persönlich gegenwärtig ist. 2. Mose 25,18): ich hatte dich dazu bestellt; auf dem heiligen Götterber-
ge weiltest du, inmitten feuriger Steine wandeltest du. Unsträflich warst du in all deinem Tun vom
Tage deiner Erschaffung an, bis Verschuldung an dir gefunden wurde. Infolge deines ausgedehn-
ten Handelsverkehrs füllte sich dein Inneres mit Frevel, und als du dich versündigt hattest, trieb ich
dich vom Götterberge weg, und der schirmende Cherub verstieß dich aus der Mitte der feurigen
Steine. Dein Sinn war hochfahrend geworden infolge deiner Schönheit, und du hattest
deine Weisheit außer acht gelassen um deines Glanzes willen; darum schleuderte ich dich auf die
Erde hinab und gab dich vor Könige hin, damit sie eine Augenweide an dir hätten. - - - Ein Ende
mit Schrecken hast du genommen; du bist dahin für immer."
Diese schlechten Erfahrungen, die Gott mit seinen Engeln gemacht hat und vielleicht auch wieder
machen muß, kleidet Eliphas aufgrund einer Offenbarung Gottes seinem in Bedrängnis geratenen
Freund Hiob gegenüber (um das Jahr 1000 v. Chr.) in die Worte (Hiob 4,17):
"Kann wohl ein Mensch gerecht vor Gott sein oder ein Sterblicher rein vor seinem Schöpfer? Be-
denke: seinen Dienern kann er nicht trauen, und seinen Engeln legt er Mängel zur Last: wieviel
mehr denen, die Lehmhütten bewohnen, deren Grundbau im Staube liegt."
Die Beispiele aus beiden Religionsbereichen zeigen, daß die biblische Lehre und die des Zarathustra,
der sogenannte Mazdaismus (nach Ahura Mazdah), in wesentlichen Punkten übereinstimmen, und daß
der alleinige Gott Jahwe und Ahura Mazdah ein und derselbe sind.
Als Zarathustra im Alter von 77 Jahren um das Jahr 553 starb, war Chwaresmien kurz zuvor im Reich
des Perserkönigs Kyros II. (559 - 530) aufgegangen. Die Lehre Zarathustras breitete sich in der Folge
über ganz Persien aus. Ahura Mazdah wurde der alleinige Gott der Perser. Man weiß zwar nicht aus
schriftlichen Quellen, aber aus archäologischen Funden (37, S. 147), daß Kyros selbst bereits Anhän-
ger dieser Lehre geworden ist. Für diese These spricht, daß sich in der von Kyros erbauten
Königspfalz in Pasargadae auch ein im freien stehender zarathustrischer Steinaltar und ein zugehöri-
ges Gebäude zur Bewahrung und Reinerhaltung des in dieser Religion üblichen kultischen Feuers
befand (37, S. 147).
Für die Zugehörigkeit des Kyros zur zarathustrischen Religion sprechen weiter die Zeugnisse der Bi-
bel und sein ganzes Verhalten als Herrscher, das so völlig abweichend war von dem grausamen Vor-
gehen anderer Großkönige des Altertums. Kyros hatte mit den unterworfenen Babyloniern auch deren
gefangene Juden übernommen. Da heißt es nun in der Bibel im Buch Esra 1,1:
"Im ersten Regierungsjahr des Kores (= Kyros. Gemeint ist das Jahr 538, das Jahr nach der Eroberung Babylons
539 v. Chr.), des Königs von Persien - damit das durch den Mund Jeremias ergangene Wort des
HErrn in Erfüllung ginge - regte der Herr den Geist des Perserkönigs Kores dazu an, folgende Ver-
fügung in seinem ganzen Reiche ausrufen und auch durch schriftlichen Erlaß bekanntmachen zu
lassen: 'So spricht Kores, der König von Persien: Alle Reiche der Erde hat der HErr, der Gott des
Himmels, mir übergeben, und er ist es auch, der mir aufgetragen hat, ihm zu Jerusalem in Juda ein
Haus (= einen Tempel) zu erbauen. Wer also unter euch allen zu seinem Volke gehört, mit dem sei
sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem in Juda und baue dort das Haus des HErrn, des Got-
tes Israel."
Das Verhalten des Kyros hatte bereits der Prophet Jesaja (Berufung 740/739, letzte Berichte seines
Auftretens 701 v. Chr.) rund 180 Jahre vorher unter genauer Namensangabe prophezeit (Jes. 44,28 u.
45,1 f). Diese Prophezeiung schien in neuer Zeit so unglaublich, daß man meint, für diese Textstellen
einen anonymen Autor, einen Deuterojesaja, verantwortlich machen zu müssen, wofür angeblich auch
ein unterschiedlicher Schreibstil spräche. Die Gegenkritik lautet (74, Sp. 689):
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"Warum darf ein Verfasser, der sicher 40 Jahre, wenn nicht länger, geschrieben hat, keine Unter-
schiede in Stil und Wortwahl zwischen den Werken seiner Jugend, der Mannesjahre und des Alters
aufweisen? Für die bei ein und demselben Verfasser geforderte Einheitlichkeit des Stils wird sich
kaum ein Beispiel beibringen lassen; für das Gegenteil aber stehen zahlreiche zur Verfügung."
Jesaja schreibt über Kyros (Jes. 45,1):
"So hat der HErr zu seinem Gesalbten gesprochen, zu Cyrus, den ich bei seiner rechten Hand
ergriffen habe, um Völker vor ihm niederzustrecken und den Gürtel von den Hüften der Könige zu
lösen, um Türen vor ihm aufzutun und Tore, damit sie ihm nicht verschlossen bleiben: 'Ich will
selbst vor dir hergehen und das Unwegsame ebnen, eherne Pforten will ich sprengen und eiserne
Riegel zerschlagen; ich will dir die im Dunkeln verborgenen Schätze übergeben und die wohlver-
steckten Kostbarkeiten, damit du erkennst, daß ich, der HErr, es bin, der dich bei deinem Namen
gerufen hat, der Gott Israels."
Das sind alles recht ungewöhnliche Worte über einen Nichtjuden. Sie werden aber verständlich, wenn
man die Zusammenhänge kennt. Das Verhalten des Kyros ist erklärlich, wenn man weiß, daß er sich
schon vor der Eroberung Babylons Ahura Mazdah, dem Gott Zarathustras, unterworfen hat und von
ihm Anweisungen entgegennahm. Von den persischen Königen Darius I. (522 - 482), Xerxes I. (485 -
465) und Artaxerxes I. (465 - 424) ist geschichtlich bekannt, daß sie nur Ahura Mazdah in ihren Gebe-
ten als Gott anriefen. Diese Könige ließen sich in ihren Bildnissen (auf Felsreliefs, auf Ton oder ande-
ren Bildträgern) nur unter der Symbolzeichnung von Ahura Mazdah darstellen. Diese Symbolfigur war
ein Flügelwesen mit dem Oberkörper eines antiken Großkönigs, wodurch einmal die Macht des Got-
tes, durch die Flügel aber der Charakter eines Engelwesens und insgesamt der Schutz für den König
angedeutet werden sollte.
König Darius I. mit Gefolge unter dem Schutz von
Ahura Mazdah. Altpersisches Relief, abgebildet
von Texier in seiner "Persischen Reise".
Das Bild stellt König Darius I. mit Dienern unter dem Schutz von Ahura Mazdah dar. Von den
Nachfolgekönigen Artaxerxes II. (405 - 359) und Artaxerxes III. (359 - 338) ist dagegen bekannt, daß
sie wieder heidnische Götter zu alten Ehren erhoben, ein Verhalten, das sich ja auch bei den Israeliten
ständig wiederholte. König Darius I. erneuerte den Erlaß seines Vorvorgängers Kyros zum Tempelbau
in Jerusalem (Esra 5,1 u. 6.1) und stellte den Juden die Mittel zum Bau aus den königlichen Einkünf-
ten zur Verfügung. - Die Bedeutung und Verbreitung des Mazdaismus, der später und auch heute als
"Parsismus" (Religion der Perser) bezeichnet wird, nahm in den Jahrhunderten nach Artaxerxes II. ab.
Die weitgehende Vernichtung aber erfolgte im 7. Jahrhundert, als der Islam Persien eroberte. Heute
leben nur noch sehr wenige Parsen im jetzigen Iran, während ein etwas größerer Teil nach Indien
ausgewichen ist.
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Das Wunder in den Religionen
In den vorangehenden Kapiteln war mehrfach von außerordentlichen Geschehnissen die Rede, die
damals wie heute mit dem Begriff "Wunder" bezeichnet wurden und werden. Es handelte sich dabei
um Begebenheiten, die normalerweise im täglichen Leben nicht beobachtet werden und die auch nicht
von jedermann oder zahlreichen Menschen beliebig hervorgerufen werden konnten. Auch lassen sie
sich bis heute nicht in unsere neuzeitlichen Naturwissenschaften einordnen oder gar mathematisch
beschreiben und erklären.
Diese Vorgänge ereigneten und ereignen sich im religiösen Bereich bei der Verbindung mit der gött-
lichen oder auch der widergöttlichen, zumindest jenseitigen Welt. Bereits bei der Auseinandersetzung
zwischen Mose und dem ägyptischen Pharao haben wir gesehen, daß auch die Zauberer der heidni-
schen Götter vergleichbare Wundertaten wie Mose vollbringen konnten. Doch waren die Machter-
weise des Gottes Jahwe größer als die seiner Gegner, wodurch die Israeliten zum Glauben und Gehor-
sam gegenüber ihm und seinem Propheten Mose kamen (2. Mose 14,31). Leider hielt dieser Glaube
und Gehorsam meist nicht lange an. Bei den wiederholten Auseinandersetzungen zwischen Gott und
den Israeliten hielt er ihnen stets seine Wundertaten vor Augen und tadelte sie streng, daß sie ihm
trotzdem kein Vertrauen schenkten (4. Mose 14,10 u. S. 33).
Mit einem gleichen Ausschließlichkeitsanspruch wie Gott der Vater trat sein Sohn in Erscheinung, der
als Mensch auf dieser Erde den Namen Jesus trug und den Titel Christus = Messias = der Gesalbte
führte, um darzulegen, daß er von Gott mit einem besonderen Auftrag und besonderer Vollmacht be-
traut worden war. Er kam aber nicht als irdischer König mit militärischer Macht, um den Juden, wie
sie es erhofften, die politische Unabhängigkeit zurückzuerobern, sondern er sagte dem römischen
Statthalter Pilatus (Joh. 18,36):
"'Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener
(für mich) kämpfen, damit ich den Juden nicht überliefert würde. Nun aber ist mein Reich nicht von
hier.' Da sagte Pilatus zu ihm: 'Ein König bist du also?' Jesus antwortete: 'Ja, ich bin ein König. Ich
bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen; jeder,
der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme."
Über seine Sendung sagte Christus (Joh. 14,6):
"Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.
Wenn ihr mich erkannt hättet, würdet ihr auch meinen Vater kennen."
Und weiter (Joh. 7,16):
"Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat; wenn jemand dessen
Willen tut, wird er inne werden, ob diese Lehre von Gott stammt oder ob ich von mir selbst aus re-
de."
Und ebenso sagte er (Joh. 6,37):
"Alles was der Vater mir gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nim-
mer hinausstoßen, denn ich bin aus den Himmeln herabgekommen, nicht um meinen Willen aus-
zuführen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat."
Schließlich wurde Christus von dem verhörenden Hohenpriester am Gründonnerstag ganz hart befragt
(Matt. 26,63):
"'Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott: Sage uns: bist du Christus, der Sohn Gottes?' Da
gab Jesus ihm zur Antwort: 'Ja, ich bin es! Doch ich tue euch kund: Von jetzt an werdet ihr den
Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen auf den Wolken des Himmels."
Derartige Aussagen kann zunächst jeder machen, wenn er genügend geltungssüchtig ist. Es hat auch
Menschen nach Christus gegeben, die behaupteten, der Messias zu sein. Doch blieb es bei ihnen nur
bei dem Anspruch. Sie konnten aber nicht wie Christus ihre Vollmacht durch besondere Wundertaten
nachweisen. Christus jedoch gab neben seiner Lehre und seinem Eintreten für Gott den Vater auch
immer Zeichen seiner außerordentlichen Fähigkeiten. Als er seine ersten Gefolgsleute oder Schüler
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gesammelt hatte, die Bibel nennt sie "Jünger", wurde er mit ihnen und seiner Mutter Maria zu einer
Hochzeit in Kana (7 km nordostwärts von Nazareth) eingeladen. Im Verlauf des Festes ging der Wein
zur Neige. Da drängte Maria ihren Sohn, doch für neuen Wein zu sorgen. Jesus reagierte darauf zu-
nächst ungehalten. Doch dann gab er den Bediensteten den Auftrag, die sechs vorhandenen großen
steinernen Wassergefäße bis oben hin mit Wasser zu füllen. Danach ließ er etwas davon in ein tragba-
res Gefäß schöpfen und dem Speisemeister vorsetzen. Der prüfte die Flüssigkeit und fand, daß es
Wein war, und zwar sehr guter. So konnte er dem Bräutigam sagen (Joh. 2,10):
"'Jedermann setzt doch (seinen Gästen) zuerst den guten Wein vor, und wenn sie trunken geworden
sind, dann den geringeren. Du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.' Hiermit machte
Jesus den Anfang seiner Zeichen (= Wundertaten) zu Kana in Galiläa. Er offenbarte dadurch seine
Herrlichkeit, und seine Jünger lernten an ihn glauben."
Die späteren aufsehenerregenden Wundertaten Christi (die Evangelien berichten von insgesamt 41 an
der Zahl) bestanden hauptsächlich in der Heilung von Kranken, von Lahmen, Blinden, Aussätzigen,
Besessenen und klinisch Toten. Diese Heilungen erfolgten aber nicht durch Anwendung irdischer
Heilmittel oder chiropraktischer oder chirurgischer Eingriffe, sondern durch einfaches Berühren oder
Anfassen (Mark. 1,30), manchmal mit einem Befehlswort, z. B. (Mark. 1,41): "Ich will's: werde rein."
Das vollbrachte Christus nicht nur, um einzelnen Menschen aus ihrer Not herauszuhelfen, sondern um
auch seinen göttlichen Auftrag glaubwürdig zu machen. Daher konnte der Pharisäer Nikodemus zu
ihm sagen (Joh. 3,2):
"Du bist als Lehrer von Gott gekommen, denn niemand kann solche Wunderzeichen tun, wie du
sie tust, wenn Gott nicht mit ihm ist."
Auch schon vor dem Verhör durch den Hohenpriester am Gründonnerstag antwortet Christus auf die
Frage der Juden, ob er der Messias sei (Joh. 10,25):
"Ich habe es euch gesagt, doch ihr glaubt (es) nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters
vollbringe, die legen Zeugnis von mir ab."
Und bei der Auferweckung des verstorbenen Lazarus betete Jesus (Joh. 11.42):
"Vater ich danke dir, daß du mich erhört hast! Ich wußte wohl, daß du mich allezeit erhörst; aber
um des Volkes willen, das hier rings (um mich) steht, habe ich's gesagt, damit sie zum Glauben
kommen, daß du mich gesandt hast."
Die Fähigkeit zur Vollbringung derartiger Wunder beschränkte Christus aber ausdrücklich nicht auf
seine Person allein, sondern er sagte (Joh. 14,12):
"Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich tue, auch voll-
bringen, ja er wird noch größere als diese vollbringen."
Tatsächlich waren auch seine Jünger, die späteren Apostel, nach Christi Tod fähig, Kranke zu heilen.
Selbst heute gibt es Menschen, welche Christi Botschaft und Auftrag ernst nehmen und eine entspre-
chende innere Veranlagung haben, die Kranke durch Gebet, Auflegen der Hände und andere nicht-
schulmäßige Behandlungsmethoden heilen. Man nennt sie meist "Geistheiler" und spricht von para-
normalen Heilmethoden. Von Reportern und anderen Gegnern werden sie häufig als Schwindler und
Scharlatane abgetan. Es gibt zwar auch solche, doch aber auch ernsthafte und gläubige Heiler, die aus
religiöser Berufung vielfach erstaunenswerte Dinge zustande bringen, welche jeder naturwissenschaft-
lichen Erklärung spotten. Ich habe solche Vorgänge selbst gesehen, in zwei Filmen dokumentiert (ver-
öffentlicht über das "Institut für den Wissenschaftlichen Film" in Göttingen.) und in einer Broschüre
(84) näher beschrieben.
Die Berichte der Bibel über derartige außerordentliche Vorgänge wurden jahrhundertelang für wahr
gehalten, jedoch seit dem Zeitalter der Aufklärung in zunehmendem Maße in Zweifel gezogen, und
heute meist als Mythos, d. h. als Dichtung, angesehen. Hier muß aber zunächst einmal etwas über die
Definition des Begriffs "Wunder" gesagt werden. Vielfach wird unter einem Wunder ein Vorgang
verstanden, bei dem durch Einwirken einer überirdischen oder göttlichen Macht ein oder mehrere Na-
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turgesetze durchbrochen werden. Ein Lexikon Christlicher Religion zählt unter der katholischen Auf-
fassung des Wunders folgende Merkmale auf (87, S. 342):
1. Es muß sich um ein tatsächliches Geschehen handeln, das historisch und wissenschaftlich
einwandfrei festgestellt werden kann.
2. Das Wunder muß außerhalb der Naturgesetzlichkeit geschehen. Das Wunder hebt die Natur-
gesetzlichkeit nicht auf, sondern es setzt diese voraus, liegt aber außerhalb von ihr.
3. Das Wunder wird von Gott unmittelbar gewirkt, er ist also die unmittelbare Ursache.
Wenn in dieser Definition unter "Naturgesetzlichkeit" nur die bislang bekannten Naturgesetze ver-
standen werden sollen, kann ich den Autoren zustimmen, nicht jedoch, wenn sie die Naturgesetze ganz
allgemein in Betracht ziehen. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß die Wundergeschehnis-
se, die ja ihre Parallele in experimentell erzeugbaren parapsychischen und paraphysikalischen Vor-
gängen haben (81), etwa außerhalb jedweder Gesetzmäßigkeiten liegen könnten. Nur ist es so, daß wir
noch nicht alle Naturgesetze kennen. Außerdem ist es auch nicht denkbar, daß Wunder allgemeine
Naturgestze etwa durchbrechen oder außer Kraft setzen könnten. In dem Augenblick, in dem ein ver-
meintliches Naturgesetz durchbrochen würde, hätte sich herausgestellt, daß es gar kein Gesetz, son-
dern bestenfalls eine Regel war.
Weiterhin ist es als sicher anzusehen, daß Wunder nicht in jedem Fall von Gott unmittelbar, d. h. in
eigener Person, ausgeführt worden sind oder werden. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, daß jenseiti-
ge Wesenheiten, gegebenenfalls unterschiedlicher Herkunft, an solchen Vorgängen beteiligt sind.
Wenn in dem erwähnten Lexikon Christlicher Religion die Auffassung vertreten wird (87, S. 343):
"Die Kirche behält sich das letzte entscheidende Urteil über ein Wunder vor, nicht weil sie sich -
menschlich gesprochen - klüger dünkt als alle Wissenschaftler, sondern weil sie sich in ihrer Leh-
re, Glauben und Sitte betreffend, durch den Beistand des Heiligen Geistes vor jedem Irrtum
bewahrt wissen darf,…"
so muß man dazu heutzutage erhebliche Bedenken anmelden, da mittlerweile auch höchste Kirchen-
fürsten zugeben, daß die (katholische) Kirche mehrfach Irrtümern unterlegen ist. Bekannteste Beispie-
le sind die Fälle von Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß unter einem Wunder ein Vorgang verstanden werden soll, der
relativ selten auftritt, so daß er außerhalb unserer üblichen Erfahrung liegt, der mit den uns zur Zeit
bekannten Naturgesetzen nicht erklärt werden kann und der damit zu tun hat, daß es neben unserer
grobmateriellen Welt auch noch eine anders geartete, feinstoffliche Welt gibt. In ihr haben Gott und
Christus und andere Geistwesen ihren Sitz. In sie treten auch wir nach unserem Tod ein. Dem For-
scher ist zugleich die Aufgabe gestellt, die noch unbekannten Naturgesetze zu erforschen.
Eine vergleichbare Auffassung vertritt bereits der Kirchenvater Augustinus. Um das Jahr 420 n. Chr.
schreibt er in seinem Buch über den Gottesstaat (De civitate Dei, lib. XXI, cap. 8):
"Das Wunder geschieht nicht im Gegensatz zur Natur, sondern im Gegensatz zu dem, was uns von
der Natur bekannt ist."
Wörtlich:
"Portentum ergo fit, non contra naturam sed contra quam est nota natura."
Besonderen Anstoß erregen seit der "Aufklärung" im 18. Jahrhundert bis zum heutigen Tag die
Berichte über die "Auferstehung" Jesu Christi. Dieser war nach dem Todesurteil des Pontius Pilatus
am Freitag vormittag des Passahfestes, wahrscheinlich im Jahr 30, 33 oder 34 n. Chr., gekreuzigt wor-
den. Am Nachmittag trat der Tod ein. Zur Bestätigung des Todes stieß ihm ein Soldat des römischen
Hinrichtungskommandos (nach der Legende der Hauptmann Longinus) seinen Speer in die Seite (Joh.
19,34). Aus der fehlenden Körperreaktion und der Art der austretenden serösen Flüssigkeit und des
Blutes schloß man auf den eingetretenen Tod. Der Jude Joseph von Arimathia erhielt auf seine Bitte
von Pilatus die Erlaubnis, den Leichnam abzunehmen und zu bestatten. Dazu wurde er in ein großes
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leinenes Leichentuch gewickelt und in einem Felsengrab des Joseph von Arimathia beigesetzt. Vor die
Öffnung der Grabeshöhle wurde nach Landessitte ein großer Verschlußstein gewälzt.
Als im Morgengrauen des Ostersonntags Maria Magdalena, eine treue Anhängerin Jesu, das Grab
aufsuchte (Joh. 20,1), fand sie es geöffnet und leer. Sofort kehrte sie um und berichtete es den Jüngern
Simon Petrus und Johannes. Zu dritt begaben sie sich zum Grab zurück, und die beiden Jünger unter-
suchten es eingehend. Der Leichnam war fort, aber das Leichentuch, die leinenen Binden und das
Schweißtuch lagen zusammengefaltet in der Grabeshöhle. Die beiden Jünger gingen wieder nach Hau-
se. Maria Magdalena aber blieb noch weinend vor dem Grab stehen. Erneut schaute sie in die Höhle
hinein. Da sah sie dort zwei weißgewandete Gestalten sitzen, die der Evangelist als Engel
bezeichnet. Maria wurde von ihnen angesprochen (Joh. 20,13):
"'Frau, warum weinst du?' Sie antwortete ihnen: 'Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich
weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.' Nach diesen Worten wandte sie sich um und sah Jesus da-
stehen, wußte aber nicht, daß es Jesus war. Da sagte Jesus zu ihr: 'Frau, warum weinst du? Wen
suchst du?' Sie hielt ihn für den Hüter des Gartens und sagte zu ihm: 'Herr, wenn du ihn weggetra-
gen hast, so sage mir doch, wohin du ihn gebracht hast; dann will ich ihn wiederholen.' Jesus sagte
zu ihr: 'Maria!' Da wandte sie sich um und sagte auf hebräisch (= aramäisch) zu ihm: 'Rabbuni!'
das heißt 'Meister'. Jesus sagte zu ihr: 'Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht zum Vater
aufgefahren! Gehe aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: 'Ich fahre auf zu meinem Vater und
eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.' Da ging Maria Magdalena hin und verkündigte den
Jüngern, sie habe den Herrn gesehen und er habe dies zu ihr gesagt."
Es blieb nicht die einzige sichtbare Erscheinung Christi nach seiner Kreuzigung. Am Abend desselben
Tages hatten sich seine Jünger in Jerusalem ängstlich in ein Haus bei verschlossenen Türen zurückge-
zogen. Plötzlich trat Christus mitten unter sie und zeigte seine Wunden an den Füßen, Händen und die
Stichwunde in der Seite. Er wies darauf hin, daß er nicht irgendein Gespenst sei, sondern (Luk. 24,40)
über normales Fleisch und normale Knochen verfüge. Ja, er aß sogar ein Stück Fisch vor ihren Augen.
Eine Woche später trat Christus bei ähnlicher Gelegenheit bei verschlossenen Türen wiederum in den
Kreis seiner Jünger. Diesmal ließ er sich sogar anfassen, und der ungläubige Thomas konnte seine
Hand in die Seitenwunde legen (Joh. 20,27). Rund 20 Jahre nach Christi Tod (wahrscheinl. 54 oder 55 n. Chr.)
berichtet der Apostel Paulus in einem Brief an die Korinter (1. Kor. 15,5), daß der Herr Jesus Christus
u. a. mehr als 500 Brüdern auf einmal erschienen sei, von denen damals noch einige lebten.
Über 40 Tage hinweg zeigte sich Christus seinen Jüngern bei den verschiedensten Gelegenheiten, um
ihnen Mut zu machen und zu bezeugen, daß der Kreuzigungstod ihn nicht ausgelöscht hatte. Zuletzt
führte er seine Jünger aus Jerusalem hinaus in die Nähe von Bethanien, ein Dorf, 2,5 km von Jerusa-
lem entfernt, in dem er zu irdischen Lebzeiten öfter geweilt hatte (Luk. 24,50). Dort gab er ihnen seine
letzten Ermahnungen und seinen Missionsauftrag (Mark. 16,15):
"Geht hin in alle Welt und verkündigt die Heilsbotschaft der ganzen Schöpfung! Wer da gläubig
geworden ist und sich hat taufen lassen, wird gerettet werden; wer aber ungläubig geblieben ist,
wird verurteilt werden. Denen aber, die zum Glauben gekommen sind, werden diese Wunderzei-
chen folgen: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, wer-
den Schlangen aufheben und, wenn sie etwas Todbringendes trinken, wird es ihnen nicht schaden;
Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden gesund werden."
Im Anschluß daran verschwand Christus vor den Augen seiner Jünger in einer Wolke, also einem
nebelhaften Gebilde, das nach oben entwich. Die Bibel drückt es so aus (Apg. 1,9):
"Nach diesen Worten wurde er vor ihren Augen emporgehoben: eine Wolke nahm ihn auf und ent-
zog ihn ihren Blicken."
Danach erschien Christus etwa drei bis vier Jahre später noch einmal einem Juden namens Saulus
(dem späteren Apostel Paulus) auf dem Wege nach Damaskus. Dieser wollte die dortigen Christen
verfolgen und hatte kurz vor seinem Ziel plötzlich eine sehr helle Lichterscheinung. Sie ließ ihn zu
Boden stürzen und blendete ihn so, daß er drei Tage nichts sehen konnte. Außerdem hörte Saulus eine
Stimme, die rief (Apg. 9,4):
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"'Saul, Saul! was verfolgst du mich?' Er fragte: 'Wer bist du, Herr?' Jener antwortete: 'Ich bin
Jesus, den du verfolgst! Doch stehe auf und geh in die Stadt hinein; dort wird dir gesagt werden,
was du tun solltst!' Die Männer aber, die ihn auf der Reise begleiteten, standen sprachlos da; denn
sie hörten wohl die Stimme, sahen aber niemand."
Alle diese Begebenheiten erschienen in der Neuzeit vielen Menschen (insbesondere den Gegnern des
Christentums, aber nicht nur ihnen) so unglaubwürdig und phantastisch, daß sie diese einfach leugne-
ten, sie für nicht existent erklärten. Daß ein Mensch nach seinem Tode leibhaftig wiederkehren könnte,
erschien einfach undenkbar, in gleicher Weise wie die ganzen Wundergeschichten. Die einfachste
Lösung war, die Person Jesu Christi zur Sagengestalt zu erklären. Er war die Erfindung irgendeiner
Sekte, hatte aber in Wirklichkeit nie existiert. Als Begründung diente, daß die Person Christi unmittel-
bar in der zeitgenössischen römischen und griechischen Geschichtsschreibung nicht oder nur spärlich
auftaucht. Wie sollte sie auch? Er war ein außerhalb Palästinas unbekannter Wanderprediger mit einer
unbedeutenden Anhängerschar. Erst als seine Anhänger nach seinem Tode zahlenmäßig stark anwuch-
sen und zum politischen Faktor wurden, nahmen auch Staat und Geschichtsschreibung vom Christen-
tum Kenntnis.
Doch ein bedeutender (nicht-christlicher) Geschichtsschreiber berichtete schon sehr früh über die Per-
son Christi. Es handelt sich um Flavius Josephus, der im Jahre 37 n. Chr. als Sohn des jüdischen
Priesters Matthias geboren wurde. Er war zunächst selbst pharisäischer Priester, wurde dann nach dem
jüdischen Aufstand des Jahres 66 n. Chr. im folgenden Jahr Statthalter in Galiläa. Als Truppenkom-
mandeur verteidigte er die Festung Jotapata gegen die Römer. Bei ihrer Eroberung geriet er in römi-
sche Gefangenschaft, erlangte aber bald die Gunst des römischen Befehlshabers und späteren Kaisers
Vespasian. Im Jahre 70 übersiedelte er nach Rom und betätigte sich dort als historischer Schriftsteller.
Unter anderem verfaßte er das Werk "Antiquitates Judaicae"
(48), das um
94 n. Chr.
erschien. Es behandelt die Geschichte der Juden von der Weltschöpfung bis zum Jahre 66 n. Chr.
(Beginn des jüdischen Aufstandes, über den er ein gesondertes Werk verfaßt hat). In diesem Buch schreibt Flavius Josephus,
der Nichtchrist, im dritten Kapitel der 18. Buches bei der Behandlung des Aufruhrs der Juden gegen
Pontius Pilatus, den römischer Statthalter in Judäa von 26 - 36 n. Chr., (48, S. 515):
"Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mensch, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen
darf. Er war nämlich der Vollbringer ganz unglaublicher Taten und der Lehrer aller Menschen, die
mit Freuden die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch viele Heiden an sich. Er war
der Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreu-
zestod verurteilte, wurden doch seine früheren Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien ihnen
am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten dies und tausend andere wunderbare
Dinge von ihm vorherverkündigt hatten. Und noch bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der
Christen, die sich nach ihm nennen, fort."
Diese Zeilen wurden geschrieben, als die Christen noch keine politische Bedeutung erlangt hatten.
Wenn man nun die historische Existenz der Person Jesu Christi nicht abstreiten wollte, war die nächs-
te einfache Annahme, daß er gar nicht am Kreuz gestorben war. Man hatte ihn bewußtlos vom Kreuz
abgenommen, zum Schein in ein Grab gelegt, von dort heimlich entfernt, und dann gesund gepflegt.
Da Christus der jüdischen Sekte der Essäer oder Essener angehört habe, in deren Reihen sich beson-
ders viele kundige Ärzte befunden hätten, sei es für diese keine Schwierigkeit gewesen, Christus am
Leben zu erhalten.
Der Schriftsteller und Journalist Otto von Corvin (1812 - 1886), bekannt geworden durch seinen anti-
klerikalen "Pfaffenspiegel" (1845), drückt das in seiner "Illustrierten Weltgeschichte für das Volk"
(1880), Bd. II, S. 472, folgendermaßen aus:
"Jesus wurde (von Nikodemus und Joseph von Arimathia) vom Kreuz genommen und sein Körper ohne
weiteres seinen Freunden überlassen. Die Erwartungen derselben erfüllten sich. Unter kundigen
Händen und sorgsamer Behandlung erwachte Jesus aus seiner tiefen Ohnmacht. Er ist, wie auch
die in den Evangelien enthaltene Tradition bestätigt, nach seiner Kreuzigung noch mehrmals gese-
hen worden. Daß über alle Vorfälle nach derselben das tiefste Geheimnis beobachtet werden muß-
te, liegt in der Natur der Sache. Man will indessen in Alexandrien ein Manuskript gefunden haben,
in welchem von den bei der Rettung Jesu beteiligen Essäern Bericht abgestattet ist und in welchem
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zugleich auch weitere Nachrichten über den Ausgang des großen Reformators enthalten sind. In
dieser Schrift ist der Versuch gemacht, die Erzählung der Essäer mit der in den Evangelien in Ein-
klang zu bringen, und daraus geht hervor, daß sie erst im zweiten Jahrhundert mit Benutzung der
essäischen Archive geschrieben sein kann.
Dieses Bestreben, den Inhalt der Schrift mit den Evangelien in Übereinstimmung zu bringen, ist
zwar leicht erklärlich, allein es beeinträchtigt den historischen Wert derselben, obwohl sie im übri-
gen den Anschein der Glaubwürdigkeit trägt. Da die in den Evangelien erzählte Himmelfahrt dem
Geschichtsschreiber wertlos erscheint und andere Nachrichten über das Schicksal Jesu nach seiner
Kreuzigung nicht vorhanden sind, so geben wir in der Kürze die in dem angeblich essäischen Ma-
nuskript enthaltenen wieder:
Unter der sorgsamsten Pflege erholte sich Jeus bald von seiner großen Erschöpfung so weit, daß er
die Reise nach Galiläa antreten konnte, wo er mehr in Sicherheit war als in der Nähe von Jerusa-
lem. Hier predigte er dem Volke und lehrte auch seinen Jüngern die Kenntnisse, die er selber von
den Therapeuten sich angeeignet hatte; so u. a.: Krankheiten zu heilen, die Wirkungen von Pflan-
zen und Salzen zu erkennen, Tiere unschädlich zu machen, Gifte zu überwinden und dergleichen
weiter. Die Jünger und das Volk, das mit ihnen gekommen war, blieben viele Tage in der Gegend,
und Jesus belehrte sie, wie sie leben und die Lehre von dem Gottesreich in seinem Namen verbrei-
ten sollten."
Corvin berichtet weiter, daß Jesus, um Nachstellungen des Hohen Rates in Jerusalem zu entgehen,
sich in die Nähe des Toten Meeres zurückgezogen habe, wo er sehr schwach und krank angekommen
sei. Dort sei er dann bald an den Nachwirkungen der Kreuzigung sanft entschlafen. Nikodemus aber
habe Stillschweigen über seines Freundes Tod befohlen gegenüber allen, die nicht im obersten Rat der
Brüderschaft arbeiteten.
Dieses angeblich essäische Manuskript ist in deutscher Übersetzung erstmals 1847 veröffentlicht wor-
den, also zu einer Zeit, als sich die "Aufklärung" voll durchgesetzt hatte und große Teile intellek-
tueller Bevölkerungskreise und sogar schon einige Theologen an eine Auferstehung Christi nach sei-
nem irdischen Tod nicht mehr glauben wollten. Dieser lange Text ist auch heute im Buchhandel unter
dem Titel "Wer war Jesus? Der Essäer Brief" (Drei Eichen Verlag, München) erhältlich. Er ist angeb-
lich von einem anonymen Oberen der Essäer, der Augenzeuge der Kreuzigung Christi gewesen sein
will, an die Gemeinde in Alexandrien geschrieben worden. In diesem "Brief" wird behauptet, daß
Christus schon als Kind der heiligen Brüderschaft der Essäer übergeben worden sei. Sein gesamter
Lebenslauf wird von den Evangelien ausgehend so umgedichtet, daß er dem Rationalismus des
19. Jahrhunderts entspricht und ohne Wunder, Gottessohnschaft und Auferstehung nach dem Tode
auskommt. Um das irdische, materielle Überleben der Kreuzigung überhaupt plausibel zu machen,
wird behauptet, daß Christus an den Füßen gar nicht angenagelt gewesen und der Lanzenstich nur
ganz oberflächlich ausgeführt worden sei. Über den Verbleib des angeblich lateinisch geschriebenen
Originals des "Briefes" wird eine phantastische Geschichte ohne nachprüfbare Angaben erzählt. Ein
Autor der deutschen Übersetzung wird nicht genannt. An der ganzen Aufmachung des "Essäerbrie-
fes", dessen "Urfassung" nicht einmal aramäisch gewesen sein soll, kann ich nur eine neuzeitliche
Zweckfälschung erkennen, die der "Aufklärung" des 19ten Jahrhunderts entsprach. In dem Vorwort
der Ausgabe von 1906 heißt es daher:
"Mag die Schrift, diese alte Schrift, echt oder unecht sein, wir sprechen derselben für alle Fälle ei-
ne große Bedeutung zu, weil sie uns einen Leitfaden an die Hand gibt, wie wir, auch ohne Wunder
und orientalisch-jüdische Tradition, ohne die Übernatürlichkeiten der Evangelienschrei-ber, eine
klare, unserer Erkenntnis der Welt und unseren inneren Bedürfnissen entsprechende
Darstellung der wichtigsten Momente aus dem Leben Jesu aufzufassen haben. Man sieht die Er-
eignisse ganz so, wie man sie als aufgeklärter Mensch sich zu denken gedrungen fühlt. Man hat
hier eine Geschichte Jesu, in welcher alle evangelischen Begebenheiten mit ihren Wundern sich
natürlich auflösen. Es fügt sich alles von selbst."
Kann man den Zweck dieses "Briefes" noch deutlicher ausdrücken?
Aber selbst wenn Christus bei der Kreuzabnahme tatsächlich noch nicht tot, sondern nur ohnmächtig
gewesen sein sollte, ist es für mich völlig undenkbar, daß er bei dem damaligen Stand der medizini-
schen Versorgung die schweren Verletzungen der Kreuzigung nach der vorangegangenen Dornenkrö-
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nung und Geißelung überlebt haben könnte. Nicht einmal sein Kreuz konnte er zur Hinrichtungsstelle
tragen. Zudem gab es damals weder Intensivstationen noch Antibiotika. Aseptisch ist die Hinrichtung
bestimmt auch nicht verlaufen. Und dann sollte er zwei Tage oder wenige Tage nach der Kreuzab-
nahme schon wieder herumgelaufen sein, als wenn nichts gewesen wäre? Das ist für mich völlig
undenkbar. Ich bewerte diese Hypothese nur als neuzeitliche Zweckkonstruktion, um das ganze Wun-
dergeschehen und die Gottessohnschaft Christi aus der Welt schaffen zu können.
Der Essäerbrief läßt Christus wenigstens noch an den Verletzungsfolgen einige Zeit später am Toten
Meer sterben. Moderne Autoren gehen aber mehrere Schritte weiter. Unter Zitierung ähnlich obskurer
Schriften wie bei Corvin behaupten sie, daß Christus einige Zeit nach seiner Kreuzabnahme mit eini-
gen Jüngern und seiner Mutter Maria nach Indien ausgewandert sei. Dort habe er unter dem Namen
Yuz Asaf gelebt und sei mit über 80 Jahren in Srinagar in Kaschmir gestorben. Sein Grab bestehe heu-
te noch. Tausende von frommen Gläubigen, Moslems, Hindus, Buddhisten und Christen, pilgerten
jährlich zu diesem Grab. Es habe dort den Namen "das Grab Hazrat Isa Sahibs", das "Grab des Herrn
Jesus" (55, S. 198)10. Wenn dieser angebliche Yuz Asaf wirklich der gekreuzigte Jesus Christus gewe-
sen sein sollte, wären die ganzen Evangelienberichte, die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe
weitgehend Lügengeschichten. Mit dieser Anschauung und auch der Auffassung des Otto von Corvin
wäre die christliche Lehre aus den Angeln gehoben. Dann wäre Christus nur ein gewöhnlicher Mensch
gewesen, ein Wanderprediger unter vielen. Von irgendeiner Erlösungstat könnte überhaupt keine Rede
sein. Vieles von dem, was ich hier in diesem Buch geschrieben habe, wäre Unsinn.
Wie aber ist meine Deutung des Kreuzigungsgeschehens? Christus ist, wie in den Evangelien be-
richtet, am Kreuz gestorben, als Leichnam abgenommen und in dem Grab des Joseph von Arimathia
beigesetzt worden. Wie bei jedem anderen sterbenden Menschen auch, trennte sich beim Tod Christi
sein "Geistleib" oder "Astralleib" vom materiellen, irdischen Körper11. Als Geist begab er sich als
Anführer der himmlischen Heerscharen, wie auf S. 80 beschrieben, in das Reich Luzifers, um mit ihm
den Kampf aufzunehmen. Im christlichen Glaubensbekenntnis heißt es dazu im zweiten Artikel: "ge-
kreuzigt, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle." In der neuen Fassung heißt es: "hinabge-
stiegen in das Reich des Todes."
Was Christus aber dort von Freitag bis Sonntag gemacht hat, und warum er überhaupt in die Hölle
hinabgestiegen ist, darüber schweigen sich die Evangelien, die Glaubensartikel, die Religionsbücher
und die Geistlichen auf den Kanzeln aus. Erst Johannes Greber erhielt durch seinen belehrenden
Engel (29, S. 348) eine plausible Erklärung, die ich auf S. 80 dargestellt habe.
Nach seinem Kampf gegen Luzifer war es Christi Aufgabe, seine verlassenen Jünger aufzurichten,
ihnen Trost zu spenden, Mut einzuflößen, und vor allem zu zeigen, daß er noch vorhanden war, aufer-
standen von den Toten, den Gefolgsleuten Luzifers, wie er es ihnen vorhergesagt hatte. Aus diesem
Grund erschien er ihnen leiblich oder fast leiblich. Es war aber nicht sein materieller Leichnam, der
vorübergehend wiederbelebt wurde, wie man annehmen könnte, weil das Grab ja leer war. Dieser war,
wie Pfarrer Greber belehrt wurde, sofort von der Geisterwelt Gottes aufgelöst worden (29, S. 384),
aber nicht durch natürliche Verwesung, sondern durch "Dematerialisation", wie es auch bei der Entrü-
ckung Henochs (1. Mose 5,24) und Elias (2. Kön. 2,11) der Fall gewesen sei. Diese schnelle Beseiti-
gung des Körpers Christi erfolgte, um jedem etwaigen Mißbrauch vorzubeugen. Denken Sie z. B.
daran, was mit den Gebeinen von "Heiligen" alles geschehen ist und geschieht. Kirchen und Klöster
raubten sie sich manchmal gegenseitig, um in den Genuß ihrer "Wunderwirkung" zu gelangen.
10 In diesem Werk wird der Apostel Paulus als asthenischer Neurotiker, Psychopath und Homosexueller charakterisiert (55, .S.
170), der einen Rückfall in die Vorstellungswelt der semitischen Primitivreligion der Vorzeit vollzog (55, S. 29). Der Prophet
Mose wird zum Sprengstoffexperten eines rachsüchtigen Feuergottes erklärt (55, S. 47), der mit verzehrendem Feuer seine
unbotmäßigen Untertanen disziplinierte.
11 Siehe dazu das Kapitel "Der Vorgang. des irdischen Todes aus parapsychologischer Sicht" in dem Buch "Der Tod, die
Brücke zu neuem Leben" (80).
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Die körperliche Erscheinung Christi vom Ostersonntag bis zum Himmelfahrtstag war eine jeweils
vorübergehende "Materialisierung" seines Geistleibes (29, S. 386), eine Vollmaterialisation, wie sie
auch bei anderen verstorbenen Menschen im Zusammenwirken mit sogenannten "Mate-
rialisationsmedien" oftmals beobachtet worden ist. In den Büchern "Der Tod, die Brücke zu neuem
Leben" (80) und "Zeugnis für die jenseitige Welt" (81) habe ich eine Vielzahl solcher Vorkommnisse
dargestellt, zusammen mit zahlreichen Photos dieser sogenannten Phantome. Sie konnten halbausge-
bildet, halbmaterialisiert, noch teilweise durchsichtig sein, oder vollausgebildet, vollmaterialisiert, mit
nachprüfbarer Atmung und Herzschlag. Auch die Nahrungsaufnahme von solchen Phantomen wurde
beobachtet, ebenso die Auflösung (Dematerialisaton) zu einer oft nebelhaften, bald verschwindenden
Struktur. Vollphantome traten bei Medien nicht nur bei gedämpfter Beleuchtung auf, sondern bei dem
bedeutenden brasilianischen Materialisationsmedium Carlos Mirabelli (1889 - 1951) auch bei vollem
Tageslicht in Erscheinung. Wenn Christus sich am Ostersonntag vor seinem Grab von Maria Magda-
lena noch nicht anfassen lassen wollte, so deutet das darauf hin, daß seine Gestalt in diesem
Augenblick zwar sichtbar, aber materiell nicht voll ausgebildet, sondern nur halbmaterialisiert war. Er
wollte Maria den Schreck ersparen, durch seine Gestalt hindurchzugreifen. Als Christus bei späteren
Gelegenheiten vollmaterialisiert war, konnte er sich auch anfassen lassen. Durch vorübergehende
Materialisation und Dematerialisation war es ihm möglich, in verschlossenen Räumen zu erscheinen
und auch wieder zu verschwinden, ohne die Tür benutzen zu müssen.
Vom Standpunkt der experimentellen und der beobachtenden Parapsychologie aus gesehen, gibt es
überhaupt keine Veranlassung, das außerordentliche und wunderbare Geschehen beim und nach dem
Tode Christi, sowie alle anderen "Wunderberichte", grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Gewiß können
wir heute nicht beweisen, daß alles genau so abgelaufen ist, wie es in der Bibel beschrieben wurde.
Manches mag ungenau geschildert und bei der mündlichen Weitergabe auch übertrieben worden sein.
Aber vom Prinzip her können die Ereignisse so, oder so ähnlich, wie sie beschrieben sind, abgelaufen
sein.
Darüber, was man nun konkret unter "Auferstehung von den Toten" zu verstehen hat, wurde der
Pfarrer Greber von seinem Engel folgendermaßen belehrt (29, S. 383):
"Die Auferstehung von den Toten besteht also darin, daß die im Reiche der geistig Toten weilen-
den Geister sich in Reue wieder zum Reiche Gottes erheben. Sie kehren als frühere Deserteure
wieder in die alte Heimat zurück. Daß sie zurückkehren können und von dem Fürsten des gott-
feindlichen Reiches - Luzifer - nicht mehr mit Gewalt festgehalten werden, haben sie dem Erlöser
zu verdanken. Dieser hat durch seinen Sieg über den Fürsten des Totenreiches die Freigabe derer
erzwungen, die ihren Abfall bereuen und zu Gott zurückkehren möchten. Er selbst war der erste,
der zu den Toten der Hölle hinabgestiegen war, ohne selbst zu den von Gott Abgefallenen zu ge-
hören. Er war auch der erste, der aus der Hölle zum Himmmel aufstieg. Vorher war dies keinem
Geiste der Tiefe möglich. Wer einmal in der Hölle war, konnte nicht mehr zur Höhe. Die Rück-
kehr Christi aus der Hölle war die erste 'Auferstehung von den Toten'
'Die Auferstehung von den Toten' hat also nicht das Geringste mit einer Wiedererweckung der ir-
dischen Leiber zu tun. Eine 'Auferstehung des Fleisches', wie es in den christlichen Glaubensbe-
kenntnissen heißt, gibt es nicht. Darin stand in den ersten christlichen Jahrhunderten auch nicht
'Auferstehung des Fleisches', sondern 'Auferstehung der Toten'. Dieser Ausdruck bedeutet nichts
anderes als die tröstliche Wahrheit, daß alle geistig Toten, einschließlich Luzifer, wieder zu Gott
zurückkehren werden. Später hat man diese Worte geändert, als man die falsche Lehre einführte,
daß die irdischen Leiber der Verstorbenen wieder lebendig würden, während doch Paulus die rich-
tige Lehre in den Worten wiedergibt (1. Kor. 15,44): 'Es wird gesät ein natürlicher Leib, aufer-
weckt ein geistiger Leib.' ...
Die Christen von heute denken sich unter 'Auferstehung von den Toten' eine Wiederherstellung
des irdischen Leibes. Und die Auferstehung Christi am Ostersonntag ist ihnen die Wiedervereini-
gung seines Geistes mit dem Körper, der drei Tage im Grabe gelegen hatte. Das alles sind große
Irrtümer. Denn die Auferstehung Christi von den Toten ist - um dies noch einmal zu wiederholen -
nur seine Rückkehr aus dem Reiche der geistig Toten, eine Rückkehr aus der Hölle, in die er als
Geist hinabgestiegen war. Das apostolische Glaubensbekenntnis drückt das richtig in den Worten
aus: 'Abgestiegen zu der Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten.' Klarer wür-
den die Worte lauten: 'Abgestiegen zu den Toten, am dritten Tage wieder zurückgekehrt von den
Toten.'
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Die Bezeichnung 'Auferstehung von den Toten' wirkt deshalb so verwirrend auf euch, weil ihr bei
dem Wort 'Tod' nur an das irdische Sterben und bei dem Wort 'Tote' nur an Leichen, Gräber und
Kirchhöfe zu denken gewohnt seid. Ihr beachtet nicht den Sprachgebrauch der Bibel, wonach das
Wort 'Tod' die Trennung von Gott bezeichnet und unter 'Toten' die von Gott Getrennten zu verste-
hen sind."
Die "Entmythologisierung"
Unsere heutigen Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften, haben uns in den letzten
Jahrhunderten, besonders aber in den letzten Jahrzehnten, sehr bedeutsame Erkenntnisse über unser
Universum, unsere Erde, unsere Umwelt und unseren menschlichen Körper geliefert. Zu dieser starken
Erweiterung unserer Kenntnisse haben besonders die Forschungen in der Physik beigetragen, das heißt
in der Lehre von den Vorgängen der unbelebten Natur. Es ist aber das Wesen und die Aufgabe der
Physik als der Grundwissenschaft aller anderen Naturwissenschaften, die von ihr beobachteten Vor-
gänge mathematisch zu formulieren und mathematische Gesetze aufzustellen, aus denen gegenwärti-
ges, vergangenes und vor allem zukünftiges Geschehen vorhersagbar und berechenbar wird. Die Phy-
sik konnte im Verlauf ihrer Entwicklung erst dann nennenswerte Fortschritte machen, als es gelang,
die ersten einfachen mathematisch formulierten Gesetze aufzustellen. Eingeleitet wurde diese Ent-
wicklung durch den italienischen Astronomen Galileo Galilei (1564 - 1642) und den deutschen Astro-
nomen Johannes Kepler (1571 - 1631).
Die Physik ist eine reine Erfahrungswissenschaft, zunächst der unbelebten Natur, deren Grundlage
Beobachtungen und Messungen sind. Die Ergebnisse der Messungen werden dann, wenn möglich, in
mathematisch formulierten Beziehungen wiedergegeben. Mit diesem Rüstzeug hat die Wissenschaft
der Physik im Verlauf der letzten 300 Jahre sehr große Erfolge errungen. Sie haben uns erkennen las-
sen, wie Naturvorgänge ablaufen. Die Physik ist dadurch heute nicht nur die Grundlagenwissenschaft
der unbelebten Natur und die Wegbereiterin der Technik geworden, sondern sie wird in zunehmendem
Maße auch zur Grundlagenwissenschaft der belebten Natur, der Physiologie, Neurologie, Bionik usw.
Diese Erfolge in der Wissenschaft der Physik haben bereits im vorletzten und im vorigen Jahrhundert
Nichtphysiker dazu veranlaßt, in unzulässiger Weise Folgerungen auf nichtphysikalischem Gebiet zu
ziehen, z. B. in der Philosophie und in der Theologie. Es entstand das philosophische Gedankengebäu-
de des "Materialismus". Dieser wurde von dem führenden Philosophen der deutschen Aufklärung
Prof. Christian Wolff (1679 - 1754) folgendermaßen definiert: Materialisten werden Philosophen ge-
nannt, die nur die Existenz von materiellen Dingen oder Körpern zugeben. Wolff verlor wegen seiner
Lehren auf Betreiben der Pietisten, die ihn als Religionsfeind ansahen, zeitweise seinen Lehrstuhl in
Halle. Jedoch wurde er 1740 von König Friedrich II. von Preußen wieder in sein Lehramt in Halle
eingesetzt. Um 1750 wurden die Anschauungen Wolffs an fast allen Lehrstühlen für Philosophie in
Deutschland vertreten. Ebenfalls verbreitete sie im vorigen Jahrhundert der deutsche Arzt Ludwig
Büchner (1824 - 1899). Seine ab 1855 in unzähligen Auflagen veröffentlichte Schrift "Kraft und Stoff"
stellte die populäre Materialistenfibel dieser Zeit dar.
Die von den Erfolgen in der Physik verursachte Aufklärung, die auf dem Materialismus fußte, griff
auch auf die Theologie über. Von der Aufklärung sagte der evangelische Prof. für Neues Testament
Hans Conzelmann (1916 - 1989) im Jahre 1963 in einer Arbeit "Entmythologisierung":
"Die Aufklärung, die den bedeutsamsten Einschnitt zwischen Reformation und Gegenwart bildet,
legt an die Bibel bewußt und umfassend den Maßstab der Vernunft an. Was diesem nicht ent-
spricht, wird preisgegeben, so der Glaube an Wunder, der sich nicht mit der modernen Erkenntnis
der Naturgesetze verträgt. Was übrig bleibt, ist ein Kern von 'vernünftigen' religiösen und
sittlichen Grundsätzen, die bis heute die Weltanschauung des gebildeten Bügertums ausmachen.
Zwischen überlieferter christlicher Lehre und modernem Erkennen ist es zur Spaltung gekommen.
Der offene Kampf brach im neunzehnten Jahrhundert infolge der Entwicklung der Naturwissen-
schaften aus. Physik, Astronomie, Geologie und Biologie entwarfen ein Bild vom Aufbau des
Weltalls, von der Entstehung der Erde und des Menschen, das mit dem Bericht von der Schöpfung
- 107 -
am Anfang der Bibel schlechterdings nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Es
entspann sich das Ringen zwischen Christentum und Naturwissenschaft, das vom Christentum auf
der ganzen Linie verloren wurde."
So weit der Bericht von Prof. Conzelmann, wobei zu bemerken ist, daß er nicht seine eigene Auffas-
sung wiedergibt, sondern nur den geschichtlichen Ablauf beschreibt.
Anschauungen vorstehender Art vertrat im vorigen Jahrhundert bereits der evangelische Theologe
David Friedrich Strauß (1808 - 1874). Er veröffentlichte 1835 als junger Repetent (ab 1832) an der
Universität in Tübingen sein Werk "Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet". Gleich in der Einleitung
schreibt er:
"Wir können summarisch alle Wunder, Prophezeiungen, Erzählungen von Engeln, Dämonen und
dergleichen als einfach unmöglich und als mit den bekannten und universalen Gesetzen, welche
den Lauf dieser Ereignisse lenken, unversöhnlich verwerfen."
In einem späteren Werk "Der alte und der neue Glaube" (1872) schreibt er (90, S. 24):
"Der Rationalismus ist ein Kompromiß zwischen dem alten Kirchenglauben und dem schlechthin
negativen Ergebnis seiner Prüfung durch die neue Aufklärung."
Christus war für Strauß natürlich nicht der Sohn Gottes. Er schätzt ihn folgendermaßen ein (90, S. 273):
"Es fällt mir nicht ein, zu bestreiten, daß Jesus ein vorzüglicher Mensch gewesen; was ich behaup-
te, ist nur dies: nicht um dessen willen, was er war, sondern um dessen willen, was er nicht war,
nicht um des Wahren willen, das er lehrte, sondern um einer Vorhersage willen, die nicht einge-
troffen, also nicht wahr gewesen ist, hat man ihn zum Mittelpunkt einer Kirche, eines Kultus ge-
macht. Nachdem wir erkannt haben, daß er das nicht gewesen, daß das nicht wahr ist, um dessen
willen man ihn dazu gemacht hat, ist für uns der Grund, und, sofern wir wahrhaftig sein wollen,
auch das Recht hinweggefallen, einer solchen Kirche anzugehören."
Strauß erklärte das Christentum zur wahren Humanitätsreligion, das von den zum großen Teil mythi-
schen Berichten der Evangelien zu unterscheiden sei. Er nahm an manchen Lehrmeinungen und Aus-
prägungen Anstoß, die auch für mich nicht hinnehmbar sind, z. B. an dem Bekenntnis von der "Aufer-
stehung des Fleisches" bei der Wiederkehr Christi hier auf dieser Erde. Aber das ist etwas, was
Christus selbst nie behauptet hat, sondern erst eine Erfindung der späteren Kirche ist. Doch Strauß
schüttete zusammen mit berechtigter Kritik in Einzelfällen das ganze Kind mit dem Bade aus, obwohl
er schon von dem aufkommenden Spiritismus Kenntnis hatte und obwohl er den Arzt und Dichter
Justinus Kerner persönlich kannte und mit der Seherin von Prevorst selbst gesprochen hatte. Er glaub-
te nicht an ein Weiterleben nach dem Tode und wunderte sich darüber, "wie ein so gescheiter Mann
wie Kerner solch närrisches Zeug glauben könne (96, S. 120)". Das muß man Strauß sowohl als Tra-
gik als auch als Schuld anrechnen.
Die Äußerungen von David Friedrich Strauß entfachten damals noch einen Sturm der Entrüstung und
kosteten ihn sein kirchliches Lehramt in Tübingen. 100 Jahre später aber wurde ein anderer Theologe
mit ähnlichen Außerungen ein angesehener Mann mit einer großen Schule, der ganze Generationen
von Theologiestudenten geprägt hat. Es handelt sich um den evangelischen Professor für Neues Tes-
tament an der Universität Tübingen Rudolf Bultmann (1884 - 1976). Er entwickelte 1941 in einem
programmatischen Vortrag über "Neues Testament und Mythologie" seine Thesen zur Entmythologi-
sierung. Nach Bultmanns Vorstellung ist das gesamte Weltbild der Bibel "Mythos", d. h. Sage oder
Dichtung, ebenso die Vorstellung von der Durchführung des Heilswerkes Gottes durch Christus, näm-
lich durch Abstieg eines Himmelswesens auf die Erde und durch seinen Wiederaufstieg in den Him-
mel. Nach Bultmanns Auffassung sind diese Vorstellungen an das damalige Weltbild und Denken
gebunden, sind zeitbedingte Einkleidungen des Glaubens, aber nicht der Glaube selbst.
In einer weiteren Arbeit "Neues Testament und Mythologie" (12) aus dem Jahre 1951 erläutert Bult-
mann seine Auffassung noch folgendermaßen (12, S. 16):
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"Welterfahrung und Weltbemächtigung sind in Wissenschaft und Technik so weit entwickelt, daß
kein Mensch im Ernst am neutestamentlichen Weltbild festhalten kann und festhält
Man kann
nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische
und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des
Neuen Testamentes glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar
machen, daß er, wenn er das für die Haltung christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche
Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht."
Mit diesen Anschauungen wurde Bultmann zum Mitschöpfer der sogenannten "modernen Theologie".
Er nahm nicht zur Kenntnis oder wollte nicht zur Kenntnis nehmen, daß die Parapsychologie bereits
zu seinen Lebzeiten ein erdrückendes Beweismaterial dafür geliefert hatte, daß die biblischen Wun-
derberichte sehr wohl auf Tatsachen beruhen können, daß es eine jenseitige Welt gibt, in der sehr wohl
Gott und Christus ihren Sitz haben können. Er meinte, Himmel und Hölle im Sinne einer geometri-
schen Dreistockwerktheorie (Himmel oben, Erde in der Mitte, Hölle unten in der Erde) nur in
unserem materiellen Weltraum suchen zu müssen. Und dort seien sie ja wohl nicht auffmdbar. Er ver-
schwendet aber überhaupt keinen Gedanken daran, daß "Himmel" und "Hölle" vielleicht in einem
ganz anderen Daseinsbereich als unserer grobmateriellen Welt angesiedelt sein könnten, und daß es
dann sehr wohl möglich ist, Radioapparat und technische Hilfsmittel zu benutzen und gleichzeitig an
die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testamentes zu glauben.
Radikale Schüler von Bultmann gingen noch einige Schritte weiter. Sie sagen, man könne nur von
Gott reden, indem man vom Menschen rede, und Jesus Christus sei allein der natürliche und wirkliche
Mensch. Sie zweifeln daran, daß man heute im Ernst noch zu Gott beten könne. Die "Theologie ohne
Gott" wird verkündet und zur Theologie der Mitmenschlichkeit umgestaltet.
Ein ganz radikaler Vertreter dieser Richtung war der Doktor der evangelischen Theologie Joachim
Kahl, der 1968 ein Büchlein mit dem Titel veröffentlichte "Das Elend des Christentums oder Plädoyer
für eine Humanität ohne Gott" (49). Gleich im Vorwort heißt es:
"Hier greift einer, der es wissen muß, das Christentum an: Sein Dogma, seine Moral, seine Ein-
richtungen. Heftig. Manchmal rabiat."
Kahl meint (49, S.19): "Das Neue Testament ist ein Manifest der Unmenschlichkeit, ein groß
angelegter Massenbetrug; es verdummt die Menschen, statt sie über ihre objektiven Interessen auf-
zuklären."
(49, S. 132): "Die These von der Verdummung der Menschen durch das Christentum ist nicht die
freche Lüge einiger platter Freigeister, sondern eine historisch belegbare bittere Tatsache, begrün-
det nicht in dem zufälligen Versagen einer fatal langen Reihe bornierter Päpste und bildungsfeind-
licher Theologen, sondern in dem unversöhnlichen Widerstreit des Glaubens gegen das Denken."
Von Bultmann und seiner Entmythologisierung hält Kahl gar nichts. Die geht ihm nicht weit genug. Er
schreibt (49, S. 104):
"Denn Entmythologisierung ist - wie im folgenden gezeigt werden soll - nichts als eine aktuelle
Spielart dessen, was die Theologen von jeher berufsmäßig trieben: die Manipulation autoritativer
Texte für den gegenwärtigen Gebrauch oder, um ein Wort Franz Overbecks über die 'Kirchen-
schriftstellerei' zu zitieren: die 'organisierte Unehrlichkeit und Zweideutigkeit'."
Und weiter (49, S. 113):
"Die Theologie der Entmythologisierer ist nicht weniger irrational und nicht weniger autoritär als
die Theologie aller Zeiten. Auch sie flüchtet sich in ein blindes Engagement, das sich einer ver-
nunftgemäßen Kontrolle entzieht. Naiv, die Vokabel 'Gott' durch andere, vermeintlich brauchbare-
re Begriffe zu ersetzen: Sein, Liebe, Mitmenschlichkeit, das, was uns unbedingt angeht. Damit
wird die Religiosität verdrängt und verlagert. Der Gottesgedanke sowie seine Surrogate müssen
völlig preisgegeben werden. Erst dann schwätzt man nicht nur von der 'Autonomie der
modernen Menschen'."
Der Fettdruck der Sätze Kahls stammt von mir, um die wesentlichen Punkte der Ausführungen heraus-
zuheben. - Wie sehr solche Gedanken heutzutage in der Öffentlichkeit Anklang finden, zeigt die Tat-
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sache, daß das Büchlein Kahls innerhalb eines Jahres eine Auflage von 75.000 erreichte. Es ent-zieht
sich meiner Kenntnis, wieviele Hunderttausend Exemplare in den Jahren nach 1969 außerdem ver-
kauft wurden.
Die bisher vorgetragenen Meinungen sind Äußerungen- von Theologen, von Nichtphysikern, die von
Physik nur laienhafte Vorstellungen haben. Sie meinen aber, physikalische Erkenntnisse und die da-
rauf aufbauende Aufklärung zur Stützung ihrer philosophischen oder theologischen Theorien heran-
ziehen zu können.
Was aber sagen bedeutende Physiker zu den angesprochenen Problemen?
Zunächst eine Äußerung von Prof. Max Planck (1858 - 1947). Er begründete 1899 die Quantentheorie
und erhielt 1918 den Nobelpreis für Physik. 1938 veröffentlichte er die Schrift "Religion und Natur-
wissenschaft" (72). In ihr schreibt er u. a. (S. 30):
"Wohin und wieweit wir also blicken mögen, zwischen Religion und Naturwissenschaft finden wir
nirgends einen Widerspruch, wohl aber gerade in den entscheidenden Punkten volle Übereinstim-
mung. Religion und Naturwissenschaft - sie schließen sich nicht aus, wie manche heutzutage glau-
ben oder fürchten - sondern sie ergänzen und bedingen einander. Wohl den unmittelbarsten
Beweis für die Verträglichkeit von Religion und Naturwissenschaft auch bei gründlich-kritischer
Betrachtung bildet die historische Tatsache, daß gerade die größten Naturforscher aller Zeiten,
Männer wie Kepler, Newton, Leibniz, von tiefer Religiosität durchdrungen waren. Zu Anfang
unserer Kulturepoche waren die Pfleger der Naturwissenschaft und die Hüter der Religion sogar
durch Personalunion verbunden."
Zum jeweiligen Aufgabenbereich von Naturwissenschaft und Religion sagt Max Planck (72, S. 30):
"Die Naturwissenschaft braucht der Mensch zum Erkennen, die Religion aber braucht er zum
Handeln. Für das Erkennen bilden den einzigen festen Ausgangspunkt die Wahrnehmungen
unserer Sinne; die Voraussetzung einer gesetzlichen Weltordnung dient hier nur als die Vorbe-
dingung zur Formulierung fruchtbarer Fragestellungen. Für das Handeln ist aber dieser Weg nicht
gangbar, weil wir mit unseren Willensentscheidungen nicht warten können, bis die Erkenntnis
vollständig oder bis wir allwissend geworden sind. Denn wir stehen mitten im Leben und müssen
in dessen mannigfachen Anforderungen und Nöten oft sofortige Entschlüsse fassen oder Gesin-
nungen betätigen, zu deren richtiger Ausgestaltung uns keine langwierige Überlegung verhilft,
sondern nur die bestimmte und klare Weisung, die wir aus der unmittelbaren Verbindung mit Gott
gewinnen. Sie allein vermag uns, die innere Festigkeit und den dauernden Seelenfrieden zu ge-
währleisten, den wir als das höchste Lebensgut einschätzen müssen."
Der bedeutende britische Physiker und Astronom Sir Arthur Stanley Eddington (1882 - 1944), Prof.
und Direktor der Sternwarte in Cambridge, schrieb (22, S. 25):
"Die moderne Physik führt uns notwendig zu Gott hin, nicht von ihm fort - keiner der Erfinder des
Atheismus war Naturwissenschaftler. Alle waren sie sehr mittelmäßige Philosophen."
Der von Philosophen erdachte Materialismus wird von dem Prof. für theoretischen Physik an der Uni-
versität Hamburg Pascual Jordan (1902 - 1980), der ein Mitbegründer der Quantenmechanik war,
folgendermaßen beurteilt (46, S. 9):
"Wir dürfen nicht vergessen, daß die (durch den Darvinismus so kraftvoll geförderte) naturwissen-
schaftlich begründete materialistische Philosophie eine der stärksten Mächte im geistigen Kampf
der letzten hundert Jahre gewesen ist, die weithin das allgemeine Denken beeinflussen und
bestimmen konnte. Diese Philosophie, die in der Naturwissenschaft ihr stärkstes Bollwerk sah,
wird heute vom naturwissenschaftlichen Experiment aus widerlegt."
Aber trotz dieser Widerlegung seiner angeblichen naturwissenschaftlichen Grundlagen wirkt der
Materialismus in den Köpfen vieler Menschen und in politischen Heilslehren mit meist atheistischer
Einstellung fort. Weiter schreibt Pascual Jordan (22, S. 27):
- 110 -
"Die moderne Entwicklung hat die früheren Hindernisse einer Harmonie von Naturwissenschaft
und religiöser Weltauffassung beseitigt. Die heutige naturwissenschaftliche Erkenntnis liefert kei-
nen Einwand mehr gegen einen Schöpfergott."
Der Prof. für theoretische Physik an der Universität Zürich Walter Heider (1904 - 1981) bekundet
(36, S. 8):
"Jahrhundertelang hat man Theologie und Naturwissenschaft gegeneinander ausgespielt. Es war
(und bleibt) gänzlich sinnlos, ein Zeugnis menschlicher Engstirnigkeit, und es hat der Menschheit
nicht gutgetan. Heute wird es wohl mehr als je notwendig, darauf hinzuweisen, daß Naturwissen-
schaft keinen Atheismus begründet. Das Gegenteil ist der Fall. Je weiter sie fortschreitet, desto
mehr führt sie zu einem Weg - ich drücke es vorsichtig aus -, der auf etwas Überirdisches, Über-
sinnliches, Göttliches hinweist."
Der britische Physiker in Cambridge Prof. Paul Adrien Maurice Dirac (geb. 1902), Nobelpreis für
Physik 1933, vertritt folgenden Standpunkt (17, S. 53):
"Es scheint ein Grundzug der Natur zu sein, daß physikalische Grundgesetze durch mathematische
Theorien von großer Schönheit und Kraft beschrieben werden, die zu ihrem Verständnis ein
beträchtliches Maß an mathematischer Schulung verlangen. Sie werden sich fragen: Warum ist die
Natur gerade so gebildet? Man kann nur antworten, daß unsere gegenwärtigen Kenntnisse zu zei-
gen scheinen, sie sei so gebaut. Wir müssen das einfach hinnehmen. Vielleicht kann man die
Situation charakterisieren, indem man sagt, Gott sei ein Mathematiker von hohem Rang, und er
habe bei der Konstruktion des Universums sehr hohe Mathematik benutzt. Unsere schwachen ma-
thematischen Bemühungen setzen uns instand, ein Zipfelchen des Universums zu verstehen, und
wir können hoffen, daß es im Zuge einer Weiterentwicklung unserer Mathematik zu einem besse-
ren Verständnis kommen wird."
Der deutsche Physiker und Physikochemiker Prof. Walter Nernst (1864 - 1941), einer der Schöpfer der
physikalischen Chemie und 1920 Empfänger des Nobelpreises für Chemie, schreibt (22, S 19):
"Physik treiben heißt hinter dem Schöpfungsakt Gottes hinterhersehen."
Prof. Ernest Rutherford (1871 - 1937), der britische Physiker und Mitbegründer der modernen Atom-
physik, Nobelpreis für Physik 1908, bezeugt (22. S. 20):
"Auch der sachliche Wissenschaftler, der das Geheimnis des Seins in etwa 'entzaubert', muß kein
Zweifler an Gott sein. Es ist eine irrige Auffassung in Laienkreisen, daß der Gelehrte, der mehr
vom Sein weiß als andere, darum gottlos sein müßte. Ganz im Gegenteil: Unsere Arbeit bringt uns
Gott näher. Sie erhöht unsere Ehrfurcht vor seiner gigantischen Macht, vor der unsere armseligen
Werkzeuge - so titanenhaft sie uns auf Erden auch erscheinen mögen - jämmerlich versagen."
Als letzter in dieser Reihe soll der deutsch-amerikanische Physiker und Raketenforscher Dr. Wernher
von Braun (1912 - 1977) angeführt werden. Er bekennt (22, S. 27):
"Über alles stehe die Ehre Gottes, der das große Universum schuf, das der Mensch und seine Wis-
senschaft in tiefer Ehrfurcht von Tag zu Tag weiter durchdringe und erforsche. - Die gelegentlich
gehörte Meinung, daß wir im Zeitalter der Weltraumfahrt so viel über die Natur wissen, daß wir es
nicht mehr nötig haben, an Gott zu glauben, ist durch nichts zu rechtfertigen. Bis zum heutigen
Tag hat die Naturwissenschaft mit jeder neuen Antwort wenigstens drei neue Fragen entdeckt! -
Nur ein erneuerter Glaube an Gott kann die Wandlungen herbeiführen, die unsere Welt vor der
Katastrophe retten können. Wissenschaft und Religion sind dabei Geschwister, keine Gegensätze."
Die Reihe der befürwortenden Zeugnisse von bedeutenden Naturwissenschaftlern für Gott läßt sich
noch beträchtlich erweitern. Damit ist aber nicht gesagt, daß nun alle Naturwissenschaftler aufgrund
ihres Berufes betont religiös eingestellte Menschen sind. Keinesfalls kann man auch aus den angeführ-
ten Beispielen zweifelnder Theologen schließen, daß alle Vertreter dieses Berufsstandes verkappte
Atheisten sind. Es sollte nur gezeigt werden, wie unterschiedlich die Standpunkte sein können, und
daß die naturwissenschaftlichen Begründungen bei den "modernen" Theologen für ihre Auffassung in
keiner Weise haltbar sind.
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Zum Schluß dieses Kapitels bringe ich noch die Äußerungen dreier evangelischer Theologen. Um
1960 sagte mir bei einem biblischen Gesprächsabend über das Thema "Leben und Tod" mein
damaliger Gemeindepfarrer W. Schlesinger in der Diskussion:
"Der Tod ist für mich ein furchtbares Ereignis. Er ist die totale Auslöschung der menschlichen
Existenz durch Gott."
Hinter dieser Äußerung verbirgt sich die unter Theologen weitverbreitete "Ganztodtheorie". Bei einer
derartigen Auffassung kommen aber die Seelsorger sehr schnell in innere Konflikte. Wie sollen sie
eigentlich eine Beerdigung gestalten? Können sie den Hinterbliebenen irgendwelchen Trost spenden?
Wenn sie nicht knallhart ihre innere Überzeugung sagen, müssen sie doch lügen?
Über diesen Gewissenskonflikt berichtet der mir persönlich bekannte evangelische Pfarrer Max Huber
(geb. 1923) (40, S. 318):
"Ich möchte es Ihnen sagen: Als ich vor 1959 in Trauerhäuser gehen mußte, da habe ich innerlich
und äußerlich geschlottert. Mit zitternden Knien bin ich hingegangen, weil ich genau wußte: ich
kann nicht recht trösten, ich weiß nicht, was sage ich den Leuten, ich weiß es ja selber nicht, wo
unsere Heimgegangenen, unsere Verstorbenen sind. Und als ich vor zehn Jahren das Telegramm
von meinem Vater erhielt: 'Mutter verstorben', da bin ich schreiend durch das Pfarrhaus gerannt
und habe gerufen: 'Wo muß ich sie suchen? Wo ist sie?'
Im selben Sommer fiel mir zufällig - zufällig in Anführungszeichen - das Buch von Johannes
Greber in die Hand. Ich sollte nur einmal hineinschauen, es kritisch prüfen. Eine Pfarrerswitwe,
Großtante meiner Frau, hatte es mir gegeben. Und nach einer Viertelstunde rannte ich zu ihr in die
Küche und habe sie gefragt: 'Kann ich das Buch behalten bis morgen früh?' Und dann habe ich es,
wie man sagt, verschlungen. Das war eine Revolution im Inneren meines Herzens
Wenn ich jetzt bei Trauerfeiern bin oder schon im Trauerhause, sage ich den Angehörigen: 'Sucht
doch eure Mutter oder euren Vater, euren Sohn oder eure Tochter, euer kleines Kind nicht im Sar-
ge! Sondern denkt daran, daß es in Wirklichkeit gar nicht tot ist.' Ich berichte dann immer, was
beim sogenannten Sterben geschieht, daß die Verstorbenen, als sie hier die Augen schlossen, in der
Welt Gottes erwacht sind. Und dann sage ich bei Trauerfeiern oft dazu: 'Ich weiß, daß es so ist,
sonst stände ich nicht hier, sonst könnte ich keine Trauerfeier halten, denn ich hätte nicht die Kraft,
ein Leben lang zu flunkern, da etwas zu sagen und selber nicht daran glauben zu können
Sicher, man kann ihnen noch nicht alles sagen, noch nichts vom Gesetz von Ursache und Wirkung.
Aber ich kann ihnen sagen: 'Ich bin überzeugt davon, daß nichts Sinnloses geschieht.' - Ich könnte
mir mein Pfarramt ohne die Erkenntnisse durch unsere hohen Geistgeschwister überhaupt nicht
vorstellen."
Der bereits auf S. 46 erwähnte Züricher Theologie-Professor Fritz Blanke schildert sehr eindringliche
Gedanken zur Frage von Seelsorge und Parapsychologie. Er schreibt (9, S 98):
"Es gibt Gründe, warum sich meiner Meinung nach die Theologen mit den parapsychologischen
Fragen befassen sollten. Um uns herum leben Menschen, die mit dem Okkulten, oft ungewollt, in
Berührung kamen. Sie hatten z. B. unerwartet telepathische oder hellseherische Erfahrungen, oder
sie entdeckten in ihrer Seele außergewöhnliche Anlagen, z. B. die Gabe der Heilung, oder sie ge-
rieten in den Einflußkreis eines sogenannten Besprechers oder einer Kartenlegerin. Wir ahnen gar
nicht, wie viele unserer Zeitgenossen von diesen Dingen bedrängt sind! Sie möchten wissen: wie
soll ich mich zu dem okkulten Spontanerlebnis, das mich überfiel, stellen? Sie fragen: darf ich
meine Heilungsgabe anwenden? Oder falls sie sich mit einem Besprecher eingelassen haben, so
möchten sie aus diesem magischen Bann herauskommen. Diesen Fragen dürfen wir Theologen
nicht gleichgültig gegenüberstehen. Wir müssen, wenn wir den Mitmenschen wirklich helfen wol-
len, darauf eingehen. Aber zu diesem Zwecke müssen wir die okkulten Probleme kennenlernen.
Nur dann sind wir fähig zu unterscheiden.
Unsere theologische Parole gegenüber den parapsychologischen Dingen lautet also nicht einfach in
globo: Hände weg! Diese Mahnung gilt gegenüber der Magie. Sie, die sich Gottes selber bemäch-
tigen will, ist für die Seele eine Gefahr. Aber es wäre unwahr und ungerecht, wollten wir die Be-
schäftigung mit der Parapsychologie allgemein als seelengefährlich hinstellen. Es gibt Menschen,
die, versunken im Materialismus und Rationalismus, dem Okkulten begegneten, und daraufhin an
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ihrer bisherigen Weltanschauung zu zweifeln begannen. Und dieser Zweifel endete damit, daß sie
wieder zu Religion und Christentum zurückfanden.
Gewiß, es gibt auch immer wieder Personen, die im Parapsychologischen steckenbleiben und es
geradezu als Ersatzreligion gebrauchen. Aber das muß nicht sein. Es gibt, wie gesagt, andere Men-
schen, die auf dem Umwege über die Parapsychologie und ihre Geheimnisse zum ersten Mal wie-
der auf die Welt Gottes aufmerksam wurden. Ich weiß von solchen, die, angeregt durch die Pa-
rapsychologie, wieder zum Neuen Testament griffen, und denen vieles an den biblischen Schriften
wieder glaubwürdig wurde. Von mir selbst muß ich bekennen, daß mir durch die Kenntnis der pa-
rapsychologischen Tatsachen wieder ein neuer Zugang zur biblischen Wirklichkeit der Engel und
Dämonen eröffnet wurde. Ich bin heute weniger als jemals bereit, die Auffassung der Bibel, daß es
Gewalten und Mächte zwischen Himmel und Erde gibt, als mythologischen Ballast über Bord zu
werfen. Nicht, als ob die Parapsychologie den Glauben ersetzte, aber die Ergebnisse parapsy-
chologischer Forschung schaffen für den Glauben Raum, und darum ist die junge Wissen-
schaft der Parapsychologie, richtig verstanden, eine hilfreiche Brücke zum Vollzuge christli-
cher Existenz. Wenn wir Theologen den Menschen der Gegenwart wirklich dienen wollen, so
haben wir alle Veranlassung, das parapsychologische Forschen ernst zu nehmen und es ge-
wissenhaft zu verarbeiten."
Täuschungen und Fälschungen auf dem Gebiet der Religionen und des Spiritualismus
Im deutschen Sprachgebrauch wird zwischen zwei Begriffen unterschieden, die ziemlich ähnlich klin-
gen, nämlich zwischen "Spiritismus" und "Spiritualismus".
1. Mit "Spiritismus" ist die Lehre vom Fortleben des Menschen nach dem irdischen Tod gemeint,
ohne daß dabei zunächst ein religiöser Bezug beachtet wird. Wenn also z. B. bei einem Ver-
such paranormal ein Tisch zum Schweben gebracht wird und man den Eindruck hat, daß jen-
seitige Wesenheiten die eigentlichen Verursacher sind, so ist das ein spiritistisches Phänomen.
Erscheinungen dieser Art habe ich in großer Zahl in dem Buch "Zeugnis für die jenseitige
Welt" (81) dargestellt.
2. "Spiritualismus" dagegen ist die Lehre vom persönlichen Überleben des irdischen Todes und
der Bindung an Gott. Er ist die Lehre von der Herkunft und Bestimmung des Menschen und
der Verantwortlichkeit für seine Handlungen gegenüber Gott. Er ist die Lehre vom Nachrich-
tenaustausch zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen der irdischen und der göttlichen Welt.
Im englischen Sprachraum wird zwischen diesen beiden Gebieten meist nicht streng unterschieden.
Dort ist in der Regel mit "Spiritualism" auch das gemeint, was wir im Deutschen mit "Spiritismus"
bezeichnen.
Im Sinne dieser Definition sind die sogenannten Offenbarungsreligionen, zu denen auch die Mosai-
sche Religion und das Christentum gehören, ihrem Ursprung und Wesen nach spiritualistische Religi-
onen, auch wenn sie den ursprünglichen Jenseitsverkehr jetzt nicht mehr ausüben. Zunächst sind aber
die Lehren dieser Religionen durch Übermittlungen aus einer jenseitigen Welt an Menschen auf dieser
Erde zustande gekommen. Auch Christus betont ja ausdrücklich (Joh. 12,49):
"Denn ich habe nicht von mir selbst aus geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat
mir Auftrag gegeben, was ich sagen und was ich reden soll, und ich weiß, daß sein Auftrag ewiges
Leben bedeutet. Was ich also rede, das rede ich so, wie der Vater es mir gesagt hat."
Wir haben es also, nüchtern gesprochen, mit einem Nachrichtenaustausch zwischen zwei Daseinsbe-
reichen mittels medialer Durchgaben zu tun, wobei "medial" bedeutet, daß ein menschlicher Mittler
mit besonderer Begabung eingeschaltet war. Dieser Nachrichtenaustausch erfolgte mit Hilfe einer
menschlichen Sprache. Sie ist für uns überhaupt das Mittel der Nachrichtenübermittlung. Mit ihrer
Hilfe versuchen wir, uns auch im täglichen Leben zu orientieren. Durch Fragen versuchen wir, von
anderen Menschen die Auskünfte zu erhalten, die wir meinen, für unseren Lebensunterhalt zu benöti-
gen, oder die wir aufgrund unseres Geltungstriebes gerne hören möchten.
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Der Gefragte gibt in der Regel die Antwort, von der er für sich oder seine Anhänger den größten Vor-
teil erhofft. Häufig geben Menschen auch Auskünfte von sich, ohne gefragt zu sein, wenn sie durch
diese andere Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen veranlassen wollen. Der Auskunftge-bende
will dadurch für sich bestimmte Vorteile erlangen, die für den Auskunftnehmenden nicht immer unbe-
dingt nützlich sein müssen.
Mit dieser Möglichkeit und Anwendungspraxis wird die Sprache, und davon abgeleitet auch das ge-
schriebene Wort, zum hervorragenden Mittel der Täuschung anderer. Ihre höchste Entfaltung finden
derartige Verfahren in der Politik. Letztere ist ja nicht etwa, wie man vielleicht annehmen und andere
glauben machen möchte, die Kunst der Staatsführung zum Wohle aller Bürger und zur Ausübung von
Gerechtigkeit gegen jedermann. Sie ist dagegen die hohe Kunst der Täuschung zum Vorteil einzelner
oder von Bevölkerungsgruppen zum Nachteil anderer Volksteile.
Diese Technik spielt sich nicht nur innerhalb jedes Volkes, sondern auch zwischen den Völkern unse-
rer Welt ab. Zwischen ihnen herrscht ein unablässiger Kampf um Vorteile. Zur verbalen Täuschung
kommt noch die Anwendung brutaler Gewalt hinzu, in unserer Sprache Krieg genannt. Ist ein Krieg
infolge Erschöpfung eines oder beider Gegner nicht mehr fortführbar, wird die Auseinandersetzung
oder die Erlangung von Vorteilen wieder durch die Täuschungskunst der Politik ersetzt. Man nennt
das dann Frieden. Er ist die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln.
Neben der Politik liegt der große Bereich der Täuschung in der Werbung oder Reklame. Hier will man
andere Menschen zum Kauf von Waren überreden, indem man ihnen Eigenschaften vortäuscht, die sie
nur teilweise oder gar nicht haben. Eine gewichtige, wenn nicht ausschlaggebende Rolle spielen bei
den Täuschungsverfahren die sogenannten Massenmedien: Presse, Rundfunk und Fernsehen. Sie sind
heutzutage die großen Verbreiter der Täuschung.
Die ständige Ausübung der Täuschung arbeitet für die Anwender aber nur dann zufriedenstellend,
wenn der Getäuschte nicht weiß und merkt, daß er getäuscht werden soll. Er muß also neben der Fal-
schinformation auch immer einen nennenswerten Anteil von richtiger Information erhalten, die er auch
als richtig zu erkennen glaubt und als wertvoll erachtet. Weiter muß es dem Getäuschten so schwer
wie möglich gemacht werden, Fehlinformation von wahrer Information zu unterscheiden.
Den Täuschenden kommt eine menschliche Charaktereigenschaft entgegen, nämlich erkannte Täu-
schungen schnell zu verdrängen oder zu vergessen und Informationen überhaupt weitgehend als wahr
anzusehen. Nur so ist es zu verstehen, daß Werbung und Wahlpropaganda immer ihre Abnehmer fin-
den.
Hier beginnt schon auf dieser Erde die große Schwierigkeit, die Wahrheit vom Betruge, von der Täu-
schung, unterscheiden zu können. Der einzelne Mensch versucht, wenn er interessiert und intelligent
genug ist, angebotene Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Er prüft, ob Verspre-
chungen in Erfüllung gehen. Wenn sie es nicht tun, kann er nachträglich feststellen, daß er einer Fal-
schinformation zum Opfer gefallen ist, und muß für die Zukunft mißtrauischer werden. Wir Menschen
auf dieser Erde sind aber nicht imstande, uns vollkommen dagegen abzusichern, immer wieder aufs
neue getäuscht zu werden. Wir können ja nicht sämtliche zufließenden Nachrichten als Falschinforma-
tionen abweisen. Wenn wir leben wollen, müssen wir einer Vielzahl von Informationen vertrauen. Wir
sind aber nicht fähig, auch wenn wir intelligent genug sind, immer mit Sicherheit zu erkennen, wo
geschickte Täuschungen verborgen sind. Erst hinterher, wenn es zu spät ist, sind wir dann schlauer.
Der Staat als Täuschender, der von seinen Bürgern nicht getäuscht werden will, wählt ein anderes
Verfahren. Er prüft nicht mühsam, sondern versucht, wahrheitsgemäße Informationen von seinen Bür-
gern zu erzwingen. Dazu bedient er sich der Strafandrohung, der Abgabe eidesstattlicher Erklärungen
und der Erzwingung des Eides. Und da die angedrohten irdischen Strafen bei Leistung eines Mein-
eides möglicherweise nicht wirkungsvoll genug erscheinen, werden durch die religiöse Form des Eides
unter Anrufung Gottes auch himmlische Strafen in Aussicht gestellt.
Das Problem der echten Information und der Täuschung, die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge,
sind die überragenden Fragen in unserer Welt und in unserem Leben. Daher nehmen sich auch die
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Religionen in besonders eindringlicher Weise dieser Frage an. Eines der oberen Gebote aller Religio-
nen lautet daher: "Du sollst nicht lügen!" Und dies nach dem ethischen Grundsatz: "Was du nicht
willst, daß man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu".
Man sollte nun meinen, daß zumindest die Religionsdiener aller Religionen, auch des Christentums,
nach diesem Gebot handeln. Aber weit gefehlt. Als Menschen erkannten, daß sich auch Religionen
und die sich daraus entwickelnden Glaubensgemeinschaften und Kirchen zur Beherrschung von Men-
schen eignen, haben sie sogar in diesen Bereichen Täuschungs- und Fälschungsmethoden entwickelt.
Bereits im Alten Testament läßt Gott den Israeliten durch den Propheten Jeremia um 600 v. Chr. mit-
teilen (Jer. 8,8):
"Wie könnt ihr nur sagen: 'Wir sind weise, wir sind ja im Besitz des göttlichen Gesetzes!' Ja frei-
lich! Aber zur Lüge hat es der Lügengriffel der Schriftgelehrten gemacht. Beschämt werden die
Weisen dastehen, werden bestürzt sein und sich gefangen (= widerlegt) sehen. Sie haben ja das Wort
des HErrn verworfen. Welcherlei Weisheit besitzen sie da noch?"
In der katholischen Kirche hat die sogenannte Konstantinische Schenkung eine große Bedeutung er-
langt. Sie ist eine gefälschte Urkunde, in der Kaiser Konstantin I. (der Große, geb. um 280, römischer
Kaiser von 306 - 337) gegenüber Papst Silvester I. (314 - 335) den Vorrang des römischen Papsttums
über alle Kirchen anerkennt und dem Papst die Herrschaft über Rom und alle abendländischen Provin-
zen zugesteht. Die Schenkung sollte aus Dankbarkeit Konstantins gegenüber Silvester erfolgt sein,
weil dieser ihn getauft habe. Tatsächlich ist Konstantin erst auf dem Totenbett 337 durch den Bischof
Eusebius von Caesarea (geb. um 263, gest. 339) getauft worden, während Silvester bereits 335 gestor-
ben ist. Die Taufe erfolgte noch nicht einmal römisch-katholisch sondern arianisch, also gemäß einer
christlichen Lehrmeinung, die später von der römischen Kirche als Ketzerei höchsten Grades verurteilt
wurde. In der gefälschten Schenkungsurkunde heißt es u.a. (88, S 224):
"Wie Uns eine irdische Kaisermacht zusteht, so haben Wir bestimmt, daß ihre hochheilige römi-
sche Kirche achtungsvoll geehrt, und daß mehr als Unsere Kaisergewalt und Unser irdischer Thron
der hochheilige Stuhl Petri glorreich verherrlicht werde, indem Wir ihm die Macht, den
Ehrenrang, die Kraft und die Ehrenbezeigungen verleihen, die einem Kaiser zukommen.
Und Wir beschließen und setzen fest, daß er die Vorherrschaft sowohl über die vier Haupt-
bischofssitze von Antochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem, als auch über alle Kirchen
Gottes auf dem ganzen Erdkreis innehabe; und der jeweilige Papst dieser hochheiligen römischen
Kirche soll erhabener und ein Fürst für alle Bischöfe der ganzen Welt sein, und durch seinen Ur-
teilsspruch soll geordnet werden, was in bezug auf den Gottesdienst und für den festen Bestand
des Christenglaubens zu versorgen ist. Denn es ist gerecht, daß dort ein geheiligtes Gesetz die
Oberherrschaft erhalte, wo, wie der Stifter der heiligen Gesetze, unser Heiland, anordnete, der hei-
lige Petrus den Stuhl des Apostolates innehaben sollte." (usw.)
Der lange Urkundentext endet mit den Worten:
"Zur Nachahmung Unserer kaiserlichen Gewalt, damit durch diese die päpstliche Tiara nicht in
den Schatten gestellt, sondern vielmehr noch als die Würde und Machtherrlichkeit der irdischen
Gewalt geschmückt werde - siehe, dazu haben Wir sowohl, wie vorher gesagt, Unseren Palast als
auch die zur Stadt Rom, alle zu Italien oder dem Abendland gehörigen Provinzen, Orte und Städte
dem oftgenannten hochseligen Oberpriester, Unserem Vater Silvester, dem Universalpapst, über-
tragen und seiner oder seiner Nachfolger im Papsttum Gewalt und Botmäßigkeit überlassen.
Wir haben es deshalb für angemessen erachtet, Unsere Gewalt und Unseren Herrschersitz in den
Osten zu verlegen, und in der Provinz Byzanz an wohlgelegenem Orte Unserem Namen eine Stadt
zu bauen und dort Unseren Thron aufzurichten. Denn wo der Fürst der Priester und das Haupt der
christlichen Religion von dem himmlischen Kaiser hingesetzt worden ist, da kann billigerweise der
irdische Kaiser keine Herrschaft ausüben."
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Über die Entstehungsgeschichte dieser Fälschung berichtet der katholische Historiker und Fachmann
für Papst- und Kirchengeschichte Hans Kühner (geb. 1912) in seinem Werk "Gezeiten der Kirche in
zwei Jahrtausenden" (58, S. 83 f):
"Eusebius, der Kaisertheologe, Hofbischof und Hofhistoriker des neuen Imperators, Eusebius,
Bischof von Cäsarea, der 'Vater der Kirchengeschichte', redet von Konstantin I. im Ton des Psal-
misten, wenn er von Gott spricht. Er hat die Konstantin-Legende schaffen helfen, die von der His-
toriographie der Kirche, wenn auch nicht im Wortlaut, so doch in dem ihr zugrundeliegenden We-
sen ohne Gegenfrage übernommen und ausgebaut worden ist, weil Dankbarkeit keine Gegenfragen
stellt. Die Legende beginnt mit der Vision oder dem Traum Konstantins I. auf dem Schlachtfeld
vor Rom, wo eine himmlische Stimme vor der Schlacht den Sieg im Zeichen des Kreuzes ver-
spricht. Als Konstantin I. später den Afrikaner Caecilius Firmianus Lactantius, den frühesten Apo-
logeten lateinischer Sprache, zum Erzieher seines Sohnes Crispus beruft, verfaßt Lactantius ein
Buch "De mortibus persecutorum", über die Todesarten der verfolgten Christen, und fügt den Le-
gendenbericht ein. Eusebius erweitert das vorgefundene Material ein Vierteljahrhundert später in
der Biographie seines Wohltäters, der "Vita Constantini", zu üppigen panegyrischen (lobhudelnden)
Gewinden.
Um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert wird unter Papst Symmachus, einer von 498 bis 514
regierenden, äußerst undurchsichtigen Gestalt, der kirchenpolitische und pädagogische Wert der
Legende erkannt und der Konstantin-Sylvester-Legende ihre wiederum erweiterte endgültige Form
gegeben. Sie erweist sich als brauchbar, so daß, wie als gesichert gelten kann, die päpstliche Kanz-
lei Stephans II., der von 752 bis 757 herrscht und charakterlich Symmachus gleicht, das Legen-
denwerk mit der durchdachten Fälschung des Constitutum Constantini Imperatoris - Donatio
Constantini, der ominösen konstantinischen Schenkung Roms an Papst Silvester I., krönen kann.
Als dann im 15. Jahrhundert Nikolaus Cusanus (= Nikolaus von Kues, 1401 - 1464, Philosoph und Theologe, ab
1458 Kurienkardinal) und Lorenzo Valla (= Laurentius Valla, 1405 - 1457, Sekretär am päpstlichen Hof), der erste
kritische Geschichtsforscher, die Fälschungen endgültig nachweisen, sind die Positionen nicht
mehr zu erschüttern."
Diese gefälschte Konstantinische Schenkung ist nicht die einzige Fälschung im kirchlichen Bereich
gewesen. Eine weitere liegt zeitlich noch früher. Sie betrifft den römischen Papst Gelasius I. (492 -
496). Er war führend im dogmatischen und kirchenrechtlichen Kampf um den innerkirchlichen Vor-
rang des römischen Bischofs. Er schuf die Lehre vom Vorrang der geistlichen Autorität gegenüber der
weltlichen Gewalt, die sogenannte Zwei-Gewalten-Lehre, die seitdem von der katholischen Kirche
vertreten wird. Hans Kühner berichtet (58, S. 40):
"Gelasius I. erklärt, Geistliche dürfen nicht durch die weltliche Gerichtsbarkeit gerichtet werden.
Daraus macht das sogenannte Constitutum Silvestri, die erste Urkundenfälschung im Dienste des
Papsttums, die unter dem übernächsten Papst, Symmachus, und wohl mit dessen Einverständnis
hergestellt und Silvester I. unterschoben worden ist, den kanonischen Grundsatz: 'prima sedes a
nemine iudicatur', der Papst kann von niemandem gerichtet werden. Für die Authentizität dieses,
später trotz des bündigen Nachweises der Fälschung des Satzes durch den französischen Mauriner-
Mönch Pierre Coustant im Jahre 1721 dennoch als Canon 1556 in den 'Codex Iuris Canonici' von
1917 aufgenommenen Rechtsgrundsatzes behaupten die Fälscher eine Synode im süditalienischen
Sinuessa aus dem Jahre 303 unter Papst Marcellinus, dem vierten Vorgänger Silvesters I. Diese
Synode hat so wenig je stattgefunden wie ein gleichfalls erdachtes Konzil unter Konstantin I. und
Silvester I., das die Grundlage des Constitutum Silvestri gelegt haben und wo der Papst gesagt
haben soll: 'nemo iudicabit primam sedem.'"
Mit diesen beiden gewichtigen Fälschungen waren die Machtpositionen und Machtansprüche der rö-
misch-katholischen Kirche abgesteckt, aus denen heraus sie in den folgenden Jahrhunderten ihre welt-
liche Machtpolitik betreiben konnte. Fälschungen geringeren Ausmaßes rundeten das Bild ab. So be-
richtete am 19. Dezember 1959 der Staatsarchivdirektor vom Generallandesarchiv in Karlsruhe
Dr. Paul Zinsmaier in einem Vortrag vor dem Hegau-Bodensee-Geschichtsverein über mittelalterliche
Urkundenfälschungen besonders im klösterlichen Bereich (abgedruckt im Pforzheimer Kurier vom
24. 12. 1959). Er stellte fest, daß im Mittelalter mehr Urkunden gefälscht worden seien, als zu irgend-
einer Zeit danach. Durch moderne technische Methoden (Untersuchung mit Ultraviolett- und Infrarot-
licht und Röntgenstrahlen) und historische Vergleiche lasse sich das heute nachweisen. Eine der größ-
ten Fälscherzentralen sei das Kloster Reichenau im Bodensee gewesen, in dem für die verschiedensten
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Auftraggeber gearbeitet worden sei. Aus dieser Werkstatt lägen allein elf falsche
Kaiser- und zwei Papsturkunden vor. Aber auch andere berühmte Klöster hätten sich in diesem
"Handwerk" fleißig geübt, z. B. die Mönche des Klosters St. Blasien. Bei den Fälschungen des Klos-
ters Reichenau habe es sich meist um Schriftstücke gehandelt, die sich gegen Vögte richteten, die den
Klöstern unbequem oder zu mächtig geworden seien. Der Quellenwert einer Fälschung sei für die
historische Forschung und Urkundenlehre oft viel höher einzuschätzen als der einer echten Urkunde,
weil diese Fälschungen tiefe Einblicke in die Zusammenhänge ihrer Zeit lieferten. Auch gäben die
Entstehung, der Zweck und die Tendenz einer Fälschung wertvolle Auskunft über den politischen
Willen des Fälschers oder der Auftraggeber.
Johannes Greber, der seinerzeit katholische Priester, wurde von seinem belehrende Geistwesen auch
auf einige Änderungen oder Fälschungen in der Bibel, speziell im Neuen Testament, aufmerksam ge-
macht. Diese lassen sich allerdings heute urkundenmäßig nicht nachweisen, weil wir keinen Urtext des
Neuen Testamentes besitzen. Abgesehen von kleineren und größeren Bruchstücken aus dem 2. u. 3.
Jahrhundert stammen die ersten weitgehend vollständigen griechischen Handschriften, die Codices
Vaticanus, Sinaiticus, Alexandrinus und Ephraemi rescriptus, erst aus dem 4. und 5. Jahrhundert
n. Chr. Die Bibeltexte wurden ja nicht photokopiert, sondern mühsam mit der Hand abgeschrieben.
Dabei schlichen sich, teils ungewollt, teils absichtlich, eine Vielzahl von Abweichungen ein. Wenn
man heute eine wissenschaftliche griechisch-deutsche Ausgabe des Neuen Testamentes aufschlägt,
z. B. die von Nestle/Aland, so findet man auf jeder Seite mit 30 griechischen Textzeilen jeweils etwa
sieben enggedruckte Fußnotenzeilen mit 10 bis 20 Hinweisen auf abweichende Stellen in anderen
Handschriften gegenüber der von Nestle hauptsächlich benutzten Handschrift des Codex Bezae
Cantabrigiensis. - Der Johannes Greber belehrende Geist sagt zu diesem Thema (29, S. 18):
"Aber auch das, was von den Urkunden des Neuen Testamentes erhalten geblieben ist, hat an nicht
wenigen Stellen Änderungen erfahren. Die Abschreiber änderten Worte und Satzteile, ließen an
der einen Stelle ein Wort aus oder setzten an einer anderen ein Wort hinzu, wodurch der Sinn des
Satzes entstellt wurde, je nachdem es zu ihren Zwecken paßte. Meistens wollten sie für die Glau-
bensmeinungen ihrer Zeit auch in der Bibel eine Beweisstelle schaffen, und sie griffen zu dem
Mittel der Fälschung. Sie waren sich nicht immer der Größe ihres Unrechtes bewußt. Sie glaubten
vielmehr, der Religion damit einen Dienst zu erweisen."
An einer Stelle des Neuen Testamentes ist, so sagt dieser Jenseitige, irgendwann in der Frühzeit ein
einziges griechisches Wort (hymin = euch) weggelassen worden, wodurch diese Stelle einen völlig
anderen Sinn bekam. Sie wurde dadurch kirchenpolitisch zu einem bedeutenden Machtinstrument. Es
geht um den Ablaß, die priesterliche Vollmacht zur Sündenvergebung. Das jenseitige Geistwesen
sagte dazu Johannes Greber (29, S. 404):
"Zum Beweis dafür, daß die katholischen Priester die Gewalt haben, die Lossprechung von Sün-
den zu erteilen, beruft sich die katholische Kirche auf eine gefälschte Bibelstelle. Auf diese Fäl-
schung habe ich dich bereits in meinem ersten Zusammentreffen mit dir hingewiesen. Es ist die
Stelle: 'wenn ihr anderen die Sünden vergebt, so werden sie ihnen vergeben, wenn ihr sie behaltet,
so werden sie ihnen behalten' (Joh. 20,23). - Du weißt bereits, daß im griechischen Text ein einzi-
ges Wörtchen in dieser Stelle ausgelassen und dadurch der ganze Sinn entstellt ist. Anstatt des
Wortes 'ihnen' (griech: autois) stand im Urtext 'euch selbst' (hymin autois; autois kann sowohl
'ihnen' als auch 'selbst' heißen). Die Stelle hieß also richtig: 'Wenn ihr anderen die Sünden vergebt,
so werden sie euch selbst vergeben. Wenn ihr sie behaltet (oder nicht vergebt), dann werden sie
euch selbst behalten (oder nicht vergeben).'- In diesen Worten verkündet Christus dieselbe Lehre,
die in der Bitte des Vaterunsers enthalten ist: 'Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben
unseren Schuldigern', und die er im direkten Anschluß an das Vaterunser in den Worten ausge-
sprochen hat; 'Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euer himmlischer
Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer himmli-
scher Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben' (Matth. 6,14).
Weil eine Gewalt der Sündenvergebung, wie sie die katholische Kirche für sich in Anspruch
nimmt, nicht besteht und nicht bestehen kann, ist sie auch niemals in den ersten christlichen Zeiten
gelehrt oder ausgeübt worden. Deshalb wurde früher von den Christen auch nie ein Sündenbe-
kenntnis vor einem Priester verlangt. Die Menschen des ersten Christentums wurden aufgefordert,
entsprechend der Lehre Christi einander die Sünden zu bekennen; nämlich die Sünden, die sie ge-
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geneinander begangen hatten. Sie sollten das Unrecht, das sie ihren Mitmenschen zugefügt hatten,
diesen eingestehen und dadurch die Versöhnung herbeiführen. Dies ist ja auch der einzige und
schnellste Weg der Aussöhnung. Wenn dich jemand beleidigt hat und er kommt zu dir und gesteht
sein Unrecht ein, dann reichst du ihm gern die Hand zur Versöhnung. Dazu fordert ja auch Chris-
tus mit den Worten auf: 'Wenn du deine Gabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, daß dein
Bruder etwas wider dich habe, so laß deine Gabe dort vor dem Altar und gehe zunächst hin und
versöhne dich mit deinem Bruder. Alsdann komm wieder und opfere deine Gabe' (Matth. 5,23-24).
Wäre zur Sündenvergebung das Bekenntnis vor einem Priester und dessen Lossprechung erforder-
lich, dann würden Christus und die Apostel es nicht unterlassen haben, immer wieder darauf
hinzuweisen. Dann wäre es das Wichtigste der ganzen christlichen Lehre gewesen, weil ja ohne
Sündenvergebung niemand in das Reich Gottes eingehen kann. Aber weder Christus noch die
Apostel kennen die Beichte vor einem Priester oder dessen Lossprechung.
Beichte und priesterliche Lossprechung sind Menschensatzungen, die dem Gläubigen den Weg zu
Gott nicht erleichtern, sondern bedeutend erschweren, indem sie ihn in falscher Sicherheit wiegen.
Er beichtet und empfängt die Lossprechung des Priesters und meint nun, damit sei zwischen ihm
und Gott wieder alles in Ordnung. Damit wird er das Opfer einer großen Täuschung. Jeder Irrtum
in den Heilswahrheiten ist mit einem Irrweg zu vergleichen, der den Wanderer dem Ziel nicht nä-
her bringt, sondern vom Ziele immer weiter entfernt."
Soweit die Belehrungen des jenseitigen Geistwesens.
Die "Vollmacht" der Sündenvergebung erwies sich auch als militärpolitisch wirksames Hilfsmittel.
Als 1095 Papst Urban II. auf einer Kirchenversammlung in Clermont in Frankreich zum ersten Kreuz-
zug aufrief, sicherte er allen künftigen Teilnehmern daran vollkommenen Ablaß zu, also Lossprechung
von allen Sünden und Kirchenbußen. Das hatte mit zur Folge, daß die Eroberungen mit teilweise uner-
hörter Grausamkeit durchgeführt wurden. Als im ersten Kreuzzug am 15. Juli 1099 das christliche
Kreuzfahrerheer unter der Führung von Gottfried von Bouillon nach fünfwöchiger Belage-rung Jeru-
salem erstürmte, wurde fast die gesamte mohammedanische und jüdische Bevölkerung von den Sie-
gern abgeschlachtet, einschließlich Frauen und Kindern, insgesamt etwa 40.000. Manche Zahlenanga-
ben liegen noch höher. Nach zeitgenössischen Berichten soll der Blutstrom im Tal westlich des Tem-
pelberges bis an die Knöchel gereicht haben. Andere Städte in Palästina erlitten ähnliche Schicksale.
Bei vollständigem Sündenablaß konnte man sich so etwas eben erlauben.
Der Sündenablaß ließ sich auch kommerziell hervorragend anwenden. Der Handel damit spielte bis
zur Reformation eine wesentliche Rolle zur Finanzierung kirchlicher und persönlicher Vorhaben. Und
das alles war möglich, weil ein einziges kleines Wörtchen "hymin = euch" aus dem Neuen Testament
gestrichen worden war.
Zwei andere Beispiele aus neuer Zeit zeigen, wie auch heute noch die Vergebungspraxis zur Durchset-
zung gewisser Ziele angewandt werden kann. 1965 lernte ich in Weingarten eine damals schon betagte
Dame, Frau Helene H., kennen. Sie erzählte mir folgende Begebenheit: Vor dem ersten Weltkrieg fuhr
sie als junge Ehefrau (die damals zwei kleine Kindern hatte) zusammen mit einer Freundin zum Ein-
kaufen nach Ulm. Auch diese Freundin war verheiratet und hatte zwei Kinder. Nach Erledigung ihrer
Einkäufe hatten sie bis zur Rückfahrt noch etwas Zeit. Um diese auszufüllen, gingen sie in eine nahe-
gelegene Kirche, um dort zu beichten. Frau H. betrat zuerst den Beichtstuhl. Nachdem sie die Beichte
beendet hatte, fragte sie der Priester, ob sie verheiratet sei und wieviele Kinder sie hätte. Frau H. ant-
wortete, daß sie zwei Kinder habe. Darauf sagte der Priester. "Dann wollen Sie sich doch sicher bald
ein weiteres Kind anschaffen?" Frau H. entgegnete: "Nein, im Gegenteil, wir passen auf wie ein Hef-
telmacher." Darauf der Priester: "In diesem Fall kann ich Ihnen die Absolution nicht erteilen." Frau H.
erwiderte: "Dann lassen Sie es eben bleiben!" und verließ wütend den Beichtstuhl. Vor der Kirche
wartete sie auf ihre Freundin, die als nächste den Beichtstuhl betrat. Nach einer Weile kam diese mit
hochrotem Kopf aus der Kirche. Auf die Frage von Frau H. berichtete sie, daß sie in gleicher Weise
nach der Zahl ihrer Kinder gefragt und aufgefordert worden sei, sich ebenfalls baldmöglichst weitere
Kinder anzuschaffen. Das habe sie dann auch versprochen und danach die
Absolution erhalten. Da sagte Frau H.: "Wirst du das dann auch tun?" Die Freundin antwortete:
"Natürlich nicht." Darauf erwiderte Frau H.: "Dann bist du ja noch schlechter als ich!"
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Im zweiten Beispiel handelt es sich um eine Frau S., die mich 1979 wegen psychischer Probleme auf-
suchte. Sie waren nach dem Tod ihrer ältesten Tochter verstärkt aufgetreten. Diese hatte sich nach
einem Streit mit ihrer jüngeren Schwester eine oder mehrere Beruhigungstabletten ihrer Mutter
genommen, war in den Wald gegangen und hatte sich dort auf eine Bank gesetzt. Hier war sie einge-
schlafen oder ohnmächtig geworden und dann an Kreislaufversagen zusammen mit Unterkühlung
(Es war Februar und noch kalt) gestorben. Frau S. war katholisch und in erster Ehe (kirchlich katho-
lisch getraut) mit einem Mann verheiratet gewesen, der arbeitsscheu war und sie schlug. Nach der
Geburt des zweiten Kindes ließ sie sich von ihm scheiden. Da sie von ihrem arbeitslosen Mann keinen
Unterhalt bekam, heiratete sie nach einiger Zeit einen anderen Mann, der hinfort die Familie ernährte.
Sie berichtete mir, daß sie zweimal zu einem Kaplan in einer am Bodensee gelegenen Kirche zur
Beichte gegangen wäre. Dieser habe sie auch nach ihren Eheverhältnissen gefragt und sie dann jedes-
mal gedrängt, sich von ihrem zweiten Mann wieder scheiden zu lassen, da diese kirchlich nicht gültige
Ehe ein sündhaftes Konkubinat sei. Weil sie aber keine Scheidung wollte, geriet Frau S. in stärkste
innere Gewissensnöte, die ihre psychischen Probleme zusätzlich verstärkten.
Fälschungen und Täuschungen im religiösen Bereich kamen auch bei den Israeliten zur Zeit des Alten
Bundes in reichem Maße vor. Nicht immer wurden sie gegen den Willen und ohne Wissen der Ge-
täuschten vorgenommen. Auf Seite 32 wurde darüber bereits unter Bezug auf Jesaja 30,8 berichtet.
Meist erfolgten die Täuschungen bei dem Verkehr mit der widergöttlichen Welt, z. B. mit Baal und
seinen Gefolgsleuten. Wie zahlreich die Mittelsleute, die Medien oder wie man damals sagte "die Pro-
pheten", waren, sieht man daran, daß bei König Ahab von Israel (874 - 853 v. Chr.), der einen Feldzug
plante, von 400 Propheten die Rede ist, die er vorher befragte (1. Könige 22,6). Die Propheten aber,
die Täuschungen und Unwahrheiten verbreiteten, wie z. B. bei Ahab, wurden Lügenpropheten ge-
nannt. Die Unwahrheiten konnten entweder von ihnen selbst erfunden sein oder ihnen von ihren jen-
seitigen Auftraggebern, also z. B. den Gefolgsleuten Baals oder unwissenden Geistern, eingegeben
worden sein.
Über die selbsterfundenen Botschaften der Lügenpropheten berichtet der Prophet Jeremia um 600
v. Chr. im Auftrage Gottes (Jeremia 23,13):
"So lautet der Ausspruch des HErrn: 'Schon an den Propheten Jerusalems habe ich Grauenvolles
erlebt: Ehebruch und Wandel in der Lüge; und sie bestärken die Übeltäter in ihrem Tun, damit sich
ja keiner von ihnen von seiner Bosheit bekehre: ich achte sie allesamt den Leuten von Sodom
gleich und die Bewohner ihrer Stadt den Leuten von Gomorrha!' Darum hat der HErr der Heer-
scharen über die Propheten so gesprochen : 'Fürwahr, ich will sie mit Wermut speisen und ihnen
Giftwasser zu trinken geben; denn von den Propheten Jerusalems hat sich Verworfenheit über das
ganze Land verbreitet!'
So hat der HErr der Heerscharen gesprochen: 'Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch
weissagen! Sie machen euch nur Wind vor: Selbstersonnene Gesichte verkünden sie euch ohne
den Auftrag des HErrn. Sie sagen immerdar zu denen, die mich verachten: 'Der HErr hat verhei-
ßen: Es wird euch wohl ergehen!' Und zu allen, die im Starrsinn ihres Herzens dahinwandeln, sa-
gen sie: 'Es wird euch kein Unheil widerfahren!' Denn wer hat im Ratskreise des HErrn gestan-
den, daß er ihn gesehen und sein Wort gehört hätte? Wer hat sein Wort erlauscht und gehört? Wis-
set wohl: Ein Sturmwind des HErrn, sein Grimm, bricht los und wirbelnde Windsbraut, die auf das
Haupt der Gottlosen niederfährt! - - - Ich habe wohl gehört, was die Propheten sagen, die in mei-
nem Namen Lügen weissagen, wenn sie verkünden: 'Ich habe einen Traum gehabt, einen Traum!'
Wie lange soll das bei ihnen noch so fortgehen? Haben etwa diese Lügenpropheten, die selbster-
sonnenen Trug weissagen, im Sinn, ja, haben sie die Absicht, durch ihre Träume, die sie einander
erzählen, meinen Namen bei meinem Volke ebenso in Vergessenheit zu bringen, wie ihre Väter
meinen Namen über dem Baal vergessen haben? Der Prophet, dem (wirklich) ein Traum zuteil ge-
worden ist, erzähle ihn als Traum, und wem mein Wort zuteil geworden ist, verkünde mein Wort
der Wahrheit gemäß! Was hat das Stroh mit dem Korn gemein?' So lautet der Ausspruch des
HErrn."
Auch bei Hesekiel, dem Propheten der babylonischen Gefangenschaft (Prophetenamt etwa von 592 -
570 v. Chr.), wird das Problem der Lügenpropheten eingehend erörtert (Hes. 12,21-28; 13,1-23; 14,1-
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11). Von ihm wird auch die Frage angeschnitten, woran man denn eine echte von einer falschen Weis-
sagung unterscheiden kann. Gott läßt sagen:
"Was ich rede, das wird auch eintreffen, und zwar ohne längeren Verzug."
Das heißt für uns: langfristigen Vorhersagen ist immer mit besonderer Vorsicht zu begegnen. Die Ver-
se von Hesekiel lauten (Hes. 12,21):
"Hierauf erging das Wort der HErrn an mich folgendermaßen: 'Menschensohn, was für eine
Redensart ist da bei euch im Lande Israel im Gebrauch, daß man sagt: 'Die Zeit zieht sich Tag für
Tag hin, und alle Weissagung wird hinfällig'? Darum sage zu ihnen: 'So hat Gott der HErr gespro-
chen. Ich will dieser Redensart ein Ende machen. Man soll sie in Israel nicht länger im Munde füh-
ren.' Sage ihnen vielmehr: 'Nahe herbeigekommen ist die Zeit und die Erfüllung aller Weissagun-
gen!' Denn es wird hinfort keine täuschende Weissagung und keine trügerische Prophezeiung mehr
im Hause Israel geben; sondern ich, der HErr, werde reden, und was ich rede, das wird auch ein-
treffen, und zwar ohne längeren Verzug! Ja, noch in euren Tagen, du widerspenstiges Geschlecht,
werde ich einen Ausspruch tun und ihn auch zur Ausführung bringen!' So lautet der Ausspruch des
HErrn."
Wegen der großen Gefahr der Falschprophezeiungen und überhaupt wegen der Verwerflichkeit des
Verkehrs mit der gottfernen Welt, der Welt der geistig Toten, der von Gott abgefallenen Wesen, erteil-
te Gott bereits Mose klare Richtlinien in dieser Beziehung und sagte zugleich:
"Was ein Prophet im Namen des HErm verkündet und nicht in Erfüllung geht, das hat der HErr
nicht geredet."
Die Anweisung heißt (5. Mose 18,9):
"Wenn du in das Land kommst, das der HErr, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dich nicht da-
ran gewöhnen, die Greuel der dortigen Völkerschaften nachzuahmen. Es soll sich niemand in dei-
ner Mitte finden, der seinen Sohn oder seine Tochter als Opfer verbrennen läßt, niemand, der
Wahrsagerei, Zeichendeuterei oder Beschwörungskünste und Zauberei treibt, niemand, der Geister
bannt oder Totengeister beschwört, keiner, der einen Wahrsagegeist befragt oder sich an die Toten
(d. h. an die von Gott abgefallenen Wesen) wendet; denn ein jeder, der sich mit solchen Dingen befaßt, ist
für den HErrn ein Greuel, und um dieser Greuel willen vertreibt der HErr, dein Gott, diese Völker
vor dir her. Du sollst dem HErrn, deinem Gott, gegenüber unsträflich dastehen! Denn diese Völ-
kerschaften, die du verdrängen wirst, hören auf Zeichendeuter und Wahrsager; dir aber erlaubt der
HErr, dein Gott, etwas Derartiges nicht. Einen Propheten gleich mir wird der HErr dein Gott, dir
(jeweils) aus deiner Mitte, aus deinen Volksgenossen, erstehen lassen: Auf den sollt ihr hören! - - -
Wer alsdann meinen Worten, die er in meinem Namen verkünden wird, nicht gehorcht, den will
ich selbst dafür zur Rechenschaft ziehen. Sollte sich aber ein Prophet vermessen, in meinem Na-
men etwas zu verkünden, dessen Verkündigung ich ihm nicht geboten habe, oder sollte er im Na-
men anderer Götter reden: ein solcher Prophet soll sterben! Solltest du aber bei dir denken: 'Woran
sollen wir das Wort erkennen, das der HErr nicht geredet hat?' so wisse: Wenn das, was ein Pro-
phet im Namen des HErrn verkündet, nicht eintrifft und nicht in Erfüllung geht, so ist das ein
Wort, das der HErr nicht geredet hat. In Vermessenheit hat der Prophet es ausgesprochen. Dir
braucht vor ihm nicht bange zu sein!"
Durch den Propheten Jesaja läßt Gott den Israeliten und auch uns sagen, wann wir ihn überhaupt an-
rufen dürfen und unter welchen Voraussetzungen wir eine Antwort erwarten können. Gott erläutert
Jesaja zunächst gewisse Unsitten und Auswüchse beim Fasten und sagt dann (Jesaja 58,6):
"Ist nicht vielmehr das ein Fasten, wie ich es liebe, daß man ungerechte Fesseln löst, daß man die
Bande des Knechtschaftsjoches sprengt, Vergewaltigte in Freiheit setzt und jegliches Joch zer-
bricht? Nicht wahr? wenn du dem Hungrigen dein Brot brichst und unglückliche Obdachlose in
dein Haus aufnimmst, wenn du einen Halbnackten siehst, ihn kleidest und dich deinem Volksge-
nossen nicht entziehst: dann wird dein Licht wie das Morgenrot hervorbrechen und deine
Heilung schnelle Fortschritte machen; und vor dir wird deine Gerechtigkeit hergehen und die Herr-
lichkeit des HErrn deine Nachhut bilden. Wenn du dann rufst, wird der HErr dir antworten; und
wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: 'Siehe, hier bin ich!'"
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Durch den Mund des Propheten ermunterte Gott die Israeliten ihn, den Vater, über die zukünftigen
Dinge zu befragen. Es heißt bei Jesaja 45,11:
"So hat der HErr gesprochen, der Heilige Israels und sein Bildner (oder Schöpfer): 'Über die kom-
menden Dinge befragt mich! Meine Söhne und das Werk meiner Hände laßt mir anbefohlen sein!
Ich bin es ja, der die Erde gemacht und die Menschen auf ihr geschaffen hat; ich bin es, dessen
Hände den Himmel ausgespannt haben, und sein gesamtes Sternenheer habe ich bestellt."
Auch im Neuen Testament wird die Frage erörtert, woran man erkennen kann, ob eine Antwort von
Gott kommt und ob man es überhaupt mit einem Geist Gottes zu tun hat. Der Apostel Johannes
schreibt darüber in seinem ersten Brief, den er vermutlich an Christen in Kleinasien gerichtet hat
(1. Joh. 4,1):
"Geliebte, schenkt nicht jedem Geiste Glauben, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind;
denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgezogen. Daran könnt ihr den Geist Gottes er-
kennen: Jeder Geist, der da bekennt, daß Jesus der im Fleisch gekommene Christus ist, der ist aus
Gott. Und jeder Geist, der Jesus nicht so bekennt, ist nicht aus Gott; das ist vielmehr der Geist des
Widerchrist (also Luzifers), von dessen Kommen ihr gehört habt und der jetzt schon in der Welt ist.
Ihr seid aus Gott, Kindlein, und habt sie (d. h. die falschen Propheten) überwunden, weil der, welcher in
euch (wirksam) ist, stärker ist als der in der Welt (d. h. der Fürst dieser Welt). Sie stammen aus der Welt;
deshalb reden sie aus der Welt heraus, und die Welt hört auf sie. Wir aber sind aus Gott; wer Gott
kennt, der hört auf uns; wer nicht aus Gott ist, hört nicht auf uns. Daran erkennen wir den Geist der
Wahrheit und den Geist der Täuschung."
Der Apostel Paulus, der in seinem Brief an die Korinther sehr ausführlich über den Verkehr mit der
jenseitigen Welt berichtet, schreibt darin unter anderem (1. Kor. 12,3):
"Darum tue ich euch kund, daß niemand, der im Geiste (oder: durch den Geist) Gottes redet, sagt: 'Ver-
flucht ist Jesus!' und keiner zu sagen vermag: 'Jesus ist der Herr!' außer im heiligen Geist."
Nun könnte man meinen, daß uns mit diesen Belehrungen auch heute ein sicheres Hilfs- und Erken-
nungsmittel an die Hand gegeben ist, um beim Jenseitsverkehr Geister aus der Welt Gottes von unein-
gereihten, bösartigen oder gottfeindlichen Wesen zu unterscheiden. Man lasse den Geist einfach
schwören, daß er aus der Ordnung Gottes komme und daß Jesus Christus sein Herr sei. Wenn der
Geist das nicht kann oder will, weiß man, daß man es mit einem Lügengeist, mit einem geistig Toten,
zu tun hat, von dem man sich fernhalten sollte. Leider zeigt aber die Erfahrung, daß auch die Bösen
häufig (aber nicht immer) einen solchen Schwur ablegen, oft allerdings mit einem verdächtigen Zun-
genschlag (heruntergeleiert), an dem man den Meineid erkennen kann.
Weiter kommt hinzu, daß die Welt nicht nur aus Angehörigen Gottes und aus solchen seines Widersa-
chers besteht, sondern daß sich zwischen den beiden Lagern im übertragenen Sinne eine große Grau-
zone, ein großes Niemandsland befindet. Ihm gehören Bewohner an, die nicht unbedingt einer der
beiden Parteien zuzurechnen sind. Sie wissen meist nicht einmal oder glauben es nicht, daß es Gott
und seinen Widersacher gibt.
Wenn nun Menschen dieser Erde einen medialen Verkehr beginnen, kommen sie gerade mit diesen
uneingereihten und unwissenden Wesen sehr häufig in Verbindung. Was sollen diese nun schwören,
wenn sie dazu aufgefordert werden? Sie kennen gar nicht die Bedeutung des Schwurs und schwören
alles, was man von ihnen verlangt. Sie sind nur an der Aufrechterhaltung des medialem Verkehrs
interessiert, weil er ihnen Abwechslung in ihr Dasein bringt oder weil sie sich mit seiner Hilfe wichtig
machen können. Um sich den Menschen gegenüber entsprechend in Positur zu setzen, legen sie sich
dann klingende Titel zu, geben sich als verstorbene bedeutende Persönlichkeiten aus, oder bezeichnen
sich als hohe jenseitige Geistwesen. Es ist nicht außergewöhnlich, daß sich solche Wesenheiten als
"Jesus Christus" oder "Gottvater" persönlich ausgeben. Und es ist ebensowenig außergewöhnlich, daß
derartige Angaben von Menschen dieser Erde auch geglaubt werden, ohne daß harte Beweise für diese
Behauptungen verlangt werden. Die jenseitigen Wesen der Grauzone und erst recht die Gefolgsleute
- 121 -
Luzifers fühlen sich aber nicht an das Wahrheitsgebot gebunden und sind damit gleich den Menschen
auf dieser Erde.
Man fragt sich heute, warum diese Erfahrungen nicht bereits im Neuen Testament erwähnt werden?
Wie sind wohl die ersten Christen bei ihrem medialen Verkehr mit den Täuschungspraktiken fertig
geworden? Die Frage wurde am 09. 02. 1977 in Zürich einem Geistwesen mit Namen Josef vorgelegt,
das dort über das auf Seite 81 erwähnte Medium Beatrice Brunner seit 30 Jahren zu einer großen
Gemeinschaft von Menschen sprach. Dieser Josef antwortete (100, S. 88):
"Dazu möchte ich folgendes sagen: Zu jener Zeit stand einer Gemeinde als geistiger Führer der
Gemeinschaft ein Bischof vor. Ihm unterstand die Gemeinde, er hatte die Kontrolle über die Gläu-
bigen. Damals trugen diese Bischöfe ihren Titel noch zu Recht, aber später hat die Bezeichnung
'Bischof' einen ganz anderen Sinn, eine ganz andere Bedeutung erhalten. Ursprünglich war es so,
daß ein solcher Bischof als geistiger Führer der Gemeinschaft medial war, nämlich hellsehend,
hellfühlend, hellhörend. Weil er größte mediale Fähigkeiten besaß, konnte man zu ihm gehen und
sich bei ihm erkundigen. Oder dieser geistige Vorsteher oder Bischof - oder welchen Namen man
ihm geben will - griff bei gottesdienstlichen Veranstaltungen selber ein bezüglich der Geistwesen,
die sich zu Wort meldeten. So konnte er beispielsweise sagen: 'Dieser Geist ist kein Geist der
Wahrheit', er habe sich zu entfernen oder sich von dieser oder jener Person zu lösen. Er konnte
dies sehen, und er sprach es aus: 'Dies ist kein Geist der Wahrheit!'
Auch dazumals ließ man die Geistwesen schwören, und sie schworen, sie seien Geister der Wahr-
heit. Dies konnten jene ohne weiteres tun, die es wirklich waren - sie konnten sich diesen Schwur
diesem medialen geistigen Führer gegenüber leisten. Sie wußten, vor wem sie diesen Schwur ta-
ten; sie wußten, daß der Vorsteher der Gemeinde sie erkennen und notfalls fortweisen würde.
Nun sind aber diese geistigen Führer abgeschafft worden. Darum wurde es möglich, daß auch un-
eingereihte Geister sich ohne weiteres als eingereihte, von Gott kommende Geister ausgeben konn-
ten. Sie brauchten ja nicht mehr zu befürchten, erkannt zu werden; es war ja niemand da, der dies
vermocht hätte, der also imstande gewesen wäre, sie - wie man es in eurer Sprache ausdrückt - zu
'entlarven'. Niemand war da, das sahen sie doch. Also konnten sie sich ohne weiteres behaupten
und die Menschen irreführen.
Zudem wurde der Glaube an die Geisterwelt Gottes und an ihr Wort von den Menschen sehr
schnell abgeschafft. Man ließ überhaupt kein Wort eines Geistes mehr zu. Geister hatten nichts
mehr zu sagen, die Menschen dafür alles. Das ist der Grund, ist die Ursache (für das zeitweilige
Schweigen der Gotteswelt): Niemand war mehr da, der den Menschen hätte sagen können, woher die
Geister kamen, so wie es in den Anfangszeiten der Fall gewesen war. Es gab keine geistigen Füh-
rer von höchster Medialität mehr."
Wir Menschen auf dieser Erde können nun zwar nicht nachprüfen, ob jene Angaben zutreffend sind.
Wir können aber erkennen, daß sie im Bereich der Möglichkeit liegen. Der Apostel Paulus berichtet ja
im ersten Brief an die Korinther, Kap. 12-14, eingehend über den medialen Verkehr mit der jenseiti-
gen Welt. Dabei zählt er in Kap. 12 auch die verschiedenen Geistes- und Gnadengaben auf und er-
wähnt ausdrücklich die Gabe der Unterscheidung der Geister. So etwas muß es also gegeben haben,
und aus dieser Sicht klingt die Angabe des Geistwesens Josef aus Zürich durchaus glaubwürdig.
Beim Jenseitsverkehr spielen sich auch heutzutage, wenn nicht besondere Vorsichtsmaßnahmen
getroffen werden, die ganzen Täuschungsverfahren ab, wie sie bereits in der Bibel erwähnt werden
und wie sie ebenfalls unter den Menschen auf dieser Erde bei ähnlich gelagerten Beweggründen üblich
sind. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel habe ich in dem Buch "Leben nach den irdischen Tod" in
dem Kapitel "Die Zuverlässigkeit medialer Durchgaben und die Gefahren des Jenseitsverkehrs" (82)
dargestellt. Dabei handelt es sich um einen Dänen Carolsfeld-Krausé., der um 1920 in einer spiritisti-
schen Gruppe den Jenseitsverkehr ausübte und selbst hellhörend wurde und medial schrieb. Obwohl
alles einen sehr religiösen und frommen Anstrich hatte, wurde er in übelster Weise getäuscht und
schließlich in größte innere Niedergeschlagenheit und Verzweiflung gebracht. Ständig hörte er innere
Stimmen, die ihn bedrohten und anderen Quälereien aussetzten. Erst in dieser äußersten Seelennot rief
er Gott um Hilfe an, was er vorher leider nicht getan hatte. Unmittelbar erhielt er die Antwort: "Sei
getrost! Nichts kann dir geschehen! Wir sind auch hier!" Im Nu verschwand alle seine Furcht, es war,
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als bräche die Sonne durch, und alles wurde still. Die Quälereien hörten sofort auf, und die Geister
konnten sich ihm ohne seine Zustimmung nicht mehr nähern.
Über die Täuschungspraktiken Jenseitiger berichtet ausführlich auch der parapsychologische Schrift-
steller Wilhelm Otto Roesermueller (1902 - 1978). Er schreibt (76, S. 8):
"Insofern nun, als der Okkultismus und Spiritismus durch ihre unleugbaren Phänomene den expe-
rimentellen Beweis liefern, daß der Mensch schon zu seinen Lebzeiten, wie auch nach dem Tode,
bewußt außerkörperlich existieren und wirken kann, haben sie dem Materialismus den Todesstoß
versetzt. - Dennoch müssen wir aus eigener Erfahrung warnen, ohne jede Vorbereitung, ohne Vor-
kenntnisse, sofort spiritistische Experimente zu machen. Es existiert eine Legion von Büchern, die
Anleitung zur Errichtung von spiritistischen Zirkeln geben, aber wenige darunter geben eine
brauchbare Anweisung, um die Geister, falls sie lästig werden, wieder loszuwerden. Die Folgen
sind dann unter Umständen sehr traurige: Besessenheit, Irrsinn, Selbstmord usw. Der wirkliche
Spiritismus, richtiger Spiritualismus, ist eben eine erhabene Wissenschaft und bedarf erfahrener
Lehrer, so gut wie man nicht jeden wissensdurstigen Laien ohne weiteres mit den Chemikalien ei-
nes Laboratoriums auf eigene Faust hantieren oder ihn mit hochgespannten, lebensgefährlichen
elektrischen Strömen experimentieren läßt. Ebenso berechtigt ist die Forderung der Vorschulung
für metapsychische Experimente! - Wir müssen deshalb vor dem blinden 'Drauflosexperimentie-
ren' warnen - Außer Elementarwesen kommen meist nur die Seelen niedriger, erdgebundener Geis-
ter, Selbstmörder, Verunglückter und ein Heer von schamlosen Lügengeistern zu den Sitzungen
und hüllen sich in salbungsvolle Reden. Diese wahrlich eindringliche Warnung stammt von kei-
nem geringeren Forscher als von meinem hochverehrten, väterlichen Freund G. W. Surya, einem
gewissenhaften Gelehrten und Mystiker von Gottesgnaden, von einem Praktiker!
Die gleichen Erfahrungen wie Surya machte auch der Naturforscher Dr. Fritz Quade, den mein
Freund Dr. Herbert Fritsche, ein Experte der Parapsychologie, wie folgt beurteilt:
'Er war naturwissenschaftlich universell gebildet und denkerisch präzis bis ins Letzte
und nicht nur ein Avantgardist der Jenseitskunde - der forschenden Metaphysik im
Gegensatz zur spekulativen - gewesen, sondern ein Vertreter des universellen,
akademisch geschliffenen Okkultismus, wie dergleichen in Deutschland selten zu
finden ist. Seine jahrzehntelangen Verdienste um eine streng kritische Medienfor-
schung sind aus der Geschichte des abendländischen Okkultismus nicht fortzuden-
ken.'
Nun, dieser scharfe und kritische Denker erzählte mir persönlich von seinen Erfahrungen mit der
Geisterwelt. Während der Zeit seiner Hellhörigkeit wurde es ihm zur Gewißheit, daß uns Jenseiti-
ge ständig umgeben. Es macht diesen Spaß, mit einem Menschen sprechen zu können. Für alles,
was Weltanschauung betraf, waren sie sehr interessiert, horchten Dr. Quade aus, widersprachen
ihm, wenn er von der Entwicklung der Geister zu besserer Gesinnung und größerer Liebe zu ihnen
redete. Die Existenz sowohl ganz guter wie böser Geister stellten sie in Abrede, auch daß sie etwa
von bösen Geistern beeinflußt wären und in deren Auftrag Dr. Quade belästigten. Dr. Quade sagt
diesbezüglich:
'Am bösartigsten waren sie am Anfang der Periode (der Hellhörigkeit Dr. Quades),
in der ich alles hörte, ohne zu lauschen. Sie sagten, sie haßten mich, weil ich wirk-
lich aufrichtig wäre und anderen nichts Böses tun wollte, was Geister, die alle Ge-
danken lesen könnten, selten anträfen, weil ich glaubte, daß es einen weisen Schöp-
fer und gute höhere Geister gäbe; sie wollten nur ein Experiment mit mir anstellen
und mich verrückt machen. Wenn ihnen das gelänge und mir kein guter Geist hülfe,
dann wäre ihnen ganz sicher, daß es kein weises und gerechtes Regiment gäbe.
Sie haben sich damals auch redlich bemüht. Keine Sekunde hatte ich Ruhe. Sie
überstürzten sich in ihren Reden, einer löste anscheinend den anderen ab, fing ganz
vernünftig an und endete in Sinnlosigkeiten. Es kam ihnen nur darauf an, meine
Aufmerksamkeit zu fesseln und meinen Geist zu verwirren und zu ermüden, so daß
ich nicht mehr die Konzentrationskraft fand, mich durch Arbeit, Lektüre oder Ge-
spräche eine Weile ganz vom Zuhören zu befreien. In dieser Zeit - zum Glück waren
es nur zwei bis drei Tage - klang es besonders abends und in der Nacht, wenn ich im
Bett lag, mit atemberaubender Schnelligkeit: 'Du wirst verrückt, wir bringen dich ins
Irrenhaus, aller Widerstand ist zwecklos, du wirst durch Selbstmord enden, du wirst
Gift nehmen, du wirst nicht mehr arbeiten können, du wirst nicht mehr schlafen
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können, das hält kein Mensch aus. Schon viele sind so verrückt geworden. Das
weißt du. Das wissen wir. Dir hilft keiner. Du denkst, du wirst dich bei Sachverstän-
digen erkundigen. Die wissen alle nichts. Du mußt sterben, du mußt verrückt wer-
den. Wir quälen dich zu Tode', usw.'
Als diese dämonischen Wesen von Dr. Quade noch nicht durchschaut waren, verstanden sie, das
Vertrauen des Gelehrten sogar durch eine ganz gemeine Tat schändlichst zu mißbrauchen. Eine
besonders gütige und vertrauensvoll klingende Stimme gab sich nämlich für Christus aus.
Dr. Quade sagt dazu:
'Alles, was dieser Geist sagte, war so zart und gütig, so liebevoll und weise, so ein-
fach und ganz wesentlich, daß dieses Erlebnis noch heute, trotz aller folgenden, wie
ein schönes, schlichtes Bild in einer Umgebung grotesker Pinseleien in meiner Erin-
nerung aufbewahrt ist.'
Und dennoch, als Dr. Quade gerade betend Hilfe bei Jesus erflehte, da ergab sich folgendes, wie
Dr. Quade mit eigenen Worten berichtet:
'Ich bat, so herzlich ich es vermochte, den Heiland um Hilfe gegen diese Pla-
gegeister, die mich nicht einschlafen lassen wollten. Und wirklich vernahm ich, wie
stets nach den Gebeten, seit der sogenannten Berufung, eine ferne Stimme als Ant-
wort: 'Ich habe dein Gebet erhört, mein lieber Sohn.' Aber die Stimme fuhr fort,
indem sie sich meinem Ohr scheinbar mehr näherte: 'Ich werde dir helfen gegen die-
se Geister.' Und dann ganz nahe und deutlich: 'Ich bin nämlich selbst einer von de-
nen, die dich plagen, du dummer Kerl.' - Ich wollte das gar nicht glauben. Und nun
machten mir die Geister vor, wie sie den Eindruck erwecken könnten, als ob sie
ganz aus der Ferne sprächen, angeblich, indem sie leise dächten, wie sie durch Ver-
stärkung des Gedankens die Stimme anschwellen ließen, wie sie biblisch reden und
den Namen Gottes und Christi mißbrauchen könnten, ohne daß irgendeine höhere
Macht sie darin verhindert. Der Pastorale, dessen Boshaftigkeit und Gerissenheit die
anderen besonders ergötzte, schob mitten in einen Satz mit Frivolitäten einen Spruch
oder eine Bemerkung ein, die wörtlich mit denen übereinstimmten, die früher auf
höhere Geister oder Christus zurückzuführen waren.'
Höchst verfänglich waren auch die Prüfungen, welche anfänglich Dr. Quade auferlegt wurden. So
hören wir:
'Ich wurde vor die Frage gestellt, ob ich mich nötigenfalls gegen Christi Lehre ent-
scheiden würde.'
Dies war nur eine von vielen. Doch Dr. Quade ging auf diese Fängereien nicht ein, denn inzwi-
schen hatte er die Geister und ihre dämonischen Absichten durchschaut. Was nun die sehr umfang-
reichen und zum Teil geistreichen Offenbarungen der Geister, die Dr. Quade bei seinen Experi-
menten erhielt, betrifft, so kommt er zu folgendem Resultat:
'In den früheren sachlichen Mitteilungen der Geister fanden sich bei aufmerksamer
vergleichender Prüfung der Protokolle allerlei Widersprüche. Es bleiben natürlich
sehr viele Angaben, die sich jeder Nachprüfung entziehen. So war mir mitgeteilt
worden, der Sonnengott hätte Planetengottheiten geschaffen, die an der Schöpfung
der Pflanzen- und Tierstämme auf Erden je nach ihrer Eigenart beteiligt gewesen
wären, und auch die Naturgeister geschaffen hätten. Die Naturgeister hätten sich in
höheren Affen inkarniert, und dadurch wären die primitiven Völkerstämme entstan-
den.
Es war mir ferner gesagt worden, welche Vorbedingungen erfüllt sein müßten, um
von einer Sphäre in die höhere aufzusteigen, welche Gesetze in den Vorbereitungs-
sphären, welche in denen der Vollendung, dem Himmel, und denen der Sühne und
Strafe, der Hölle walteten; auch viel Biologisches war angegeben, früher schon, wie
in der Zeit meiner Hellhörigkeit, das sich nicht kontrollieren läßt.
Die Mitteilungen sind nicht weniger phantastisch oder geistreich, als die entspre-
chenden Berichte der Theosophen, der Frau Blavatzky und Frau Besant oder des
Herrn Dr. Steiner, nur recht wesentlich davon verschieden. Sie decken sich zum Teil
mit Nachrichten von Geistern in spiritistischen Büchern, sind zum Teil auch ohne
jede Parallele in der mir bekannten okkulten und religiösen Literatur.
Ich verzichte aber auf ihre, einen starken Band füllende Wiedergabe, um nicht die
Forschung mit neuem unkontollierbarem Material zu belasten. Für das religiöse Le-
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ben und den Offenbarungsglauben dagegen scheint es mir erlaubt, folgende Schlüsse
zu ziehen:
Der Name Gottes und Christi kann von den Geistern in jeder Weise miß-
braucht werden, und Reden und Ratschläge, die von scheinbar reinster Ge-
sinnung und edelsten Motiven getragen sind, können von den ärgsten Heuch-
lern stammen, so daß der Inhalt einer Botschaft nicht bindende Rückschlüsse
auf den Charakter ihres Urhebers zuläßt.
Lautere Motive und ehrlichster Wille der Menschen schließen - entgegen der
Überzeugung vieler Christen und Spiritisten - nicht aus, daß sich böse Geis-
ter, die ihnen ganz unähnlich sind, also nicht durch Sympathie angezogen
werden können, an ihre Fersen heften und sie quälen und verfolgen. Es
scheint kein Mittel zu geben, sie dauernd völlig auszuschließen. War doch
selbst Christus vor seiner Taufe und in Gethsemane ihren Versuchungen aus-
gesetzt und wurden Paulus und andere Heilige von ihnen verfolgt. Es muß
deshalb allen Angaben über Berufung und Offenbarung mit äußerstem Miß-
trauen entgegengetreten werden.
Viele mediale Menschen sind nicht hellsichtig, nicht einmal hellhörig in dem
Grade, in dem ich es war, können also nur höchst unvollkommen die Geister,
unter deren Einfluß sie stehen, kontrollieren.'
Soweit die Ausführungen Dr. Quades. (Zitiert aus seinen Arbeiten: 'Zur Kritik des Offenbarungs-
glaubens'; 'Die Jenseitigen - über die Möglichkeit und Tatsächlichkeit eines geistigen Lebens ohne
Sinnesorgane und Gehirn'; 'Die Befragung der Jenseitigen - Wie man sich praktische Beweise für
die Tatsächlichkeit des Fortlebens der Seele nach dem Tode verschaffen kann'. Alle auf dem Bü-
chermarkt restlos vergriffen!)"
Roesermueller berichtet nun weiter über seine eigenen Erlebnisse bei medialen Versuchen. Er schreibt
(76, S. 14):
"Bei meinen Gesprächen mit Jenseitigen, welche ich in einem privaten akademischen Forscherzir-
kel in den Jahren 1939 bis 1942 führen durfte (es handelte sich um die seltenen Manifestationen in
direkten Stimmen, die also nicht aus dem Munde des Mediums, sondern aus dem Raum in der
einmaligen charakteristischen Stimme eines lieben Heimgegangenen ertönten), wurde ich vielfach
vor den Aussagen und Offenbarungen der Geister gewarnt. In meinen Schriften: 'Unsere Toten le-
ben!' und 'Begegnungen mit Jenseitsforschern und Gespräche mit Geistern' schildere ich meine Er-
lebnisse und Gespräche und verweise auch ganz kurz auf diese Warnungen. Man lese bitte das dort
Ausgeführte nach. Auf die Warnungen seitens meiner Mutter und meiner jenseitigen Freunde muß
ich aber zurückkommen.
Es ist mir seinerzeit besonders aufgefallen, daß sich Geistwesen ganz plötzlich in unsere Gesprä-
che, die wir mit einem Jenseitigen führten (Die Gespräche geschahen in direkter Stimme meist oh-
ne Verwendung einer Trompete oder eines Stimm- und Schallverstärkers), einmischten und uns
oftmals widersprachen. Mitunter sprachen auch zwei Geistwesen ganz für sich, ja oft stritten sie
miteinander über ihre Ansichten. Als z. B. ein Jenseitswesen sich gegen die Wiederverkör-
perungslehre aussprach, ein Sitzungsteilnehmer dieselbe aber verteidigte, erklärte ein anderer Jen-
seitiger, daß die Kenntnisse der Geister, die sich hier in dieser Sitzung kundgeben, die sich also
noch in einer gewissen Erdbindung oder Erdnähe befinden, sehr beschränkt seien. Begriffe von
Raum und Zeit gingen ihnen völlig ab, und es fehle ihnen auch jede Möglichkeit, ihre-Erlebnisse
in menschlichen Worten uns Menschen, die dreidimensional denken, begreiflich zu machen. Dann
verwies das Geistwesen darauf, daß viele Ankömmlinge drüben in einem jämmerlichen Zustand
eintreffen, im Dunkeln und in völliger Unwissenheit für länger Zeit verharren und mitunter gar
nicht glauben können, daß sie, wenn sie zum Bewußtsein erwachen, gestorben sind. Kommen sol-
che Wesenheiten zu sich, dann leben sie von ihrer zu ihren Lebzeiten errungenen Weltanschauung,
wenn sie überhaupt eine solche hatten, und wenn ja, vertreten sie dieselbe ganz hartnäckig. So
kommt es, daß Anhänger der Wiederverkörperungslehre diese lehren und jene, die anderer Mei-
nung sind, vertreten eben diese. Dabei wurde von seiten dieser Geister ganz besonders darauf auf-
merksam gemacht, daß es wie hier auf Erden, so auch drüben viele Sprüchemacher und Irreführer
gibt, auf deren Aussagen man nichts geben darf. Es sind dies Foppgeister, mitunter aber auch ganz
durchtrieben böse Geister, die die Neugierde der Sitzungsteilnehmer ausnutzen. Diese Art von
Geistern gibt sich als liebe Abgeschiedene aus, erteilt Ratschläge und stürzt die leichtgläubigen
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Zuhörer ins Unglück. Unter den böswilligen Wesenheiten sind nach Angaben der Jenseitsfreunde
hochintelligente ehemalige Menschen auf tiefer sittlicher Stufe, voll Haß und Niedertracht. Wenn
dann Menschen in ihrer Verblendung sich Rat von drüben holen, dann werden sie Opfer dieser
Grenzbummler. Immer wieder wurde von den Jenseitsfreunden betont, daß ihr Wissen sehr be-
schränkt ist und sich in der Hauptsache darauf bezieht, daß es ein persönliches Fortleben nach dem
Tode gibt und der Mensch erntet, was er sät! Dieses Wissen ist wenig und doch unendlich viel und
von unermeßlicher Wichtigkeit und Tragweite. Sollte das nicht genügen, unser Leben
danach einzurichten?
Nachdem für die Geister die irdischen Sorgen für Essen, Trinken, Kleiden und Wohnen entfallen,
machen sich dafür nach den Erfahrungen der Jenseitsfreunde um so mehr die Gewissensqualen
über irdische Versäumnisse bemerkbar. Sehr viele Geister bleiben auch für lange Zeit erdgebun-
den, an irdische Interessen gefesselt, suchen weiterhin ihre Leidenschaften in sensitiven Menschen
zu befriedigen, indem sie diese umsessen bzw. besessen machen. - - -
Vor der Unwissenheit und den Irreführungen dieser erdgebundenen Geister versuchten uns in den
Sitzungen unsere Jenseitsfreunde zu warnen. Leider mußte ich die Erfahrung machen, daß diese
Gefahren viel zu wenig in Betracht gezogen werden. Wenn ich zu Sitzungen eingeladen wurde,
dann machte man es mir fast immer unmöglich, entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung von
Irreführungen zu treffen. Meist sind die Sitzungsteilnehmer empört, wenn man auch nur einen
Zweifel an der Identität der sich meldenden Geistwesen aufkommen läßt. Meines Erachtens gibt
nur die direkte Stimme, die einmalig durch Tonfall und Charakter eine Wesenheit ausweist, echte
Identitätsbeweise, alle anderen Manifestationen können viel leichter vorgetäuscht werden. Solche
Medien der direkten Stimme gibt es meines Wissens derzeit in Deutschland überhaupt nicht. Diese
sind auf der ganzen Welt sehr rar.
Wie schwer es ist, eine Identität festzustellen, soll folgender Fall eines namhaften Forschers
beleuchten; auch hier protestierten die Sitzungsteilnehmer wegen der kritischen Einstellung des
Experimentators, die sich aber letztlich als berechtigt erwies. Dr. J. G. Raupert berichtet über diese
Sitzungsreihen wie folgt:
'Nachdem ich nach langjährigen Beobachtungen unter fehlerlosen Bedingungen zu
der Überzeugung gelangt war, daß wir es im Spiritismus mit geistigen Wesen zu tun
haben, wandte ich meine volle Aufmerksamkeit der Identitätsfrage zu. Diese Frage
beschäftigte damals die ganze psychische Welt. Ich bildete mir meinen eigenen
Zirkel im Haus alter Freunde - einer Familie, deren zwei jüngere Mitglieder die
Medialität entwickelt hatten. Die Sitzungen wurden unter fehlerlosen Bedingungen
abgehalten, und die wunderbarsten Phänomene konnten beobachtet werden. So wur-
de z. B. in Gegenwart von zehn Personen, die dies sogleich schriftlich bezeugten, bei
Tageslicht auf meinen Wunsch auf geschlossenem und verschlossenem Klavier ge-
spielt; ein Tisch wurde von unsichtbaren Händen zerbrochen usw. Aber mein Ver-
langen war nach unumstößlichen Identitätsbeweisen, und man versprach mir, diesel-
ben zu liefern.
Eines Abends, im Laufe unserer Sitzungen, kündigte sich ein geistiges Wesen an,
das vorgab, mein vor kurzem verstorbener Freund T. J. zu sein. Er selbst und seine
Familie waren auch den Mitsitzenden bekannt. Wir hatten alle mehrere Jahre hin-
durch in derselben Vorstadt Londons gelebt und hatten gesellschaftlichen Verkehr
gehabt. T. J. erschien jeden Abend, begrüßte uns in familiärer Weise, sprach über
Ereignisse aus seinem vergangenen Leben, über seine Krankheit, seinen Tod, über
manches, was seitdem geschehen war, und dies in einer Weise, die in keinem der
Mitglieder des Zirkels einen Zweifel über seine Identität zurückließ. Die Fragen, die
an ihn gestellt wurden, wurden immer schnell, kurz und richtig beantwortet.
Um die Funktionen unseres eigenen Unterbewußtseins so weit wie möglich auszu-
schalten, bat ich T. J., mich als Zweifler anzusehen und mir jeden Abend ohne Fra-
gen meinerseits, einen von ihm selbst gewählten Identitätsbeweis zu erbringen. Vie-
le Abende hindurch gelang dies in solcher Weise, daß die Anwesenden protestierten
und mich baten, diese Versuche nicht weiter zu treiben. Ich war indessen immer
noch nicht überzeugt und unterwarf jede Mitteilung einer strengen Kritik.
An einem Abend, der mir unvergeßlich ist, machte T. J. eine Aussage, die nicht
wahr war und auch nicht wahr sein konnte, denn das Behauptete gehörte gar nicht zu
seinem vergangenen Leben. Ich wiederholte die Frage in anderer Form, erhielt aber
- 126 -
dieselbe Antwort, und deutete nun auf die Tatsache hin, daß das Gesagte unmöglich
wahr sein konnte.
Ein tiefes Schweigen seitens des geistigen Wesens und der Mitsitzenden folgte auf
meine Bemerkung.
Ich erhob mich und sagte in feierlichem Tone: Ich frage dich jetzt, im Namen Got-
tes, bist du wirklich der verstorbene T. J.? Zum grenzenlosen Erstaunen aller Anwe-
senden kam die Antwort kurz und bündig: Nein! Ich sagte weiter: Dann frage ich
dich im Namen Gottes: Wo hast du die Informationen hergenommen, durch die es
dir möglich geworden ist, diesen großen Betrug auszuführen? Die höhnende Ant-
wort war: 'Aus eurem eigenen dummen Gedankenkasten (thought boxes). Ihr sitzt da
wie die Narren, im passiven Zustande, in welchem ich eure Gedankenbilder fast ge-
nau so ablesen kann, wie ihr eine Seite eures Neuen Testamentes.'
Ich brauche nicht zu versichern, daß mit dieser erschütternden Episode unsere
Experimente auf lange Zeit unterbrochen wurden. Für mich war es indessen eine
hochwichtige Erfahrung. Lieferte mir dieselbe doch den Schlüssel zu Problemen, die
damals Hunderte umsonst zu lösen versuchten. Ich möchte hier noch hinzufügen,
daß, als ich mich einst bei einer ähnlich bitteren Enttäuschung über die Falschheit
der geistigen Wesen beklagte, ich die Antwort erhielt: 'Wer mit Feuer spielt, darf
sich nicht beklagen, wenn er sich die Finger verbrennt.'
Soweit Dr. Raupert.
Die weltbekannte spiritistische Experimentatorin Mrs. Travers Smith, welche zusammen mit dem
ebenso bekannten englischen Forscher Prof. Sir W. Barrett (ein Physiker) und dem bedeutenden
englischen Schriftsteller D. H. Bradley erfolgreich arbeitete, warnt in ihrem Werke 'Voices from
the Void' vor leichtfertigem spiritistischem Experimentieren und der Laienmeinung, es sei so
leicht, mit Tisch, Skriptoskop oder medialem Schreiben in Kontakt mit lieben Abgeschiedenen zu
kommen. Ihre Erfahrung ist: 'Ich möchte alle warnen, die das Verlangen haben, noch einmal mit
ihren Lieben, die ihnen der Tod entrissen hat, zu verkehren. Es ist klüger und vernünftiger, den
Versuch zu unterlassen. Die Chancen gegen eine echte Mitteilung sind zehn zu eins, und man ist
bei diesen Experimenten den größten Zweifeln und Enttäuschungen ausgesetzt.'''
So weit die Ausführungen von Wilhelm Otto Roesermueller.
Über meine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen bei der Verbindung mit der Jenseitigen Welt habe ich
bereits auf Seite 47 und den folgenden berichtet. Dabei ging es ja nicht darum, mit verstorbenen Ver-
wandten in Verbindung zu kommen, sondern um unwissenden und umherirrenden Geistwesen durch
Unterrichtung und Belehrung Hilfe zukommenzulassen. Die dabei auftretenden Störungen und Täu-
schungen durch gottfeindliche Wesenheiten habe ich geschildert und insbesondere auf S. 48 auf die
Schwurformel hingewiesen, durch die wir uns Klarheit über die Zuordnung eines Geistwesens zu ver-
schaffen versuchen. Nur am Rande möchte ich erwähnen, daß bei diesen Bemühungen auch einmal ein
Geistwesen auftrat, das sich als Johannes der Täufer ausgab und darum bat, ein anderes Geistwesen
einführen zu dürfen. Als dieser Geist aufgefordert wurde, den auf Seite 48 wiedergegebenen Schwur
nachzusprechen, entgegnete er, nicht bekräftigen zu können, daß Jesus Christus sein Herr sei, denn er
selbst sei ja Christus. Wir haben darauf die beiden Geistwesen sehr schnell verabschiedet und abge-
wiesen, denn ihr ganzes Verhalten deutete in keiner Weise darauf hin, daß es wirklich die vorge-
gebenen Wesenheiten sein könnten.
In einem anderen Fall war für uns in dem erwähnten medialen Kreis die Entscheidung nicht ganz so
einfach. Am 02. 09. 1977 trat durch mediales Sprechen bei Halbtrance des Mediums ein Geist in
Erscheinung, der auf Befragen angab, zu Lebzeiten auf Erden Lothar Fredericks geheißen, vom
05. 09. 1837 - 17. 03. 1881 gelebt zu haben und evangelischer Pastor in Lüneburg gewesen zu sein. Er
berichtete eine Reihe von Einzelheiten aus seinem früheren und seinem jetzigen jenseitigen Leben und
gab an, zur Zeit die Aufgabe übernommen zu haben, uns Menschen hier zu helfen.
Nun ist es bei einem Geistlichen sehr einfach, derartige Angaben über sein irdisches Leben nachzuprü-
fen. Ich schrieb also sofort an das Kirchenbuchamt in Lüneburg und erhielt die Antwort, daß ein Pas-
tor Lothar Fredericks im vorigen Jahrhundert in Lüneburg nicht gewirkt habe. Ich ließ mir dann die
Namen sämtlicher Geistlichen Lüneburgs von 1850 - 1900 mitteilen, um zu untersuchen, ob vielleicht
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nur der Name oder Vorname verstümmelt wiedergegeben sein könnte. Es paßte aber keine einzige
Angabe des Geistes auf die Auskünfte aus Lüneburg.
Danach fragte ich ihn wieder persönlich, ob er sich an die gemachten Angaben eigentlich noch gut
erinnern könne und ob es überhaupt sicher sei, daß wir alles richtig verstanden hätten. Dazu wieder-
holte ich noch einmal ganz langsam seine Angaben. Die Antwort war, er könne sich noch gut erinnern
und ich hätte alles richtig verstanden. Darauf fragte ich den Jenseitigen, ob er bereit sei, seine Angaben
im Namen Gottes zu beschwören. Er war dazu bereit und leistete den Schwur von S. 48 in feierlicher
Form. Dann eröffneten ich ihm, daß alles, was er gesagt habe, nicht stimme. Darauf meinte der Geist,
das Kirchenbuchamt müsse sich geirrt haben. Er sei zu irdischen Lebzeiten viel im Ausland gewesen
und stünde deswegen vielleicht nicht im Verzeichnis der Geistlichen. Ich fragte ihn daraufhin nach
dem Namen seines früheren Superintendenten in Lüneburg und nach Namen seiner Amtsbrüder. Als
Superintendenten gabe er Franz Riefen an. In Wirklichkeit jedoch hießen die Superintendenten
Lörentz Lorentzen (1852 - 1866), Eduard Schultz (1866 - 1877) und Karl Beyer (1878 - 1897).
Daraufhin wurde das Geistwesen in Ungnade entlassen, und es ließ nie wieder etwas von sich hören.
Aus den angeführten Beispielen, teils aus der Literatur, teils selbst erlebt, ersieht man, wie vorsichtig
man bei Jenseitskontakten und medialen Mitteilungen sein muß. In zahlreichen Fällen wird jedoch bei
spiritistischen Gruppierungen vieles, was aus dem Jenseits kommt, weitgehend ungeprüft hingenom-
men, insbesondere dann, wenn die Quelle sich als Jesus Christus oder Gott persönlich ausgibt. Derar-
tiges gab es im vorigen Jahrhundert und gibt es auch heute in beträchtlichem Maße. Zwei große Verei-
nigungen der heutigen Zeit möchte ich hier stellvertretend für weitere vorstellen, die mit erheblichem
Werbeaufwand ihre Botschaft unter das Volk bringen. Ihre Medien, die Mittler zur jenseitigen Welt,
bezeichnen sich ausdrücklich als "Propheten" und lehnen das Attribut "spiritistisch" energisch ab.
Aber sind sie wirklich echte Propheten im biblischen Sinn oder doch nur falsche Propheten?
Die erste Gruppe ist der Orden Fiat-Lux oder Lichtquell Bethanien in Egg in der Schweiz um Frau
Erika Bertschinger. Über ihren Lebenslauf kann ich aus eigener Kenntnis und aus einem Bericht, den
sie am 22. 03. 1984 bei einer öffentlichen Veranstaltung in Obereschach bei Ravensburg vortrug, fol-
gende Angaben machen: Frau Bertschinger, geboren 1929, ist eine frühere Frau Tellkamp und gibt an,
aus einem tiefkatholischen Milieu zu stammen. In den Jahren um 1970 war sie Mitglied der Geistigen
Loge in Zürich, einer christlich spiritualistischen Vereinigung mit damals medialem Jenseitskontakt.
Mir ist sie von Veranstaltungen der damaligen Zeit von Frisur und Kleidung her als eine sehr auffal-
lende Erscheinung in Erinnerung. Beruflich war sie, so gibt sie an, 14 Jahre auf verantwortungsvollem
Posten in der Film- und Musikbranche tätig.
Um 1970 lernte sie einen im Ruhestand lebenden, wohlhabenden Schweizer Textilfabrikanten Max
Bertschinger kennen. Dieser war seit vielen Jahren spiritualistisch sehr interessiert, hatte einige Ver-
bindungen zu amerikanischen Medien von Camp Silver-Belle und empfing von diesen laufend Bot-
schaften und Aufgaben. Insbesondere wurde ihm aufgetragen, eine Reihe von Tonbändern mit wichti-
gen Aufzeichnungen wegen einer bevorstehenden sehr großem Flutkatastrophe in seinem hochgelege-
nen Anwesen in Orn-Hinwil für die noch überlebende Menschheit aufzubewahren. Diese weiträumige
Überschwemmungskatastrophe hätte in der Zwischenzeit längst eingetreten sein müssen, ist aber, wie
jeder weiß, bislang ausgeblieben.
Bei einer Reihe von spiritistischen Gruppen spielen Mitteilungen über kommende Naturkatastrophen
(überwiegend Überschwemmungen, niemals aber Klimakatastrophen, wie sie jetzt in aller Munde
sind) eine große Rolle. Als Ursache wird meist ein Kippen der Erdachse angegeben, ein Vorgang, der
aber in naher Zukunft physikalisch in keiner Weise vorstellbar ist. Hier versuchen Jenseitige, sich
durch Phantasiebehauptungen einen üblen Scherz mit ihren menschlichen Zuhörern zu machen. Herr
Bertschinger glaubte jedoch fest an diese medialen Vorhersagen.
Nachdem 1975 seine erste Ehefrau gestorben war, heiratete ihn Weihnachten 1977 Frau Erika Tell-
kamp in ihrer dritten Ehe. Diese konnte damit ihren Beruf aufgeben und fand einen gesicherten finan-
ziellen Hintergrund. Von der Geistigen Loge hatte sie sich inzwischen gelöst, da sie dort an gewissen
Dingen Anstoß nahm. Für sie hätte in diesem Rahmen auch nie die Möglichkeit bestanden, sich offen
medial zu betätigen. Sie machte sich daher als Medium selbständig, gründete einen eigenen Anhä-
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ngerkreis, und gibt seit 1977 eine mehrmals jährlich erscheinende Zeitschrift mit dem Titel: "Geist-
schulung durch unseren himmlischen Vater in Jesus Christus E. B." (E. B. für Erika Bertschinger)
heraus. Sie führt den Geistnamen "Uriella" und sagt, daß sie seit Weihnachten 1975 ihre Offen-
barungen direkt von Jesus Christus empfinge. Sie habe vom himmlischen Vater die höchsten Gaben
erhalten, die Er zu verschenken habe, nämlich sei sie hellempfindend, hellfühlend, hellsehend und
hellhörend geworden. Außerdem beherrsche sie die Gabe der Bilokation (also an zwei Orten gleichzei-
tig zu sein), der Präkognition (in die Zukunft zu sehen) und der Geistheilung. In beispielloser Zurück-
gezogenheit und Selbstlosigkeit opfere sie sich für die Menschheit im Dienste Gottes.
Ihre Heilbehandlungen erfolgen kostenlos, aber die von Frau Bertschinger verordneten Heilmittel
verkauft sie nach einer mir vorliegenden Preisliste des Jahres 1984 zu unterschiedlichen Beträgen.
Umsonst gibt es "mit Athrumstrahlen aufgeladenes Wasser", Heilwatte kostet 1,90 SFr, Mate-Tee als
Lebenselexier 15,- SFr, Hefe (alles ohne Mengenangabe) 27,- SFr und eine Biotron-Matte zur Harmo-
nisierung pathogener Schlaf-und Arbeitsplätze erhält man für 210,- SFr. Insgesamt wurden damals 46
verschiedene Heilmittel angeboten.
Im Januar 1982 starb ihr Ehemann Max Bertschinger im Alter von 80 Jahren. Im Jahr darauf tat sich
Frau Bertschinger mit dem damaligen katholischen Priester Kurt Warter zusammen und heiratete ihn
im Dezember 1983. Warter war zu jener Zeit Pfarrer einer Gemeinde in Burladingen-Hausen im Zol-
lernalbkreis. Er verließ die Gemeinde im April 1983, wurde daraufhin vom Erzbischöflichen Ordina-
riat in Freiburg vom Dienst suspendiert und in der Presse wegen angeblicher Unterschlagungen erheb-
lich angegriffen. Pfarrer Warter bestritt jedoch energisch jeden Unterschlagungsvorwurf. Er
betonte, er habe im Gegenteil 7,5 Mio DM für seine Gemeinde und für charitative Zwecke gesammelt.
Der Streitpunkt waren 140.000,- DM, die er aus einem Krippenmuseumsfond zurückbehalten hatte
und die er gegen Ansprüche als Krippenkursleiter und an Reisespesen gegenüber der Kirchenbehörde
aufrechnete. In diesem Rechtsstreit wurde er zunächst in Untersuchungshaft genommen, gegen Kauti-
on von 60.000,- DM aber wieder freigelassen. Das Strafverfahren gegen ihn wurde im Januar 1985
eingestellt, nachdem er 152.000,- DM Spendengelder an die Erzdiözese Freiburg zurückgezahlt hatte
und ihm ein Bußgeld von 25.000,- DM von den 60.000,- DM Kaution abgezogen worden war.
Kurt Warter war hinfort der theologische Sachverständige und Berater im Kreis der Frau Bertschin-
ger-Warter. Er führte den Geistnamen "Uriello" und trat bei öffentlichen Veranstaltungen als Haupt-
redner unter der Bezeichnung "Der von der römisch-katholischen Kirche suspendierte Pfarrer Kurt
Warter" auf. Bei mir hat er in einem Vortrag einen guten Eindruck, den der Ernsthaftigkeit und Ruhe,
hinterlassen. Er war ein vorzüglicher pastoraler Redner, wenn ich auch mit dem Inhalt seiner Ausfüh-
rungen, d. h. mit der Lehre der Frau Bertschinger, teilweise gar nicht einverstanden war. Der Tod hat
die ungewöhnliche Priesterehe allerdings sehr bald gelöst. Am 05. April 1988 kam Kurt Warter mit
drei weiteren Anhängern des FIAT LUX-Ordens bei einem Autounfall in der Nähe von Landeck in
Tirol ums Leben.
Worin besteht nun die Lehre des Fiat-Lux-Ordens? Sie fußt in ihrem theologischen Teil auf dem, was
Frau Bertschinger bei der Geistigen Loge Zürich gelernt hat. Deren Lehre geht aber wiederum auf die
des Pfarrers Greber zurück, von der hier bereits eingehend die Rede war. Frau Bertschinger hat sie
allerdings entsprechend ihren Offenbarungen in phantasievoller Weise erweitert und umgestaltet.
Zunächst fällt die süßliche und schwülstige Vortragsweise des durch sie sprechenden "Christus" auf,
die ganz im Gegensatz zu der sachlichen Redeweise steht, wie sie uns im Neuen Testament von Jesus
Christus überliefert ist.
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So hielt dieser angebliche Christus am 29. 04. 1978 z. B. folgende Ansprache:
"Meine innig geliebten Kinder!
Ich freue Mich, daß ihr von so weit hierhergekommen seid, um das göttliche Manna zu empfan-
gen. Ihr steht alle in einem Feuerkelch und werdet durchstrahlt von Meiner Feuerglut, die ange-
schlossen ist an Meine Urglut, an das Urlicht und die Urkraft allen Seins.
Diese Feuerkelche umgeben euch, sie sind golden, nicht rot! Sie sind gesegnet von Mir! In ihnen
liegt Heil! In ihnen liegt der Sieg! In ihnen liegen die Reinheit und mein Licht! Dieses Licht, das
alles erschaffen hat und alles am Leben erhält. Es ist das Licht der Ewigkeit!" usw.
In diesen Sätzen und vielen anderen wird nichts nachweisbar Falsches oder Böses vorgetragen. Es
wird aber eine Vortragsweise gewählt, wie wir sie von dem in der Bibel überlieferten Christus nicht
kennen, wie sie aber sehr gut dem Erscheinungsbild und der Redeweise von Frau Bertschinger ent-
spricht. Aber dies sind zunächst Äußerlichkeiten, die nicht entscheidend sind. Wichtiger sind
andere Dinge, die Pfarrer Warter am 22. 03. 1984 in Obereschach bei Ravensburg seinen Zuhörern
berichtete. Er sagte u. a., daß der "Heiland" gegen alle chemisch-pharmazeutischen Mittel und gegen
alle Konservierungs- und Farbstoffe sei, daß er den Genuß von Fleisch, Koffein und Thein ablehne
und eine Ernährung durch Rohkost und Nüsse wünsche. In bezug auf die Astrophysik und die Entste-
hung der Welt habe der "Heiland" folgende Angaben gemacht:
"Die Liebe ist die wert- und gemeinschaftsschöpferische Urkraft des Geistes. Dieser Geist liegt in
der GOTTHEIT. Sie ist das Urlicht, das vor dem Urstoff existierte. Damit die GOTTHEIT von
ihren Geschöpfen überhaupt erkannt und wahrgenommen werden konnte, näherte sie sich der
allerfeinsten, im Urstoff liegenden Feinstofflichkeit. So entstand die Wesenheit GOTTES.
Durch die Verdichtung sind auch die Geisturatome entstanden. Aus ihnen wurden Urlichtmoleküle
geschaffen, die von GOTT als Primärlicht bezeichnet werden. Aus diesem Primärlicht entstand die
ganze Schöpfung. So auch die Sonnen. Die erste Sonne, die aus Geist, Kraft und Urlicht besteht,
trägt den Namen Ur-Ur-Zentralsonne. Sie bildet sozusagen den Mantel von GOTTVATER. Daher
lesen wir auch in der Bibel bei Paulus, 1. Timotheusbrief 6,16: 'ER wohnt in unzugänglichem
Licht.'
Aus der Ur-Ur-Zentralsonne wurden dann die 12 Ursonnen mit ihren Galaxien und Sonnensyste-
men sowie den weiteren Sonnen gebildet. Diese Ursonnen bestehen aus dem Primärlicht GOT-
TES. Aus ihnen wurden auch 12 Universen geschaffen. In jedem Universum gibt es Millionen von
Sonnensystemen. Unsere Erde ist der 12te Planet im 12ten Sonnensystem des 12ten Universums
GOTTES. Alles wird vom Urlicht des EWIGEN GOTTVATERS durchstrahlt und gespeist."
Die Lücke in unserem Planetensystem zwischen Mars und Jupiter, die ja, wie man seit dem vorigen
Jahrhundert weiß, durch die sogenannten Planetoiden ausgefüllt wird, sei früher einmal durch einen
großen Planeten namens "Mallona" besetzt gewesen. Der sei aber durch Atomexplosionen zerborsten.
Für unseren Planeten sagt der HEILAND einen Polsprung voraus, also ein Kippen der Erdachse um
einen großen Winkelbetrag, was dann weltweite Überschwemmungen zur Folge haben wird. Das
Baumsterben auf unserer Erde wird übrigens durch die hohe Radioaktivität hervorgerufen, während
normalerweise der saure Regen und Luftverschmutzungen dafür verantwortlich gemacht werden. Wei-
ter berichtete Pfarrer Warter:
"Der Mensch macht die Erde bald unbewohnbar. Die Luftvergiftung tritt so offensichtlich zutage,
daß ich darüber nicht lange referieren muß. Unser ERLÖSER sagte einmal:
'Die Radioaktivität ist durch die vielen Atomversuche, die auch auf dem Meeresbo-
den durchgeführt werden, so gesteigert worden, daß das Leben auf diesem Erdball
massiv gefährdet ist. Im Ätherreich sind die Röntgeneinheiten auf 160 gestiegen. Bei
190 Röntgeneinheiten entstehen bereits Veränderungen in der physischen Hülle des
Menschen.'
14 Tage darauf - in der Zwischenzeit fanden wiederum atomare Versuche statt - sprach ER noch
einmal wie folgt darüber:
'Die Radioaktivität in der Luft hat ein solches Ausmaß angenommen, daß das Gehirn
der Menschen angegriffen wird. Die normale Einheit an Röntgenstrahlen, die der
Mensch ertragen kann, liegt bei 12. Nun ist sie bereits auf 170 angestiegen. Bedenkt,
was ich euch gesagt habe! Bei 190 kommt das Delirium! Jene, die das Herz vernach-
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lässigt, und es nicht in Liebe entwickelt haben, werden wahnsinnig, wie es in der
letzten Phase auf Atlantis der Fall war.'"
Als Krönung dieser Mitteilungen empfand ich die Angabe:
"Der Heiland hat gesagt:
'Ihr erzeugt die Wolken durch eure schlechten Gedanken. Nur die Erde kennt Wol-
ken!"
Bei diesen Aussagen, die angeblich von Christus stammen sollen, handelt es sich um Behauptungen,
die entweder nicht nachprüfbar sind wie z. B. die Angabe über den durch Atomexplosionen vernichte-
ten Planeten Mallona, oder gefährliche Folgen haben können wie die Ablehnung aller chemisch-
pharmazeutischen Mittel, oder die nachweisbar falsch sind. Dazu gehört die Behauptung, daß unsere
schlechten Gedanken die Wolken erzeugen und nur die Erde Wolken habe. Auch der Planet Venus
besitzt eine dichte Wolkendecke. Auch die Angaben der irdischen Radioaktivität mit ihren Zahlenan-
gaben ohne Maßeinheit sind reine Phantasiewerte. Auch ist es keineswegs so, daß die Strahlenbelas-
tung in unserem Land in den letzten Jahren (von vorübergehenden Erhöhungen durch Tschernobyl
abgesehen) stark angestiegen wäre. Sie ist bei uns viel zu gering, als daß dadurch nachweisbare Schä-
digungen hervorgerufen werden können. Delirium wird durch Strahlenbelastung nie ausgelöst. Bei der
mittleren Strahlenbelastung der Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland von rund 2/1000 Sie-
vert/Jahr, beträgt der Anteil, der von Atomversuchen und Kernkraftwerken herrührt, nur etwa 1%.
Alles andere ist natürlichen Ursprungs (Bodenstrahlung, Höhenstrahlung) oder kommt von medizini-
schen Anwendungen.
Bei dem Vortragsabend vom 22. 03. 1984 wurden zum Schluß auch Fragen der Zuhörer beantwortet.
Einer fragte: Wenn Christus schon alle chemisch-pharmazeutischen Mittel und alle Konservierungs-
und Farbstoffe ablehne, warum Frau Bertschinger sich dann die Haare färbe (tiefschwarz) und die
Fingernägel lackiere (dunkelrot)? In ihrer Antwort ging Frau Bertschinger auf die gefärbten Haare
nicht ein und bemerkte nur, daß sie die lackierten Fingernägel für die Ausübung ihrer durch die Hände
bewirkten Heiltätigkeit benötige.
Wenn ich die Fiat-Lux-Bewegung insgesamt beurteile, so fällt mir die tiefe Ernsthaftigkeit, die Religi-
osität und der gute Wille des Pfarrers Warter und vieler weiterer Anhänger auf. Die Botschaften, die
sie empfangen, fordern zur Gottesliebe und zum Gutes-Tun auf. Aber gleichzeitig stellen die Geistwe-
sen phantastische und nachweisbar falsche Behauptungen auf, wie sie auch bei anderen Sekten üblich
sind. Ausgestattet mit der angeblichen Autorität Christi wird von den gutgläubigen Anhängern jedoch
alles geglaubt und für bare Münze genommen und dann auch reichlich gespendet. Auf den Gedanken,
kritische und prüfende Fragen zu stellen, kommt von den Anhängern niemand. Wie kann man Christus
auch prüfen wollen?
Die zweite Gruppe, in der sich ein "Jesus Christus" unmittelbar persönlich kundgibt, ist das
"Heimholungswerk Jesu Christi, die Innere Geist-Christus-Kirche der Einheit, in der alle Menschen
Brüder sind, getragen durch das innere Wort von Jesus Christus". Vor einigen Jahren, 1985, hat diese
Gemeinschaft ihren Namen geändert und nennt sich heute "Universelles Leben".
In diesem Fall kann ich keine persönlichen Eindrücke wiedergeben, sondern mich nur auf das umfang-
reiche mir vorliegende Schrifttum und Tonbandaufzeichnungen beziehen. Das Medium ist eine Frau
Gabriele Wittek. Diese weist die Bezeichnung "Medium", und womöglich noch spiritistisches Medi-
um, ganz entschieden zurück. Sie sei eine Prophetin und empfange ihre Mitteilungen durch das "Inne-
re Wort". In der Terminologie der Parapsychologie ist sie deswegen aber trotzdem ein spiritistisches
Medium, weil sie ja eine Verbindung zur jenseitigen Welt vermittelt. Der Art nach ist sie ein "hellhö-
rendes" (weil sie innere Stimmen vernimmt) und ein Inspirationsmedium, vielleicht auch ein Trance-
Medium.
In ihrem Lebenslauf aus dem Jahre 1980 gibt Frau Wittek an, 1931 in der Nähe von Augsburg geboren
zu sein. Sie war katholisch, fühlte sich aber ab dem 18ten Lebensjahr nicht mehr an die Kirche
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gebunden. Sie sagt, daß sie niemals im Alten Testament, in einer Kirchengeschichte oder in Werken
über Mystik gelesen habe und nichts von Propheten oder erleuchteten Menschen gewußt habe. Beruf-
lich war sie zunächst Kontoristin. Mit 22 Jahren heiratete sie, zog 1956 nach München, bekam bald
eine Tochter und gab dann ihre Berufstätigkeit auf. Nach zwölfjährigem Aufenthalt in München über-
siedelte die Familie 1968 nach Würzburg. Am 12. November 1970 starb ganz überraschend die Mutter
von Frau Wittek. Sie, wie auch ihr Vater, kamen über deren Tod nicht hinweg. Sie schreibt darüber
wörtlich in ihrem Lebenslauf von 1980:
"Mich ergriff daraufhin eine fixe Idee. In dieser Zeit klagte ich oftmals Gott an und sagte: 'Was ist
das für ein Leben, nur Arbeit, nur sparen, nur Tag für Tag ums tägliche Brot sorgen. Und wenn es
dann einem Menschen etwas besser geht, dann muß er sterben!' Ich fragte: 'Bist du ein Gott der
Liebe? Existierst du überhaupt?' Und dann kam die Frage: 'Gibt es überhaupt einen Gott, gibt es
ein Weiterleben nach dem Tode?"
Am ersten Jahrestag des Todes ihrer Mutter (1971) hatte Frau Wittek eine kurze körperlich für sie
sichtbare Erscheinung von ihr. Daraus gewann sie die Überzeugung, daß es ein Fortleben nach dem
Tode gibt. Wenig später wurde sie durch eine Nachbarin auf ein spiritistisches Medium aufmerksam
gemacht, durch das sich auch gelegentlich verstorbene Angehörige meldeten. Frau Wittek ließ sich die
Anschrift geben und nahm von da an etwa ein Jahr lang alle zwei bis vier Wochen an den Sitzungen
des Mediums teil. Das oder die dort auftretenden Geistwesen, die sich sowohl als "Christus" als auch
als "Gott" ausgaben, erkannten offenbar die mediale Veranlagung der Frau Wittek. Nach einem drei-
viertel Jahr sagten sie ihr nämlich:
"Ich gebe ein großes Werk in deine Hände, und du wirst mir noch viele Früchte bringen, denn ich
habe deinen Boden fruchtbar gemacht. Alles, was du im Geist und nach dem Geist erbittest, werde
ich dir schenken. So steht ihr im Kampf mit der Welt und mit dem Äußeren, doch Ich, euer Vater,
bin um euch und gebe euch Meine Lichtboten. Tuet alles in Meinem Namen, und ich werde euch
schützen und leiten."
In der Folge stellten sich bei Frau Wittek starke Seelenkämpfe ein, die sich insbesondere in beängsti-
genden Träumen äußerten. Schließlich empfing sie am 06. Januar 1975 ihre erste Offenbarung. Sie sah
visionär eine Gestalt in leuchtend weißem Kleid, die sie als ihren Schutzengel empfand, und dem sie
für seinen Schutz dankte. Darauf "hörte" sie innerlich seine Antwort:
"Danke nicht mir, sondern danke Gott, unserem Herrn, denn er ist unser Führer und unser Wegbe-
reiter. Wir sind nur seine Diener."
Auf ihre Frage, warum sie in ihren Träumen so geplagt werde, erhielt sie die Antwort:
"Alles, was in der Seele ist, kehrt sich nach außen, damit die göttliche Einstrahlung beginnen kann.
Trete du den Träumen mit den Worten 'Jesus Christus' entgegen, und Christus wird in dir der Sie-
ger sein. Tue alles im Namen Jesu Christi, und fürchte dich nicht, denn die rein-geistige Welt ist
um dich."
Fünf Tage später hörte sie eine innere Stimme, die sagte:
"Ich bin Jesus Christus, der Welten Erlöser!"
Er sprach in der Folgezeit regelmäßig durch Frau Wittek, daneben aber auch andere Geistwesen wie
Bruder Emanuel als "Cherub der göttlichen Weisheit" und weitere Engel des Herrn.
Die inneren Anfechtungen und Seelenkämpfe bestanden jedoch zunächst fort. Innere Stimmen sagten
ihr:
"Alles, was du hörst, ist falsch. Es sind Trugbilder. Höre nicht hin."
Andere Stimmen sagten genau das Gegenteil. Sie war oft tagelang geistig abwesend und sah weder
ihren Mann noch ihr Kind an. Tagelang weinte sie und wußte nicht warum. Diese Beschwerden hörten
erst allmählich im Verlauf von drei Jahren auf. Trotzdem hielt sie aber in dieser Zeit ab Mitte 1975
bereits ihre ersten medialen Vorträge. Zuerst vor vier Zuhörern, dann in Nürnberg vor zehn und heute
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vor Hunderten und Tausenden von Interessierten. Die daraus entstandene Bewegung hat sich mit Win-
deseile über ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz bis in weitentlegene Länder der Erde ver-
breitet, getragen durch ständig herausgegebene Druckschriften der Durchgaben von Frau Wittek und
durch Versand von Tonbandkassetten.
Welches ist nun die Lehre der Frau Wittek, beziehungsweise des durch sie sprechenden "Christus"?
Die Kopfzeilen der Druckschriften sagen:
"Keine Sekte, keine Religionsgemeinschaft, kein Spiritismus, freie Menschen in Gott, geistig-
göttliche Inspiration, die innere Geist-Christus-Kirche der Einheit, in der alle Menschen Brüder
sind, getragen durch das innere Wort von Jesus Christus."
Konkret ähnelt die Lehre des Heimholungswerkes sehr stark derjenigen der Fiat-Lux-Bewegung. Es
wird die Lehre des Geisterfalls und der wiederholten Erdenleben vertreten. Gegen pharmazeutische
Produkte, gegen Alkohol, Nikotin, Fleisch und Fisch wird zu Felde gezogen, und am 03. 02. 1980 hieß
es:
"Auch jedes Medikament, das nicht aus der Natur gewonnen wird, ist schädlich. Schon eine halbe
schmerzstillende Tablette tötet im Körper einige Zellen. Müssen chemische Medikamente einge-
nommen werden, da es ja in der Welt Krankheiten gibt, die nur durch solche Medikamente einge-
dämmt werden können oder kranke Organe, die nur auf solch ein Präparat hin arbeiten, so sollten
diese durch Gebetskraft magnetisiert werden. Jeder sollte sich überlegen, wieviel er einnehmen
muß und von allem die geringste Menge nehmen."
Religiös wird die Gottes- und Nächstenliebe gepredigt, wenn auch in einer für den Normalmenschen
sehr geschraubten und oft verworrenen Sprache, ähnlich wie bei Frau Bertschinger. "Christus" sagte
am 23. 02. 1979 durch Frau Wittek:
"Ich bin das Opfer für euch alle, das auf Golgatha das Zepter des weiblichen Engels entgegen-
nahm (damit ist der Satan gemeint, der bei Frau Wittek weiblich ist). Der Fall ist besiegelt. Die Menschheit, die
heute noch im Sumpf dieser Welt lebt, kann natürlich das Opfer und die Besiegelung des Falls
nicht verstehen. Über diese Welt fliegt ein finsterer und feuerspeiender Drache, der keinen Anfang
und kein Ende kennt. Global fliegt er über das Menschengeschlecht hinweg. Im Sumpf dieser Welt
steht das Kind, das emporgehoben werden soll durch die Flamme des Christus in sich. Weil die
Menschheit die Flamme des Christus in sich nicht akzeptiert und nicht zu ihr kommt, kann auch
der Christus eure Sünden nicht vergeben, denn gegenseitiges Vergeben ist das Gesetz des Lebens
und der Liebe. Wer nicht vergibt, der kann auch nicht empfangen. Du kannst deinen Bruder nicht
beschimpfen, ihn gar töten und dann sagen: 'Herr, ich habe gesündigt, vergib mir!' O siehe, wenn
du das aus der tiefsten inneren Reue sagst, weil dir plötzlich das Licht des Lebens aufgegangen ist
- 'du sollst nicht töten und sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten', dann wird
der Christus dich tragen, doch Er wird zu dir sagen: 'O siehe, hier ist dein Bruder, gehe zu ihm und
bitte um Vergebung.'"
Am 16. November 1979 sagte "Christus" in München:
"Tue Buße, handle tagtäglich selbstlos, indem du deinem Nächsten dienst, ohne Anerkennung zu
erhalten. Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch, sodann werden sich die göttlichen Elemente reinigen,
worauf du den Heilsstrom Meines Lebens verspüren wirst, der durch die Elemente dein physisches
Haus durchdringt."
In diesen Worten kann ich nichts Böses, Satanisches oder Heidnisches erkennen, wie das engdogmati-
sche Gegner des Heimholungswerkes tun. Dagegen greift das Heimholungswerk seinerseits die beste-
henden Kirchen sehr heftig an. Sie werden als "Steinkirchen" oder "fette Henne" bezeichnet, und ihren
Würdenträgern werden die schwersten Vorwürfe gemacht. Sie werden als "reiche Prasser" be-
zeichnet. Im Mai 1979 wurde an alle evangelischen und katholischen Bischöfe und den Papst eine
Schrift verschickt mit dem Titel: "An die kirchlichen Würdenträger". Sie enthielt mit harten Worten
eine ausgesprochene Buß- und Strafpredigt. Eine Antwort erhielt das Heimholungswerk verständli-
cherweise nie. Tolerant sind also das Heimholungswerk und die dahinterstehenden Geistwesen nicht.
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Sie übersehen den auch in den Amtskirchen vorhandenen guten Willen, und es mangelt ihnen an der
Erkenntnis, daß überall Fehler gemacht werden.
Zu dieser Intoleranz kommen - wie beim Fiat-Lux-Werk und anderen ähnlich gelagerten Gruppen -
phantasiereiche astrophysikalische Behauptungen und Weltuntergangsvorhersagen. In der Schrift:
"Die Vorbereitung zur Auflösung aller verdichteten Formen und die Wiederkunft des Herrn" aus den
Jahre 1980, wird alles genau erläutert und vor allem wieder die "Polsprungtheorie" herangezogen. Das
liest sich dann so:
"Auch niedere Gedanken und Aggressionen, falsche Lehren und Handlungsweisen am Nächsten
schwängern die Atmosphäre der Erde mit negativen Frequenzen. Auch dadurch wird die Struktur
der Erde und deren Schwingungszahl verändert. Auch Flugzeuge, Hubschrauber, Fahrzeuge zu
Wasser und auf der Erde, Satelliten, alles, was der Mensch an Geräuschen produziert, verändern
die Struktur der Erde und somit deren Schwingungszahl. Die großen Massenverlagerungen, die der
Mensch unbedenklich vornimmt, ergeben gegensätzliche Abstrahlungen und verändern mit allen
anderen gegensätzlichen Handlungsweisen nicht nur die Umlaufbahn der Erde, sondern vor allem
auch der speisenden Planeten.
Die Erde ist die Trägerin der geistigen und materiellen Atome und Elemente. Werden die Elemen-
te und Atome der Erde durch gegensätzliches Denken und Handeln seitens der Menschen be-
einflußt, so geschieht folgendes: Durch dieses geistige Unvermögen verändern sich die Erdachse
und auch die Erdmagnetfelder. Teilweise werden sie sogar dadurch zerstört und durch das beden-
kenlose Handeln verlagert.
Durch die Veränderungen der Magnetfelder, der materiellen Elemente und Atome, können die
speisenden Planeten ihre energetischen Kräfte dem Erdplaneten nicht mehr gesetzmäßig übertra-
gen. Um diese Planetenkräfte aufzunehmen, müßte der Wohnplanet ruhig seine Bahn ziehen und
ähnlich wie ein Teleskop auf das Planetensystem ausgerichtet sein, damit er entsprechend der
Gesetzmäßigkeit gespeist werden könnte.
Durch die enormen magnetischen Veränderungen der Erde treffen die immer noch gesetzmäßigen
Einstrahlungen der Planeten zum Teil auf zerstörte oder nicht für einen Strahlungsbereich vorge-
sehene Magnetfelder.
Durch diese Gesetzwidrigkeiten, die von der Menschheit ausgehen, entstehen auch in und auf der
Erde enorme gegensätzliche Kräfte; das hat im Laufe der Zeit zur Folge, daß sich nach und nach
die Elemente und Atome verändern. Sie erhalten durch ständige Zuwiderhandlungen der Mensch-
heit eine gegensätzliche Rotation. Diese Umpolungen, die durch äußere Gewalt entstehen (z. B.
atomare Versuche, Veränderungen des ökologischen Gleichgewichts), werden im Laufe der kom-
menden Zeit, in der Endzeit, große Katastrophen nach sich ziehen. Die Erde wird vor allem nach
Christi Erscheinen durch große Polveränderungen (es fehlt: 'betroffen sein'), die zum Teil so erheblich
sein werden, daß der Sonnenaufgang im Süd, West und später im Norden sein wird.
Im letzten Abschnitt des Fischezeitalters wird der Menschheit Erlöser erscheinen. In diesem letz-
ten Abschnitt des Fischezeitalters werden sich ebenfalls große Katastrophen bemerkbar machen,
da die Aggressionen seitens der Menschen nicht abgebaut wurden. Ihr Stau liegt im atmosphä-
rischen Bereich, in und auf der Erde sowie in den Seelen der Menschen. Die gesetzlichen Energien
müssen frei werden, damit vor allem in den erwachten Seelen das goldene Zeitalter beginnen kann.
Auch die von der Erde wegen deren Veränderungen nicht mehr angenommenen Planetenenergien
bilden im Sonnensystem einen erheblichen Kräfterückstau. Dieses Kräftepotential, das von der Er-
de und deren Satelliten, den Menschen, nicht mehr umgewandelt wurde, kann von der Sonne nicht
mehr absorbiert werden. Das hat nicht nur zur Folge, daß sich die materiellen Elemente und Atome
verändern und nach und nach eine gegensätzliche Rotation annehmen, sondern auch die Planeten-
bahnen werden sich durch diesen Kräftestau verschieben. Dadurch verändert sich die Gravitation,
der Massenausgleich. Die auf die Erde ausgerichteten Planeten werden ihr Kräftepotential weiter-
hin der nicht mehr aufnahmefähigen Erde übertragen, wodurch sich auf und in der Erde und im ge-
samten Sonnensystem nach und nach vieles verändern wird. Das Kräfteverhältnis kommt durch
diese Veränderungen immer mehr zum Schwanken, und die Gravitation wird sich so erheblich än-
dern, daß sich nach des Herrn und Meisters Erscheinen die Sedimentschichten der Erde (wie die
Baumrinde vom Baum) lösen werden. In dieser Zeit werden sich die Natur- und Tierreiche umge-
stalten, und der Mensch wird noch nie dagewesene Krankheiten erfahren. Abgesehen von der ato-
maren Verunreinigung der Körper und des Erdkörpers wird der Mensch Hautleiden und Knochen-
veränderungen
erfahren,
die
den
Menschen
nicht
mehr
als
Mensch
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erscheinen lassen. Seine tierische Natur und auch seine Charakterlosigkeit und Willensschwäche
werde ihn sehr verändern. Seine Struktur wird dem Urmenschen ähnlich sein."
In dieser Weise folgen die Ausführungen 35 Seiten lang, eine laienhafte Phantasiebehauptung nach der
anderen, die physikalisch alle völlig falsch und unmöglich sind. Warum sollte eigentlich Gott seine
Naturgesetze so auf den Kopf stellen? Er hat doch ganz andere Möglichkeiten des Eingreifens! Es
handelt sich hier nur um pseudowissenschaftliches Geschwätz eines Vortragenden, der auf die Dumm-
heit und Leichtgläubigkeit seiner Zuhörer setzt. Wie manche andere christlichen Sekten, so verspricht
auch das Heimholungswerk den Bußfertigen bei der nahen Wiederkunft Christi eine körperliche Erret-
tung. Sie soll folgendermaßen ablaufen (S. 28):
"Von den Brüdern des Alls werden, durch die Gnade des Herrn, gerade für die Erscheinungs- und
Entrückungszeit, Raumgleiter verschiedener Arten konstruiert. In etwas höherschwingenden Be-
reichen werden Seelen und in einer geistigen Umhüllung lebende Menschen von Lehrwesen über-
nommen. Sie kommen dann entweder in geschaffene und vorbereitete Bauwerke, die der Schwin-
gungszahl des Planeten angepaßt sind, oder auf Wiesen und in die Wälder. Jene Menschen und
Seelen, die auf Wiesen oder in Wäldern leben, bedürfen einiger aufbauender Kräfte, die gerade
über die Planetenmasse dem menschlichen Körper oder der Seele zufließen können. Es sind be-
stimmt schwingende Reizzonen, die für die Seele aufbauend sind.
Auch für die Tierseelen werden hochentwickelte Raumgleiter bereitstehen, die ausschließlich Tie-
re und Tierseelen auf entsprechende Planeten bringen. Dort werden diese auf die Entwicklungs-
ebenen in den rein-geistigen Welten ausgerichtet. Das heißt, deren Seelenpartikel werden von den
auf der Materie angenommenen Gewohnheiten und von den durch die ständigen Polveränderungen
und Katastrophen verursachten seelischen Beeinträchtigungen gereinigt (entspiegelt). Nach dieser
Entspiegelung und Ausrichtung können die Teilseelen dann ohne große Mühe von den rein-
geistigen Entwicklungsbereichen angezogen werden.
Die Menschen, die weiterhin gottlos bleiben, werden in Angst und Panik geraten, da sie einige Zeit
in Finsternis leben, weil sie die erhöhten geistigen Lichtkräfte nicht wahrnehmen konnten. Nach
dieser Umnachtungszeit werden diese Menschen wohl einige Lichtstrahlen wahrnehmen, die sie
jedoch nicht deuten können, da ihre Seelen und Körper vom Heiligen Geist Gottes nicht berührt
und nicht in die göttliche Schwingung gebracht werden konnten, um die Herrlichkeit und Macht
eines Königs der Himmel zu schauen.
Durch Angst und Schrecken werden ihre Seelen in noch niedrigere Schwingung fallen. Sie werden
sodann gegen jene vorgehen, die inzwischen beten gelernt haben und Gott um Vergebung bitten
und durch die Hinwendung zu Gott in Jesus Christus die Gnadenkraft erlangten. Auch diese Got-
tessucher und Beter werden wieder verhöhnt und verspottet werden. In den verfinsterten Menschen
verstärkt sich weiter der Satan der Sinne, und es werden wiederum kriegerische Zustände und ein
erneutes Blutvergießen herrschen.
In dieser fortschreitenden Verklärungs- und Entrückungszeit werden viele umnachtete Menschen
erleben, daß in den eigenen Familien ein Betender plötzlich verschwindet und nicht mehr zurück-
kommt. Die Gottlosen werden die im Gebet Befindlichen, die sich auf das Licht vorbereiten, an-
klagen, sie hätten ihre Anverwandten und Bekannten entführt, während diese verklärt oder mit
Raumgleitern - in denen die menschliche Struktur verändert wird - auf andere Planeten entrückt
wurden."
Jedem halbwegs aufmerksamen, aufgeweckten und nur ein wenig naturwissenschaftlich vorgebildeten
Leser müssen bei diesen Behauptungen doch die allergrößten Zweifel an der Tatsächlichkeit des
angeblichen Christus kommen. Es spricht alles dafür, daß Geistwesen, die vielleicht zu irdischen
Lebzeiten Sektenprediger waren, ihr Missionswerk aus dem Jenseits fortsetzen wollen und sich beson-
dere Aufmerksamkeit und größten Publikumserfolg dadurch verschaffen, daß sie sich als Christus,
Gottvater oder hohe Engel ausgeben. Niemand der Zuhörer wagt dann, sie ernsthaft zu prüfen. Erfah-
rungsgemäß gibt es genügend enttäuschte und suchende Menschen, die dann alles oder fast alles für
wahr halten. Es sind Menschen, die sich in den Amtskirchen nicht mehr zu Hause fühlen, die Fragen
empfinden, die dort nicht beantwortet werden, und die auf der Suche nach dem eigentlichen Sinn des
Lebens und nach Geborgenheit sind. Manche wenden sich dann irgendwelchen Sekten zu, manche
finden zu asiatischen Religionsformen oder sogenannten Jugendreligionen, und manche gehen zum
Heimholungswerk/Universelles Leben oder ähnlichen spiritualistischen Gruppen. Wenn sie dadurch
- 135 -
bessere und glücklichere Menschen werden und sich Gott und Christus zuwenden, sollte sie dafür
niemand tadeln. Welche Kirche ist schon imstande, die absolute Wahrheit zu bieten? Sicherlich keine.
Dazu hat Menschenhand die Lehre Christi zu sehr gemäß dem jeweiligen Zeitverständnis und den
politischen Erfordernissen abgewandelt. Ein Blick in die christliche Kirchengeschichte zeigt das deut-
lich.
Für bedauerlich halte ich nur, daß die besprochenen und andere Gruppierungen durch die Leicht-
gläubigkeit und Spendenfreudigkeit ihre Anhänger auch an größere Geldbeträge gelangen, die dann in
Grundstücken und geschäftlichen Unternehmungen angelegt werden. Das geschieht gelegentlich über
Drittpersonen, um nach außen den Schein der Besitzlosigkeit zu wahren. Leider ist es so, daß dort, wo
viel Geld zusammenkommt und die Kontrolle wegen der göttlichen Autorität gering ist, sich häufig
auch Menschen finden, die für das Geld eine private Verwendung haben. Das war schon bei den Söh-
nen des Propheten Samuel so (1. Samuel 8,1), kommt bei den großen Kirchen vor, und gilt in starkem
Maß für religiöse Sondergruppen. Ich habe einen sehr traurigen Fall von nahem miterlebt.
Zum Schluß dieses Abschnittes ziehe ich die Folgerung, daß ich alle die sogenannten "Vatermedien",
durch die sich "Gott" oder "Christus" persönlich kundgeben und die es schon im vorigen Jahrhundert
reichlich gab, nicht für echte Propheten im biblischen Sinn halte. Es sind Medien, deren Geistführer
vielleicht das Beste wollen, die aber nicht über höheres Wissen verfügen, sondern ihrer blühenden
Phantasie freien Lauf lassen und sich damit wichtig tun wollen. Für Durchgaben, die möglicherweise
aus höheren Jenseitsbereichen stammen und die zusätzliches Wissen vermitteln, halte ich lediglich die
Mitteilungen, die der bereits mehrfach erwähnte Pfarrer Johannes Greber erhalten hat. Bei ihm wur-
den keine phantastisch-utopische Zukunftsbehauptungen aufgestellt, kein Weltuntergang voraus-
gesagt, keine Entrückung seiner Anhänger in Aussicht gestellt, dafür aber eine sachliche, ernsthafte
und logisch folgerichtige Sprache geführt. Dabei werden Fragen beantwortet, auf die viele nachdenk-
liche Christen in den herkömmlichen Kirchen keine Antwort erhalten. Daher bilden diese Durchgaben
für viele Menschen eine wertvolle Ergänzung ihres christlichen Glaubens, ohne daß gleich behauptet
wird, Gott sei hier unmittelbar persönlich in Erscheinung getreten.
Der Wißbegierige, der nicht alles auf sich beruhen läßt und den einfachsten Weg geht, sich irgendeiner
Religion, Lehre oder Auffassung anzuschließen, die ihm am bequemsten erscheint, hat einen schwieri-
gen und oft enttäuschenden Weg bei dem Verkehr mit der jenseitigen Welt vor sich. Wenn er die
Wahrheit schon jetzt bruchstückweise erkennen will, muß er mühsam wie ein Archäologe Steinchen
für Steinchen sammeln, immer wieder neu zusammensetzen, prüfen, wieder verwerfen, erneut graben,
um dann vielleicht endlich neue, gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, aus denen sich ein halbwegs
haltbares Gedanken-Gebäude konstruieren läßt.
Der Jenseitsforscher muß versuchen, die vielen unterschiedlichen medialen Mitteilungen, deren Wahr-
heitsgehalt er nicht absolut prüfen kann, zwischen den Zeilen zu lesen, und muß immer wieder neue
Prüfmethoden ersinnen. Er kann sich nicht blindergeben irgendeiner Heilslehre anschließen, um dabei
vielleicht ins Verderben zu laufen. Er muß immer daran denken, daß dem Menschen nur sehr selten
etwas in den Schoß geworfen wird, das meiste aber nur durch große Mühe zu erreichen ist.
- 136 -
Willensfreiheit oder Vorherbestimmung?
In diesem Abschnitt wird ein Problemkreis behandelt, der schon immer die Gemüter der Wissenschaft-
ler verschiedenster Fachrichtungen erhitzte. Dabei ist die Auseinandersetzung deshalb besonders
schwierig, weil mit Begriffen gearbeitet wird, die vorher schlecht oder gar nicht definiert wurden und
unter denen die Gesprächspartner sehr unterschiedliche Dinge verstehen können. Zu derartigen
Begriffen gehören bereits die Worte "Wille" und "Freiheit".
Doch fangen wir zunächst mit dem physikalischen Begriff "Kausalität" = Ursächlichkeit an.
Die Aufgabe der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, ist nicht nur die Feststellung
der bloßen Tatsachen in unserer Welt, sondern vor allem ihre sinnvolle Verknüpfung miteinander. Die
gegenseitige Bedingtheit und Abhängigkeit wird aufgezeigt, d. h. zwischen den Zuständen desselben
Gebildes wird zu verschiedenen Zeiten ein eindeutiger funktionaler (gesetzmäßiger) Zusammenhang
festgestellt. Zum Beispiel gilt bei der gleichförmigen Bewegung eines Fahrzeugs für den zurückgeleg-
ten Weg s bei konstanter Geschwindigkeit v die Beziehung s = v ‧ t , wobei t die verstrichene Zeit ist.
Man faßt dabei die Geschehnisse als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinander stehend auf.
Dabei liegt die Ursache zeitlich früher, die Wirkung zeitlich später.
Ein Geschehen bedeutet, daß sich etwas ändert, und das kann nur erfolgen, wenn eine physikalische
Größe vorhanden ist und abläuft, die wir "Zeit" nennen. Dabei ist die Zeit, wie z. B. auch die Länge,
eine sogenannte physikalische Grundgröße, die nicht auf Einfacheres zurückgeführt werden kann
und damit auch keiner Erklärung zugänglich ist, Erklärung im Sinne der Zurückführung auf Einfache-
res. Zeiten können, wie auch andere physikalische Grundgrößen, nur gemessen werden, d. h. mit
Normzeiten verglichen werden.
Die Auffindung eines eindeutigen funktionalen Zusammenhanges, einer eindeutigen Abhängigkeit
zwischen den verschiedenen Zuständen eines Geschehens (zunächst der unbelebten Natur), und die
Aufstellung der Begriffe "Ursache" und "Wirkung" führen zu der Folgerung und Behauptung, daß
gleiche Ursachen stets gleiche Wirkungen haben und daß umgekehrt gleichen Wirkungen auch gleiche
Ursachen zugrunde liegen. Diese Erfahrungstatsache wird Kausalitätsprinzip oder Kausalgesetz
genannt.
Das Kausalgesetz ist die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Naturforschung. Ohne dieses wären
auch einfache Schlüsse nicht möglich. Man kann das Kausalgesetz auch so aussprechen: Sind in ir-
gendeinem Augenblick sämtliche Zustandsgrößen aller an einem Naturvorgang beteiligten Dinge be-
kannt, so ist es grundsätzlich möglich, sowohl seinen weiteren, als auch seinen vorhergehenden Ver-
lauf in allen Einzelheiten im voraus oder für die Vergangenheit zu berechnen. Vorauszusagen, was
künftig unter bestimmten Bedingungen geschehen wird, ist aber die wesentlichste Aufgabe der Physik.
Anstelle des Begriffes "Kausalitätsprinzip" wird oft auch die Bezeichnung "Determinismus" (Festge-
legtsein) verwendet. Es heißt dann, daß bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen die
Zukunft durch die Vergangenheit determiniert sei wie auch umgekehrt. Diese Umkehrung, daß also
die Zukunft oder auch die Gegenwart die Vergangenheit determiniert (bestimmt), läßt man bei dem
Begriffspaar "Ursache" und "Wirkung", zumindest im Sprachgebrauch des täglichen Lebens, meist
nicht zu. Es besteht die verschwommene Vorstellung, daß die Ursache eine von Natur aus vorhandene
"Kraft" ist, welche die Fähigkeit besitzt, etwas zu bewirken, wobei das "Bewirken" mit dem Ablauf
der Zeit stattfindet. Dabei hat man sich an die Übereinkunft gewöhnt, daß die Wirkung zeitlich nach
der Ursache kommt und nicht umgekehrt.
Dieses so äußerst wichtige und in seinen Konsequenzen weittragende Kausalitätsprinzip gilt in der
sogenannten "Makrophysik", also in dem Bereich der Physik, in dem an den Vorgängen eine Vielzahl
von Molekülen und Atomen beteiligt ist. Ganz besonders trifft dies für die klassische Mechanik und
insbesondere für die Himmelsmechanik (die Bewegung der Himmelskörper) zu.
- 137 -
Aber auch hier gibt es schon eine Einschränkung. Die zeitliche Länge, für die eine berechnete Voraus-
sage zutrifft, hängt davon ab, wie genau man die Anfangsbedingungen kannte, welche der Rechnung
zugrunde gelegt wurden. Da es jedoch prinzipiell unmöglich ist, den Ausgangszustand eines abge-
schlossenen physikalischen Systems mit beliebiger oder gar absoluter Genauigkeit festzustellen, kann
man auch über das Schicksal des Systems in sehr fernen Zeiten nichts Absolutes aussagen. Die absolu-
te Determiniertheit makrophysikalischer Systeme ist daher als ein Idealzustand anzusehen, der in der
Praxis in den beobachtbaren Zeiträumen zwar meist mit guter Annäherung festgestellt werden kann (z.
B. in der Astronomie), der aber tatsächlich nicht besteht. Prof. Max Born
(1882
-
1970,
Nobelpreis für Physik 1954) umschreibt diesen Sachverhalt mit folgenden Worten (10, S. 109):
"Die übliche Behauptung, daß die klassische Mechanik deterministisch sei, ist also unrichtig
Wie es kommt, daß dieses falsche Ideal sich so fest in den Köpfen eingewurzelt hat, auch in denen
der vorzüglichsten Forscher, ist kein physikalisches Problem, sondern ein psychologisches, das
vielleicht aus der Entwicklung des physikalischen Weltbildes seit Newton verstanden werden
kann."
Auch einfach gebaute makrophysikalische, sogenannte nichtlineare Systeme können, obwohl den me-
chanischen Bewegungsgesetzen gehorchend, unter bestimmten Bedingungen sehr schnell nicht mehr
vorausberechenbar werden. Man spricht dann von einem "deterministischen Chaos" und
bezeichnet die zugehörige Forschung als "Chaosforschung". Ein deterministisches Chaos tritt bei-
spielsweise bei einem physikalischen Schwerependel auf, wenn es zu erzwungenen Schwingungen
angeregt und dabei die Schwingungsamplitude größer als | ± 180° | wird. Dann treten nämlich Über-
schläge auf, d. h. das Pendel kehrt seine Bewegungsrichtung am Kulminationspunkt nicht um, sondern
kippt auf der entgegengesetzten Seite herunter. Die Schwingung wird dann wegen des von außen an-
regenden streng periodischen Drehmomentes irregulär, chaotisch und nicht mehr vorausbe-rechenbar.
Völlig unberechenbar sind über größere Zeiträume auch die sogenannten turbulenten (wirbelbehafte-
ten) Strömungsvorgänge. Dazu gehört beispielsweise das Wetter. Die Chaosforschung zeigt, daß wir
grundsätzlich nicht in der Lage sind, verwickelte nichtlineare physikalische und nichtphysikalische
Vorgänge wie z. B. das Wetter oder das menschliche Leben in ihren Folgen abzuschätzen und auch
nicht in jeder Einzelheit zu berechnen oder zu planen. Mit strengen mathematischen Formeln läßt sich
die Wirklichkeit nicht absolut vorherbestimmen. Das menschliche Leben und das Leben der Völker
kann eine ungeahnte Antriebkraft entwickeln, so daß man immer mit dem Unvorhersehbaren rechnen
muß.
Wenn nun schon der Determiniertheit makrophysikalischer Vorgänge gewisse Grenzen gesetzt sind,
so trifft dies in noch viel stärkerem Maße für alle mikrophysikalischen Vorgänge zu, bei denen nur
wenige oder nur ein Atom beteiligt sind. Ein Atom kann auf die gleiche Einwirkung von Fall zu Fall
verschieden reagieren, ohne daß wir die Möglichkeit haben, für den Einzelfall exakt vorauszusagen,
wie es sich das nächste Mal verhalten wird. Wir sprechen in diesem Fall von "Akausalität" oder
"Undeterminiertheit". Das bedeutet aber nicht, daß für derartige Vorgänge überhaupt keine Gesetze
gelten. Sie sind nur statistischer Art, machen also für den Einzelfall keine eindeutige Aussage oder
Vorhersage, sondern geben einen Endzustand nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit an. Erst
den Ausgang einer Vielzahl von Versuchen beim gleichen Experiment kann man zahlenmäßig hinrei-
chend genau festlegen.
Andererseits kann man bei einer großen Anzahl gleichartiger Atome, die alle der gleichen Einwirkung
unterworfen werden, das Gesamtergebnis ihrer Reaktionen aufgrund statistischer Naturgesetze wiede-
rum mit hinreichender Genauigkeit vorausberechnen. Für große Körper also, die aus zahlreichen Ein-
zelatomen bestehen, ergeben sich aus den statistischen atomphysikalischen Gesetzen wieder die ein-
deutigen Gesetze der Makrophysik, die unter den Kausalitätsbegriff fallen.
Man hat nun immer versucht, und jeder Mensch versucht es täglich, das Kausalitätsprinzip auch au-
ßerhalb der Physik anzuwenden. Das gelingt nicht immer sehr befriedigend, weil der Anfangs-zustand,
der ja den in der Zukunft liegenden Endzustand determinieren soll, nicht immer mit genügender Ge-
nauigkeit bekannt ist. Aber prinzipiell, so meinen manche Autoren, soll der jetzige Zustand auch die
fernere Zukunft in jeder Einzelheit zwangsläufig vorausbestimmen. Nach ihnen gibt es auch in der
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Welt des menschlichen Geistes, im Fühlen, Wollen, Denken und Handeln des Menschen, überall einen
strengen Kausalzusammenhang, so daß jedes Erlebnis, jeder Gedanke und jeder
Willensakt durch vorhergehende Umstände und Ereignisse vollständig bedingt seien. Diese Schlußfol-
gerung sehen sie dadurch als gerechtfertigt an, daß ja auch im menschlichen Körper und im Gehirn
letztenendes physikalische Prozesse ablaufen. Sollten diese aber determiniert sein, so meinen sie, gilt
das auch für die geistigen Vorgänge. Wenn aber Kausalität vorliegt, so wird gefolgert, kann keine
Willensfreiheit mehr vorhanden sein. Dann ist auch das menschliche und zwischenmenschliche
Geschehen bis in alle Ewigkeit festgelegt. Daher gibt es auch, so wird geschlossen, für den einzelnen
Menschen keine Verantwortlichkeit und keine Schuld. Man ist ja gar nicht imstande, etwas durch den
eigenen Willen und die eigene Entscheidung zu beeinflussen und zu steuern. Alles läuft zwangsläufig
ab. In der Parapsychologie könnte man dann sogar versuchen, die festgelegte Zukunft durch Präkogni-
tion (Vorschau), so weit wie möglich zu erfassen. Da es Präkognition gibt, die über Jahrzehnte und
gelegentlich Jahrhunderte reicht, ließe sich das als Stütze der Auffassung einer Determiniertheit allen
Geschehens ansehen.
Es ist verständlich, wenn es anderen Autoren bei diesen Vorstellungen unheimlich zumute wird. Sie
meinen, eine Willensfreiheit feststellen zu können, und verweisen auf die tägliche Erfahrung, denken
und weitgehend handeln zu können, wie sie wollen. Als Beweis dafür sehen sie an, daß sie jederzeit
auch etwas Ungewöhnliches tun oder einen Entschluß ändern können. Das erscheint ihnen aber als
unvereinbar mit einem dem Kausalitätsgesetz unterworfenen physikalischen Ablauf der Gehirnvor-
gänge. Der abseitsstehende Beobachter hat oft den Eindruck, als ob für die Funktion des menschlichen
Geistes und für seine Willensfreiheit unausgesprochen eine Art transzendente Überwirklichkeit in
Anspruch genommen wird. Ein wenig kommt dies auch in den Äußerungen des amerikanischen Pa-
rapsychologen Prof. J. B. Rhine (1895-1980) zum Ausdruck. Er schreibt (73, S. 20):
"Unsere Kultur zum Beispiel setzt voraus, daß der Geist sich von dem physischen Körper hinrei-
chend unterscheidet, um die Annahme eines 'freien Willens' zu ermöglichen. Eine solche Freiheit
der Willensäußerung bedeutet, daß der Geist seine eigenen Gesetze hat und daß daher die Gesetze
des Körpers und der Umgebung ihn nicht oder wenigstens nicht völlig beherrschen. Sie lassen ihm
eine gewisse Freiheit von der physischen Bestimmtheit, eine gewisse Unabhängigkeit des Han-
delns. Die physische Auffassung der Persönlichkeit auf der anderen Seite unterwirft jede Handlung
physischen Gesetzen und läßt für die Freiheit keinen Platz. Ein und dasselbe Kausalitätssystem,
ein und dieselbe Art von Gesetzen gelten sowohl für das Reich des Geistes wie für das des Kör-
pers. Daher ist die Frage, ob der Geist lediglich eine physische Funktion des Gehirns ist oder nicht,
für uns und für die menschliche Gesellschaft ganz allgemein von entscheidender Bedeutung. Denn
ohne die Freiheit einer Wahl würden unsere Gesellschaftsphilosophien zusammenbrechen. Ohne
ein freies Wollen kann es keine Sittenlehre, keine wahre Demokratie, ja nicht einmal eine Wissen-
schaft als freie Forschung geben. Wenn das geistige Leben ganz und gar ein Produkt der Gehirn-
physik ist, dann scheint der Mensch bei nichts, was er auch tun mag, der physikalischen Gesetz-
mäßigkeit entrinnen zu können. Dann ist die Freiheit nur ein Phantasiegebilde und eine physikali-
schen Gesetzen unterworfene Ethik nichts anderes als ein leerer Wahn."
Aber stimmen diese Überlegungen überhaupt? Müssen wir uns wirklich zwischen dem rein physikali-
schen Ablauf der Gehirnvorgänge und damit Determination einerseits und einer Willensfreiheit ande-
rerseits entscheiden? Um die Frage zu beantworten, was denn unter Gehirnvorgängen, menschlichem
Geist und Leben zu verstehen ist, müssen wir ihre physikalischen Grundlagen untersuchen. Was be-
deuten in diesem Zusammenhang die Begriffe "Wille", "Entscheidung", "Freiheit", "denken" und
"handeln"?
Für den Menschen ist das "geistige Leben" ausschlaggebend, während die biologischen Abläufe wie
Stoffwechsel, Wachstum, Fortpflanzung und Vererbung nur Hilfsfunktionen ausüben, die das geistige
Leben ermöglichen. Das geistige Leben besteht aus dem Denken und der Möglichkeit gemäß dem
Denken nach einer Willensentscheidung zu handeln und aus dem Bewußtsein (dem Ich-Bewußtsein).
Es besteht aus dem Ansammeln von Erfahrungen und Erinnerungen vermittels der Sinnesorgane und
der Möglichkeit, die ersteren bei Vorgängen des logischen Denkens und der Auslösung von Gemüts-
bewegungen beliebig zu verwenden. Schließlich besteht das geistige Leben aus den Gemütsbewegun-
gen selbst, wobei die Freude eine besonders gewichtige Rolle spielt.
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Aus physikalischer und kybernetischer Sicht besteht das geistige Leben in der Aufnahme, Speiche-
rung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen, d. h. Signalen, die durch physikalische Energie
übertragen werden und zu Reizungen im lebenden Organismus führen. Im Zentralnervensystem und
im Gehirn des menschlichen Körpers erfolgt die Weitergabe und Verarbeitung der Informationen ver-
mittels einer Vielzahl kurzdauernder elektrischen Impulse, die man heutzutage ohne Schwierigkeiten
messen kann (80, S. 15 f).
Wir wollen uns bei den weiteren Überlegungen überwiegend auf die "bewußten" Vorgänge beschrän-
ken, bei denen also alle verwendeten und auch neu gewonnenen Informationen dem jederzeitigen Zu-
griff und der jederzeitigen Verwendbarkeit zur Verfügung stehen, was bei unbewuß-ten oder unterbe-
wußten Vorgängen nicht der Fall ist.
Unter einer "Handlung" wollen wir im folgenden den Vorgang der aktiven physikalischen Bewegung
des menschlichen Körpers, oder eines Teiles davon, oder den Akt der Informationsabgabe oder Infor-
mationsaufnahme verstehen. Beide Vorgänge können miteinander gekoppelt sein. Also Gehen oder
Sprechen sind in diesem Sinne Handlungen.
Biologie und Kybernetik haben nun gezeigt, daß die Voraussetzung jeder Handlung eine entsprechen-
de Informationsverarbeitung im Zentralnervensystem des Körpers, also im menschlichen Geist, ist.
Diese Informationsverarbeitungsprozesse werden im tägliche Leben z. B. mit den Worten "denken",
"wollen", "entscheiden" bezeichnet. "Denken" bedeutet, daß die vorhandenen Informationen probe-
weise miteinander verknüpft werden, daß mögliche Verbindungen und ihre Ergebnisse samt den wahr-
scheinlichen Auswirkungen durchprobiert werden. "Entscheiden" heißt, daß der Prozeß mit den güns-
tigsten Ergebnissen und Auswirkungen ausgewählt wird, und "wollen" bedeutet, daß beabsichtigt ist,
die Entscheidung in eine Handlung umzusetzen.
Eine Entscheidung als Voraussetzung zum Handeln kann aber vom menschlichen Geist nur getroffen
werden, wenn vorher ausreichende Informationen aufgenommen worden sind, die dann bei der Ent-
scheidung verarbeitet werden. Die notwendigen Informationen sind entweder durch die Erbanlagen
(Gene) dem Körper zugeführt worden oder werden durch die Sinnesorgane aufgenommen und gege-
benenfalls durch Lernprozesse aufgearbeitet. Einen Teil der durch Erbanlagen übernommenen Infor-
mationen nennt man "Instinkte" und "Triebe". Ihr Informationsgehalt kann bei Entscheidungspro-
zessen, die einer Handlung vorangehen, von besonderem Gewicht sein, so z. B. deswegen, weil die
Handlung durch parallellaufende Informationsaufnahme zu Lustgefühlen führt. Das ist bei Hand-
lungen infolge des Geltungstriebes, Sexualtriebes, des Triebes zur Nahrungsaufnahme usw. der Fall.
Jeder Vorgang, den wir mit "denken", "wollen", "entscheiden" oder gar "handeln" bezeichnen, wird
durch eine spezielle Informationsaufnahme vor Beginn des Vorganges ausgelöst. Ihr muß aber eine
erhebliche Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung einschließlich entsprechender Lern-
prozesse zu früheren Zeiten vorangegangen sein.
Ein Beispiel möge das erläutern. Eine Mücke sitzt auf dem Arm eines Menschen und sticht ihn. Die
Rezeptoren in der Haut und die Augen melden den Vorgang an das Gehirn. Es findet darauf die auslö-
sende Informationsaufnahme statt. Durch Informationsverarbeitung erfolgt eine Beurteilung der Lage.
Frühere Informationsaufnahmen mit anschließenden Lernprozessen melden die früheren Erfahrungen,
daß Mückenstiche für den menschlichen Körper unangenehm, vielleicht sogar gefährlich sind (in Ma-
lariagebieten), und tunlichst verhütet werden müssen. Dies führt zu der Willensentscheidung, die Mü-
cke zu töten. Dazu ist eine geeignete Handlung auszulösen, z. B. ein Schlag mit der Hand. Damit die-
ser gelingt, muß im Gehirn ein geeignetes Programm für die Bewegung vorhanden sein. Das aber re-
sultiert aus früheren Lernprozessen oder ist dem Körper bereits vor der Geburt durch die Erbanlagen
als Information mitgegeben. Zum Beispiel haben die Vögel ihre Fähigkeit, fliegen zu können nicht
etwa erlernt, sondern ererbt. Nach einem entsprechenden Reifungsprozeß können sie eines Tages flie-
gen, auch wenn sie (z. B. elternlos aufgezogen) niemals vorher einen anderen Vogel fliegen gesehen
oder es mühsam probiert haben.
Bei der Mücke kann der Entschluß zum Schlag mit der Hand, also die Willensentscheidung, anders
ausfallen, wenn es sich bei dem gestochenen Menschen um einen Einbrecher handelt, der sich durch
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das Klatschen der Hand zu verraten fürchtet. Bei ihm sind zusätzliche Informationen stärker gewichtet,
haben einen größeren Einfluß bei der Willensentscheidung, so daß er den Schlag unterläßt und das
kleinere Übel des Mückenstiches auf sich nimmt. Sollte es sich im Falle des Einbrechers jedoch statt
der stechenden Mücke um eine angriffsbereite Giftschlange handeln, so wird in diesem Fall auch der
Einbrecher seine Vorsicht aufgeben und den Angriff, selbst bei Verursachung von Geräuschen,
abzuwehren versuchen. Die Gewichtung der Vorinformationen ist in diesem Fall anders.
Während der Verarbeitung der Informationen zur Willensentscheidung verstreicht immer eine gewisse
Zeit. Beim Totschlag der Mücke wird sie nur Bruchteile einer Sekunde betragen. Die Entscheidung ist
hier nach eindeutigen Kriterien sehr schnell gefällt. Das ist auch unbedingt erforderlich, da sonst die
ausgelöste Handlung für einen Erfolg zu spät kommt. Handelt es sich bei der Willensentscheidung
jedoch um den Entschluß, nach Australien auszuwandern, so werden bis zur endgültigen Entscheidung
und bis zur Ausführung wahrscheinlich Monate verstreichen. Möglicherweise werden vorher noch
zusätzliche Informationen eingeholt werden müssen, zum Beispiel solche über Reisekosten, Einwan-
derungsbestimmungen, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis usw. Erst nach Vorliegen einer genügenden
Anzahl von Informationen und entsprechender Gewichtung bei der Informationsverarbeitung fällt der
Mensch (wie übrigens auch das Tier) seinen Entschluß, und zwar immer nach den Gesichtspunkten, ob
ihm selbst oder einem ihm nahestehenden Individuum die anschließende Handlung nützt, ihm eine
bessere Chance im Kampf um das Dasein bietet, oder ihm Lustgefühle vermittelt. Kein gesunder
Mensch begeht mit Absicht eine Handlung, die ihm selbst im weitesten Sinne schaden könnte. Mit
welchem Umfang von Vorinformationen sich jedoch jemand vor einer Willensentscheidung zufrieden
gibt, hängt von seinem Intelligenzgrad, seinem allgemeinen Wissen und seiner bisherigen Lebens-
erfahrung ab.
Lehrreich und beachtenswert sind nun die Fälle, in denen für die Willensentscheidung Informationen
verarbeitet werden, die zu zwei entgegengesetzten Entschlüssen führen müßten. Die Entscheidung
wird dann durch die Informationen (einschließlich der Triebe) mit der höheren Gewichtung herbeige-
führt. Man kann auch sagen, daß die stärkeren Motive den Ausschlag geben.
Was aber geschieht, wenn die Gewichtung der entgegengesetzten Motive gleich stark ist, wenn physi-
kalisch gesehen also ein labiles Gleichgewicht besteht? Man spricht dann von einer Konflikt-
situation. Sie kann dazu führen, daß im günstigsten Fall die Entscheidung gemäß einem der beiden
entgegengesetzten Motive erfolgt, oder aber, daß das Individuum (Mensch oder Tier) etwas Sinnloses
tut, in Wut gerät, in Lethargie versinkt oder dergleichen mehr. Das informationsverarbeitende System
des Menschen, sein Gehirn, ist hier überfordert worden. Sein Vorrat an Verknüpfungen, logischen
Schaltungen und Programmen hat nicht ausgereicht, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen.
Die Konfliktsituationen sind mit großer Wahrscheinlidhkeit die Lebenslagen, in denen echtes Zufalls-
geschehen einsetzt im Sinne einer Akausalität, wie wir sie aus der Mikrophysik kennen. Hier liegt die
Entscheidung im wahrsten Sinne auf des Messers Schneide. Ein mikrophysikalischer Vorgang, bei-
spielsweise die thermische Bewegung eines oder weniger Elektronen und damit die Entstehung einer
geringen elektrischen Spannung, kann möglicherweise in dem bestehenden labilen physikalischen
Gleichgewicht eine der geschilderten Verhaltensweisen auslösen. Allerdings kennt man zur Zeit noch
keine Einzelheiten der hier aufgezeigten und vermuteten Vorgänge und hat demzufolge auch keine
strengen Beweise dafür, doch ist es heute durchaus durchführbar, ein derarti-ges Verhalten in künstli-
chen, d. h. vom Menschen hergestellten elektronischen Datenverarbeitungsanlagen nachzubilden.
Konfliktsituationen treten im menschlichen Leben häufiger auf, als man gewöhnlich annimmt, sei es
im Alltag beim Einkauf gegenüber den Verlockungen eines überreichen Warenangebotes, sei es in der
Politik, wo Geltungsdrang und Vernunft in einem Politiker einander entgegenwirken können. Auf
jeden Fall muß man damit rechnen, daß akausales Geschehen bei Konfliktsituationen einen großen
Einfluß auf das Leben des einzelnen Menschen wie der Gemeinschaft hat.
Doch zurück zur Willensfreiheit. Aus den Erkenntnissen, die uns bisher Physik, Biologie, Anatomie
und Kybernetik geliefert haben, können wir den Schluß ziehen, daß die Willensfreiheit bei einem
gesunden Menschen (d. h. mit ordnungsgemäß arbeitendem Informationsverarbeitungssystem) darin
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besteht, daß er die Möglichkeit hat, aus den in ihm gespeicherten Informationen nach logischem
Denken eine Entscheidung zu fällen. Er kann dann anschließend versuchen, diese in eine Handlung
umzusetzen. Alle diese Vorgänge sind letztenendes physikalischer Natur und können heute schon zum
Teil, später vielleicht einmal vollständiger, meßtechnisch verfolgt werden.
Unter Willensfreiheit wird hier also nicht etwas außerhalb der Naturgesetze Stehendes, etwas undefi-
niert Überirdisches oder mystisch Verschwommenes verstanden, sondern etwas, das der Untersu-
chung, der messenden Erfahrung und der analytischen Zergliederung zugänglich ist, etwas, das nach
festen Gesetzen abläuft.
Wir müssen daher heutzutage die Frage- und Problemstellung ändern. Sie lautet nicht: Liegt Willens-
freiheit (bzw. Entscheidungsfreiheit) vor, was bedeuten soll, daß man (in gewissen Grenzen) tun und
lassen kann, was man will, oder liegt Kausalität, Determinierung und aufgehobene Willensfreiheit vor,
was zur Folge hat, daß alle Handlungen und Gedanken durch äußere Zwänge bedingt sind, und das
eigene Ich ausgeschaltet ist. Bei dieser Fragestellung werden nämlich die Begriffe "Wille", "Freiheit"
und "Ich" in völlig verschwommener und undefinierter Weise verwendet. Man hat den Eindruck, als
ob das Wort "Freiheit" mit einer Art Zufallsgenerator gleichgesetzt wird.
Wir müssen heute sagen: Das eigene Ich ist das informationsverarbeitende System des Menschen, das
während des irdischen Lebens im Zentralnervensystem lokalisiert ist. Entscheiden und wollen kann
dieses System erst dann etwas, wenn ihm von außen Informationen (Signale oder Reize) zugeflossen
sind. Die Entscheidung erfolgt erst nach entsprechender Informationsverarbeitung und gemäß Krite-
rien, die dem informationsverarbeitenden System Mensch eingepflanzt sind, entsprechend seiner
inneren "Verdrahtung", seinen eingespeicherten Programmen und all dem, was in seinem Bewußtsein
und Unterbewußtsein vorhanden ist. Die Informationen und Programme des Unterbewußtseins können
besonderes Gewicht haben, wenn wir dabei z. B. an den Geltungs- und den Sexualtrieb denken. Sie
können sogar krankhaften Charakter haben (Zwänge, Neurosen, Phobien, z. B. Waschzwang, Platz-
angst usw.) und die Entscheidungsfreiheit entgegen dem bewußten Denken stark beeinträchtigen. Man
spricht dann von eingeengter Willens- oder Entscheidungsfreiheit. Das sogenannte "Gewissen" spielt
dabei ebenfalls eine große Rolle. In ihm sind vermutlich auch vorgeburtliche Informationen gespei-
chert, die aus einer Präexistenz herrühren.
Diese Entscheidungsprozesse verlaufen, abgesehen von den Konfliktsituationen, nach den kausalen
Gesetzen der Makrophysik. Die Freiheit besteht jetzt darin, daß das Ich nur nach den eigenen Infor-
mationen und nach eigener Informationsverarbeitung eine Entscheidung zum Wollen und Handeln
trifft, und nicht durch von außen kommende Einflüsse unter Umgehung der eigenen Informationsver-
arbeitung und der eigenen Bewertung gesteuert und im Sinne eines äußeren Zwanges zu Handlungen
veranlaßt wird. Selbstverständlich wird unsere Handlungsfreiheit sehr stark von äußeren Einflüssen
eingeengt. Denken Sie dabei an unsere Gesetzgebung und die vielen Verbotsschilder im Straßenver-
kehr. Ein hypnotischer Zustand engt sogar schon unsere Willensfreiheit ein. Aber das ist ein Sonder-
zustand, ähnlich einem neurotischen Zwang, und nicht der Normalfall.
Bei dieser Betrachtungsweise besteht jetzt kein Gegensatz mehr zwischen kausaler Gesetzmäßigkeit
einerseits und der Freiheit zum Wollen und Entscheiden andererseits. Hier ist die kausale Gesetz-
mäßigkeit die unabdingbare Voraussetzung zur Willensfreiheit, denn ohne sie gäbe es keinen Gedan-
ken, keine Entscheidung, keinen Willen, ja nicht einmal Leben auf unserer Erde, und damit auch keine
Freiheit.
Nach den vorgetragenen Überlegungen und Definitionen müssen wir eine Willensfreiheit im Sinne der
Informationsverarbeitung auch den Tieren und Pflanzen zusprechen. Auch diese Lebewesen erfahren
ständig Reize, d. h. sie nehmen Informationen auf, verarbeiten sie in Entscheidungsprozessen, und
setzen sie anschließend in Handlungen um. Diese sollen ihr Fortleben und ihre Fortpflanzung ermögli-
chen und sichern. Willensfreiheit ist in diesem Sinne eine Eigenschaft des Lebens überhaupt. Selbst-
verständlich besteht zwischen Menschen und anderen Lebewesen ein Unterschied. Er ist aber nicht
prinzipieller sondern gradueller Art. Die Willensfreiheit steht bei Pflanzen und Tieren auf geringerer
Stufe als bei den Menschen, wie sie auch bei den einzelnen Individuen sehr unterschiedlich sein kann.
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Die Unterschiede bestehen in Art und Umfang der Informationsverarbeitung, die einer Willens-
entscheidung vorangeht. Die Anzahl und die Verknüpfungen der logischen Operationen vor einer Wil-
lensentscheidung sind bei Menschen sehr viel größer als bei anderen Lebewesen. Während bei der
Willensentscheidung einer Pflanze zum Wachstum vielleicht nur drei verschiedene Informationen
gewichtet und ausgewertet werden, etwa Temperatur, Lichtverhältnisse und Feuchtigkeit, können die
erforderlichen ausgewerteten und gewichteten Informationen bei einer tierischen und menschlichen
Willensentscheidung sehr viel größer sein. Insofern dürfen wir den Tieren und erst recht den Men-
schen eine sehr viel größere Willensfreiheit zusprechen als den Pflanzen.
Ein beachtenswerter Unterschied zwischen Pflanzen einerseits und Tieren und Menschen andererseits
besteht auch darin, daß Menschen und höhere Tiere lernen können. Sie sind fähig, sich aus günstigen
und ungünstigen Erfahrungen während ihrer Handlungen einen neuen Informationsvorrat schaffen und
speichern zu können. Er steht ihnen dann bei neuen Willensentscheidungen zur sinnvollen Mitverwen-
dung zur Verfügung. Eine Pflanze kann das nicht. Sie handelt und reagiert nur nach ererbten, d. h. fest
angelegten, Programmen.
Die These, daß in bezug auf Willensfreiheit nicht ein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unter-
schied zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen besteht, findet auch darin ihre Stütze, daß der
Mensch im Verlaufe der Evolution, also einer sehr langen Entwicklung, aus tierischen Lebewesen
entstanden ist. Die Festlegung, ab wann die Vorfahren der heutigen Menschen auch schon als Men-
schen anzusprechen sind, etwa nach der gezielten Verwendung des Feuers, ist absolut willkürlich. Das
gleiche wäre der Fall, wenn wir sagen würden, ab jener Generation besaßen die Lebewesen
Willensfreiheit und bis zur vorhergehenden noch nicht. Auch hier ist eine kontinuierliche Weiterent-
wicklung ohne nennenswerten Sprung anzunehmen.
Die bisherigen Darlegungen über die Willensfreiheit lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Ein großer Teil der menschlichen Entscheidungsprozesse läuft sicherlich nach den kausalen Prinzipien
der Physik ab. Ein Teil derartiger Vorgänge läßt sich auch in heutigen elektronischen Rechenanlagen
verwirklichen, und sie verlaufen dort gleichfalls physikalisch streng kausal. Dazu kommen aber noch
die Entscheidungsprozesse, die aus Konfliktsituationen hervorgehen. Hier findet das Kausalitätsprin-
zip seine Grenzen. Es setzt Zufallsgeschehen ein, das eine sichere Vorhersage des menschlichen Ver-
haltens unmöglich macht. Auch dadurch ist eine absolute Festlegung irdischen Schicksals bis in ferne
Zeiten ausgeschlossen. Gleichfalls zeigen Berichte aus der Parapsychologie, die anschließend behan-
delt werden, daß kein völlig zwanghafter Ablauf allen Geschehens vorliegt.
Wenn nun die Informationsverarbeitungsvorgänge, also das geistige Leben im Menschen, nach physi-
kalischen Gesetzen ablaufen, ist die Frage sehr naheliegend, ob Begriffe wie "Schuld", "Verantwor-
tung", "Strafe" usw., nicht sinnlos oder überflüssig werden, oder mit einem anderen Sinn versehen
werden müssen. Die Begriffe "Schuld" und "Verantwortung" werden ja meist mit einem ethischen und
moralischen Sinn versehen. Viele wird es vielleicht zunächst verwundern, daß möglicherweise Ver-
bindungen zwischen Physik und Informationsverarbeitung einerseits und Ethik und Moral andererseits
bestehen können.
Betrachten wir zunächst den Begriff der Strafe. Wenn wir die Lebensvorgänge auf unserer Erde beob-
achten, so können wir das Bestreben aller lebenden Individuen feststellen, das eigene Leben fortzufüh-
ren und zu erhalten. Auch jede Gattung und jede Art hat dieses Bestreben und führt darum einen
Kampf, den um das Dasein, der zumeist auf Kosten anderer geht. Sehr vereinfachend dargestellt heißt
das: der Stärkere frißt den Schwächeren. Damit dieser Kampf aber nicht ins Uferlose geht und schließ-
lich zur Auslöschung jeglichen Lebens führt, haben gleichgeartete Lebewesen Verhaltensweisen unter
sich entwickelt, oder ein Schöpfer hat sie ihnen eingegeben, die dazu führen, daß das gleichgeartete
Lebewesen geschont oder sogar gefördert wird. Dadurch werden die Überlebenschancen im Kampf
ums Dasein für die ganze Art erhöht und vergrößern sich damit letztenendes auch für das einzelne
Individuum.
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Ein Teil dieser Verhaltensweisen zur Schonung des anderen Lebewesens ist für den Menschen in
Form von Vorschriften und Gesetzen gekleidet, denen bestimmte Moralvorstellungen zugrunde liegen.
Die Moral aber ist das Vorstellungs- und Gedankengebäude, das der Mensch über Ziele und Hand-
lungsweisen zur Schonung und Förderung des anderen Individuums besitzt. Diese Moralvorstellungen
können sehr verschieden aussehen, je nachdem, ob sie beispielsweise kommunistischen, christlichen
oder sonstigen Ursprungs sind. Allen Moralvorstellungen und den daraus resultierenden Gesetzen ist
jedoch gemeinsam, daß Verstöße des einzelnen Gemeinschaftsmitgliedes gegen diese Gesetze mit
Strafe belegt werden. Häufig ist damit auch eine Wiedergutmachung gekoppelt. Dabei bedeutet Strafe
eine Handlung (oder auch Unterlassung einer Handlung), die dem davon Betroffenen unangenehm,
nachteilig oder schmerzhaft ist. Sie soll das Mitglied veranlassen, in Zukunft nicht wieder gegen die
Moralvorstellungen und Gesetze zu verstoßen.
Diesen Sinn der Strafe können wir auch im Bilde und nach den Erkenntnissen der Informationsverar-
beitung beibehalten. Die Aufgabe einer Strafe und auch der Wiedergutmachung ist es hierbei, Lern-
prozesse in Gang zu setzen, die zu neuen Vorinformationen für künftige Willensentscheidungen füh-
ren. Die Gewichtung der Informationen soll eine andere werden, und als Folge davon soll im Wieder-
holungsfall eine andere Entscheidung resultieren. Sie darf nicht mehr im Widerspruch zu den Gesetzen
stehen und führt dann nicht zu weiteren Unannehmlichkeiten. In manchen Fällen kann bereits die
Wiedergutmachung diese Aufgabe erfüllen.
Der durch die Strafe in Gang gesetzte Lernprozeß soll möglichst schon vor der Tat durch die
abschreckende Wirkung der zu erwartenden Strafe erfolgen. Ist die Tat trotzdem begangen, soll die
Vollziehung der Strafe das Umdenken, den Lemprozeß, herbeiführen.
Derjenige, der trotz Strafandrohung gegen Gesetze verstößt, um sich dadurch einen persönlichen Vor-
teil zu verschaffen, und damit anderen einen Nachteil zufügt, ist zunächst uneinsichtig. Er erkennt
nicht, daß die unbedingte Einhaltung der Gesetze letztenendes auch ihm selbst zugute kommt. Er be-
wertet das empfindliche Übel, das ihm die Strafe zufügt, nicht in ausreichendem Maße, oder er hofft,
daß seine Tat unentdeckt bleibt.
Woran liegt das? Erziehung zur Einleitung von Lernprozessen, um neue Verhaltensweisen zu gewin-
nen, wird immer als unangenehm empfunden. Umdenken und lernen macht Mühe, ist physikalisch
gesehen mit erhöhtem Energieverbrauch verbunden. Schon die Leistungsaufnahme des normal
arbeitenden Gehirns beträgt ungefähr 25 Watt und damit ein Viertel des gesamten Leistungsver-
brauchs eines körperlich nicht schwer arbeitenden Menschen. Bei vermehrtem Denken erhöht sich
jedoch der Leistungsverbrauch im Gehirn beträchtlich. Mit der im Körper gespeicherten physikali-
schen Energie versucht aber jeder Mensch aufgrund eines ihm innewohnenden starken Triebes, des
Bequemlichkeitstriebes, sehr sparsam umzugehen. Daher verschließen viele ihre Augen völlig vor
neuen Erkenntnissen und sind vielfach nur durch äußerste Gewalt, z. B. schwere Strafen, Schicksals-
schläge oder ähnliches, zum Umdenken und zur Berichtigung ihrer inneren Einstellung zu bewegen.
Nach der Darlegung des Sinns einer Strafe müssen auch noch ihre Voraussetzungen untersucht wer-
den. Im Strafrecht gelten als Grundbedingungen für eine Strafe:
1. Das Vorliegen eines gesetzlichen und konkreten Tatbestandes.
2. Die Rechtswidrigkeit einer Tat.
3. Das Vorhandensein von Schuld, d. h. man muß einem Täter aus einer Handlung einen Vor-
wurf machen können.
Zu dem Begriff "Schuld" sagt ein Lehrbuch des Strafrechtes (21, S. 23):
"Diese bedeutet, daß man dem Täter aus seinem (tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen) Verhal-
ten auch einen Vorwurf machen, daß man ihn verantwortlich machen kann. Wie dieser Vorwurf
psychologisch und philosophisch zu erklären ist, ob die Verantwortung insbesondere die soge-
nannte "Willensfreiheit" zur Voraussetzung hat oder auch auf deterministischer Grundlage mög-
lich ist, das ist sehr umstritten. Hierauf kann hier nicht eingegangen, es muß also auf einen theore-
tischen Ausgangspunkt verzichtet werden."
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Im Rahmen der hier vorgebrachten Darlegungen soll die "Schuld" folgendermaßen definiert werden:
Schuld ist Mangel an rechtzeitigen und ausreichenden Lernprozessen, die ein gesetzestreues Verhalten
innerhalb der Gesellschaft ermöglichen. Wenn dieser Mangel und zugleich der Tatbestand einer mit
Strafe bedrohten Handlung bei einem Menschen vorliegen, wird er zur Verantwortung gezogen. Das
bedeutet, er muß für seine Tat einstehen und muß die Strafe ertragen, d. h. sich einem Lernprozeß
unterziehen.
In diesem Gedankengebäude, das man ohne innere Vorurteile betrachten muß, hat Strafe nur in dem
Umfang Platz, wie sie zur Umerziehung des Menschen notwendig ist. Strafe als Rache oder Vergel-
tung, also als etwas, das weit über den erforderlichen Lernprozeß hinausgeht, ist abzulehnen und sinn-
los. Rache verstockt nur den Menschen und macht ihn uneinsichtig, bewirkt also das Gegenteil, was
eine sinnvolle Strafe ausrichten soll. Eine zu milde Strafe dagegen gibt möglicherweise einen zu ge-
ringen Anreiz für eine Sinnesänderung.
Gedanken der Rache und der Vergeltung im Sinne der unverhältnismäßigen Schadenszufügung sind
allen Menschen als sehr starker Trieb zutiefst eingepflanzt. Er stammt wahrscheinlich aus vorge-
schichtlichen Zeiten, in denen es noch keine Rechtsnormen gab und in denen die Rache der individuel-
le und private Strafvollzug am anderen Individuum war. Dieses sollte davon in Kenntnis gesetzt wer-
den, daß es besser wäre, keinen Streit mit dem Rächer anzufangen.
In unserer heutigen Zeit ist dieser Rache- und Vergeltungstrieb überflüssig geworden, erschwert nur
das Zusammenleben der Menschen, und muß daher mit intensiven Lernprozessen unterdrückt oder
überdeckt werden. Welcher Mangel in dieser Beziehung noch vorhanden ist, kann mancher entlassene
Strafgefangene feststellen, der von seiner Umwelt geschnitten oder beleidigt wird, obwohl er noch
nicht wieder straffällig geworden ist. Hier nimmt die Umwelt an ihm noch ihre private Rache und
macht dadurch oft die Wirkung der Strafe zunichte.
Nicht ohne Grund verwirft die christliche Religion in so starkem Maße die Rache und Vergeltung und
stellt dafür die Vergebung in den Vordergrund. Dabei ist die Vergebung keine einseitige Handlung in
Form einer bedingungslosen Amnestie, also einer einfachen Aufhebung einer verwirkten Strafe. Ver-
gebung setzt reuevolle Einsicht in das Verwerfliche der Tat und den unbedingten Willen zur
Besserung voraus. Bedingung zur Vergebung ist also, daß der Lernprozeß, der durch eine Strafe nor-
malerweise in Gang gesetzt werden soll, bereits vollzogen ist. In diesem Fall ist die Strafe überflüssig
geworden. Ihr Vollzug wäre nur noch Rache.
In diesem Sinne spricht der evangelische Geistliche nach der Beichte, in der die Verfehlungen be-
kannt, bedauert und in der Besserung gelobt ist, in einer der üblichen Absolutionsfassungen die Worte:
"Auf dieses euer Bekenntnis hin verkündige ich allen, die ihre Sünde herzlich bereuen, an Jesus
Christus wahrhaftig glauben, und den ernstlichen Vorsatz haben, ihr Leben zu bessern, die Gnade
Gottes und die Vergebung ihrer Sünden."
Zum Schluß dieser teilweise sehr naturwissenschaftlichen Betrachtungen, in denen hergeleitet wurde,
daß physikalischer Ablauf der geistigen und sonstigen Lebensvorgänge keine Einengung einer
Willensfreiheit bedeutet, berichte ich noch die Meinung des bereits auf Seite 109 erwähnten Physikers
Prof. Pascual Jordan. Er schreibt zu unserem Thema (46, S. 155):
"Die 'Quantenmechanik', welche diese gesetzlichen Zusammenhänge vollständig und in umfas-
sendster Weise feststellt, lehrt uns ferner, daß unsere Unfähigkeit, über das statistische Gesetz hin-
ausgehend auch den Einzelfall vorauszusehen, nicht etwa auf einer Unzulänglichkeit unseres Wis-
sens (die später einmal behoben werden könnte) beruht: Es besteht hier in dem Geschehen an ein-
zelnen Atomen eine wirkliche 'Freiheit'12, die etwas ganz Neues gegenüber allen älteren naturwis-
senschaftlichen Vorstellungen ist.
Dieses Ergebnis der modernen Physik bringt eine völlig veränderte Lage im Verhältnis von Reli-
gion und Naturwissenschaft. Wir wollen ganz darauf verzichten, an dieser Stelle der weiteren
12 Im Sinne des nicht Vorhersehbaren.
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philosophischen Erörterung vorzugreifen: Es mag genügen, gezeigt zu haben, daß die Problem-
lage, aus der die Möglichkeit einer antireligiösen Verwertung der Naturwissenschaft entstand - und
für welche Kant eine scharfsinnige, dem Materialismus bestimmte Grenzen ziehende Lösung ver-
sucht hat - einfach nicht mehr vorhanden ist, nachdem die Vorstellung des absolut zwangsläufigen
Naturgeschehens durch das physikalische Experiment selber widerlegt worden ist.
Es könnte zwar scheinen, daß die Hoffnung auf eine hier sich ankündigende neue Harmonisierung
von Religion und Naturwissenschaft zu schwach begründet sei, wenn die im Naturgeschehen ent-
deckte 'Freiheit' nur für Atome und Elektronen gilt, während für große, aus vielen Atomen zu-
sammengesetzte Körper doch die alte Kausalitätsvorstellung in Kraft bleibt. Aber es hat sich in
den letzten Jahren der 'Quantenphysik' eine 'Quantenbiologie' an die Seite zu stellen begonnen,
welche aus biologischen Experimenten die Erkenntnis abgeleitet hat, daß lebende Organismen in
ihren Reaktionen weitgehend abhängig sind von Prozessen äußerster Feinheit - solcher Feinheit
nämlich, daß es sich dabei geradezu um Einzelreaktionen einzelner Moleküle handelt: Diese Ab-
hängigkeit des Lebensgeschehens von 'steuernden' Vorgängen, die ihrerseits der Kausalität der
physikalischen Grobgebilde nicht mehr unterstehen, entzieht die biologischen Erscheinungen
grundsätzlich der lückenlosen mechanischen Kausalität.
Wie immer man denken mag über die endgültige Bewertung, welche die berührten neuen natur-
wissenschaftlichen Erkenntnisse in Zukunft einmal finden werden - niemand wird die Tatsache aus
der Welt schaffen können, daß durch diese neuen Erkenntnisse die alten großen Probleme eines
Jahrhunderte erfüllenden Ringens zwischen Naturwissenschaft und Religion völlig neu aufgerollt
sind."
So weit Prof. Pascual Jordan.
Nun wird vielleicht mancher einwenden:
"Das sind doch alles nur physikalischen Spekulationen, die ich sowieso nicht verstehe. Es gibt aber
in der Parapsychologie bei manchen Paragnosten oder Vorschauern die Gabe der Präkognition,
also des Vorhererkennens, durch die manchmal zukünftiges Geschehen exakt vorhergesehen und
vorhergesagt wurde. Gewisse Vorhersagen erstreckten sich über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte
und trafen schließlich in allen vorhergesagten Einzelheiten genau ein. Das ist ein Indiz dafür, daß
eben doch alles Geschehen im voraus festgelegt ist."
Stützt das Phänomen der Präkognition vielleicht sogar die in manchen christlichen Lehrmeinungen
vorhandene Auffassung der sogenannten Prädestination, der Vorherbestimmung des Menschen? Nach
dieser Lehre ist es dem Menschen schon vor oder bei seiner Geburt durch Gottes unerforschlichen
Willen als Gnadenwahl vorherbestimmt, ob er ohne eigenes Verdienst zur ewigen Seligkeit gelangt
oder ob er durch Prädammnation ohne eigene Verschuldung zur ewigen Verdammnis kommt. Diese
Auffassung wurde von dem Kirchenvater Aurelius Augustinus (354 - 430), von dem niederländischen
katholischen Theologen Cornelius Jansen, sowie von den Reformatoren Martin Luther, Ulrich Zwing-
li und Johannes Calvin vertreten.
Doch treffen alle präkognitiv geschauten Begebenheiten in sämtlichen Einzelheiten wirklich ein?
Bei genauer Durchsicht der Voraussagen seriöser Vorschauer stellt man fest, daß sehr vieles nicht
eintrifft, oder nicht genau eintrifft. Dr. Karl Schmeïng schreibt in seinem Buch "Das Zweite Gesicht in
Niederdeutschland" nach dem Bericht entsprechender Beispiele (78, S. 154):
"Eine zwangsläufige bis in alle Einzelheiten durchgreifende Erfüllung, wie sie in den Vorschauer-
erzählungen häufig betont wird, trifft also nicht mit Notwendigkeit ein. Er können nicht nur Ein-
zelheiten ausfallen, sondern auch ganze Vorgesichte ohne Erfüllung bleiben."
Bei diesen Fehlprognosen kann man natürlich die Vermutung hegen, daß bei der Aufnahme der Vor-
schau durch den Paragnosten, den Vorschauer, einfach Übermittlungsfehler aufgetreten sind. Aber das
läßt sich nicht beweisen, wie natürlich ebenso auch nicht das Gegenteil.
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Fälle, bei denen der Vorschaubericht dem
oder den davon betroffenen Menschen vor Eintritt eines für sie unangenehmen Ereignisses bekannt
wurde. Unterstellen wir nun, daß die Vorschau vom Paragnosten richtig aufgenommen wurde und daß
außerdem unabänderliche Determination besteht. Dann müßte es unmöglich sein, die genaue Erfüllung
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der Vorschau aufzuhalten, selbst wenn man rechtzeitig von der Vorschau erführe. Tatsächlich gibt es
aber Berichte, in denen der verhängnisvolle Ausgang eines Ereignisses abgewendet werden konnte.
Einen solchen Fall berichtet uns Dr. Justinus Kerner, der Oberamtsarzt und Dichter in Weinsberg
(1786 - 1862), aus dem Jahre 1827 von seiner Patientin Friederike Haufe (54, S. 78). Diese sah in
einer Vision einen Verwandten sterbend auf einer Bahre liegen und konnte auf dringliches Befragen
angeben, daß es ihr Bruder sei, der am 18. Januar einem Mordanschlag zum Opfer fallen werde, wobei
sie imstande war, das Alter (26 Jahre) und die Herkunft des Täters anzugeben. Der Bruder wurde nun
aber gewarnt und verhielt sich am angegebenen Tag in der fraglichen Situation vorsichtig. Dadurch
verfehlte ihn der Täter, ein Holzdieb, als er auf ihn schoß. Der Schuß ließ nur Spuren an einem Baum
und im Schnee zurück.
Der amerikanische Psychologe Stanley Curtis Krippner (geb. 1932) berichtet folgende Begebenheit
(57):
"Eine Frau weckte eines Nachts ihren Mann und erzählte ihm einen schrecklichen Traum. Sie sah,
wie der große Kronleuchter über dem Bett ihres Kindes herabfiel und das Kind erschlug. Die ge-
träumte Uhr im Kinderzimmer zeigte 4.35 Uhr. Der Mann lachte über die Ängstlichkeit seiner
Frau, als sie das Kind zu sich ins Bett nahm. Er lachte aber nicht mehr, als zwei Stunden später ein
lautes Krachen und Klirren aus dem Kinderzimmer ertönte. Es war genau 4.35 Uhr. Der Kron-
leuchter war heruntergefallen und lag in dem leeren Kinderbett."
In dem folgenden Bericht von Prof. Hans Bender (1907 - 1991) weiß der unmittelbar Betroffene nichts
von der Vorschau. Dagegen wissen es seine Angehörigen und versuchen, von ferne auf das Ereignis
Einfluß zunehmen. Es heißt (6, S. 21):
"Eine Berichterstatterin, die von Kind auf - wie sie sagt - das 'Zweite Gesicht' hatte, träumt wie-
derholt: ihr Sohn kniet auf einem Brachfeld im Scheinwerferlicht, die Schulterklappen abgerissen,
ohne Koppel, die Augen nach rechts in Todesangst wie hilfesuchend auf sie gerichtet. Im Genick
hat er einen schwarz-grauen Fleck wie eine Einschußwunde. Sie vertraut sich ihrem Beichtvater
an, der ihr beruhigend erklärt, das 'Zweite Gesicht' müsse nicht unbedingt eintreffen. Er empfiehlt
ihr, um Milderung zu beten.
Alle die Jahre, die ihr Sohn in Rußland stand, hat sie furchtbar gelitten, besonders im Vorfrühling -
die Zeit, auf die das Brachfeld hinwies. Am 08. Februar sagte ihr eine 'innere Stimme', daß jetzt
der Tag der Erfüllung sei. Den ganzen Abend und die ganze Nacht betete die Familie um gött-
lichen Beistand. Gegen Morgen trat eine Beruhigung bei ihr ein, wie bei einem schwerkranken
Menschen nach einer überstandenen Krise. Sie wußte, ihr Sohn hatte es überstanden. Entweder
war er tot oder in Gefangenschaft. Im Jahre 1948 kehrte er aus Rußland heim. Am Abend des
08. Februar 1945 hatten russische Panzer die deutschen Linien durchbrochen und die flüchtigen
Verwundeten eines Hauptverbandsplatzes mit Scheinwerfern eingekreist und auf einem Brachfeld
erschossen. Sie hießen auch ihn niederknien, um ihm den Genickschuß zu geben. In letzter Sekun-
de wurde befohlen, diesen einzigen Gefangenen zum Verhör vorzuführen. Als der Morgen ange-
brochen war, hieß ihn der russische Oberst, sich auf den Turm eines Panzers zu setzen. Als einzi-
ger war er gerettet."
In einem vierten Bericht ist zwar nicht von einer Vorschau die Rede, so daß auch keiner der betrof-
fenen Menschen korrigierend eingreifen kann. Doch hat man den Eindruck, als ob ein jenseitiges We-
sen das drohende Schicksal kennt und schützend einzuwirken versucht. Eine Frau H. berichtet (33):
"Es war im Krieg an einem schönen Herbstvormittag, als wir wieder mal aus dem Luftschutzkeller
ans Tageslicht kamen, froh darüber, daß der Angriff für uns ohne Schaden anzurichten vorüberge-
gangen war. Bald danach schellte es, und mein Nachbar stand ganz aufgeregt vor der Tür. 'Frau H.,
auf den Polizeibunker ist ein Volltreffer gefallen, und alle Männer sind tot.' Voller Angst eilte ich
zum Telefon, um mir Gewißheit zu verschaffen. Ich bekam sie. 'Ja, Ihr Mann war auch im Bunker',
antwortete die Stimme am anderen Ende der Leitung.
Noch ganz benommen setzte ich mich auf mein Rad, um hinzufahren, 'Franz, Franz', rief ich laut,
'es kann nicht wahr sein, daß ich dich unter Trümmern begraben wiedersehen soll.' Ich wollte und
konnte es nicht wahrhaben.
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Unterwegs begegnete ich einer mir bekannten Krankenschwester. Sie bot mir ihre Hilfe an mit den
Worten. 'Ich lasse Sie nicht allein dort hinfahren, ich komme mit.'
Wir waren erst eine kurze Strecke gefahren, als unsere Augen glaubten, eine Erscheinung käme
uns entgegen. Es war aber kein Geist, sondern ein lebendiger Mensch, mein Mann. Beide warfen
wir unsere Räder hin und lagen uns in den Armen. Noch war es wie ein Traum, ihn lebend wieder-
zusehen. Dann erfuhr ich die seltsame Geschichte, warum er nicht mit den Bedauernswerten unter
den Trümmern lag.
Bei Voralarm mußte diese Gruppe von der Stadt zu der Außenstation fahren. Mein Mann ging in
den Nebenraum, um seine Ausrüstung zu holen. Als er den Stahlhelm vom oberen Rück herunter-
holen wollte, bekam er weder den rechten noch den linken Arm hoch. Es war, als ob sich jemand
mit seinem ganzen Gewicht auf den sich hochhebenden Arm legte. Er versuchte es immer wieder,
doch der Druck war so groß, daß er es nicht schaffte. So waren einige Minuten vergangen, die für
sein Schicksal bestimmend sein sollten. Erst nachdem er allein im Raum war, ließ der Druck nach,
und als er nun den Stahlhelm heruntergeholt hatte, fuhr er schnellstens seinen Kameraden nach.
Als er an die Brücke kam, an deren Ende die Außenstation lag, fielen in unmittelbarer Nähe die
ersten Bomben. Den kurzen Weg über die Brücke konnte er nun nicht mehr schaffen, um sich in
den Schutz des Bunkers zu begeben. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als gleich beim ersten Pfei-
ler der weitgespannten Brücke Schutz zu suchen, obgleich sie sicher das Angriffsziel war. Er tat es
voller Angst, jeden Augenblick den Einschlag erwartend. Aber der nicht mehr geschaffte Weg
über die Brücke sollte für ihn nicht der Tod, sondern das Leben sein. Welche geistige Kraft hatte
ihn vor dem Tode bewahrt? War es sein bereits in die andere Welt gegangener Vater? Man kann es
nicht beantworten, nur danken."
Ein ähnlich gearteter Bericht spielt ebenfalls im letzten Weltkrieg. Eine Frau Maria Moßhammer aus
Nürnberg schildert (63):
"Während des Krieges war ich in Riga als Luftwaffenhelferin stationiert. Nach dem Durchbruch
der Russen auf dem Baltikum wurden wir in eine Dienststelle des Reichsluftwaffenministeriums
nach Potsdam versetzt. Ende 1944/Anfang 1945 flogen die Engländer ihre sogenannten 'Fahrplan-
angriffe', d. h. die Bomber kamen in jeder Nacht auf die Minute genau. Wir verließen dann - trotz
anderslautender Vorschrift - nie die Unterkünfte, da wir vom Dienst an der Front gewissermaßen
abgebrüht waren.
Eines Abends kam ich gegen 22 Uhr vom Nachtdienst zurück. Da der Fliegerangriff bevorstand,
lohnte es sich nicht mehr, mich hinzulegen, und so schrieb ich einen Brief an jemanden, den ich
von der Front her kannte. Meine Stubenkollegin lag derweil schlafend im Bett. Plötzlich hatte ich
ein Gefühl, als stünde jemand hinter mir. Ich spürte geradezu den Blick auf meinem Rücken. Ich
schaute zurück und sah eine Gestalt, die in ein braunes Tuch gewickelt war. Nur Kopf und Hände
waren frei, und es waren lediglich die Knochen, so, wie bei einem Skelett im Biologieunterricht.
Diese Gestalt hatte die Knochenhände auf meine Stuhllehne gelegt. Seltsamerweise ging eine un-
geheure Ruhe von der Erscheinung aus, so daß ich keine Angst empfand. Im gleichen Augenblick
heulten die Sirenen, und die Gestalt war verschwunden. Ich sprang auf, um meine Mitbewohnerin
zu wecken. Sie wollte weiterschlafen, doch ich wußte mit einem Mal, daß wir unbedingt raus muß-
ten.
Schließlich gelang es mir, meine Kameradin wachzubekommen, und wir rannten nach draußen.
Wir waren kaum hundert Meter weit gelaufen, da schlug bereits die erste Bombe in die Baracken,
und sämtliche Gebäude stürzten ein. Die Druckwelle hatte eine solche Kraft, daß wir, geradezu
'angeschoben', über einige Sandkübel gestoßen wurden und dahinter auf den Boden fielen. In de-
ren Schutz blieben wir unverletzt. Alle, die wie gewöhnlich in den Baracken geblieben waren, fan-
den den Tod."
Derartige Berichte sind natürlich im streng wissenschaftlichen Sinn keine "Beweise" dafür, daß es so
etwas wie einen in groben Umrissen vorgegebenen oder geplanten Handlungsablauf gibt, daß man
durch Präkognition manchmal Einblick in den Plan erhalten kann, und dann durch eigenes Handeln
einem Verhängnis entrinnen kann. Oft wird das eigene Handeln durch eine "höhere" Instanz sogar
erzwungen. Diese Berichte liefern aber Indizien dafür, daß es derartiges gibt und daß eine unab-
änderliche Vorausbestimmung nicht vorhanden ist.
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In diesem Zusammenhang sollen noch zwei Berichte jenseitiger Geistwesen angeführt werden, die
ebenfalls betonen, daß es keine absolute Vorherbestimmung gibt.
Zuerst der Bericht des bereits auf Seite 121 erwähnten Geistwesens Josef, den er am 04. März 1972 in
Zürich durch den Mund von Frau Beatrice Brunner vortrug (47, S. 83):
"Ein jeder hat für den anderen ein göttliches Vorbild zu sein. Er hat so zu leben, daß man ihn be-
wundern muß. Er muß in seinem Inneren Ordnung haben. Er soll aber auch, wenn dann und wann
eine Unordnung sein Innenleben streift, die Möglichkeit ergreifen, es wieder in Ordnung zu brin-
gen.Man kann jedoch die innere Ordnung nur dann aufrechterhalten, wenn man sich nach den gött-
lichen Gesetzen ausrichtet. Und dafür sind die Gebote Gottes da, nach ihnen soll man sich ausrich-
ten.
Diese Gebote Gottes sind Wegweiser zum höheren Leben. Der Mensch hat ja auf dieser Erde auch
seine geistige Begleitung. Damit sind Engel Gottes gemeint, die sich ihm nähern, und ihn auf seine
Irrtümer aufmerksam zu machen versuchen. Sie mahnen ihn, sie rütteln sein Gewissen, sie versu-
chen, ihn zu beeinflussen, sie haben ihre genaue gesetzlich festgelegte Richtung einzuhalten, wie
weit sie einen Menschen beeinflussen dürfen. Diese Beeinflussung ist ja vom einen zum anderen
verschieden.
Für einen jeden Menschen, der da lebt, ist auch ein Lebensplan festgelegt; ein Lebensplan, der
unabänderlich ist, wo alle Schicksalsstationen eines Lebens eingehalten werden müssen, genau wie
sie festgelegt worden sind. Es ist aber dem einzelnen viel Gelegenheit gegeben, sein Schicksal zu
mildern und abzuändern. Abändern kann er es durch seine Geschicklichkeit, durch gerechtes, über-
legtes Handeln und Denken. Manches kann er in seinem Leben zum Besseren wenden. Er kann ein
Schicksal in all seinen Härten auskosten müssen, es kann sogar verschärft werden durch seine
Unvernunft, durch seinen Unwillen, durch seine Unzufriedenheit und Unbelehrbarkeit. Er selbst
kann das in ihm festgelegte Schicksal abschwächen oder verschärfen. Es ist aber feststehend, daß
er ein Schicksal auszutragen hat. Damit wollen wir euch doch sagen: der Mensch ist Meister seiner
selbst. Er lenkt und führt sein Lebensschifflein. Es sind ihm im Leben so viele Möglichkeiten
geboten, daß er selbst beim härtesten Schicksal, das für ihn festgezeichnet sein mag, etwas von
seiner Härte und Schärfe durch ein gottwohlgefalliges Leben aufzuheben vermag."
Einige Monate später sagte dieser jenseitige Josef innerhalb eines Berichtes über das abgelaufene irdi-
sche Leben einer verstorbenen Frau am 07. Oktober 1972 (47, S. 331):
"Ich versuche euch aber ganz deutlich zu machen, daß im Leben des Menschen sein freier Wille
eine bedeutende Rolle spielt und daß die bedeutenden Entscheidungen, die er im Leben trifft, ent-
weder großen Einfluß auf seinen geistigen Aufstieg haben, wie sie ihm auch zur Belastung werden
können. Er kann durch seine Willensfreiheit sich ein schweres Leben schaffen, wie auch das Ge-
genteil. Aber es ist falsch, wenn Menschen manchmal behaupten, alles, was geschieht, wäre Fü-
gung, es wäre ihnen alles so zugedacht gewesen. Wir erinnern den Menschen immer wieder daran,
daß Gott ihm Vernunft - ich kann auch sagen Überlegungskraft - gegeben hat. Vernunft und Ver-
stand. Man soll überlegen, bevor man entscheidet, denn für die Folgen ist man selbst verantwort-
lich.
Darum ist es auch uns daran gelegen, Menschen zum Sprechen herauszufordern. Sie müssen selbst
Stellung nehmen und entscheiden durch ihr Wort. Ihr freier Wille muß so zum Ausdruck kommen
und besiegelt werden. So war es mit dieser Frau. Weil sie bis anhin durch keine allzu großen Prü-
fungen gehen mußte, ließ sie sich vom Wesen ihres Mannes in ihrer Schwachheit mitreißen. Sie
billigte alles, was er tat, und glaubte, es wäre sein gutes Recht, und sie vergaß das religiöse Leben,
das sie früher erfüllte. Sie vergaß das gerechte Leben und hatte nicht mehr die edlen
Gefühle der Seele herausgefordert, sie nicht mehr gepflegt. Und so wurde sie eben überwältigt und
hatte sich dadurch belastet, mehr als je in ihren früheren Leben."
Als letztes folgt eine Durchgabe des hochgestellten Geistwesens, das sich Johannes Greber offenbarte.
Dieser berichtet (29, S. 262):
"Das in der Bibel erwähnte Schicksal des Hiob ist ja nichts anderes als eine Probe, durch die Gott
erfahren wollte, wie sich dieser gerechte Mensch im schwersten Leid ihm gegenüber verhalten
würde. Alle Prüfungen, denen die Menschen von Gott unterworfen werden, wären ja ein Komö-
dienspiel, wenn Gott im voraus wüßte, wie die Prüfungen ausgingen. Daß Gott, der den Geist sei-
ner Geschöpfe bis in die tiefsten Tiefen kennt, in vielen Fällen aus dieser Kenntnis heraus weiß,
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wie ihre freie Entscheidung mit höchster Wahrscheinlichkeit ausfallen wird, ist klar. Dieses
Wissen haben auch wir Geister in großem Umfang. Selbst ihr Menschen seid imstande, wenn ihr
den Charakter eines Mitmenschen kennt, mit einer gewissen Bestimmtheit vorauszusagen, wie er
sich in diesem oder jenem Falle verhalten und entscheiden wird. Es ist dies alles aber bloß ein
Mutmaßen. Doch darum handelt es sich hier nicht, sondern um eine unfehlbare Sicherheit im Vor-
auswissen einer Entscheidung, die vom freien Willen abhängt. Und dieses unfehlbare Wissen be-
sitzt kein Geist. Auch Gott nicht. Darum wußte auch Gott nicht im voraus, ob von den geschaf-
fenen Geistern einige oder viele zum Abfall kämen, und selbstverständlich auch nicht, welche von
diesen Geistern abfallen würden. Er kannte bloß die Möglichkeit des Abfalls, die ja in dem freien
Willen von selbst gegeben war.
Hätte Gott mit Sicherheit vorausgewußt, wie ihr lehrt, daß von ihm ins Dasein gerufene Geschöpfe
unter Mißbrauch ihrer Freiheit von ihm abfallen würden, so würde er diese überhaupt nicht ge-
schaffen haben, sondern nur solche, von denen er vorauswußte, daß sie ihm treu blieben."
Soweit die Berichte aus der jenseitigen Welt über einen Lebensplan, das menschliche Schicksal und
seine etwaige Beeinflußbarkeit. Zur Präkognition, zur Vorschau, kann man in diesem Zusammenhang
vermuten, daß Paragnosten den von übergeordneten Mächten vorgezeichneten Lebensplan eines Men-
schen in gewisser Weise manchmal erkennen können. Fehlvoraussagen würden dann darin ihre Be-
gründung finden, daß der Mensch durch bedachtes oder unbedachtes Handeln diesen Lebensplan be-
einflußt hat oder ihm entronnen ist.
Der Inhalt dieses Kapitels läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das menschliche irdische Leben
wird in gewisser Weise von oben geplant oder gelenkt. Es unterliegt auch gewissen Zwängen, die
krankhafter Art sein können, oder auch von außen einfließen, wie es bei der Besessenheit der Fall ist.
Das wird im übernächsten Kapitel besprochen werden. Aber darüber hinaus kann der Mensch seine
eigenen Entscheidungen treffen, wie er sie nach seinem eigenen Kenntnisstand und Gewissen für rich-
tig oder wünschenswert hält. In vielen Fällen lassen sich diese Entscheidungen zur Ausführung brin-
gen. Aber der Mensch hat dann auch die Folgen dafür zu tragen, im Guten wie im Schlechten. Er muß
sich gegebenenfalls verantworten, zunächst möglicherweise schon hier auf Erden vor irdischen Ge-
richten, oder nach seinem Tod in irgendeiner Form vor jenseitigen Instanzen. Das bedeutet nicht, daß
er dort gleich vor ein Tribunal gestellt wird, oder gar Gott oder Christus ihn persönlich aburteilen.
Aber in angemessener Weise hat er doch die Folgen seiner irdischen Handlungen zu tragen, und sei es
durch die Prüfungen eines erneuten Erdenlebens.
Die Geistige Heilung durch Verbindung mit der jenseitigen Welt
Von alters her gibt es bei Naturvölkern und Kulturvölkern Heilkundige, die bei Mensch und Tier
Krankheiten auf eine Art und Weise behandeln, die von unserer Schulmedizin und auch der bei uns
gebräuchlichen Naturheilkunde sehr weit entfernt ist. Sie bedienen sich dabei paranormaler Heilme-
thoden. Man spricht auch von der sogenannten "Geistigen Heilung". Bei ihr treten Vorgänge zutage,
wie sie bei anderen paranormalen Geschehnissen ebenfalls beobachtet werden können, teils experi-
mentell ausgelöst, teils spontan auftretend. Man ordnet diese Vorgänge heutzutage der Wissenschaft
der Parapsychologie zu.
Die Parapsychologie ist für den Naturwissenschaftler dadurch besonders interessant, daß in ihrem
Erscheinungsbereich Übertragungsformen von Energie und Umwandlung von Materie beobachtet
werden, die in der normalen Physik nicht vorkommen. Die paranormale Wandelbarkeit der Materie
tritt auch bei extremen Formen der Geistigen Heilung sichtbar in Erscheinung, wie sie beispielsweise
im religiösen Bereich gelegentlich in Lourdes (59) und anderswo beobachtet werden kann. Es gibt gut
untersuchte Fälle, bei denen größere Knochen- oder Gewebsstücke innerhalb von Sekunden ersetzt
wurden und große Wunden sich schlossen.
Im folgenden soll unter der Geistigen Heilung (oder paranormalen Heilung) eine Heilung von Körper-
schäden oder Krankheiten verstanden werden, bei der keine der üblichen Heilmethoden angewendet
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wird, die nicht nach bekannter medizinischer Erfahrung verläuft, und die auch nicht nur durch Sugges-
tion oder Autosuggestion erklärbar ist. Statt dessen tritt bei einer solchen Heilung der Geist eines
menschlichen Heilers oder einer nichtirdischen Persönlichkeit, meist verbunden mit dem innigen
Wunsch des Kranken, aktiv in Tätigkeit und bewirkt bei erfolgreichen Fällen oft in kurzer Zeit eine
vollständige oder teilweise Heilung der Krankheit. Wie diese Einwirkung physikalisch stattfindet, ist
unbekannt, ebenso, ob weitere Faktoren von Bedeutung und Wichtigkeit sind. Nach den bisherigen
Erfahrungen scheint es jedoch von Vorteil zu sein, aber auch nicht unbedingt erforderlich, wenn der
Kranke der Geistigen Heilung aufgeschlossen gegenübersteht, er sie für möglich hält, und selbst mit-
arbeitet, wenn er also durch Autosuggestion (wie man das nennt) ein zusätzliches Heilungsgeschehen
in Gang setzt. Grundsätzlich ist das aber nicht erforderlich. Die Geistige Heilung gelingt auch bei
Säuglingen, Tieren und Menschen, die überhaupt nicht wissen, daß sie dieser Behandlungsmethode
unterworfen werden. Ich kenne z. B. eine Ärztin aus dem Rheinland, die bei schwierigen Fällen, in
denen sie mit ihrer eigenen Behandlung nicht recht vorankam, ohne Wissen der Patienten telefonisch
den englischen Heiler Harry Edwards einschaltete und dann oftmals eine ganz plötzliche Wende im
Krankheitsgeschehen feststellen konnte. Ich weiß natürlich, daß man sehr viel gegen diese subjektiven
Beobachtungen der Ärztin einwenden kann. Aber diese Einwendungen lassen sich, wenn keine Rei-
henversuche und vergleichende Untersuchungen vorliegen, auch gegen andere Heilmethoden und je-
des Medikament vorbringen. Daher sollte man die Beobachtungen der Ärztin nicht leichtfertig vom
Tisch wischen, sondern sie höchstens zum Anlaß nehmen, das Phänomen genauer zu untersuchen.
Die Geistige Heilung ist so gut wie ausschließlich im religiösen Bereich angesiedelt, also dort, wo man
das Hereinwirken außerirdischer oder göttlicher Kräfte annimmt, oder zumindest für möglich hält. Bei
antiken Völkern oder heutigen Naturvölkern (11) befaßt sich der Priester oft auch mit der Krankenbe-
handlung auf naturheilkundliche und paranormale Weise. Besonders ausgeprägt ist das bei den Völ-
kern, die der Religionsform des sogenannten "Schamanismus" angehören. Dieser ist eine betont spiri-
tistische Religion, die ein unmittelbares Fortleben des Menschen nach dem irdischen Tode annimmt,
und den Verkehr mit verstorbenen Stammesangehörigen, Naturgeistern und Stammesgottheiten aus-
übt. Der Mittler ist dabei der Schamane, ein durch Berufung Auserwählter, der Zutritt zu einem Be-
reich des Heiligen hat, der für die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft unzugänglich ist. In unserer
europäischen Terminologie müssen wir heute sagen, daß der Schamane paranormal begabt ist.
Der Schamanismus ist die Religionsform der Völker Zentral- und Nordasiens, soweit sie nicht inzwi-
schen sowjetisiert sind. Er kommt aber auch bei Völkern Nord- und Südamerikas, Südostasiens und
Ozeaniens vor. Der Schamane, aber auch der Medizinmann und Priester nichtschamanischer Religio-
nen, z. B. in Afrika, bedient sich bei der Krankenbehandlung paranormaler Praktiken, im Volksmund
gemeinhin "Magie" genannt. Das befähigt ihn oft, eine Heilung herbeizuführen, wo es der westliche
Mediziner manchmal gar nicht oder nicht so schnell oder nur mit Medikamenten kann. So gelingt z. B.
das unmittelbare sofortige Zusammenheilen gebrochener Gliedmaßen ohne Schienung (11, S. 204)
oder die sofortige Heilung beim Biß durch tödlich wirkende Giftschlangen (11, S. 202), selbstver-
ständlich ohne Serumbehandlung. Parallelfälle dazu gibt es aber auch im christlichen (59) und mo-
hammedanischen Bereich (77; 85).
Auf die herausragenden Heilungstaten von Jesus Christus wurde bereits auf S. 99 hingewiesen. Sie
erfolgten ja u. a., um als sogenannte Wunder den göttlichen Auftrag Christi nachzuweisen. Auffallend
ist bei den Berichten über diese Krankenheilungen, wie schnell sie erfolgten und mit welch geringem
Aufwand sie hervorgerufen wurden. Es genügte das Auflegen oder die Berührung mit den Händen
oder auch nur ein Befehlswort. Ein Abschnitt aus dem Neuen Testament kann dies verdeutlichen
(Matt. 9,18):
"Während Jesus noch so zu ihnen redete, trat ein Vorsteher (der Synagoge) herzu, warf sich vor
ihm nieder und sagte: 'Meine Tochter ist soeben gestorben; aber komm und lege ihr deine Hand
auf, dann wird sie wieder zum Leben erwachen.' Da stand Jesus auf und folgte ihm samt seinen
Jüngern.
Als Jesus dann in das Haus des Vorstehers kam und die Flötenbläser und das Getümmel der
Volksmenge sah, sagte er: 'Entfernt euch! Das Mädchen ist nicht tot, sondern schläft nur.' Da ver-
lachten sie ihn. Als man aber die Volksmenge aus dem Hause entfernt hatte, ging er (zu der Toten)
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hinein und faßte sie bei der Hand; da erwachte das Mädchen. Die Kunde hiervon verbreitete sich
in der ganzen dortigen Gegend.
Als Jesus hierauf von dort weiterging, folgten ihm zwei Blinde, die laut riefen: 'Sohn Davids, er-
barme dich unser!' Als er dann in das Haus gekommen war, traten die Blinden zu ihm heran, und
Jesus fragte sie: 'Glaubt ihr, daß ich (euch) dies zu tun vermag?' Sie antworteten ihm: 'Ja, Herr!' Da
rührte er ihre Augen an und sagte: 'Nach eurem Glauben geschehe euch!' Da taten sich ihre Augen
auf; Jesus aber gab ihnen die strenge Weisung: 'Hütet euch! Niemand darf etwas davon erfahren!'
Sobald sie aber hinausgegangen waren, verbreiteten sie die Kunde von ihm in jener ganzen
Gegend.
Während diese hinausgingen, brachte man schon wieder einen stummen Besessenen zu ihm; und
als der böse Geist ausgetrieben war, konnte der Stumme reden. Da geriet die Volksmenge in Stau-
nen und sagte: 'Noch niemals hat man etwas Derartiges in Israel gesehen!' Die Pharisäer aber er-
klärten; 'Im Bunde mit dem Obersten der bösen Geister treibt er die Geister aus.'
So durchwanderte Jesus alle Städte und Dörfer, indem er in ihren Synagogen lehrte, die Heilsbot-
schaft vom Reiche (Gottes) verkündigte und alle Krankheiten und alle Gebrechen heilte."
Auch seine Jünger rüstete Christus mit der Fähigkeit zur Krankenheilung aus. Es heißt (Matt. 10,1):
"Er rief dann seine zwölf Jünger herbei und verlieh ihnen Macht über die unreinen Geister, so daß
sie diese auszutreiben und alle Krankheiten und jedes Gebrechen zu heilen vermochten."
Im Urchristentum wird die Krankenbehandlung noch als religiöse Betätigung ausgeübt. So heißt es im
Brief des Jakobus 5,14:
"Ist jemand unter euch krank, so lasse er die Ältesten der Gemeinde zu sich kommen; diese sollen
dann über ihm beten, nachdem sie ihn im Namen des Herrn mit Öl gesalbt haben. Alsdann wird
das gläubige Gebet den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden
begangen hat, wird ihm Vergebung zuteil werden."
Die katholische Kirche hat diese Anweisung zum Sakrament der letzten Ölung umgewandelt, zu der
ein Lexikon der katholischen Religion sagt:
"In der letzten Ölung wird der dem Tode nahe Christ dazu geweiht, daß er in der freiwilligen Dar-
bringung seines Lebens das häufig in der Eucharistie vollzogene Mitopfer mit Christus im eigenen
Tod endgültig wahr mache. Wird in diesem Sakrament unter Umständen auch leibliche Gesundung
bewirkt, so hat auch dann Gott das Opfer angenommen, in dem ja das Leben der Entscheidung
Gottes überantwortet worden ist."
Erst in neuer Zeit hat die katholische Kirche aus diesem geistlichen Beistand für Sterbende durch
Umbenennung in Krankensalbung auch eine Hilfe für nicht Sterbende gemacht.
An sogenannten Wunderstätten, z. B. in Lourdes in Südfrankreich, treten im katholisch-christlichen
Bereich ebenfalls paranormale Heilungen auf, ohne daß hier allerdings ein bestimmter menschlicher
Heiler anwesend oder erkennbar ist. Man schreibt die auftretenden Heilungen der Einwirkung der
Jungfrau Maria zu, also der irdischen Mutter Christi, die ja für uns eine jenseitige Wesenheit ist.
Wenn man unter Spiritismus die Verbindung mit der jenseitigen Welt und die Einwirkungen aus der
jenseitigen Welt durch nichtirdische Wesenheiten (also auch Gottes) versteht, fallen alle derartigen
Heilungen in den Bereich des Spiritismus bzw. Spiritualismus.
Der Anteil der körperlich Geheilten unter den vielen Heilungssuchenden in Lourdes ist zwar gering,
aber doch nicht zu vernachlässigen. Interessant ist aber dabei, daß unter den Heilungen ganz be-
stimmte Krankheiten ausgespart bleiben wie Zuckerkrankheit, schwere Nierenleiden und Krankheiten
des Blutsystems. Zuckerkrankheit und Nierenleiden sind aber Krankheiten, die bei philippinischen
Heilern relativ häufig geheilt werden. Sind also in der katholischen Kirche noch Reste einer Geistigen
Heilung vorhanden, so haben alle evangelischen und reformierten Kirchen nichts derartiges mehr auf-
zuweisen.
Dagegen ist die Geistige Heilung in einigen christlichen Sekten und anderen christlichen Randgemein-
schaften sehr stark vertreten, z. B. bei der Christlichen Wissenschaft und bei allen christlichen spiritis-
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tischen oder spiritualistischen Gemeinschaften, die es auf der ganzen Welt gibt. In Europa sind sie sehr
stark in England vertreten. Allein London hat über 50 spiritistische Gemeinden.
Ein sehr bekannter und erfolgreicher britischer Heiler mit spiritualistischer Einstellung war Harry
Edwards (29. 05. 1893 - 08. 12. 1976), der bei Shere, 100 km südwestlich von London wohnte. Er
war von Beruf Schriftsetzer. 1935 wurde er in einem spiritualistischen Gottesdienst auf seine Hei-
lungsgabe aufmerksam gemacht, die er dann entwickelte und ausübte, wobei er sich jenseitigen We-
senheiten als Heilungskanal zur Verfügung stellte. Ab 1945 führte er zeitweise sogar öffentliche Hei-
lungsdemonstrationen vor Tausenden von Zuschauern durch, z. B. in der Royal Festival Hall in Lon-
don. Edwards betätigte sich aber nicht nur als Kontaktheiler, indem er bei der Krankenbehandlung
seine Patienten mit den Händen bestrich und massierte und ihre Gelenke bewegte, sondern auch als
Fernheiler. Er berichtet, um 1960 z. B. in einem Jahr 673.445 schriftliche Heilungsgesuche aus aller
Welt erhalten zu haben. Das Erstaunliche daran war, daß diese Heilungsgesuche, die jede Woche
durch einen schriftlichen Verlaufsbericht erneuert werden mußten, auch schriftlich beantwortet wur-
den, und zwar nicht mit einem Schemabrief, sondern jeweils mit einem persönlichen Schreiben, das
auf den eigenen Bericht Bezug nahm, und von Harry Edwards eigenhändig unterschrieben wurde. In
jedem dieser Briefe war vermerkt, daß eingehende Berichte innerhalb von 48 Stunden beantwortet
würden und daß, wenn innerhalb einer Woche keine Antwort einträfe, man erneut schreiben solle.
Dieser Hinweis war besonders für Ausländer wichtig, deren Post ja verloren gegangen sein konnte.
Zwar hatte Edwards ein Ehepaar Burton als Assistenten und weitere Hilfskräfte für organisatorische
und schriftliche Aufgaben, aber trotzdem bleibt die Erledigung solch eines riesigen Arbeitspensums
für mich bemerkenswert und rätselhaft, zumal die heilerischen Bemühungen Edwards sehr erfolgreich
waren.
Harry Edwards hat nicht nur jahrzehntelang Kranke behandelt, sondern sich auch Gedanken über die
Grundlagen der Geistigen Heilung gemacht. Darüber hat er einige Bücher geschrieben, von denen
zwei ins Deutsche übersetzt wurden. In einem davon führt er unter anderem folgendes aus (18, S. 31):
"Keine einzige Heilung kann als Musterfall für eine andere angesehen werden. Ich habe den ver-
krüppelten Fuß eines Kindes sofort wiederhergestellt gesehen; aber der andere Fuß in einem
scheinbar ähnlichen Zustand änderte sich nicht. In derselben Woche jedoch erfuhr eine fremde und
mehr chronische Form desselben Leidens eine außergewöhnlich rasche Heilung.
Nichtsdestoweniger aber gibt es mittels der Logik gewonnene sichere Schlüsse auf Grundvoraus-
setzungen, welche die Heilung beherrschen. Die Heilungserfahrungen der Vergangenheit mit
Menschen der verschiedensten Nationalitäten und Religionen, mit führenden Geistern der mensch-
lichen Gesellschaft und mit 'unbedeutenden' Menschen lehrten, daß ein gemeinsamer Faktor vor-
handen war. Dieser Faktor ist der, daß vor Beginn einer jeglichen Heilbehandlung ein Wunschge-
danke ausgesandt wurde, daß Heilung erfolgen möge. Dieser kann in Form des Gebets, der Fürbit-
te oder der Anrufung gekleidet sein. Dies ist der gemeinsame Nenner, der die Römischen Katholi-
ken in Lourdes, die 'Christlichen Wissenschafter', die Spiritualisten und jede andere Religions-
form, die Heilung ausübt, verbindet. Es scheint, daß eine sinnvolle Gedankenausstrahlung notwen-
dig ist, um die Heilungsprozesse in Tätigkeit zu setzen. Geistheilung vollzieht sich nicht automa-
tisch durch sich selbst oder als ein rechtlich-naturgesetzlicher Vorgang.
Hierzu berichte ich ein klares Beispiel. Die Frau eines Heilers war von einer schweren Wirbelsäu-
lenerkrankung heimgesucht und sollte am nächsten Morgen in einen Gipsverband kommen. Am
vorhergehenden Abend hatte ich eine Sitzung mit ihrem Mann und ihren Kindern. Der Mann ging
in Trance. Natürlich befragten auch die Kinder den Geistführer, zumal er über ihre Mutter sprach.
Der älteste Sohn war darüber ungehalten, daß die Geistführer sie nicht geheilt hatten. Die Antwort
des verantwortlichen Geistes war: 'Wir wurden niemals darum gebeten.' Daraufhin sagte der Sohn:
'Gut, ich bitte dich hiermit, meiner Mutter zu helfen.' Der Geist antwortete: 'Wir wollen es versu-
chen.' In der Nacht fühlte die Mutter, daß ihre Wirbelsäule behandelt wurde, und sie wußte, daß sie
von ihrem Leiden befreit war. Als am nächsten Morgen der Facharzt erschien, um die Kranke in
den Gipsverband zu legen, traf er sie völlig geheilt und bei bester Gesundheit umhergehend an.
Daraus ergibt sich der erste Schluß: Die Aussendung einer sinnvollen gedanklichen Kraft, die Bitte
um Heilung ist notwendig, um die Heilung einzuleiten. Alles, was geschieht, jede Bewegung, jeder
Wechsel in unserer Auffassung ist das Ergebnis gesetzbeherrschter Kräfte, die sich an das Selbst
wenden. Da gibt es keine Ausnahme. Wir beobachten diese Gesetze in der Entwicklung der Mate-
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rie, den Bahnen der Sterne, bei der Zeugung, Geburt, Wachstum und beim Tod, in dem atomaren
Aufbau eines Elements und überall sonst. Die menschliche Wissenschaft ist auf diesen sicheren
Gesetzen aufgebaut; andernfalls würde Chaos herrschen. Nichts geschieht durch 'Zufall'.
Dieselbe Gesetzmäßigkeit gilt auch für Geistheilungen. Wenn eine Geistheilung stattfindet, wer-
den mit dem kosmischen Prinzip übereinstimmende gesetzmäßige Kräfte in Tätigkeit gesetzt, und
die Heilungen sind deren Ergebnis nach Maßgabe deren bestimmten Bedingungen.
Dieser Schluß zeigt uns einen der begrenzenden Faktoren in der Heilung. Es kann keine Heilung
stattfinden, die gegen die Gesetzmäßigkeit wäre. Wenn zum Beispiel ein Finger amputiert ist, so
kann kein neuer wachsen, oder einem Greis kann die Heilung keine Jugendlichkeit wieder-
gewinnen."
Hier irrt Harry Edwards. In sehr seltenen Fällen ist sogar die Wiederherstellung eines amputierten
Gliedes beobachtet worden. Anfang August 1637 geriet ein 18 Jahre alter Spanier namens Miguel
Juan Pellicer aus Calanda in Aragonien in der Nähe von Valencia unter die Räder eines beladenen
Fuhrwerks. Ein Rad fuhr über den rechten Unterschenkel, wodurch ein offener Bruch entstand (14).
Da die Wunde eiterte und nicht heilte, mußte der Unterschenkel Ende Oktober 1637 amputiert werden.
Nach Entlassung aus dem Krankenhaus lebte Juan Pellicer zunächst in Saragossa und ernährte sich
vom Betteln. 1640 kehrte er zu seinen Eltern, die Bauern in Calanda waren, zurück. Auch dort bestritt
er seinen Lebensunterhalt durch Betteln. Am Abend des 29. März 1640 kehrte er nach einer Betteltour
müde in sein Elternhaus zurück, nahm gegen 22.00 Uhr seine hölzerne Beinprothese ab, und legte sich
auf dem Fußboden des elterlichen Schlafzimmers zur Nachtruhe nieder (14, S. 84). Dabei war er nur
mit einem Mantel seines Vaters zugedeckt. Als gegen 23.00 Uhr seine Mutter noch einmal zu ihrem
Sohn hinblickte, bemerkte sie, daß unter dem Mantel auf einmal zwei Beine hervorschauten, statt zu-
vor nur eins. Der Vater wurde gerufen und der Mantel völlig aufgedeckt. Dabei stellte man fest, daß
tatsächlich beide Beine wieder vollständig vorhanden waren. Nachdem der Sohn geweckt war, gab er
an, daß er geträumt habe, in der Gnadenkapelle Unserer Lieben Frau del Pilar von Saragossa gewesen
zu sein, vor deren Tür er früher als Bettler gesessen und in der er oft um Heilung gebetet hatte. In die-
ser Kapelle habe er im Traum seinen Beinstumpf mit dem wunderbaren Öl der Marienlampe eingerie-
ben. Danach sei er dann von seinen Eltern geweckt worden.
Das regenerierte Bein blieb dauernd erhalten. Die perfekte Gehfähigkeit kehrte jedoch erst nach und
nach zurück. Das Geschehen erregte natürlich erhebliches Aufsehen. Der zuständige Bischof Apaolaza
ordnete eine kanonische Untersuchung an, und am 27. April 1641 proklamierte der Erzbischof von
Saragossa das außerordentliche Geschehen zum Wunder. An Medizinern untersuchte u. a. ein deut-
scher Arzt namens Petrus Neurath den Fall und verfaßte eine Abhandlung unter dem Titel: "Mira-
culum divae Virginis quae Caesaraugustae crus puero abscissum restituit anno 1640, 29 martii". Die
Abhandlung wurde 1642 in Madrid gedruckt. Da es damals noch keine photographierenden Presse-
reporter gab, wurde das wunderbare Geschehen von Künstlern in 24 Gemälden bildlich dargestellt, so,
wie die Maler sich den Ablauf vorstellten, nämlich, daß geflügelte Engel mit dem amputierten Bein
aus dem Himmel herabkamen und es dem Miguel Juan Pellicer wieder ansetzten. Auch König Philipp
VI. von Spanien erwies dem Wunder seine Reverenz. Er ließ Juan Pellicer nach Madrid kommen,
begutachtete im Beisein des ganzen Hofstaates kniend das wiederangewachsene Bein und küßte es
ehrfurchtsvoll.
Nach dieser Einfügung soll wieder Harry Edwards zu Wort kommen. Er fährt fort (18, S. 32):
"Bei jedem Krankheitsbild haben wir nach der Ursache zu fragen. Wenn ein Kranker von seiner
Gicht geheilt wurde, aber weiterhin in ungesunder feuchter Umwelt lebt, und in einem feuchten
Bett schläft, so werden damit Bedingungen für einen möglichen Rückfall in die Krankheit geschaf-
fen. Das bedeutet nicht, daß eine erneute Heilungsbehandlung negativ verlaufen würde; doch sind
die Heilungsaussichten deshalb geringer, da die Ursachen der Krankheit denkbar ungünstige sind.
Man soll also stets selbst so viel als möglich dazu tun, der Krankheit keinen 'natürlichen' Boden zu
geben. Oder wenn zum Beispiel eine Person in hohem Alter an chronischer
Arterienverkalkung leidet, sollten wir keine restlose Wiederherstellung erwarten, sondern uns um
weitgehendste mögliche Minderung des Übels und Normalisierung des Kreislaufs bemühen.
Genauso wie die irdische Welt von physikalischen Gesetzen beherrscht wird, so wird auch die
geistige Welt von ihren entsprechenden Gesetzen beherrscht, denn solche Gesetze bestehen, wo
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immer Ordnung herrscht. Die geistigen Gesetze müssen offensichtlich den physikalischen überge-
ordnet sein, denn letztere sind von der 'Gerichtsbarkeit' der geistigen Gesetze abhängig.
Die Praxis der Geistheilung lehrt uns, daß jeder Grund zu der Annahme besteht, daß die Geistfüh-
rer geistige Gesetze oder Energien zu benutzen imstande sind, um einen Umschwung zum Besse-
ren im Ganzheitlichen Selbst des Patienten zu bewirken. Die Zusammenfassung dieser beiden
Schlüsse läßt uns erkennen, daß Geistheilungen das Ergebnis gesetzmäßiger Kräfte sind, die in das
Heilungsgeschehen aufgrund unserer Gedankenaussendung eingreifen.
Die Berichte erfolgreicher Heilungen lassen uns einen weiteren gemeinsamen Faktor erkennen:
Waren die richtigen Bedingungen für den Heilungsvollzug geschaffen, gab es keine Mißerfolge,
denn die Kette der Erfolge wird nur durch physische und geistige Gesetze unterbrochen. Wir erle-
ben Heilungen der verschiedensten Art durch die Mittlerschaft eines einzigen Heilers. So zum Bei-
spiel die Heilung einer Gemütskrankheit, die Auflösung einer bösartigen Geschwulst, die Wieder-
herstellung der Sehkraft, die Normalisierung der Blutzusammensetzung im Falle der
Leukämie usw. Dieser Umstand erweist, daß verschiedene Arten der Heilungskraft für die Be-
handlung jedes individuellen Krankheitsbildes angewandt werden müssen.
Um nun die richtige Art der Heilungskraft in jedem der verschiedenen Krankheitsfälle anwenden
zu können, ist die Fähigkeit der richtigen Diagnose und Aufdeckung der Krankheitsursächlichkei-
ten erforderlich. Um diese Leistung zustandezubringen, muß eine anweisende hilfreiche Intelli-
genz vorhanden sein. Wenn ein kranker Mensch für 'unheilbar' erklärt wurde, scheint alle mensch-
liche Weisheit nichts mehr ausrichten zu können, und die Schulmedizin muß versagen. Wenn aber
nun der 'Unheilbare' durch Geistheilung doch geheilt wird und seine völlige Gesundheit wiederfin-
det, so bedeutet das, daß eine höhere Intelligenz eingegriffen hat. Und diese Intelligenz ist nicht
menschlichen Ursprungs, sondern sie muß aus der Geistigen Welt kommen.
Manche behaupten, daß dieses Wissen aus dem menschlichen Unterbewußtsein käme. Jedoch gibt
es keinen einleuchtenden Hinweis dafür, daß die Menschheit die genaue Kenntnis der Ausführung
einer planmäßigen Geistheilung im Falle des Versagens menschlicher Kunst besitzt oder jemals
besaß. Denn es liegt kein menschlicher Erfahrungsschatz vor, aus dem das Unterbewußtsein ein so
genaues und tiefschürfendes Wissen hätte schöpfen können.
Daraus ist der einleuchtende Schluß zu ziehen, daß die Geistführer dieses weitere Wissen zu er-
werben imstande waren. Ebenso einleuchtend ist es, daß der Heilungsvollzug des physischen Geis-
tes und Körpers nicht nur den regulären Einsatz der geistigen Kräfte an sich erfordert, sondern die-
se mit den physischen Gesetzen, welche die menschlichen Körperfunktionen beherrschen, zu ver-
binden verlangt, um nämlich die Geistkraft in eine physische Wirkung zu verwandeln.
Um irgendeinen Plan, und sei es nur der Bau eines Kaninchenstalls, zu verwirklichen, bedarf es
stets einer intelligenten Durchführung. Um irgendeine physikalische Kraft, etwa die Elektritzität,
nutzbar anwenden zu können, bedarf es unseres Verständnisses der Gesetze, welche die Elektrizi-
tät beherrschen. Eine Geistheilung ist ebenfalls eine geplante Handlung. Sie erfordert zu ihrer
Durchführung sowohl Hingabe als auch intelligente Leitung. Um nämlich das gewünschte Resultat
zu erhalten, muß man sich des Wissens bedienen, wie die Helferkräfte eingesetzt werden müssen,
um die gewünschte chemische oder funktionelle Veränderung im Körper des Patienten hervorzu-
rufen.
Die Aneignung von Wissen mittels der menschlichen Wissenschaft vollzog sich stets nur durch
den langsamen und mühevollen Prozeß der Erfahrung und des Irrtums. Es ist logischerweise anzu-
nehmen, daß auch ein Geistführer nicht plötzlich in den Besitz unbegrenzter Weisheit kommt,
sondern daß auch er einst Schritt für Schritt die mühsame Erfahrungsstraße ging, um die Anwen-
dung der geistigen gesetzmäßigen Kräfte und ihr Zusammenwirken mit den physischen und physi-
kalischen Kräften zu lernen, um mit diesem Wissen eine glückliche Wendung im Krankheitsbild
eines Patienten zu bewirken. Ein deutliches Kennzeichen für diese Annahme ist die Erfahrung, daß
gewisse Leiden heute wesentlich leichter durch Geistheilung behoben werden können als in den
vergangenen Jahren.
So haben wir diese Folgerung aus den drei Schlüssen zu ziehen: Die Aussendung einer Gedanken-
bitte durch den menschlichen Geist in Übereinstimmung mit einer jenseitigen Intelligenz befähigt
den Geistführer, dieses Anliegen aufzunehmen und die genaue geistige Kraftqualität abzugeben,
um die jeweilige besondere Fehlfunktion im Körper des Kranken zu beheben. Die Heilungsfähig-
keit dieser Geistführer ist jedoch nicht allmächtig. Wie bereits gesagt wurde, ist sie durch das
Ganzheitliche Gesetz begrenzt. Zwar sind auch spontane Heilungen ernsthafterer Leiden nicht sel-
ten, jedoch der größere Prozentsatz der Geistheilungen benötigt einen gewissen Zeitraum, um auch
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dem Geistführer ein allmähliches Aufspüren der eigentlichen Krankheitsursache und damit Besei-
tigung der Symptome zu erlauben. Viele körperliche Krankheitsbilder erfordern diesen Zeitraum,
um dem Umschwung zum Guten Eintritt zu verschaffen und Zusammenbrüchen und Schwächen
beizukommen und um neue Stärke, Lebenskraft und reibungslosen Ablauf der Körperfunktionen
aufzubauen. Geistheilung ist wahrlich eine Geisteswissenschaft.
In den vergangenen Jahren vernahmen auch ärztliche Autoritäten von den erfolgreichen Heilungen
'unheilbarer' Krankheiten, die sie mittels ihrer medizinischen Wissenschaft nicht erklären konnten.
So sahen sie 'Spontanheilungen' kurzum als 'Selbsthilfe der Natur' an, froh, dieses 'leidige' Thema
damit abgetan zu haben. Freilich muß jedem Ereignis ein vernunftgemäßer Vorgang zugrunde-
liegen. Wir schlagen indessen vor, die von uns vorgetragene ebenfalls vernunftgemäße These zur
Erklärung für jene Heilungen, die jeder medizinischen Erwartung zuwiderlaufen, anzunehmen.
Dieses Buch ist vom Standpunkt des Spiritualismus aus geschrieben, und seine Folgerungen beru-
hen auf der Voraussetzung des Naturgesetzes vom Weiterleben nach dem Tode. Die Kritiker ha-
ben entweder die dargelegten Schlußfolgerungen zu akzeptieren oder eben eine andere auf der Lo-
gik beruhende These zu finden.
Geistheilung ist nicht neu - sie ist uralt. Jesus kannte den Weg der Anrufung der Heilungskräfte
und lehrte seine Jünger und andere den Gebrauch dieser Kräfte. Die Wiederauferstehung der
Anwendung dieser Gabe erfolgte durch unser neues Wissen um die spirituellen Kräfte, wie es uns
die Geisteswissenschaft offenbarte.
Die erste und vielleicht wichtigste Lehre, die der Heilungsschüler lernen muß ist jene, daß nicht er
heilt. Des Heilers Körper besitzt keine besonderen Fähigkeiten, die Krankheitsursache eines
anderen Menschen festzustellen. Sein Geist besitzt nicht das Wissen, um den Heilungsvorgang zu
kennen, und es gibt auch keine Technik, es zu lernen. Der Heiler ist lediglich das Werkzeug des
Geistführers, der ihn als 'Heilungskanal' benutzt, sofern der Heiler bereit und fähig ist, sich mit
ihm zu verbinden.
Es gibt keine bestimmten Regeln, die das Heilen beherrschen, und auch ein bestimmter 'sicherer'
Weg zur Entwicklung der Heilungsgabe kann nicht gewiesen werden. Jeder Mensch ist für sich ei-
ne bestimmte Individualität, und die Geistführer sind ebenfalls bestimmte Individualitäten.
Dennoch gibt es gewisse allgemeine Richtlinien, die dem künftigen Heiler bei der Entwicklung der
Heilungsgabe dienen mögen.
Aus dem Grunde, daß die Heilung von einer anderen Dimension aus erfolgt und wir bis jetzt noch
nicht ihre genaue Handhabung verstehen können, ist kein Heiler in jedem Fall in der Lage, das Er-
gebnis der Behandlung vorauszusagen. Es liegt deshalb also nicht in der Macht des Heilers und
außerhalb seiner Verantwortung, Prognosen zu geben.
Gleichzeitig sollte der Heiler jedoch der Heilungskraft des Geistführers niemals in seiner Vorstel-
lung eine Grenze setzen. Häufig wurde ich einem chronischen Krankheitsfall gegenübergestellt.
Mein 'normaler' Verstand mochte denken, daß 'in diesem Falle sicher nichts mehr getan werden
könne'. Doch zu meiner Überraschung und Freude sah ich auch erfolgreiche Heilungen unter
diesen scheinbar 'unmöglichen' Bedingungen.
So erfolgten hunderte von gelungenen Heilungen, deren erfolgreichen Verlauf niemand mit
'gesundem Menschenverstand' vorauszusagen gewagt hätte, und die uns zeigen, wie gering unser
Wissen über die ungeheuren Möglichkeiten des Eingreifens des Geistes und der Geisterwelt in das
Bauwerk des Naturgesetzes ist."
So weit ein Auszug der Darlegungen von Harry Edwards. Er war während seiner Heilbehandlungen
bei vollem Bewußtsein, befand sich auch nicht in Halbtrance. Er sprach dabei mit den Patienten, be-
rührte und bestrich sie mit seinen Händen, versenkte sich kurzzeitig im Gebet, und lenkte so die durch
ihn hindurchfließenden "Heilkräfte" in die Kranken hinein.
Ganz anders als Edwards "arbeitet" ein weiterer bekannter und erfolgreicher britischer Heiler. Er heißt
George Chapman und wohnt in Aylesbury, 60 km nordwestlich von London. Wie Edwards ist er
Spiritualist und wirkt als Heilungskanal für jenseitige Wesenheiten. Dies vollbringt er aber im Zustand
der Volltrance, wobei ein Geistwesen mit des Heilers Stimme spricht und mit seinen Händen wirkt.
Chapman ist am 04. 02. 1921 geboren, arbeitete nach der Schulzeit in einer Autowerkstatt, einem
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Schlachthof und im Hafen (13, S. 19), und war während des Krieges Sergeant bei der britischen Luft-
waffe.
Nach dem Krieg (1946) wurde er in Aylesbury Feuerwehrmann. Zwei Ereignisse gaben Chapmans
Lebensbahn eine neue Richtung: Sein erstes Kind, eine Tochter, starb 1945 vier Wochen nach der
Geburt. Dieses schwerverwundene Ereignis öffnete sein Inneres für die Verbindung mit der jenseitigen
Welt. Sodann wurden auf der Feuerwehrwache von den Männern während der einsatzfreien Zeit Glas-
rücksitzungen abgehalten. Chapman führte diese zu Hause auch mit seiner Frau weiter (13, S. 20).
Sehr bald meldete sich über das von den Händen auf einem Alphabet geschobene Glas seine früh ver-
storbene Mutter und berichtete, daß sie das 1945 verstorbene Töchterlein betreue. In weiteren Mittei-
lungen wurde er auf seine Heilkräfte aufmerksam gemacht und darauf, daß in der jenseitigen Welt eine
Geistheilgruppe gebildet werde, die durch ihn als Medium unblutig Kranke auf dieser Erde operieren
wolle. Daraufhin nahm Chapman regelmäßig an spiritistischen Sitzungen teil und entwickelte sich
zum Volltrance-Medium. Zuerst sprachen die verschiedensten Geistwesen durch seinen Mund, doch
allmählich wurde ein "Dr. Lang" der alleinige "Verbindungsmann".
Dieser Dr. William Lang ist eine historisch bekannte und nachweisbare Persönlichkeit. Er wurde am
28. 12. 1852 geboren, war zunächst Assistenzarzt, dann Chirurg an einem städtischen Krankenhaus
und ab 1880 Augenchirurg am Middlesex Hospital in London. 1881 gründete er zusammen mit Kolle-
gen die "Britische Ophthalmologische Gesellschaft" (43, S. 18; 13, S. 25). Er verfaßte eine Reihe von
Arbeiten über Augenheilkunde und führte Verbesserungen bei der Augenoperationstechnik ein. Am
13. Juli 1937 starb Dr. Lang. Da er zu Lebzeiten Kenntnisse über das Leben nach dem Tode gewonnen
hatte, war er über seine Weiterexistenz nicht erstaunt. Er berichtet medial durch George Chapman (43,
S. 26):
"Wenn du hier herüber kommst, behältst du dieselbe Persönlichkeit wie auf Erden. Einige Leute,
die mich hier sehen, sagen: 'Du bist so eine wunderbare Geistperson, Dr. Lang', und ich antworte
ihnen: 'Sieh her, junge Frau oder junger Mann, als ich auf Erden lebte, liebte ich mein Leben in
seiner ganzen Fülle. Ich versuchte, Gutes zu tun und nicht willentlich jemandem zu schaden, aber
ich war niemals ein vollkommenes Wesen. Und nun, wo ich meinen Übertritt in die geistige Welt
vollzogen habe, bin ich immer noch derselbe William Lang, der ich auf Erden war. Ich weiß jetzt
ein bißchen mehr über meine Arbeit13, aber bei mir selbst hat sich nichts verändert. Ich bin noch
dieselbe Person. Du siehst, wenn die Leute glauben, daß sie durch den Tod hier zu wundervollen
Persönlichkeiten werden, so ist das nicht der Fall. Du bleibst derselbe.
Als ich in die geistige Welt übergetreten war, hatte ich bald das Verlangen, wieder etwas Nützli-
ches zu tun. Ich erzählte meinen Freunden, die bei mir waren: 'Heilkunde war mein ganzes Leben.
Ich kann sonst nichts, und ich würde gerne mein Wissen und meine Erfahrung weiterhin anwen-
den, um den Menschen zu helfen. Könnt ihr mich dabei unterstützen?' Darauf zeigten sie mir die
hiesigen Krankenhäuser, die den Hospitälern, die ich kannte, ziemlich ähnlich waren. Ich konnte
sehen, wie Patienten, die in krankem Zustand in unsere Welt gekommen waren, von Geister-
Ärzten (spirit doctors) und Schwestern behandelt wurden. Ich bemerkte aber sofort, daß die Behand-
lung in der Geistigen Welt sehr verschieden von der ist, die wir auf Erden angewendet
haben. Daher war ich begierig, diese besondere Behandlungsweise sobald als möglich zu erlernen.
'Du wirst es nicht schwer finden zu lernen, am Geistkörper zu operieren', belehrte mich mein lieber
Freund Bland-Sutton, der ein Jahr vor mir hier angekommen war. 'Wir alle mußten in unsere
Studentenzeit zurückkehren, um uns die neue Methode anzueignen, die ganz verschieden ist von
der Arbeit am physischen Körper. Aber es ist der einzige Weg für einen Geisterarzt, seinen Patien-
ten hier zu helfen.' Ich war sehr interessiert und begierig, an die Arbeit zurückzukehren, und be-
gann sofort damit, die Kunst der geistigen Chirurgie (spirit surgety) zu erlernen. Obwohl der Geist-
körper (= Astralleib) mehr oder weniger mit dem physischen Körper identisch ist, bleibt es trotzdem
ziemlich schwierig, einem auf der Erde lebenden Menschen genau zu erklären, wie ein Geisterarzt
einen Geistkörper operiert oder eine andere Form der Behandlung anwendet, weil es doch nicht
voll verstanden würde.
Zusammen mit einer Reihe medizinischer Freunde operierte ich viele Wesen, die krank herüberge-
kommen waren, und half, sie von all ihren Leiden zu befreien. Es war eine sehr lohnende Tätig-
13 Damit meint er sicher seine Arbeit als Arzt.
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keit, aber ich dachte schließlich: 'Ich werde hier nicht unbedingt als Doktor gebraucht. Es gibt hier
genug hocherfahrene Chirurgen und Ärzte, die voll ausreichend sind, die Geistwesen zu
versorgen. Vielleicht kann ich den Menschen helfen, die auf der Erde an schweren Krankheiten
leiden.'
Ich sprach darüber mit meinen Freunden, und sie meinten, nachdem sie meinen Plan sorgfältig
durchdacht hatten: 'Der einzige Weg, um dein Vorhaben durchzuführen, besteht darin, ein Medium
für dich zu finden, durch das du auf der Erde wiedererscheinen kannst. Es ist sehr schwer, das
richtige Medium zu finden, aber es ist möglich.' 'Gut, dann wollen wir versuchen, es zu fmden',
schlug ich vor. Sie entgegneten: 'Du mußt dir aber völlig sicher sein, daß die Rückkehr zur Erde
und die medizinische Hilfeleistung für Menschen wirklich das ist, was du zu tun wünschst, bevor
das richtige Medium gefunden und für dich ausgebildet ist. Der Grund dafür liegt darin, daß du,
wenn du dein Medium findest, bis zum Abschluß deiner Aufgabe bei ihm bleiben mußt. Erst dann,
wenn des Mediums Lebenszeit auf Erden abgelaufen ist, hat auch deine Tätigkeit als Geisterarzt
ihr Ende gefunden.' Ich versicherte ihnen: 'Ich bin wirklich entschlossen, als Geisterarzt zur Erde
zurückzukehren und meine Aufgabe so lange als möglich auszuführen. Wollt ihr mir nun dabei
helfen, das richtige Medium zu finden?' Meine Freunde versprachen mir: 'Du kannst ganz beruhigt
sein, William, daß alles getan wird, dir zu helfen. Du mußt aber Geduld haben, wie wir dir schon
sagten, weil es schwierig ist, das richtige Medium zu finden. Vergiß auch nicht, daß viele Ärzte
hier dasselbe Bestreben wie du haben, zur Erde zurückzukehren und als Geisterärzte (spirit doctors)
durch Medien zu arbeiten. Aber nur wenige von ihnen haben ein Medium gefunden. Du magst
vielleicht glücklicher als die anderen sein, denn es gibt einen jungen Mann auf der Erde, der für
dich als Medium ausgebildet werden könnte. Aber es ist eine schwierige Aufgabe und voll von
Unwägbarkeiten. Vorerst jedoch mußt du deine Arbeit an den hiesigen Krankenhäusern fortsetzen.
Vervollkommne deine Fähigkeit als Geisterarzt. Wir wollen unser Bestes tun, um die Versuche mit
dem jungen Mann durchzuführen, damit er für dich ausgebildet werden kann."
Die Ausbildung von George Chapman hatte wirklich Erfolg, und seit 1951 (43, S. 31) wirkt William
Lang als Geisterarzt durch sein Medium, das deswegen einige Jahre später auch seinen Beruf als
Feuerwehrmann aufgab. Die Arbeitsweise von Dr Lang ist ganz verschieden zu derjenigen der Geist-
führer von Harry Edwards. William Lang "operiert" überwiegend, aber nicht den materiellen Körper,
wie es viele philippinische und brasilianische Heiler in blutiger Weise tun, sondern den Astralleib
(auch Geistkörper, engl. spirit body). Dabei ist Chapman in Volltrance, und zwar jeweils stundenlang.
Sie beginnt morgens beim Eintreffen des ersten Patienten und endet nachmittags nach der Sprechstun-
de. Über die Zwischenzeit weiß der Heiler hinterher nichts. Er spricht im Trancezustand ein gehobenes
Englisch und gibt sich leutselig und gönnerhaft. Seine Augen sind geschlossen in verkniffener und
manchmal blinzelnder Art und Weise. Die Persönlichkeit, die dann durch Chapman spricht, eben die-
ser Dr. Lang, gibt sich in seinem Gehabe und seinen Kenntnissen wie ein Arzt des vorigen Jahrhun-
derts. Frühere Kollegen und Patienten aus Lebzeiten des Dr. Lang sind der Überzeugung, in dem
Geistwesen den verstorbenen Augenchirurgen wiederzuerleben. Mit gelegentlich anwesenden irdi-
schen Ärzten führt er medizinische Fachgespräche, was Chapman nie könnte. So erfolgte eine
derartige Unterhaltung Ende Dezember 1969 mit dem New Yorker Arzt Dr. Robert W. Laidlaw. Sie
behandelte zum Teil persönliche Dinge. Doch wurden auch medizinische Fragen erörtert, und einige
Sätze Langs lauteten folgendermaßen (13, S. 41):
"Einige Krankheiten, wie z. B. Knochenbrüche, erfordern eine Behandlung auf physischer Ebene,
andere Krankheiten kommen aus dem Seelisch-Geistigen. Ich muß die jeweilige Quelle der Stö-
rung finden. Wenn nach einer gelungenen Operation die Schmerzen weiterbestehen, liegt die Ur-
sache im Seelischen oder Geistigen. Viele Menschen sind organisch vollkommen gesund, aber
ständig krank. Nach meinen Beobachtungen fehlt ihnen Energie oder Lebenskraft. Sie sind wie ei-
ne leere Batterie. Ich übertrage in diesen Fällen Energie von meinem Medium und gebe Heilbe-
strahlung.
Retrobulbäre Neuritis (Entzündung des rückwärtigen Teils des Sehnerven) wird oft als rein physische
Krankheit angesehen. Doch ich stelle immer wieder fest, daß Patienten mit mißlichen Lebens-
erfahrungen oder einem überaktiven Bewußtsein Spannungen aufbauen können, die dann als ret-
robulbäre Neuritis zutage treten. Dieser Vorgang hat seinen Ursprung im Geist selbst. Man muß
den Patienten als Ganzheit sehen. Manchmal kann man den Patienten in leichte Trance versetzen.
Man läßt ihn tief einatmen, bis er völlig entspannt ist, befragt ihn dann, und bespricht seine Prob-
leme mit ihm. Danach kann man ihn über den Astralleib behandeln und die fibrösen Beschwerden
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am leiblichen Körper zum Verschwinden bringen. Bei der Behandlung muß der
Astralleib etwas vom physischen Körper gelöst werden
Nicht jeder Krankheitszustand ist heil-
bar. Ich sage den Patienten, daß ich nur mein Bestes tun kann. Auch mein Medium betont dies
nachdrücklich."
Die "Operationstechnik" des Dr. Lang geht von der Annahme aus, daß der Astralleib, der ja tief im
physischen Leib verankert ist, bei körperlichen Erkrankungen und Verletzungen ebenfalls in Mitlei-
denschaft gezogen wird. Zwischen beiden Leibern bestehe eine Wechselwirkung in beiden Richtun-
gen. Wenn nun die krankhaften Veränderungen des Astralleibes behandelt und geheilt werden, kann
das auch zur Heilung des körperlichen Leidens führen. Bei der Behandlung liegt der Patient auf einem
Ruhebett und erzählt Dr. Lang seine Krankengeschichte. Jeder, ob nun 20 oder 80 Jahre alt, wird von
ihm mit "young man" oder "young lady" angeredet. Was ich hier berichte, beruht auch auf eigenem
Erleben, denn ich habe sowohl Lang/Chapman als auch Harry Edwards persönlich kennengelernt.
Nach dem Vorgespräch beginnt gewöhnlich die "Operation". Dazu beugt sich Lang über den Patienten
und manipuliert in geringem Abstand über seiner Kleidung mit seinen Händen wie ein Chirurg, der
mit unsichtbaren Instrumenten an einem unsichtbaren Körper herumschneidet, unsichtbares Gewebe
herausholt, es in einen unsichtbaren danebenstehenden Eimer wirft, und mit einer unsichtbaren Spritze
Injektionen gibt.
Zu Beginn dieser Operationen, so gibt Lang an, wird der Astralleib ein wenig aus dem physischen
Körper herausgehoben, damit er überhaupt an ihm arbeiten kann. Mir fiel besonders das mehrfache
laute Fingerschnipsen bei den Manipulationen auf. Ich habe mir später sagen lassen, daß es die Ange-
wohnheit mancher Chirurgen auch auf dieser Erde ist, durch Fingerschnipsen das Zeichen zum Anrei-
chen des nächsten Instrumentes zu geben. Entsprechend dem Fingerschnipsen waren auch die Hand-
bewegungen von Chapman bzw. Lang, die er zur Entgegennahme der "angereichten" Instrumente
machte. Das bedeutet, daß er nicht allein arbeitet, sondern eine Gruppe von Helfern um sich hat. Dazu
gehört auch sein verstorbener Sohn Basil, der auf Erden ebenfalls Chirurg war. Über ihn
berichtet George Chapman (13, S. 50):
"Eines Nachmittags, nur wenige Tage nach der Geburt meines Sohnes Michael, war ich im Be-
handlungszimmer in Trance. Da fragte Dr. Lang meine Frau Margie, ob er das Baby sehen dürfe.
Sie brachte Michael, und Dr. Lang nahm ihn in seine Arme und wiegte ihn. Dann sagte er: 'Ich
hatte einst einen Sohn Basil. Eines Tages wird Michael das Medium für meinen Sohn sein und so
die Heilarbeit fortsetzen.' Es war das erste Mal, daß Dr. Lang von seinem Sohn sprach, und von
jener Zeit an begann Basil Lang seinem Vater bei der Arbeit zu assistieren."
Die Patienten verspüren in der Regel von den "Operationen" des Dr. Lang nichts. Nur einzelne haben
dabei gewisse, aber nicht sehr unangenehme Empfindungen. Gelegentlich werden auch die "geistigen
Injektionen" mit der unsichtbaren Spritze als leichter Stich empfunden. Ganz anders ist das bei
manchen philippinischen Heilern, die ebenfalls in reichem Maße solche für unsere Augen "imitierten"
Injektionen geben. Sie sprechen dabei von "magnetic injections" und gehen äußerlich wie Dr. Lang
vor. Aber zumindest bei den Heilern José Mercado und Juanito Flores, wo ich derartiges erlebte und
auch filmte, verspüren alle Patienten einen starken Stich, und bei manchen fließt hinterher sogar deut-
lich Blut. Und das, obwohl mit Sicherheit keine materielle Injektionsnadel benutzt und der Körper des
Patienten nicht einmal berührt wird.
Wegen der großen Anzahl der Heilungssuchenden aus aller Welt bei monatelanger Warteliste kommt
ein Patient bei Dr. Lang meist nur einmal zur persönlichen Behandlung nach Aylesbury. Anschließend
wird er auf die Fernheilung verwiesen. Die Behandlungen bewirken bei manchen Kranken
beeindruckende Besserungen, bei anderen dagegen bleiben sie völlig erfolglos. Aus beiden Gruppen
kenne ich Patienten persönlich. Erfolgreiche Fälle sind in den Büchern (13; 43) beschrieben. Wie die
irdischen Ärzte können auch die Geisterärzte keine Wunder wirken, was sie meist selbst betonen. Je-
doch sind sie fähig, in manchen Fällen Heilung, Besserung oder Linderung zu bringen, wo es die irdi-
schen Ärzte nicht vermochten. Es ist ja fast immer so, daß ein Heiler erst dann aufgesucht wird, wenn
irdische Ärzte erfolglos blieben. Daß auch bei der Geistigen Heilung Fehlschläge auftreten, kann mit
seine Ursache darin haben, daß nicht oft oder lange genug behandelt wurde oder daß der Patient die
Vorschriften des Heilers oder des Geisterarztes nicht befolgt hat. Mit den gleichen Schwierigkeiten
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haben ja auch unsere irdischen Ärzte zu kämpfen. Eine weiter Möglichkeit ist, daß auf höheren Ein-
fluß keine Heilung erfolgen durfte.
Dr. Lang schildert in seinem medial durchgegebenen und anfangs zitierten Bericht, daß in der jenseiti-
gen Welt zahlreiche verstorbene Ärzte darauf warten, sich mit Hilfe von Medien wieder medizinisch
betätigen zu können. Zur Ergänzung dieser Angabe führe ich hier noch den medialen Bericht eines
ehemaligen Schweizer Heilmagnetiseurs an, der Albert Pauchard hieß und am 03. Juli 1934 in Genf
starb. Er meldete sich von 1935 bis 1937 medial bei einem in Holland lebenden älteren Freundespaar
und berichtete über seine Erlebnisse und Erfahrungen in der jenseitigen Welt. In diesem Zusammen-
hang schilderte er auch das nachtodliche Schicksal eines verstorbenen Arztes und schreibt (70):
"Ich habe hier drüben einen Arzt angetroffen, der einen Fall für sich darstellt. Er ist in einem sol-
chen Maße mit seiner Arbeit verwachsen, daß er einfach nicht aufhören kann, sich ihr zu widmen.
Er wirkt besonders durch hellsichtige Menschen hindurch und ist selig darüber, auf diese Weise
seine ärztliche Tätigkeit fortsetzen zu können. Seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt er sich
im Jenseits seiner Lieblingsbeschäftigung hin. Für mich ist das ein seltsamer Fall von freiwilliger
Selbstbeschränkung. Dabei war er sich seines Todes durchaus bewußt gewesen, ja er hatte sogar
schon ziemlich lange vorhergeahnt, daß er werde sterben müssen. Kaum hier angelangt, setzte er
alles daran, sich den neuen Umständen anzupassen, und sogleich nach Möglichkeiten zu suchen,
um seine ärztliche Tätigkeit vom Jenseits her fortzusetzen. Solche Möglichkeiten hat er gefunden,
und seither hat er sich nie die Zeit genommen, um sich auch für etwas anderes zu interessieren. Ich
habe ihn einmal gefragt, ob nicht auch er hier drüben gewisse Erfahrungen gemacht habe -
angenehme oder weniger angenehme - so ganz andere Erfahrungen als auf Erden.
Ihr wißt schon, wovon ich spreche. Er sah mich halb überrascht, halb abwesend an und sagte:
'Nein.' Tatsächlich hat er seine frühere Tätigkeit ohne Unterbrechung weitergeführt. Ich weiß
nicht, wie lange das noch so gehen wird. Auf jeden Fall wirkt er höchst segensreich, ohne im
geringsten an die Verdienste zu denken, die er sich dadurch selbst erringen könnte. Dieser Arzt lie-
fert ein bezeichnendes Beispiel dafür, daß eben ein jeder das Jenseits auf seine ureigenste Weise
erlebt, je nach Temperament und gemäß seinem Verhalten gegenüber den Bedingungen der neuen
Umwelt. Jeder Fall ist einzig und macht seine einzigen Erfahrungen."
Die beiden zunächst vorgestellten Heiler sind von mir als besonders erfolgreich aus einer großen Zahl
anderer englischer Heiler ausgewählt worden. Sie konnten und können dank einer freizügigen Gesetz-
gebung unbehindert ihre Tätigkeit ausüben. In den meisten anderen Ländern ist derartiges aber durch
Gesetze verboten, so in Deutschland, Brasilien, den Philippinen usw. Wenn trotzdem dort Heiler ihre
Tätigkeit ausüben, so können sie das nur, so lange sie niemand anzeigt. Da das aber doch hin und wie-
der geschieht, haben viele Heiler in den genannten Ländern irgendwann einmal mit den Gerichten
Bekanntschaft gemacht. So auch der jetzt vorzustellende Brasilianer Zé Arigó. Ich habe ihn, wie auch
den zweiten Brasilianer Edson Queiroz, den ich anschließend beschreiben werde, nie persönlich
kennengelernt. Ich berichte hier also nur nach der Literatur (25; 69) und Filmaufnahmen, die ich von
beiden besitze.
Zé Arigó war der Spitzname eines Trance-Heilers, der am 18. Oktober 1918 als Bauernsohn in Con-
gonhas do Campo bei Belo Horizonte im Bergbaugebiet des Hochlandes von Südbrasilien (400 km
südlich von Rio de Janeiro) geboren wurde. Sein richtiger Name war José Pedro de Freitas. Der
Spitzname, auf deutsch etwa Bauerntölpel, entstand bereits während seiner nicht sehr erfolgreichen
vierjährigen Schulzeit und deutet auf seine bäuerliche Herkunft hin. Arigós Eltern und er selbst waren
römische Katholiken. Nach der Schulzeit arbeitete er auf dem Hof seines Vaters, später in einem
nahegelegenen Bergwerk. Da er die Bergarbeiter als Gewerkschaftsfunktionär zum Streik aufgerufen
hatte, wurde er 1948 entlassen, und versuchte sich danach in Congonhas als Gastwirt. Schließlich fand
er eine Anstellung beim städtischen Wohlfahrtsamt.
Arigó gibt an, schon in seiner Schulzeit Stimmen in einer fremden Sprache gehört zu haben. Nach der
Entlassung als Bergarbeiter stellten sich bei ihm wiederkehrende Träume ein, die ihn sehr ängstigten
und Kopfschmerzen hervorriefen (25, S. 71). Wie in völliger Wirklichkeit sah er in diesen Träumen
eine Gruppe von Ärzten und Schwestern, die einen Patienten auf einem Operationstisch mit chirurgi-
schen Instrumenten sehr sorgfältig operierten. Der Leiter der Gruppe war ein kahlköpfiger, unter-
setzter Arzt, der mit den anderen portugiesisch mit deutschem Akzent sprach. Wenig später erschien
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ihm dieser "Arzt" in einer völlig lebensecht wirkenden Vision (25, S. 71) und stellte sich als
Dr. Adolpho (Adolf) Fritz vor. Er sagte ihm, daß er während des Ersten Weltkrieges gestorben sei, und
sein Werk auf Erden nicht habe vollenden können. Er habe Arigó längere Zeit beobachtet und seinen
Edelmut und seine Nächstenliebe kennengelernt. Er habe ihn nun als lebendiges Werkzeug ausge-
wählt, um durch ihn und mit der Hilfe anderer Geistwesen, die vor ihrem Tode ebenfalls Ärzte gewe-
sen wären, sein Werk fortzusetzen. Wenn Arigó inneren Frieden finden wolle, möge er damit begin-
nen, kranken und verstörten Menschen zu dienen, die seiner Hilfe bedürften. Arigó mußte dann ein
Kruzifix, das er einige Zeit vorher auf dem Hof seines Vaters gefunden hatte, in seine Hand nehmen.
Damit solle er die Kranken heilen, so sagte ihm dieser Dr. Fritz. Arigó geriet über die Erscheinung so
in Angst, daß er aus dem Bett sprang und schreiend auf die Straße lief.
In der Folgezeit entwickelte sich bei Arigó eine Volltrance-Medialität, wobei sich jener Dr. Fritz dann
ähnlich wie Dr. Lang bei George Chapman betätigte und in Worten äußerte. Jahre später hat der
Philosophie-Professor J. Herculano Pires14 den Geist noch einmal genauer nach seiner Herkunft be-
fragt. In portugiesischer Sprache mit deutschem Akzent sagte er, daß er Dr. Fritz geheißen habe
(25, S. 214), in München geboren und mit fünf Jahren nach Polen gekommen sei, Medizin studiert
habe, und ein ziemlich guter Arzt und Chirurg gewesen sei. Er habe aber einige schlimme Fehler ge-
macht. Ab 1914 habe er in Estland gelebt, und bevor er dort 1918 gestorben sei, habe er gelobt, seine
medizinische Ausbildung nach dem Tode fortzusetzen, um dann auf die Erde zurückzukehren und so
viele Menschen wie möglich zu behandeln. Auf diese Weise wolle er seine irdischen Fehler wieder-
gutmachen. Bei anderen Gelegenheiten betonte Dr. Adolf Fritz auch, daß er Mitglied einer Gruppe von
verstorbenen Ärzten sei, die beschlossen hätten, den Menschen im Namen Jesu Christi so gut zu hel-
fen, wie sie könnten. Er habe Arigó während einer Zeit von mehr als zehn Jahre beobachtet und
dadurch feststellen können, daß dieser für ihn das geeignete Instrument sei, um sein Werk auszufüh-
ren. Nun sei es ihm möglich, eine perfekte Kontrolle über das Medium auszuüben, und deshalb könne
er mit ihm chirurgische Operationen durchführen.
Es ließ sich historisch nicht feststellen, ob ein Dr. Adolf Fritz tatsächlich gelebt hat. Dazu waren die
Angaben des Geistwesens nicht genau genug, als daß man damit von Brasilien aus in Archiven hätte
fündig werden können. Außerdem fegten über Estland 1918 die Kämpfe der russischen Revolution
hinweg. Falls es diesen Dr. Fritz wirklich auf Erden gegeben haben sollte, ist er möglicherweise bei
den Kämpfen 1918 ums Leben gekommen. Vollständige Totenlisten existieren aus dieser Zeit aber
nicht.
Seit etwa 1950 behandelte der Geist "Dr. Fritz" durch den in Volltrance befindlichen Arigó eine große
Anzahl von Patienten, die aus ganz Südamerika zu ihm kamen. Bei ihnen führte er oftmals große und
schwierige Operationen durch und konnte dabei mit einem unsterilen Küchenmesser oder Taschen-
messer tief ins Fleisch oder das Innere des Körpers schneiden. Dabei wurden keine Blutgefäße abge-
bunden und die Wunde hinterher nicht vernäht. Trotzdem traten nur geringfügige Blutungen auf.
Wenn sie aber doch einmal stärker wurden, hielt Arigó (Dr. Fritz) das Kruzifix, von dem schon die
Rede war, über die Wunde und sagte (69, S. 35):
"Ich will kein Blut! Es genügt das Blut, das Christus am Kreuz vergossen hat!"
Sofort kam die Blutung dann zum Stillstand. Arigós Mienenspiel war beim Operieren völlig anders als
normalerweise. Seine Finger arbeiteten mit erstaunlicher Präzision und Schnelligkeit, selbst wenn er
Kopf und Augen in eine andere Richtung wandte. Die Wundränder erschienen nach den Operationen
wie zusammengeleimt. Deshalb brauchte nicht genäht zu werden. Die Kranken wurden von Dr. Fritz
aber nicht nur operiert, sondern auch medikamentös behandelt. Vor allem konnte der Geist, ohne den
Patienten zu befragen, eine genaue Diagnose stellen, z. B. die Zahlenwerte des systolischen und dias-
tolischen Blutdruckes genau angeben oder bei einem Augenkranken sagen, er leide an einer Retinitis
pigmentosa oder einem Retinoblastom. Beides sind Netzhauterkrankungen, die ein irdischer Augenarzt
nur mit dem Augenspiegel oder Augenmikroskop feststellen kann.
14 Er gab das bestdokumentierte Buch über Arigó heraus mit dem Titel: "Arigó: Vilda, Meiunidade e Martirio", Sao Paulo,
Edicel 1963.
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Nach der Diagnosestellung kritzelte Dr. Fritz ein Rezept auf ein Blatt Papier. Die schlecht lesbare
Schrift wurde von einem Helfer noch einmal nachgeschrieben, so daß ein Apotheker sie überhaupt
entziffern konnte. Bei den verordneten Heilmitteln handelte es sich um marktübliche Medikamente,
die allerdings oft in einer sonst nicht üblichen Dosierung verschrieben wurden, und die häufig Wir-
kungen zeigten, die man normalerweise nicht bei ihnen erwarten würde. Die erzielten Erfolge waren
oft erstaunlich.
Arigó behandelte während seiner Freizeit und arbeitete dabei oft bis tief in die Nacht hinein. Er übte
seine Heiltätigkeit also nicht wie Edwards, Chapman oder die meisten philippinischen Heiler hauptbe-
ruflich aus, sondern arbeitete weiterhin als Angestellter der Wohlfahrtsbehörde und verdiente damit
den Unterhalt für seine Familie. Dadurch konnte die Behandlung der Patienten kostenlos erfolgen.
Eine der ersten Behandlungen und Heilungen, die großes Aufsehen erregte, lief folgendermaßen ab
(25, S. 62): 1950 kam der brasilianische Senator Lucio Bittencourt nach Belo Horizonte, unweit von
Congonhas, wo Arigó wohnte, zu einer Wahlkampfveranstaltung. Binencourt litt an Lungenkrebs,
hatte die erforderliche Operation wegen des Wahlkampfes aber hinausgeschoben. Der Senator hatte
Arigó, der damals noch Gewerkschaftsfunktionär war, und weitere Bergleute zu der Veranstaltung ein-
geladen. Als Arigó in Belo Horizonte eintraf, stellt sich jedoch heraus, daß die Wahlkampfveranstal-
tung um einen Tag verschoben worden war. Daraufhin ließ ihn der Senator für die folgende Nacht in
dem Hotel Financial, in dem er selbst wohnte, mit unterbringen. In der Nacht konnte Bittencourt kei-
nen Schlaf finden und wälzte sich ruhelos im Bett. Gerade als er einzuschlafen hoffte, öffnete sich
plötzlich die Tür, und das Licht ging an. Herein trat Arigó. Sein Blick war glasig. Als er auf das Bett
zukam, sah der Senator ein Rasiermesser in seiner Hand. Seltsamerweise hatte Bittencourt keine
Angst. Er erinnerte sich später nur, daß er schwach wurde und ihm eine Stimme mit stark deutschem
Akzent sagte, es sei keine Zeit zu verlieren, denn er müsse dringend operiert werden. Dann war er
ohnmächtig geworden. Als er wieder zu sich kam, war niemand im Zimmer. Er zog seine Schlafan-
zugjacke aus. Sie war aufgeschnitten worden und hatte einen Blutfleck. Unsicher stand Bittencourt auf
und wankte zum Spiegel. Als er sich mit dem Rücken davorstellte, sah er einen sauberen, glatten
Schnitt über den hinteren Rippen. Verwundert zog er sich an und ging in Arigó Zimmer.
Als Bittencourt ihm erzählte, was geschehen war, meinte Arigó, er habe wohl zu viel getrunken.
Nachdem er dann aber die noch feuchten Blutflecken und den Schnitt gesehen hatte, gab es keinen
Zweifel mehr, daß Bittencourt operiert worden war. Arigó blieb jedoch dabei, daß er nichts damit zu
tun habe. Der bestürzte Senator beschloß, mit der ersten Maschine nach Rio zu fliegen, um seinen Arzt
aufzusuchen.
Arigó konnte sich nicht erinnern, in das Zimmer des Senators gegangen zu sein. Aber er war über-
zeugt, daß sich die Geschichte so zugetragen haben könnte, wie Bittencourt behauptete, denn er erin-
nerte sich natürlich seiner Träume und seiner Vision. Jetzt betete er, daß der Arzt feststellen möge, daß
er dem Senator keinen Schaden zugefügt habe. Ihm wurde angst und bange bei dem Gedanken, was er
möglicherweise angerichtet haben könnte.
Doch schon bald kam die unglaubliche Nachricht. Bittencourt war unverzüglich zu seinem Arzt ge-
gangen und hatte ihm nur gesagt, er sei operiert worden. Der Arzt röntgte ihn und strahlte vor Freude
über das Ergebnis, das er für das Werk nordamerikanischer Chirurgen hielt. Er erklärte dem Senator,
der Tumor sei mit Hilfe einer in Brasilien unbekannten Technik sauber entfernt worden. Für seine
Gesundheit bestünden die besten Aussichten. Erst jetzt berichtete Bittencourt dem Arzt, was sich wirk-
lich zugetragen hatte. Er erzählte es jedem, der es hören wollte. In wenigen Tagen verbreitete sich die
Nachricht über die Presse in ganz Brasilien. Manche sagen, der Fall Bittencourt sei Arigós erste be-
kanntgewordene Operation gewesen.
Arigó war von der Möglichkeit, ein spiritistisches Heilmedium zu werden, zunächst gar nicht erbaut.
Verzweifelt bemühte er sich, ein normales Leben zu führen. Doch die Träume, in denen Dr. Fritz er-
schien, hörten nicht auf. Nur wenig später mußte Arigó unter dem Einfluß von Dr. Fritz eine weitere
Krebsoperation durchführen (25, S. 80). In seinem Wohnort Congonhas lag eine Freundin der Familie
Arigós im Sterben. Sie litt an Gebärmutterkrebs im letzten Stadium. Die Verwandten der Sterbenden
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sowie Ehepaar Arigó versammelten sich um das Sterbebett, wo der Priester die letzte Ölung spendete.
Nachdem dies geschehen war, der Priester den Raum verlassen hatte und Arigó noch in ein Gebet ver-
senkt war, begann ein Prickeln seinen Körper zu durchlaufen, beginnend im Kopf und langsam abstei-
gend zu den Beinen. Er begann zu zittern, und sein Blick trübte sich. Plötzlich rannte er in die Küche
und kam mit einem großen Küchenmesser zurück. Er forderte die anderen auf, Platz zu
machen. Dann schlug er die Bettdecke zurück, spreizte die Beine der Kranken und stieß ihr das Messer
unter wildem Bohren in die Vagina. Eine Frau schrie auf und rannte aus dem Zimmer. Die anderen
standen vor Schreck wie angewurzelt. Doch die Sterbende lag ganz still und ruhig da, während Arigó
unablässig mit dem Messer arbeitete. Schließlich zog er die Klinge heraus und zwängte seine Hand in
die Öffnung, In Sekundenschnelle riß er einen großen blutigen Tumor heraus. In der Küche warf er ihn
in den Ausguß und sank auf einen Stuhl. Ein Verwandter löste sich aus seiner Erstarrung und holte
einen Arzt. Arigó hatte den Kopf in die Hände vergraben und schluchzte. Er schien in einer anderen
Welt zu sein. Schließlich führte ihn seine Frau aus dem Haus.
Kurz darauf kam der Arzt. Er konnte keine Blutungen feststellen. Die Kranke war bei Bewußtsein und
hatte keine Schmerzen. Dann untersuchte er den Tumor. Es war eine Uterusgeschwulst. Die Patientin
wurde wieder völlig gesund.
Diese neue Nachricht erregte wiederum größtes Aufsehen. Viele Leute fanden sich vor Arigó Haus ein
und baten ihn, sie zu behandeln. Arigó weigerte sich zunächst, doch Dr. Fritz ließ ihm keine Ruhe.
Eines Morgens, als sich vor seiner Haustür an die 100 Leute versammelt hatten, ließ er sie ein. Hinter-
her erinnerte er sich kaum oder gar nicht an das, was er an diesem und den folgenden Tagen getan
hatte. Aber zwei eindeutige Folgen traten ein: Arigós nächtliche Träume und seine Kopfschmerzen
hörten auf, und ein Patient nach dem anderen wurde gesund.
Die katholische Kirche aber zeigte eine ablehnende Haltung. Sie gebot, Arigó müsse mit seiner Kran-
kenbehandlung aufhören, sonst werde er aus der Gemeinde ausgestoßen. Da Arigó inzwischen einge-
sehen hatte, daß er gebraucht wurde, und sich deshalb dem Gebot nicht fügen konnte, wurde er später
tatsächlich exkommuniziert, und bei seinem relativ frühen Tod 1971 auch nicht kirchlich beerdigt.
Arigó wußte nur, daß er eine Aufgabe zu erfüllen hatte, und der fügte er sich, auch wenn er dafür von
seiner Kirche bezichtigt wurde, mit dem Teufel im Bunde zu sein.
Die Zahl der Patienten nahm ständig zu. Bald waren es täglich 300, viele mit unheilbaren Leiden, viele
aus dem Ausland. Aber nicht alle wurden operiert. Die meisten bekamen ein Rezept. Wenn aber
operative Eingriffe erforderlich waren, erfolgten sie in der Regel im Stehen, wobei der Patient sich mit
dem Rücken an die Wand lehnte. Das blutbeschmierte Messer wurde hinterher an seiner Kleidung
abgewischt, aber keineswegs desinfiziert. Kleinere Eingriffe dauerten nur wenige Sekunden. Infektio-
nen wurden nie beobachtet. Geld nahm Arigó in keinem Fall an.
Im Laufe der Jahre wurde Arigó auch mehrfach von Ärzten und Wissenschaftlern besucht. Sie wollten
seine Behandlungsmethode und die Heilerfolge genauer unter die Lupe nehmen. Einer von ihnen war
der nordamerikanische Arzt Dr. Henry Andrija K Puharich. Er reiste mit mehreren Begleitern im
August 1963 nach Congonhas, blieb dort mehrere Wochen, und befragte während dieser Zeit etwa 100
Patienten. Um Arigós bzw. Dr. Fritz Behandlungsmethode am eigenen Leib zu erfahren, ließ er sich
selbst operieren. Puharich hatte eine gutartige, aber lästige Fettgeschwulst (ein Lipom) an der Innen-
seite des rechten Ellenbogens. Er fragte Dr. Fritz, ob er sie entfernen möchte. Dieser stimmte zu und
ließ sich für die Operation von einem Zuschauer ein Taschenmesser geben (25, S. 43). Damit machte
er einen Einschnitt, zog in fünf Sekunden die Geschwulst mit den Fingern heraus und legte sie
anschließend zusammen mit dem Taschenmesser dem verblüfften Dr. Puharich in die Hand.
Die genaue Zeitdauer konnte später an Hand der gemachten Filmaufnahmen festgestellt werden. Das
Messer, die Haut und die Wunde wurden nicht desinfiziert. Trotzdem stellte sich keine Entzündung
ein. Der Arm war vorher nicht betäubt worden, dennoch verspürte Dr. Puharich keine Schmerzen, nur
ein leichtes Prickeln. Die Wunde war nicht genäht worden, trotzdem konnte man sie nicht auseinan-
derziehen. Sie ist nicht nur gefilmt, sondern sowohl nach der Operation als auch zwei Tage später
photographiert worden und in (25) abgebildet. Die Geschwulst, mit einer Länge von etwa 5 cm und
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einer Dicke von etwa 1,5 cm, konnte Puharich in einer Flasche mitnehmen. Die Schwellung an seinem
Arm war verschwunden und kehrte auch nicht wieder. Fast alle brasilianischen Zeitungen be-richteten
mit großen Bildern über dieses Ereignis. Nach Dr. Puharich sind noch mehrfach ärztliche Untersucher
bei Arigó gewesen und haben sorgfältig die medizinischen Vorgänge beobachtet, bestätigt und doku-
mentiert. Leider ist davon nichts in die deutschsprachige Literatur übergegangen.
Der große Umfang der heilerischen Tätigkeit von Arigó und der Wirbel in der brasilianischen Presse
führten bald dazu, daß die Justiz sich der Sache annahm. Eine wachsende Zahl von Ärzten begann,
Arigó ernst zu nehmen. Viele verzweifelte Kranke sahen in ihm ihre letzte Hoffnung. Dem mußte ein
Riegel vorgeschoben werden. Daher wurde Arigó am 01. August 1956 der unerlaubten Ausübung der
Heilkunde angeklagt. Zu seiner Verteidigung wußte er nur vorzubringen, daß ja nicht er die Kranken
behandle, sondern der Geist Dr. Fritz. Er beginne mit einem Vaterunser, und von da an wisse er nichts
mehr (25, S. 135). Daran, daß er Rezepte schreibe und Patienten operiere, könne er sich nicht erinnern.
Er sei dabei in einem Zustand, den er selbst nicht begreife. Da Arigó den Geist Dr. Fritz vor Gericht
nicht als Zeugen erscheinen lassen konnte, wurden seine Angaben als Geständnis eigener Heiltätigkeit
gewertet. Obwohl zahlreiche Zeugen, darunter auch mehrere Ärzte, für die Wirksamkeit der
Arigóschen Behandlungsmethoden und ihre kostenlose Ableistung Zeugnis ablegten, verurteilte Rich-
ter Soares ihn am 26. März 1957 (25, S. 146) zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis und einer
Geldstrafe von 5.000 Cruzeiros, zuzüglich Gerichtskosten. Das war ein Betrag, der fast so hoch war
wie Arigós Jahresverdienst, und sollte innerhalb von drei Tagen gezahlt werden. Die Gefängnisstrafe
sollte am 01. April angetreten werden. Von der Berufungsinstanz wurde die Gefängnisstrafe auf acht
Monate ermäßigt und der Strafantritt für ein Jahr ausgesetzt. Allerdings wurde ihm verboten, die Stadt
zu verlassen und Kranke zu behandeln.
Eine Weile hielt sich Arigó an dieses Verbot, doch als seine Kopfschmerzen erneut stark in Erschei-
nung traten, begann er heimlich wieder Kranke zu empfangen und ihnen (durch Dr. Fritz natürlich)
Rezepte zu schreiben. Die Polizei merkte das sehr schnell, doch sie schaute beiseite. Im Mai 1958
erfuhr der brasilianische Staatspräsident Juscilino Kubitschek von Arigós Verurteilung. Er war selbst
Arzt, ein Chirurg, hatte ihn drei Jahre zuvor bei einer Wahlkampfreise kennengelernt, und ihm bei
seiner "Arbeit" zugesehen. Kubitschek war sehr beeindruckt gewesen. Er ließ ihn sogar zur Behand-
lung seiner an Nierensteinen erkrankten Tochter nach Rio kommen (25, S. 126). Dr. Fritz heilte sie
durch Verordnung eines handelsüblichen Medikamentes in kürzester Zeit. Der Präsident besuchte
darauf Arigó mit seiner Frau noch mehrfach, und als ihm seine Verurteilung bekannt wurde, verfügte
er sofort einen Gnadenerlaß. Dieser wurde dem zuständigen Staatsanwalt Alfonso Netto am 22. Mai
1958 zugestellt. Doch der hielt den Gnadenerlaß zurück und ließ Arigó in Ungewißheit. Erst am
06. August 1958, kurz vor Antritt der Gefängnisstrafe, wurde ihm die Begnadigung mitgeteilt. Sehr
bald strömten die Patienten wieder nach Congonhas, im Mittel 1.500 pro Woche. Größere Operationen
vollführte Arigó jedoch nur im Geheimen.
1961 war die Amtszeit des Staatspräsidenten Kubitschek abgelaufen. Damit hatte Arigó seinen Schutz
an höchster Stelle verloren. Kirche und Ärzteschaft versuchten erneut, ein Gerichtsverfahren in Gang
zu bringen. Aber es machte zunächst Schwierigkeiten, die erforderlichen Zeugen zu finden. Doch als
im August 1963 Dr. Puharich von Arigó bzw. Dr. Fritz operiert wurde und das in fast allen brasiliani-
schen Zeitungen zu lesen war, glaubte die Staatsanwaltschaft, endlich genügend Beweise gegen Arigó
in der Hand zu haben. Im Oktober 1964 wurde er vom Staatsanwalt wegen unerlaubter Ausübung der
Heilkunde und wegen Hexerei angeklagt. Letztere wurde darin gesehen, daß er Patienten seine Hände
auflegte, sie segnete und in der Bibel las (25, S. 158). Am 20. November 1964 erfolgte die Gerichts-
verhandlung. In ihr verurteilte Richter Barros Arigó wegen Hexerei (witchcraft) zu 16 Monaten Ge-
fängnis bei sofortiger Vollstreckung. Arigó durfte nur noch nach Hause gehen, um sich von seinen
sechs Kindern zu verabschieden. Doch als er dann an die Haustür ging, um sich von der Polizei abho-
len zu lassen, wartete er vergebens. Weder die Stadtpolizei noch die Landespolizei trauten sich durch
die Menge, die sich vor Arigós Haus versammelt hatte. Als er längere Zeit gewartet hatte und die Poli-
zei immer noch nicht kam, fuhr er selbst mit dem Auto zum Gefängnis.
Bei einer kurze Zeit später stattfindenden Gefangenenrevolte beschwichtigte Arigó die Gefangenen
und brachte sie dazu, ihre Verwüstungen wieder zu beseitigen. Zum Dank dafür erlaubte der Gefäng-
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nisdirektor Arigó, das Gefängnis jederzeit vorübergehend zu verlassen, was dieser für Krankenbesuche
auch ausnutzte. Außerdem empfing er mehrfach Reporter und andere Besucher und begann, sogar im
Gefängnis Kranke zu behandeln.
Im März 1965 schrieb Dr. Puharich ein ausführliches Gesuch an den vorgesetzten Gerichtspräsidenten
von Congonhas do Campo und Lafaiete, den Richter Filippe Immesi. Er würdigte die verdienstvolle
und selbstlose Heiltätigkeit Arigós, betonte, daß Brasilien stolz sein sollte, einen solchen Mann zu
besitzen, und bat um Begnadigung. Richter Immesi war ein gerechter und vorurteilsloser Mann. Er
vertiefte sich in die Akten und erkannte, daß hier ein außergewöhnlicher Fall vorlag. Zunächst verfüg-
te er am 24. Juni 1965 eine vorläufige Strafaussetzung.
Arigó nahm darauf seine Heiltätigkeit sofort wieder auf. Richter Immesi beschloß, sich das einmal
selbst anzusehen. Zusammen mit einem Staatsanwalt besuchte er Arigó in seiner "Klinik" bei der
Arbeit. Dieser merkte, daß es sich um Justizbeamte handelte, wußte aber nicht genau, wer sie waren.
Die nächste Patientin, die gerade an der Reihe war, hatte grauen Star auf beiden Augen und war
dadurch fast blind. Arigó (Dr. Fritz) forderte Immesi auf, den Kopf der Patientin zu halten. Der Richter
gehorchte furchtsam und mit ungutem Gefühl. Das Weitere beschrieb er mit folgenden Worten (25, S.
179):
"Ich sah, wie er eine Nagelschere ergriff. Er wischte sie an seinem Sporthemd ab, setzte sonst aber
keinerlei Desinfektion ein. Dann sah ich, wie er direkt in die Hornhaut des Auges der Patientin
einschnitt. Sie machte keinerlei Ausweichbewegung, obwohl sie bei vollem Bewußtsein war.
Innerhalb von Sekunden war der Katarakt (die getrübte Augenlinse) entfernt. Der Staatsanwalt und
ich waren verblüfft und sprachlos. Dann sprach Arigó ein Gebet, wobei er ein Stück Mull in der
Hand hielt. Plötzlich erschienen auf dem Mull einige Flüssigkeitstropfen. Mit denen wischte er das
Auge der Patientin ab. Wir sahen das alles aus nächster Entfernung. Die Patientin war geheilt."
Nach der Operation lächelte Arigó Richter Immesi an und sagte:
"Verstehen sie bitte, das bin nicht ich, der dies tut, sondern Dr. Fritz."
Leider wird nicht berichtet, was mit dem zweiten Auge der Patientin geschah, ob es z. B. gleich zu-
sammen mit dem ersten behandelt wurde oder ob es unbehandelt blieb.
Der Richter beobachtete Arigó zusammen mit dem Staatsanwalt noch mehrfach bei der Arbeit in sei-
ner Kinik. Er urteilte (25, S. 179):
"Ich sah, wie er 200 Personen in weniger als zwei Stunden behandelte. Er brauchte nur Sekunden,
um ein Rezept auszustellen, und die Diagnosen erfolgten unmittelbar, ohne daß er vorher Fragen
stellte. Ich habe dies alles persönlich geprüft und habe den Mann, über dessen Schicksal ich zu
entscheiden hatte, genau studiert."
Richter Immesi machte sich seine Entscheidung nicht leicht. Er hatte erkannt, daß Arigó kein Krimi-
neller war, daß er keine Hexerei, keine schwarze Magie betrieb, sondern nur normale christliche Gebe-
te sprach. Er hatte unter den vielen tausend Heilungssuchenden nie einem geschadet, nie Geld ange-
nommen, statt dessen aber vielen geholfen. Und trotzdem hatte er gegen das Gesetz verstoßen,
dadurch nämlich, daß er kein Arzt war, und somit unerlaubt die Heilkunde ausübte. - Für mich, als
Leser dieser Berichte, ist es heute verwunderlich, daß niemand auf den Gedanken gekommen ist, we-
der Arigó selbst, noch seine Verteidiger, noch Richter Immesi, auf Schuldunfähigkeit wegen vermin-
derter Zurechnungsfähigkeit oder wegen erfolgter Nötigung zu plädieren. Nach deutschem Strafrecht
wären das die §§ 51 und 52, die diesen Tatbestand behandeln. Nach § 51 könnte man argumentieren,
daß eine strafbare Handlung nicht vorlag, weil die Taten im Zustand einer Bewußtseinsstörung (Tran-
ce) erfolgten, und nach
§
52 könnte man sagen, daß Arigó zu den Taten durch
unwiderstehliche Gewalt genötigt worden sei. Entsprechende Paragraphen gibt es doch sicher auch im
brasilianischen Strafrecht. Arigó hat immer wieder betont, daß nicht er es sei, der die Krankenbehand-
lung vornehme, sondern eine nichtirdische Persönlichkeit (eben dieser Dr. Fritz), und daß er sich zur
Verfügung stellen müsse. Und wenn er es nicht tat, brachten ihn sehr starke Kopfschmerzen bald dazu,
die Heiltätigkeit wieder aufzunehmen. Aber vielleicht hat die Verteidigung solche Argumente deshalb
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nicht aufgegriffen, weil dann die Gefahr bestanden hätte, daß Arigó in eine Irrenanstalt eingewiesen
worden wäre.
Richter Immesi sah keinen juristischen Ausweg, um die Vollstreckung der Haftstrafe zu verhindern,
obwohl er sich dabei, wie er später sagte, ein wenig vorkam, wie ein gewisser Richter vor 2.000 Jah-
ren. So betrat Arigó am 20. August 1965 erneut das Gefängnis, konnte es aber wegen guter Führung
schon am 08. November 1965 endgültig verlassen (25, S. 183). Der Gefängnisdirektor und seine
Wächter umarmten ihn, und vor dem Gefängnistor wurde er von mehreren Tausend Menschen stür-
misch in Empfang genommen.
Sehr schnell nahm Arigó nach seiner Freilassung die Heiltätigkeit wieder auf. Doch enthielt er sich der
"großen Chirurgie" und demonstrierte seine Technik nur an kleineren Tumoren, Grützbeuteln und am
grauen Star. In den Jahren 1968 und 1969 organisierte Dr. Puharich die Untersuchung Arigós durch
gut ausgerüstete Ärztegruppen. Die Ergebnisse führten dazu, daß angekündigt wurde, Arigó dürfe
künftig unter der fachlichen Aufsicht von Chirurgen operieren (25, S. 223). Um das durchführen zu
können, wurde der Bau eines modernen Krankenhauses geplant. Sogar der neue Staatspräsident von
Brasilien Arthur da Costa e Silva sagte seine Unterstützung zu.
Doch da sah Arigó eines Nachts im Traum wieder das schreckliche schwarze Kreuz. Er hatte es schon
früher gesehen, und es hatte damals den Tod von ihm nahestehenden Menschen angekündigt. Am
11. Januar 1971 fuhr Arigó nach dem Mittagessen zusammen mit einem Freund bei starkem Regen mit
dem Auto in die Nachbarstadt, um dort etwas zu erledigen. Unterwegs geriet sein Fahrzeug auf die
linke Straßenseite und stieß frontal mit einem Lastwagen zusammen. Arigó und sein Freund starben
kurz darauf. Eine spätere Obduktion (25, S. 239) ergab, daß Arigó vor dem Zusammenstoß einen
Herzinfarkt erlitten hatte. Ein bemerkenswertes Leben war damit zu Ende gegangen, und zu allem
Unglück noch, bevor die geplante umfassende wissenschaftliche Untersuchung stattgefunden hatte.
Die großen Zeitungen der ganzen Welt, auch in Deutschland, berichteten über das tragische Ereignis.
Tausende folgten seinem Sarg. Nur die katholische Kirche verweigerte ihm ihren letzten Beistand. Für
sie war er ein exkommunizierter Spiritist.
Der relativ frühe Tod von Zé Arigó wirft für mein Empfinden einige Fragen auf, die wir allerdings
nicht beantworten können. Angenommen, der Obduktionsbericht über Arigós Herzinfarkt, der zu dem
Autounfall geführt haben soll, war zutreffend, dann fragt man sich, warum Dr. Fritz die Coronarer-
krankung nicht rechtzeitig erkannt und etwas dagegen unternommen hat. Er stellte doch sonst so treff-
sichere Diagnosen. Arigó war, wie man aus den Bildern und Filmaufnahmen ersehen kann, sicher
übergewichtig. Außerdem wurde er durch die anstrengende Heiltätigkeit vermutlich körperlich über-
strapaziert. Hätte da Dr. Fritz nicht für sein Medium Vorsorge treffen müssen? Oder war er, wie es
manchmal auch irdische Ärzte sind, in bezug auf die Gesundheit nächster Angehöriger oder
Mitarbeiter einfach nachlässig? Oder wurde der Tod von einer höheren Instanz verfügt, auf die
Dr. Fritz keinen Einfluß hatte? Darauf könnte vielleicht der Traum mit dem schrecklichen Kreuz hin-
weisen. Wir wissen das alles nicht und können nur das tragische Ende feststellen.
Man könnte annehmen, daß mit dem frühen Tod von Zé Arigó auch das Kapitel "Dr. Fritz" sein Ende
gefunden hätte. Das war aber nicht so. Bei einer Reihe von brasilianischen Heilern (etwa zehn) traten
in der Folgezeit Geistwesen in Erscheinung, die sich "Dr. Fritz" nannten. Der Name war also auch
unter Jenseitigen berühmt geworden. Allerdings waren die Angaben des Namens und der Todesdaten
und Todesarten oft unterschiedlich. Die einen nannten sich Adolf Fritz, die anderen Hermann Fritz
oder Fritz Hermann und wollten 1914, 1915, 1918 oder auch erst im zweiten Weltkrieg gestorben
sein. Einer dieser "Dr. Fritz" ist aber besonders herausragend und könnte vielleicht derselbe sein, der
bei Zé Arigó in Erscheinung trat. Zumindest behauptet er es. Auch hat er die gleichen Eigenheiten wie
der Heilgeist von Arigó: Er spricht ein schlechtes Portugiesisch mit deutschem Akzent, arbeitet medi-
zinisch ähnlich wie bei Arigó, tritt sehr bestimmt auf, und hat ein etwas rauhes und manchmal schon
grobes Wesen, wie es ein Landarzt oder Militärarzt vor 50 oder 80 Jahren gehabt haben könnte.
Das jetzt zu besprechende Medium ist anders geartet als Zé Arigó. Dieser war bäuerlicher Herkunft
und kein Anhänger irgendeiner brasilianischen spiritistischen Vereinigung, sondern ein frommer Ka-
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tholik. Er litt darunter, daß ihn seine Kirche ausschloß. Gegen seine Aufgabe und Tätigkeit als Heil-
medium sträubte er sich zunächst und fügte sich nur aus Pflichtgefühl. Sein Nachfolgemedium ist an-
derer Herkunft. Sein voller Name lautet Edson Cavalcante de Queiroz, kurz Edson Queiroz
genannt. Er ist am 23. 08. 1950 geboren und lebt und wirkt in Recife (2.000 km nordöstlich von Rio de
Janeiro) an der Ostspitze Brasiliens im Staate Pernambuco. Sein Vater ist Architekt, und die ganze
Familie bekannte sich von jeher zur christlich-spiritistischen Lehre nach Allan Kardec, dem Begründer
der romanischen Form des christlichen Spiritismus.
Dabei bedeutet "Spiritismus" die Überzeugung, daß es ein unmittelbares Weiterleben nach dem Tode
gibt, daß die Art des Weiterlebens auch von den Taten auf dieser Erde abhängt, daß zur Weiterent-
wicklung unter Umständen mehrfache Erdenleben erforderlich sind (Reinkarnation), und daß eine
Verbindungsaufnahme mit der jenseitigen Welt möglich ist. "Christlich" bedeutet in diesem Zusam-
menhang, daß die Spiritisten Gott als den Regenten und Schöpfer des Universums und Jesus Christus
seinen Sohn als ihre Herren ansehen, sie anbeten, verehren, und ihnen dienen wollen. Die Anzahl der
Anhänger dieser Richtung wird in Brasilien auf etwa 40 Millionen geschätzt. Daneben gibt es in Brasi-
lien noch die Gruppe der nichtchristlichen Spiritisten (geschätzt auf etwa
30 Millionen
Anhänger) die den Formen der Umbanda, Macumba, Candomblé usw. angehören. In ihnen werden
heidnische Gottheiten und Dämonen afrikanischen Ursprungs angerufen, also die Wesenheiten, denen
unter anderen Namen auch schon die Israeliten zur Zeit des alten Bundes immer wieder einmal
anhingen und dafür von Gott gestraft wurden. Es sind die, welche in der Bibel als die "Toten"
bezeichnet werden, die den Geistigen Tod erlitten haben, d. h. die von Gott abgefallen sind.
Edson Queiroz wuchs im christlich-spiritistischen Milieu auf. Seine Medialität machte sich schon in
jungen Jahren durch visionäre Erlebnisse bemerkbar. Mit zwölf Jahren fiel er in einer mediumistischen
Sitzung zum ersten Mal in Trance (92, S. 38). Daraufhin leitete sein Vater eine gründliche mediale
Ausbildung ein, die vom 13ten bis zum 18ten Lebensjahr dauerte. Edson Qeiroz sollte eigentlich auf
Wunsch seines Vaters, wie dieser, Architekt werden. Doch während seiner medialen Ausbildung wur-
de ihm von den jenseitigen Wesen bedeutet, daß seine Lebensaufgabe auf dem Gebiet des
medialen Heilens liege. Er möge daher Medizin studieren. Mit dieser Empfehlung sollte eine große
Schwierigkeit umgangen werden, die Zé Arigó und manchen anderen Heilern so schwer zu schaffen
gemacht hat, daß sie nämlich keine Ärzte waren, und daher jederzeit wegen Kurpfuscherei (unerlaub-
ter Ausübung der Heilkunde) belangt werden konnten. So wurde Edson Queiroz Arzt und mit 24 Jah-
ren Doktor der Medizin. Durch weitere Ausbildung erlangte er die Zulassung als Facharzt für Ge-
burtshilfe und Frauenheilkunde. Mit diesem Beruf als Schulmediziner verdient er den Lebensunterhalt
für sich, seine Frau und seine zwei Söhne.
Im Jahre 1979 bekam Edson Queiroz erstmals Verbindung mit Dr. Fritz, und zwar zunächst in Träu-
men. Aber schon Anfang 1980 diente er ihm erstmals bei einer Operation als Medium. Mit einer Sche-
re operierte Dr. Fritz mittels der Hände seines irdischen Kollegen ein Vorstandsmitglied der
Spiritistischen Vereinigung von Pernambuco am Unterleib. Ein jahrelang bestehendes Leiden, das von
anderen Ärzten erfolglos behandelt worden war, wurde auf diese Weise geheilt (92, S. 40). Seit jener
Zeit wirkt Dr. Edson Queiroz für seinen jenseitigen Kollegen als Medium und führt die erstaunlichsten
Operationen und Heilbehandlungen an einer großen Zahl von Kranken durch.
Die Behandlungsmethode ist ähnlich wie bei Arigó. Gewisse Unterschiede gibt es aber doch. Arigó
operierte mit Küchenmessern, Taschenmessern und gewöhnlichen Scheren. Edson Queiroz benutzt
dazu chirurgische Instrumente: Skalpelle, Kornzangen, Pinzetten, chirurgische Scheren. Diese Geräte
wie auch das Operationsgebiet werden mit herkömmlichen Methoden nicht steril gehalten. Manchmal
fordert Dr. Fritz umstehende Zuschauer sogar auf, in offene Wunden hineinzufassen oder hineinzu-
spucken, um zu demonstrieren, daß dadurch keine Infektion entsteht. Dafür gibt er aber an, daß die
Sterilisation von Geistern vorgenommen werde (92, S. 143).
Eine übliche Schmerzbetäubung der Patienten erfolgt in der Regel auch bei Edson Queiroz nicht.
Trotzdem verspüren die Operierten bei den Eingriffen keine oder nur erträgliche Schmerzen. Lediglich
der Immobilienmakler Genival Serafim dos Santos, der am 15. Mai 1982 in einer drei Minuten dau-
ernden Rückenoperation von einem schweren Bandscheibenleiden geheilt wurde, gab auf die Frage
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nach erlittenen Schmerzen bei dem Eingriff an (92, S. 86): "Ja, als ob mir ein Kronleuchter ins Kreuz
gefallen wäre." Nur in wenigen Fällen wird von einer gewissen örtlichen Betäubung der Patienten
berichtet (92, S. 15 u. 109). Bei einem Eingriff an der Halswirbelsäule wurde dem Patienten die Stelle
vorher mit Äther bestrichen.
Die Operationen werden wie bei Arigó meist für unser Auge sehr robust vorgenommen. Wenn ein
irdischer Chirurg so operieren würde, entstünde vermutlich mehr Schaden als Nutzen. Manche Patien-
ten schreckt dieses Vorgehen ab. Wenn sie bei ihren Vorgängern die Operation mitansehen müssen,
treten sie schleunigst den Rückzug an, und lassen sich von der Patientenliste streichen (92, S. 108).
Aber nicht immer gelingt die Flucht noch rechtzeitig, so bei einer Patientin, der trotz ihres Widerstan-
des eine Wucherung am Auge entfernt wurde (92, S. 109). Wie bei Arigó bluten auch bei Edson Qu-
eiroz die Wunden nur wenig, obwohl Blutgefäße nicht abgebunden werden. Nach dem Eingriff werden
die Wunden in der Regel nicht vernäht, sondern erhalten nur einen Mullverband. Auch bei Edson Qu-
eiroz wird die Mehrzahl der Kranken nicht operiert, sondern erhält ein Rezept über handelsübliche,
allopathische Medikamente, Antibiotika oder Salben, die dann oft ungeahnte Wirkung entfalten. Dazu
kommen allgemeine Verhaltensmaßregeln. Am Tag vor und nach der Behandlung sollen kein Nikotin,
Alkohol, Fleisch oder Gewürze genossen werden. Für die Zeit nach der körperlichen Behandlung wird
oft Ruhe verordnet, für 24 Stunden absolute und für 30 Tage gemäßigte Ruhe. Bei der Fernbehand-
lung, die an die körperliche Behandlung meist anschließt, soll man sich durch Beten und Lesen des
Evangeliums darauf vorbereiten, sich ab 19.30 Uhr in möglichst weißer Kleidung auf das Bett legen
und im Gebet über das Evangelium meditieren. Diese schriftlich ausgeteilten Anweisungen schließen
mit dem Satz (92, S. 177): "Jesus ist der Arzt aller Ärzte. Wir sind von seinem Team. Zählt auf uns!"
Eine besondere Behandlungsmethode kommt bei Edson Queiroz aber hinzu, die bei Arigó nicht üblich
war. Es ist das Einstechen von Kanülen, wie sie für sogenannte Einwegspritzen und Infusionen Ver-
wendung finden. Diese Kanülen in Längen von drei bis sieben cm werden mit Wucht und ohne genau
hinzusehen bis zum Anschlag in die Körper der Patienten eingestochen: über die Augen, neben die
Augen, in die Zwischenwirbelräume, in den Hals und in andere Körperteile. Das geschieht manchmal
sogar durch die Kleidung hindurch. Hin und wieder tropft etwas Blut aus den Kanülen, gelegentlich
auch Eiter. Nach einigen Sekunden zieht Dr. Fritz (Edson Queiroz) sie wieder heraus, und, wenn er
entsprechend aufgelegt ist, wirft er sie mitten unter das anwesende Publikum.
Diese Behandlungsmethode, die Dr. Fritz zu Zeiten Arigós nicht anwenden konnte, da damals die
Einwegkanülen noch nicht verbreitet waren, wird in manchen Reporterberichten fälschlicherweise als
"Akupunkturbehandlung" bezeichnet. Der Geisterarzt verwahrt sich dagegen und betont (92, S. 179):
"Es handelt sich nicht um Akupunktur, auch sind die Nadeln keine Akupunkturnadeln. Es ist eine
Behandlungsform, die sich auf ein Organ oder auf die Region eines erkrankten Organs bezieht,
unabhängig von den Akupunkturpunkten. Bei Arterienverstopfung zum Beispiel wird die physi-
sche Materie, welche die Blockierung verursacht, auf ein Tausendstel ihrer normalen Größe kom-
primiert, und kann sodann durch die Kanüle abgeleitet werden. Hier werden nicht Symptome, son-
dern Ursachen behandelt. Dem liegt eine über die Schulmedizin hinaus führende Konzeption des
Menschen zugrunde. Der Mensch hat außer seinem physischen Leib noch einen halbmateriellen
Körper, den Astralleib oder Perispirit. Und vorwiegend an diesem Leib werden die Behandlungen
und Eingriffe vorgenommen, die sich dann, nach unterschiedlicher Zeit, auf den Materiekörper
übertragen. Es handelt sich dabei um eine im Jenseits entwickelte Methode, um ganz speziell auf
den Astralleib einzuwirken. Im übrigen ist die Medizin im Jenseits viel weiter entwickelt als auf
der Erde. Sie ist deren Wissenschaft um 1.000 Jahre voraus."
Im Jahre 1982 beobachtete der brasilianische Arzt Dr. Roberto Silveira mit zwei medizinischen
Kollegen Dr. Fritz bei seiner Tätigkeit und war Zeuge einer Operation an einem 36jährigen Mann, der
acht Jahre zuvor bei einem Eisenbahnunglück einen Schädelbruch erlitten hatte. Er klagte noch über
leichte Lähmungserscheinungen (Schwäche) des rechten Armes und der Beine. Über die Behandlung
durch den Geisterarzt berichtet Dr. Silveira (92, S. 131):
"Nach dieser oberflächlichen Krankenbefragung vollzog Dr. Fritz einen kleinen Einschnitt im Be-
reich des linken Scheitelbeines. Er schnitt nur die Haut und das unter der Haut befindliche Zellge-
webe ein und erreichte nicht die Sehnenhaut. Mit ähnlichen Bewegungen wie bei der Massage
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drückte er auf den operierten Bereich. Im Anschluß, nachdem er ein Pflaster über die Wunde ge-
klebt hatte, befahl er, daß der Patient aufstehen und in einem anderen Raum auf die Instruktionen
und das Rezept warten solle. Dann sahen wir, wie der Mann sich erhob, sich frei bewegte und die
ersten Schritte machte. Er schien sich sicher und im Gleichgewicht zu fühlen. Überrascht und er-
griffen bekam der Patient einen Weinkrampf und wurde aus dem Raum geführt.
Uns starr ansehend fragte Dr. Fritz, ob wir verstanden hätten, was sich da abgespielt habe. Wir
verharrten in Schweigen und schüttelten verneinend den Kopf. Darauf ging er dazu über, uns zu
erklären, daß er den Astralkörper operiert habe. - Das bedeutet, er hat eine Verletzung geheilt, die
verantwortlich für die Bewegungs- und Nervenstörungen im Körper des Patienten war. Er hat we-
der Blutgerinnsel und Tumore beseitigt, noch das Gewebe wiederbelebt, sondern nur am geistigen
Körper Veränderungen hervorgerufen, die sich aus karmischen Gründen ergeben hatten."
Zu den verordneten Heilmitteln meinte der Geisterarzt (92, S. 146), daß manche von ihnen, obwohl sie
allopathisch seien, also Medikamente der Schulmedizin, auch auf den geistigen Körper, den Astralleib,
einwirken. An anderer Stelle sagte Dr. Fritz (92, S. 133):
"Es gibt keine Verbindungswege zwischen der physischen und der geistigen Chirurgie. Neben der
Tatsache, daß sie jeweils einer unterschiedlichen Dimension zugehören, gibt es zwischen den bei-
den gut erkennbare Unterschiede. Die Arbeit des normalen Chirurgen im körperlichen Bereich ist
hauptsächlich von seiner Anschauung, seinen medizinischen Kenntnissen und der technischen Fä-
higkeit, die er besitzt, abhängig, während der Erfolg der geistigen Chirurgie ausschließlich von der
Gesetzgebung des Karmas und der Barmherzigkeit Gottes abhängt. Wesentlich mehr als die Ge-
schicklichkeit des geistigen Chirurgen zählen das Vertrauen und das, was ein jeder Patient kar-
misch verdient. Das Karma des Mannes, den ich vor kurzem operiert habe (gemeint ist der mit dem
Schädelbruch infolge des Eisenbahnunglücks), ging mit dieser Operation zu Ende. Es währte acht Jahre.
Ebensogut hätte es acht Tage oder 80 Jahre währen können. Somit ist eine chirurgische Heilung
am Geistkörper (Astralleib) von zahllosen persönlichen Werten des Patienten abhängig."
Wieder an anderer Stelle bemerkt Dr. Fritz, daß Krankheiten Folgen des Lebenswandels und negativer
Gedanken seien, und vielfach schon ihre Wurzeln in früheren Erdenleben hätten. Folglich ist Heilung
nur in dem Maße möglich, wie bei den Betreffenden ein Gesinnungswandel oder das Bemühen, sich
zu bessern, eintritt. Der Geistchirurg aus einem höheren Bereich der Wirklichkeit, der bei seiner Arbeit
von weiteren Geistern unterstützt wird, bleibt bei seinem Tun innerhalb der kosmischen Gesetze.
Diese Auffassung von Dr. Fritz führt dazu, daß er in manchen Fällen die Behandlung ablehnt (92, S.
79, 140, 178), und nur Medikamente zur Linderung verordnet, da der Kranke noch moralische Schul-
den aus diesem oder einem vorangegangenen Leben habe. Eine Möglichkeit, diese Schulden abzuzah-
len, sieht Dr. Fritz darin, Gutes zu tun. Auf die Frage, ob alle Krankheiten heilbar seien, antwortete er
folgerichtig (92, S. 178):
"Für uns Geister gibt es keine Grenzen. Aber es gibt Grenzen für den Patienten, ob er einer Hei-
lung würdig ist oder ob er nur eine graduelle Besserung verdient. In einigen Fällen ist das eine
Frage des Karmas."
Unter diesen Einschränkungen muß man auch die Antwort betrachten (92, S. 179):
"Es gibt keine Mißerfolge, wenn der Patient sich an die Weisungen hält. Außerdem werden Vor-
kehrungen getroffen, um das Einwirken übelwollender Geister auszuschalten, die bestrebt sind, ei-
nen Heilerfolg zu verhindern. Das Gelingen hängt allerdings auch vom Denken und Verhalten des
Patienten ab."
Daher können gleichartige Krankheitsfälle durchaus unterschiedliche Behandlungsergebnisse aufwei-
sen. So berichtete der bereits erwähnte brasilianische Arzt Dr. Roberto Silveira am 21. 08. 1982
(92, S. 134):
"Wir kennen zwei Freunde, beide Spiritisten und Mitarbeiter der 'Seara de Jesus' (Saatfeld Jesu),
die beide mit chronischer Schwäche der Herzkranzgefäße belastet sind. Im vergangenen Januar
wurden sie beide am selben Tag geistig operiert. Der gesundheitliche Zustand des einen verbesser-
te sich merklich, während der andere, obwohl er die Empfehlungen befolgt und alle verordneten
Medikamente eingenommen hatte, keine Erleichterung erhielt."
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Die Behandlungen und Operationen werden meist vor vielen Zuschauern durchgeführt, die sich oft um
die Plätze mit der besten Sicht drängen. Man sollte meinen, daß für ein solches paranormales Verfah-
ren eigentlich Ruhe und am besten überhaupt keine Zuschauer angemessen seien. Aber die Jenseitigen
sagen, daß die Anwesenden trotz ihrer Neugierde (92, S. 81, 108) erforderlich seien, damit ihnen die
Energie oder das Fluidum oder das Od entzogen werden könne, das die unsichtbaren Mitarbeiter für
ihr Wirken benötigen. Diese Äußerung ist nicht völlig aus dem Rahmen fallend, denn paranormale
Veränderungen unserer Materie, die ja bei den Operationen mit im Spiel ist, erfordern physikalische
Energie. Sie wird aber nicht allein von den Medien geliefert, weil sie damit überfordert wären. Das ist
in gleicher Weise bei den Materialisationsvorgängen der Fall. Auch dabei wird das Ektoplasma nicht
nur von den Medien, sondern auch (allerdings unsichtbar) von den anderen Sitzungsteilnehmern zur
Verfügung gestellt.
Das fühlbare Herausströmen von Energie aus einem Menschen bei einer Krankenheilung wird schon
von Christus berichtet (Luk. 8,43-48). Dieser war von dem Synagogenvorsteher Jairus zu seiner im
Sterben liegenden zwölf Jahre alten Tochter gerufen worden. Als er in dessen Haus eintreten wollte,
umdrängte ihn die Volksmenge. Dabei trat von hinten eine Frau an ihn heran, die seit zwölf Jahren am
Blutfluß litt. Sie konnte von keinem Arzt bislang geheilt werden. Als sie nun die Quaste von Christi
Mantel anfaßte, kam der Blutfluß augenblicklich zum Stillstand. Da fragte Christus: "Wer hat mich
angefaßt ?" Als nun alle es in Abrede stellten, sagte Petrus: "Meister, die Volksmenge umdrängt und
stößt dich von allen Seiten!" Jesus aber erwiderte: "Es hat mich jemand angefaßt, ich habe ja gespürt,
daß eine Kraft von mir ausgegangen ist." Als nun die Frau sah, daß sie nicht unbemerkt geblieben war,
kam sie zitternd herbei, warf sich vor ihm nieder und bekannte vor dem ganzen Volk, aus welchem
Grund sie ihn angefaßt habe und wie sie augenblicklich gesund geworden sei. Da sagte Jesus zu ihr:
"Meine Tochter, dein Glaube hat dir Heilung verschafft. Gehe hin in Frieden."
Die Behandlungen von Dr. Fritz laufen in der Regel so ab, daß Dr. Edson Queiroz vor Beginn im
Normalzustand für die Kranken eine kurze Ansprache hält und dann ein religiöses Lied zur Gitarre
singt (92, S. 178). Nach einem gemeinsam gebeteten Vaterunser fällt er in Trance und erhebt sich nun
als Dr. Adolf Fritz, um seinen ärztlichen Dienst anzutreten. Dr. Queiroz befindet sich anschließend
stundenlang in Trance. Wenn an Wochenenden viele Patienten zu behandeln sind, kann das mit kurzen
Unterbrechungen bis zu 20 Stunden dauern. Sein Wesen ist dann verändert. Der Gang wirkt bei ge-
krümmter Haltung schwerfällig. Er spricht sehr langsam mit schwerer Zunge ein Portugiesisch mit
deutschem Tonfall. Der Augenlidschlag tritt stark betont in Erscheinung. Seine Anordnungen erfolgen
bestimmt und energisch. Dr. Queiroz kann sich an das, was nun abläuft, nur selten und nur bruch-
stückhaft erinnern. Es kommt vor, daß an einem Tag bis zu 50 Operationen und zusätzlich 100 weitere
Behandlungen durchgeführt werden (92, S. 92). Normalerweise sind es zusammen rund 120 Behand-
lungen an einem Tag (92, S. 138). Das bedeutet natürlich, daß mit großer Geschwindigkeit gearbeitet
werden muß. Der brasilianische Oberst Edynardo Weyne beobachtete im November 1982, wie an dem
51jährigen Kuhhirten José Gomes de Jesus innerhalb von nicht ganz fünf Minuten drei Operationen
durchgeführt wurden (92, S. 88). Wegen grauen Stars entfernte Dr. Fritz die Linse des linken Auges,
am Rücken operierte er eine Fettgeschwulst (ein Lipom), und an der Lendenwirbelsäule beseitigte er
eine seit acht Jahren bestehende sehr schmerzhafte Knochenwucherung, eine Osteophytose. Außerdem
verordnete er fünf verschiedene Medikamente. Die operativen Eingriffe erfolgten ohne körperliche
Betäubung, ohne Asepsis, ohne Blutungen und ohne Schmerzen für den Patienten. Er, der vorher ar-
beitsunfähig war, konnte darauf seine Arbeit auf einer Farm wieder aufnehmen.
Dr. Edson Queiroz wurde mehrfach von ärztlichen Kollegen bei seiner Arbeit beobachtet und begut-
achtet. So unter anderem am 22. und 23. Januar 1982 von den Ärzten Dr. Roberto Silveira, Dr. Paulo
Cesar C. Monteiro (ein Chirurg) und Ac. Roberto Silveira Filho, Lehrstuhlinhaber an der Medizini-
schen Fakultät von Petropolis im Staat Rio de Janeiro. Diese drei Ärzte konnten mitansehen, wie in
Rio de Janeiro im "Haus der Wohltätigkeiten" der Spiritistischen Regenerationsgruppe Patienten be-
handelt wurden. Ein Fall erregte ihre besondere Aufmerksamkeit, weil sie den entfernten Tumor hin-
terher histopathologisch untersuchen lassen konnten, und die Operation für einen irdischen Chirurgen
einen hohen Schwierigkeitsgrad gehabt hätte. Diesen Eingriff konnte auch der Geisterarzt nicht im
Blitztempo durchführen, sondern benötigte dafür fast eine halbe Stunde. Dr. Silveira berichtet (92, S.
122):
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"In der Zwischenzeit ereignete sich eine Operation, die durch ihre eigenen Umstände Anlaß zu
folgenden interessanten Betrachtungen gab:
Wir beziehen uns auf den Fall eines 45jährigen, weißen, verheirateten Mannes. Er wurde in Rio de
Janeiro geboren, wo er noch immer lebt. Im Bereich der linken Ohrspeicheldrüse hatte er eine
Schwellung. In seinem Bericht erwähnt er deutlich, daß er kam, um nach einer geistigen Behand-
lung zu suchen, denn von den drei Ärzten, die er konsultierte, hatte er keine wirkungsvolle Hilfe
bekommen. Er erzählte, daß alles vor fünf Jahren begonnen habe, als er eine kleine Geschwulst auf
der linken Seite des Nackens, genau unterhalb des Ohres, bemerkte. Zu Anfang war sie nur ein
wenig größer als ein Reiskorn und völlig unempfindsam. Sie verdiente keine Aufmerksamkeit.
Aber im Laufe der Zeit wuchs sie so enorm an, daß sie das Gesicht deformierte und die Bewegun-
gen seines Kopfes erschwerte.
Bei der körperlichen Untersuchung stellten wir eine Geschwulst fest, etwas größer als ein Vogelei,
hart, wenig beweglich und schmerzlos. Seine Krankengeschichte und die Charakteristiken der
Schwellung ließen uns an die Möglichkeit denken, daß es sich um einen Tumor der Ohrspeichel-
drüse handelte.
Sobald wir die Befragung des Patienten beendet hatten, wurde er in den unvorbereiteten Operati-
onssaal geführt. Nach einem flüchtigen Gespräch mit dem Geistarzt mit Hilfe des Mediums wurde
der Kranke aufgefordert, sich in Bauchlage auf einen schmalen Untersuchungstisch zu legen. Den
Kopf mußte er nach links drehen und ihn auf eine kleine Kopfrolle stützen. Während der Geistarzt
den Bereich des Tumors abtastete, bat er ihn, ein Gebet zu sprechen und unentwegt an Jesus zu
denken. Er versprach höflich, daß der Patient keine Schmerzen fühlen würde.
Dann, ein Skalpell ergreifend, vollzog der Geist einen tiefen, geraden Einschnitt von ca. 4 - 5 cm
Länge oberhalb der Geschwulst. Mit den Fingern und einer gewöhnlichen Schere, eine von diesen,
die eine abgerundete und eine spitze Schneide haben, begann er, den Tumor aus seiner angrenzen-
den Fläche abzulösen. Behend führte er die Schere, schneidend und tupfend, ohne Hilfe von Ope-
rationsklammern und alles bei nur unangemessener Beleuchtung.
Obwohl der Patient keinerlei betäubende und beruhigende Medikamente erhalten hatte, war er ru-
hig und zeigte keine Anzeichen von Schmerz oder Unbehagen. Wir beobachteten mit Erstaunen,
daß es weder Blutungen noch die Notwendigkeit einer Abklemmung von Blutgefäßen gab. Nach
25 Minuten sicherer und ernster Arbeit schauten wir der Entfernung der Geschwulst zu, die uns
später zum Zwecke einer histopathologischen Untersuchung überreicht wurde. Die Arbeit fand nur
mit Hilfe einer Frau statt, die als Operationsschwester fungierte, und ihm entweder Schere oder
Operationsmesser reichte.
Sprachlos über all das, was wir sahen, waren wir noch bestürzter, als der Geistarzt ein Stück mit
Mertiolate angefeuchteter Gaze und Heftpflaster verlangte, anstelle sich anzuschicken, die Wunde
zuzunähen. Wir konnten nicht widerstehen, nach dem Grund für die unerklärliche Entscheidung zu
fragen. Als Antwort haben wir die Information erhalten, daß diese abschließenden Vorkehrungen,
sowie die Blutstillung, Sheylla überlassen werden. Sie ist eine verstorbene Krankenschwester, die
Dr. Fritz bei seinen geistigen chirurgischen Arbeiten unterstützt.
Nachdem die Wunde verbunden war, halfen wir dem Kranken, sich von dem unbequemen und
improvisierten Operationstisch zu erheben. Wir brachten ihn aus dem Saal hinaus und stellten fest,
daß er gut laufen und klar denken konnte, und keine Abnormitäten in der Gesichtsmuskulatur zeig-
te. Wir verfolgten die Zeit nach der Operation. Wir versorgten die Wunden übereinstimmend mit
der Anweisung des Kollegen und benutzten nur die Creme 'Fibrase'.
Heute, nach 30 Tagen und bereits wieder in sein normales Leben eingegliedert, verwendet der
Expatient lediglich ein kleines Heilmittel im Operationsbereich. In diesem Zeitraum hatte er weder
Schmerzen noch Fieber, noch Veränderungen irgendeiner Art.
Damit wir diesen Fall mit der beabsichtigten Ernsthaftigkeit studieren können, gehen wir dazu
über, ihn unter den folgenden Aspekten zu betrachten:
A.) Die histopathologischen Aspekte:
MAKROSKOPIE: Gewebefragment von unregelmäßiger Form, 4 cm x 2,5 cm messend. Es weist
eine feste Konsistenz und eine dunkle Färbung auf. Man beobachtet an den Querschnitten einen
Knoten von geringer Konsistenz und weißlicher Färbung, 2 cm x 2 cm messend.
MIKROSKOPIE: Die Gewebeschnitte offenbaren einen eingekapselten Knoten, gebildet durch die
Zellteilung. Die Zellen sind rund und spindelförmig und haben monomorphologische Kerne mit
körnigem Chromatin, das sich in festen Gruppen oder Strängen anordnet, und oft dehnbare Struk-
turen bildet. Die Zellen sind im Begriff, ein ausgedehntes, großflächiges Bindegewebegemisch
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aufzubauen. Ringsherum können wir eine Speicheldrüsenstruktur, ein faseriges Gewebe und eine
Skelettmuskulatur sehen.
Schlußfolgerung: Verschiedenförmige, tumorartige Geschwulst an der Speicheldrüse.
Dieses Ergebnis bestätigt die Vermutung, die wir anläßlich der körperlichen Untersuchung des
Patienten hatten. Unterdessen wurde die ganze Geschwulst ohne Beschädigung ihrer Kapsel, das
bedeutet ohne Fraktionierung, herausgenommen. Der Tumor entsprach der makroskopischen Be-
schreibung. Die Nichtbeschädigung der Kapsel, ein kleiner Umstand, jedoch von großer prakti-
scher Bedeutung, bescheinigt schon allein, daß die Entfernung des Tumors durch ein schwieriges
Vorgehen abgeschlossen wurde. Logischerweise erfordert das Erfahrung und chirurgisch-
medizinisches Spezialwissen.
B.) Die anatomischen Aspekte:
Hier folgt jetzt in dem Bericht von Dr. Silveira (92, S. 125) eine zwei Seiten lange Beschreibung des
Vorhandenseins und der Lage von Drüsen, Arterien, Venen und Nerven im Operationsbereich. Es wird
erörtert, wie leicht man diese Organe bei einem Eingriff verletzen kann, und was für schlimme Folgen
dadurch entstehen. Ich übergehe diese fachlichen Ausführungen und komme gleich zum Endresultat
der Darlegungen (92, S. 126):
"Diese Eingriffe erfordern also sehr viel Sorgfalt, Geschicklichkeit, Wissen und vielfältige spezial-
technische Ausrüstungen
Wir beenden hier unsere Betrachtungen über diese chirurgische Operation, der wir beiwohnten.
Wir sind überzeugt, daß die Paranormalität der Operation nicht abgestritten oder in Frage gestellt
werden kann. Für alles, was wir gesehen haben und was unsere Medizin nicht erklären kann, bleibt
uns nur, uns bei unserem verstorbenen Kollegen (Dr. Fritz) zu bedanken. Er zeigte uns eine kleine
Seite der außerirdischen Welt. Sie verfügt über Wissen, aber besonders über überlegene Operati-
onstechniken und verantwortliches Handeln, was uns allen anschaulich durch die unermüdliche,
mildtätige und uneigennützige Arbeit des Dr. Fritz demonstriert worden ist.
Gott möge die ganze Arbeitsgemeinschaft der Jenseitigen segnen, und seine unendliche Barmher-
zigkeit möge weiterhin viele unserer irdischen Kollegen beschützen. Wir sprechen von denen, die
trotz allem, was wir gesehen haben, und von dem wir Zeugnis ablegen, diese Dinge verneinen.
Mögen sie sich so benehmen, wie jener überraschte und dankbare Vater, der, als er seinen Sohn
von Jesus geheilt sah, sagte: 'Ich glaube Herr, aber hilf meinem Unglauben!' (Mark. 9,24)."
Abschließend ist zu sagen, daß Dr. Queiroz kein Facharzt für Chirurgie ist, sondern nur ein Frauenarzt
und Geburtshelfer. Er selbst hätte als Mensch eine derartige Operation nicht durchführen können.
Am 14. November 1985 wurde im Zweiten Deutschen Fernsehen eine sehr eindrucksvolle und sachli-
che Sendung über Dr. Edson Queiroz ausgestrahlt. Unter anderem sah man eine Augenoperation an
einer brasilianischen Patientin. Sie litt seit Jahren an einer Bindehautwucherung, einem sogenannten
Flügelfell (Pterygium). Es handelt sich dabei um das Vorschieben einer Bindehautfalte auf die Horn-
haut von der Nasenwurzel ausgehend. Wenn das Flügelfell den Bereich der Pupille erreicht, tritt
Erblindung ein. Diese Erkrankung, hervorgerufen durch die Einwirkung von Wind, Staub, Rauch oder
starker Sonnenbestrahlung, ist bei uns selten, tritt in Brasilien aber relativ häufig auf, wie man den
Operationsberichten des Dr. Fritz entnehmen kann. In dem im Fernsehen in Nahaufnahme gezeigten
Fall trennte der Geisterarzt in 34 Sekunden mit einer Schere das Flügelfell ohne Betäubung von der
Hornhaut ab. Ein normaler Augenarzt kann solch einen Eingriff nur mit örtlicher Betäubung der Horn-
haut in etwa 30 Minuten vornehmen.
Der zweite Fall betraf die Entfernung eines gutartigen Brusttumors bei einer brasilianischen 37 Jahre
alten Ärztin Jane Diaz. Sie war damals Chirurgin an Brasiliens nationalem Krebsinstitut. Dr. Fritz
machte ohne Narkose der Patientin an ihrer rechten Brust einen etwa 4 cm langen Schnitt, faßte mit
dem Zeigefmger ohne Operationshandschuh in die Wunde, erfühlte den Tumor, und trennte ihn dann
mit einer Schere und einer Kornzange heraus. Die Patientin betete dabei und spürte nur geringe
Schmerzen. Der Eingriff dauerte zwei Minuten. Ausnahmsweise wurde die Wunde aus Respekt vor
der Kollegin von Dr. Fritz mit vier Stichen vernäht und erhielt dann den üblichen Mullverband. Der
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heraus getrennte Knoten maß 5,5 cm x 5 cm x 2 cm. Die spätere histologische Untersuchung ergab
"gutartiges Gewebe".
67 Tage nach dem Eingriff zeigte die Ärztin vor der Fernsehkamera ihre inzwischen völlig verheilte
Operationsnarbe. Sie betonte, daß es eine gute und kleine Narbe sei im Verhältnis zur Größe des
Tumors. Normalerweise, so betonte sie, bleibe eine Verunstaltung bei einer kleinen Brust wie der
ihren zurück, wenn man einen so großen, tiefsitzenden und am Muskel anhaftenden Knoten entferne.
Das sei aber bei ihr nicht der Fall. Beide Brüste seien gleich groß.
Medizinisch war die Arztin bestens versorgt worden. Trotzdem nahm die Angelegenheit für sie einen
schlechten Ausgang. Die brasilianische Presse hatte ihren Fall aufgegriffen und mit entsprechenden
Bildern groß herausgebracht. Daraufhin verlor die Ärztin ihre Anstellung als Chirurgin beim nationa-
len Krebsinstitut. Die von ihr in Anspruch genommene Geisteroperation wurde für eine Ärztin als
unstandesgemäß angesehen.
Damit sind wir bei den Widerständen gegen die Geisterchirurgie. Arigó bekam seine Schwierigkeiten
u. a. deswegen, weil er kein Arzt war. Dr. Queiroz bekommt sie, weil er Arzt ist. Wegen unerlaubter
Ausübung der Heilkunde kann man ihn zwar nicht belangen, aber die Gegner haben andere Schwach-
punkte gefunden. Angegriffen wird er hauptsächlich von der Ärzteschaft und der katholischen und den
evangelische Kirchen. Die Ärztekammer sieht in der Behandlungsweise von Dr. Queiroz einen Ver-
stoß gegen den ärztlichen Ehrenkodex nach Artikel 5a und 69a. Diese Artikel besagen (92, S. 180),
daß es einem Arzt nicht erlaubt ist, zahlungsfähige Patienten unentgeltlich zu behandeln. Gerade das
aber erfolgt bei einheimischen Patienten, während nur von Ausländern ein Kostenbeitrag erwartet
wird. Dadurch, daß Dr. Queiroz in kurzer Zeit hunderte von Operationen ohne Honorar durchführe,
entziehe er seinen meist unterbezahlten Kollegen den Lebensunterhalt. Außerdem, so argumentierte
die Ärztekammer, habe Dr. Queiroz nur eine Zulassung für den Bundesstaat Pernambuco. Er übe sei-
ne Praxis aber zeitweilig auch in anderen Bundesstaaten aus, und das sei nicht zulässig. Aus diesen
Gründen entzog ihm die Landesärztekammer von Pernambuco 1983 die ärztliche Approbation (Zulas-
sung). Nach eingelegtem Widerspruch hat die brasilianische Bundesärztekammer den Entzug zwar
aufgehoben, doch dagegen hat die Landesärztekammer wiederum Revision eingelegt. Ob und wie
dieser Streit inzwischen beigelegt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Inzwischen nimmt Dr. Qu-
eiroz zumindest im Ausland, wohin er häufig reist, sehr saftige Honorare, z. B. 1990 2.500,- SFr. pro
Behandlung bei Ausstellung nur eines Rezeptes und Aufnahme in die Fernbehandlungsliste.
Auch die Kirchen sehen in dem Wirken von Dr. Queiroz eine große Konkurrenz. Eine derartig um-
fangreiche und wirkungsvolle Hilfs- und Liebestätigkeit ist natürlich zugleich eine Werbung für die
Spiritisten. So sehen es jedenfalls die Kirchen, die um ihre Mitglieder und deren geldliche Unterstüt-
zung bangen. Schon Christus bekam wegen seiner Heiltätigkeit Schwierigkeiten mit der Geistlichkeit.
Als er den Lazarus aus dem Tode in das Leben zurückgeholt hatte, waren die Hohenpriester mit dieser
außerordentlichen Tat gar nicht einverstanden. Der Apostel Johannes berichtet (Joh. 12, 10):
"Die Hohenpriester aber hielten Beratungen ab in der Absicht, auch Lazarus zu töten, weil viele
Juden seinetwegen dorthingingen und zum Glauben an Jesus kamen."
Aber wie nicht alle Ärzte gegen Edson Queiroz eingestellt sind, so gibt es auch Geistliche, die der
spiritistischen Behandlungsmethode Gerechtigkeit widerfahren lassen. Am 10. September 1981 verlas
der baptistische Pastor Joao Tenório Moura über den brasilianischen Rundfunksender Radio Difusora
von Garanhuns folgende Erklärung (92, S. 93):
"Sehr geehrter Radiohörer!
'Denn gegen die Wahrheit vermögen wir nichts.' Viele Leute haben sich darüber gewundert, daß
ich diese Woche in das spiritistische Zentrum 'Gott, Liebe und Nächstenliebe' gegangen war,
nachdem ein Freund mich dazu eingeladen hatte, dort einer eigenartigen Arbeit beizuwohnen, die
eine Gruppe der "Spiritistischen Vereinigung Pemambucos" ausführte. Es handelt sich genauer
gesagt um ein Medium, das auch ein Arzt ist, und das Kranke, wie man mir sagte, unter Weisung
des verstorbenen und weltweit bekannten deutschen Arztes Dr. Fritz behandeln und operieren soll-
te.
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Ich hatte das Privileg, an einer solchen Operation teilnehmen zu dürfen. Als wir den Raum
betraten, lag dort bereits eine Dame auf dem Operationstisch. Ein Arzt erklärte mir und den drei
anderen geladenen Gästen die Krankheit der Patientin. Es handelte sich um eine Wucherung in den
Augenlidern (vermutlich war es das bereits erwähnte Flügelfell). Das Medium führte in eine Seite des Auges
eine Nadel ein, nahm eine chirurgische Schere und entfernte die Wucherung mit professioneller
Geschicklichkeit. Er trocknete das Blut ab, indem er die Wunde mit einem Stück Mull betupfte,
welches er in einer Flüssigkeit getränkt hatte, deren Geruch mich an normale Krankenhäuser erin-
nerte. Er legte ein Heftpflaster auf und sagte der Patientin, sie solle sich umdrehen und auf allen
Vieren bleiben, da er noch eine weitere Operation durchführen müsse. Das Medium erklärte, daß
es sich um einen Fall von Wirbelsäulenverkrümmung handelte. Er führte zwei Nadeln in einem
Abstand von 12 cm ein und machte einen Schnitt, durch den man die Knochen der Wirbelsäule se-
hen konnte. Die Patientin, die überhaupt nicht betäubt worden war, schien keinerlei Schmerz zu
spüren. Etwas Blut quoll hervor, das sofort mit Gazestücken abgetupft wurde. Als es versiegte,
schloß er die Wunde mit Gaze und Heftpflaster, und fertig war die Operation. Sie hatte nicht ein-
mal fünf Minuten gedauert.
Das Medium, dem außer einem langsamen und regelmäßigen Augenzwinkern nichts anzumerken
war, entließ uns aus dem Operationsraum. Wir verließen den Ort und waren zutiefst beeindruckt
von dem, was wir gesehen hatten. Es handelte sich wahrhaftig um etwas Übernatürliches, keiner
von uns hatte je etwas Vergleichbares gesehen.
Wir erfuhren, daß an diesem Tag 52 Operationen und über 100 weitere Behandlungen durchge-
führt worden waren. Alles war unentgeltlich. Wir beobachteten hier Leute aus der Oberklasse, die
den Boden kehrten oder andere Aufräumarbeiten durchführten und alle (alle!) beteiligten sich an
diesem Werk. Es gab einige, die beteten und über die spiritistische Lehre sprachen, während sie
den Kranken Beistand leisteten, die hier geduldig darauf warteten, daß sie an die Reihe kamen.
Für uns war das eine wunderbare Erfahrung. Wir waren dort nicht als Spione hingekommen, son-
dern um zu sehen, was dort wirklich passierte, um dann aus Erfahrung davon berichten zu können.
Es gab keine faulen Tricks, denn alles wurde bei unserer gespannten Aufmerksamkeit ausgeführt,
und wir konnten die Echtheit bezeugen. Keinen Moment lang fühlten wir uns in unserem Glauben
oder unserer Religionsauffassung verletzt. Ich bin gläubig, ein baptistischer Pastor, und hier wider-
sprach nichts meinem Glauben, im Gegenteil, das Verständnis, das ich hier vorfand, animierte
mich geradezu, in meinem Glauben noch weiter zu gehen. Einen Tag voll Arbeit, mit hohem Kräf-
teverschleiß und finanziellem Verlust und alles in liebevollster Weise der Nächstenliebe geweiht.
Niemals werde ich diese Leute vergessen, und niemals werde ich meinen Mund öffnen, um
schlecht über sie zu sprechen. Ich bin kein Ökumeniker, aber durch meine Gemeinschaft mit den
Menschen ein Mann guten Willens, und es gibt so viel, was wir, einer von dem
anderen, lernen können. Vorurteile sind immer Unsinn. Es nutzt nichts zu sagen, daß man dieser
oder jener religiösen Richtung angehört. Aber es nutzt sehr wohl, so zu leben, wie die Heilige
Schrift es lehrt. Gott erfreut sich nicht am Schein, Gott erfreut sich an dem, was im Menschen
steckt und was durch gute Taten zum Ausdruck kommt. So sprach auch unser Herr Jesus Christus:
'An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.'
Meine lieben Radiohörer:
Was sind denn unsere Früchte? Was haben wir denn für die getan, die unsere Nachbarn sind und
die schwer leiden müssen? Wie oft sind wir religiöse Theoretiker, die durch ihr praktisches Han-
deln das negieren, was sie im Theoretischen bekennen. Unser Egoismus ist so stark. Wir haben oft
ein Christentum verkündet, das keine Früchte trug, kein Werk schuf, mit anderen Worten, ein
Christentum ohne Christus. Möge Gott mit uns barmherzig sein und die segnen, die in Demut sei-
ne Worte beachten. - Amen."
Pastor Joao Tenório Moura
55300 Garanhuns-Pernambuco
Diesen Worten ist nichts hinzuzufügen. Man kann nur hoffen, daß Dr. Edson Queiroz weitere Schwie-
rigkeiten erspart bleiben, und ihn nicht ein früher Tod hinwegrafft.
Bei den bislang vorgestellten vier Heilern handelte es sich um Christen, die der Auffassung sind, und
das stets betonen, daß die von ihnen vermittelten Heilkräfte göttlichen Ursprungs sind. Die mit ihnen
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zusammenarbeitenden Geistwesen (die jenseitigen Ärzte) fühlten sich Christus untertan. Arigó sagte
immer wieder: "Nicht ich heile, wer heilt ist Jesus!"
Bei dem folgenden Heiler handelt es sich um einen Mohammedaner, der seine Heilfähigkeit auf Allah
zurückführt, also auf das höchste Wesen, das identisch ist mit dem Gott, den auch die Christen, Juden
und Parsen verehren. Er spricht nicht von weiteren jenseitigen Helfern oder Engeln, sondern nur von
Allah. Der Name des Heilers lautet Mustafa Mujagitsch. Er ist ein Jugoslawe und 1875 in dem bosni-
schen Dorf Tesnju geboren (85, S. 372). Von Beruf war er Rechnungsinspektor (des Finanzministeri-
ums) in Sarajewo. Dort lebte er auch nach seiner Pensionierung und war 1955 noch sehr rüstig. Aus
diesem Jahr und seinem Mund stammen die folgenden Informationen (44; 77; 85).
Mujagitsch übte seine Heiltätigkeit seit 1901 aus. Sie war sehr speziell und bezog sich nur auf die
Behandlung vernachlässigter madiger Wunden und auf die Heilung des Bisses von Giftschlangen bei
Menschen und Tieren. Beides sind körperliche Beeinträchtigungen, die besonders ländlicher Bevölke-
rung in Gebieten zu schaffen machen, wo es kaum Ärzte gibt. Eine Wunde vermadet nur, wenn sie
nicht ausreichend gereinigt und versorgt wird. Das ist dann zwar unangenehm, aber nicht unbedingt
tödlich. Der Biß einer sehr giftigen Schlange dagegen führt unweigerlich zum Tod, wenn nicht sehr
schnell mit einem Schlangenserum behandelt wird. Aber wo gab es das schon um die Jahrhundert-
wende in Bosnien? Da setzte dann die Hilfe von Mujagitsch ein, der mit bestimmten Heilformeln oder
Gebeten den Kranken retten konnte, wenn er rechtzeitig gerufen wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg
spielte dabei auch das sich stärker ausbreitende Telephon eine Rolle. Mujagitsch brauchte bei der Be-
handlung nicht unmittelbar bei dem Patienten anwesend zu sein. Die Heilung vollzog sich auch über
das Telephon. Der Schriftsteller Alexander Sacher-Masoch erlebte als Augenzeuge derartiges im Jahre
1954. Er berichtet (77):
"Hinter Belgrad liegt geographisch unsichtbar, aber kulturell um so spürbarer, die alte osmanische
Grenze. Diese Gebiete haben, es ist noch gar nicht so lange her, 500 Jahre Türkenherrschaft hinter
sich. Unser Mittagbrot, bestehend aus Lammfleisch am Spieß mit weißen Bohnen, nahmen wir in
Jajce, einem romantischen mazedonischen Gebirgsstädtchen, ein. In der 'Kafana' in der uns später
der unvermeidliche 'Turska' in Kupferkännchen serviert wurde, wurden wir zufällig Zeugen eines
recht ungewöhnlichen Vorfalls. Das Seltsamste daran war, daß von allen Anwesenden wir allein
dieses Erlebnis als außergewöhnlich empfanden. Plötzlich wurde die Türe aufgestoßen, und man
brachte auf einer Tragbahre einen jungen Menschen in die Kafana, schweratmend, grau im
Gesicht, Schaum vor den Lippen. Ein vom Tode gezeichnetes Gesicht. Wir erfuhren, daß der
Unglückliche soeben von einer 'Priskok', der überaus giftigen Springviper, deren Biß unbedingt
tödlich ist, erwischt worden sei.
'Hilf uns Wirt', sagte einer der Männer. 'Er stirbt uns. Wir müssen den Gospodin Doktor Dijmia
verständigen. Er ist zum Schlangenkauf hier.'
'Gut', sagte der Wirt. 'Ich schicke meinen Sohn ins Hotel Pliva. Dort pflegt er zu wohnen.'
Minuten verstrichen. Da erhob sich ein Mann von einem der Tische, weißbärtig, hochgewachsen,
hager. Aus seinem hellen Turban lugte der rote Fes hervor. Er trug Opanken an den Füßen. Ent-
schlossen trat er zu dem Kranken, der kaum noch atmete.
'Man darf nicht warten', sagte er, 'der Tod kommt schnell. Hier kann nur Mustafa Effendi Mu-
jagitsch helfen. Aber er ist über hundert Kilometer weit, in Sarajewo. Versuchen wir's. Meine
Tochter hat er auch durchs Telephon geheilt.'
Wir trauten unseren Augen und Ohren nicht. Die Verbindung mit Sarajewo wurde hergestellt. 'Bit-
te Herrn Rechnungsinspektor Mujagitsch.'
Alles klappte erstaunlich schnell. Man sagte uns später, daß die Telephonistinnen wissen, daß es
meist um Tod und Leben geht, wenn dieser Mujagitsch Effendi verlangt wird.
Unser hagerer Bosniake, ein Kupferschmied aus Travnik, trat ans Telephon. Der Wirt brachte ein
'Fildschan', ein Kaffeetäßchen voll Wasser. Unser Mann sprach: 'Effendi, hier hat einen die
Priskok gebissen, hilf schnell, sonst stirbt er. Was soll ich tun ?'
Gleich darauf hielt er den Fildschan an die Hörmuschel. Wir lauschten gespannt. Der Schmied
dankte und legte den Hörer auf. Er näherte sich dem Kranken, der mit blauen Lippen zusammen-
gekrümmt dalag. Er flößte ihm gewaltsam ein wenig von dem Wasser ein. Mit dem Rest betupfte
er seinen Knöchel, dort, wo die Schlange ihn gebissen hatte. Dann trat er zurück.
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Und wirklich. Plötzlich erhob sich der Sterbende. Die Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt. Er
lächelte vergnügt. Er war gesund.
Kurz darauf trat der Arzt ein. Er untersuchte den jungen Mann. 'Ich bin überflüssig' , sagte er und
lächelte uns zu. 'Hier kapituliert die exakte Wissenschaft vor der Zauberei.'
Wir wollten und konnten nicht an die telephonische Heilung glauben. Der Arzt jedoch war gar
nicht überrascht. 'Ich habe mich daran gewöhnt', sagte er ernst. 'Das Gegengift versagt manchmal,
der Spruch, mit dem Mujagitsch das Wasser verzaubert hat, nie.'
Wir hatten viel von unserer europäischen Sicherheit eingebüßt, als wir das Städtchen Jajce verlie-
ßen."
Derartige Heilungen erfolgten natürlich nicht jeden Tag, aber im Laufe der Jahrzehnte doch in
beträchtlicher Anzahl. Da es sich bei den Schlangenbissen meist um todbringende Körperschäden
handelte, die durch Mujagitschs Hilfe ohne die sonst erforderliche Serumbehandlung ausheilten, riefen
diese Fälle beträchtliches Aufsehen hervor, und wurden auch von der nichtjugoslawischen Presse auf-
gegriffen. Zum Beispiel erschien im Berliner Tageblatt vom 14. Juli 1928, Nr. 615/616 ein umfangrei-
cher Aufsatz über "Die Schlangenkönige von Bosnien".
Woher kam bei Mujagitsch die Heilgabe, wie trat sie erstmals in Erscheinung? Er gibt an, daß er sie
von seinen Vorfahren übernommen habe und daß sie von Generation zu Generation jeweils auf den
Sohn weitergegeben worden sei. Vor etwa 300 Jahren habe einer seiner Vorfahren einem durchwan-
dernden mohammedanischen Scheich und Weisen Sejjidi Ahmedi Rufaie einen großen Dienst erwiesen
und sei dafür von ihm mit der Heilformel zur Schlangenbißheilung belohnt worden (85, S. 374; 44, S.
186). Diese sei dann immer vom Vater auf den Sohn weitergegeben worden. Da Mujagitsch selbst
unverheiratet und kinderlos war, kam bei ihm für die Weitergabe nur seine ebenfalls unverheiratete
und kinderlose 15 Jahre jüngere Schwester in Frage. Das bedeutet, daß diese Heilgabe in Sarajewo
jetzt erloschen sein dürfte. Die Heilungen erfolgten als Geschenk Allahs immer kostenlos, denn Mus-
tafa Mujagitsch war ein frommer, die islamischen Gesetze achtender Mohammedaner.
Ich vermute, daß es sich bei der Heilformel nicht um eine Art Codewort handelte, wie man es benutzt,
um einen Panzerschrank zu öffnen, sondern um ein Gebet, mit dem der gerade in der Erbfolge Be-
vollmächtigte die göttliche Hilfe anrufen konnte. Weil die Heilgabe so sehr speziell war und sich nicht
auf eine Vielzahl von Krankheiten bezog, glaube ich nicht, daß hier Allah persönlich eingriff, wie er es
ja auch bei Edwards, Chapman und Arigó nicht tat und tut. Dagegen halte ich es für wahrscheinlich,
daß durch die Heilformel des Mujagitsch ein oder mehrere Geistwesen angerufen wurden, die im Auf-
trag Gottes arbeiteten und ihre engbegrenzten Fähigkeiten für in Not geratene Menschen einsetzten.
Die Einwirkung bestand vermutlich darin, bei den von Schlangen gebissenen Patienten die Erzeugung
von Antikörpern so schnell in Gang zu bringen, daß die Antigene (oder Toxine = Giftstoffe) des
Schlangengiftes noch rechtzeitig genug neutralisiert werden konnten. Oder aber die Geistwesen hatten
die Möglichkeit, die erforderlichen Antikörper paranormal zuzuführen oder die Antigene paranormal
zu entfernen.
Mujagitsch hat über die Einschaltung jenseitiger Helfer nie etwas gesagt. Vielleicht wollte er es nicht
sagen, oder er wußte es nicht. Die Annahme eines spezialisierten Heilgeistes aber würde es verständ-
lich machen, daß die Heilgabe von Generation zu Generation weitergegeben werden konnte. Nicht die
Heilformel wäre dann das Wesentliche gewesen, sondern der "weitervererbte" Heilgeist. Ein anderer
Mensch hätte mit der Heilformel allein wahrscheinlich gar nichts anfangen können. - Mustafa Mu-
jagitsch ist um 1965 gestorben.
Mujagitsch und seine Vorfahren waren nicht die einzigen, welche die Folgen von Schlangenbissen
heilen konnten. Ein solches Beispiel berichtet u. a. Dr. George Lindsay Johnson aus Durban in Natal
(Südafrika) Anfang dieses Jahrhunderts (11, S. 202). Er beschreibt, wie ein Stammeshäuptling Shembe
in seinem Beisein einem von einer "Zischenden Natter" gebissenen und im Sterben liegenden Mäd-
chen durch Gebet zur Gesundheit verhalf. Er setzte seinen Fuß auf den durch den Schlangenbiß stark
geschwollenen Arm des Mädchens. Nach nochmaligem Gebet zu Gott verschwand innerhalb von Se-
kunden die Schwellung völlig, und das Kind stand auf, als ob nichts gewesen wäre.
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Einen vergleichbaren Bericht finden wir im Neuen Testament. Lukas der Arzt und Verfasser der Apos-
telgeschichte berichtet (Apg. 28,1-6), daß der Apostel Paulus nach seinem Schiffbruch an der Küste
der Insel Malta, während er auf einen brennenden Holzstoß Reisig werfen wollte, von einer Gift-
schlange in die Hand gebissen wurde. Als er daran wider Erwarten nicht starb, hielten ihn die eingebo-
renen Malteser für einen Gott. Doch für ihn galt nur die Verheißung Christi (Markus 16,17-18):
"Den Gläubigen aber werden diese Wunderzeichen folgen: In meinem Namen werden sie böse
Geister austreiben, in unbekannten Sprachen werden sie reden, sie werden Schlangen aufheben,
und wenn sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden. Kranken werden sie die
Hände auflegen, und sie werden gesund werden."
Bei Mustafa Mujagitsch diente oft das Telephon dazu, den Heiler auf eine Notsituation aufmerksam zu
machen, so daß dieser dann Allah um Hilfe anrufen konnte. Etwas Ähnliches habe auch ich einmal in
Anspruch genommen. In dem medialen Kreis, dem ich seit rund 16 Jahren angehöre, wird neben der
Seelsorge an Verstorbenen (82) in ganz bescheidenem Maße auch geistige Heilung betrieben. Sie
wird, wenn erforderlich, an die Mitglieder des Kreises und ihre Angehörigen oder andere notleidende
Personen, die in unser Blickfeld geraten, vermittelt. Das geschieht mit Hilfe eines Geistes, der sich
Alberto Petranius nennt, und angibt, zu irdischen Lebzeiten Italiener gewesen zu sein, Petrugi oder
so ähnlich geheißen zu haben, und Ende des 17ten Jahrhunderts gestorben zu sein. Er sei aber kein
Arzt gewesen und könne sich an sein irdisches Leben kaum noch erinnern. Das sei für ihn bedeutungs-
los geworden.
Es handelt sich hier nicht um eine berühmte Wesenheit mit aufsehenerregenden Heilerfolgen. Außer-
dem betätigt sich das voll im Beruf stehende Medium nur alle 14 Tage als Mittler für jenseitige We-
senheiten und will auf alle Fälle anonym bleiben. Für eine umfangreiche heilerische Tätigkeit wäre
daher keine Zeit vorhanden. Ich führe den Fall hier auch nur deshalb an, weil er gewisse Parallelen zu
den vorherigen aufweist, und in mancher Beziehung neue Gesichtspunkte in diese Abhandlung ein-
bringt.
Die Heilbehandlung geht so vonstatten, daß der Geist Petranius in eines der beiden anwesenden
Medien, einen Herrn B. (geb. 1938), eintritt und ihn in Halbtrance versetzt. Dann läßt er sich einen
feuchten Lappen geben, wäscht sich damit die Hände, und trocknet sie sich anschließend mit einem
Handtuch ab. Sodann ruft er in stillem Gebet Gott um seine Hilfe an und bittet darum, daß er göttliche
Heilkräfte ohne Störungen von Seiten der niederen Geisterwelt empfangen möge, und diese auch ohne
Störung an den Kranken weiterleiten dürfe. Die Bitte um Störungsfreiheit hat darin ihren Grund, daß
die jenseitigen Anhänger der gottfeindlichen Seite oftmals mit aller Kraft Heilungsversuche und auch
die seelsorgerische Tätigkeit des Kreises zu unterbinden versuchen. In diesem Fall spürt der Geist, daß
er gestört wird, und seine Heilkräfte nicht zu dem gewünschten Ziel gelangen. Er fühlt sich blockiert.
Auch Dr. Fritz stellt durch den Mund seines Mediums Edson Queiroz fest, daß die Wirkung seiner
Behandlung und der Arzeneien durch den Einfluß schlechter Geister zunichte gemacht werden kann
(68, S. 715). Deshalb hat er die Befreiung von Einflüssen übler Geister mit in sein Arbeitsprogramm
einbezogen. Er bekämpft also auch eine möglicherweise bestehende Umsessenheit seiner Patienten.
Das stille Gebet des Alberto Petranius hören wir anwesenden Menschen zwar nicht, aber das in Halb-
trance befindliche Medium kann den Inhalt aufnehmen. Nach dem stillen Gebet erfolgt ein meist laut
gebetetes Vaterunser.
Dann steht der Geist in der Gestalt des Mediums auf, stellt sich hinter den sitzenden Patienten und legt
ihm die Hände auf den Kopf. Dazu wird von einem Kreisteilnehmer laut gebetet, daß göttliche Heil-
kräfte in den Patienten einfließen mögen. Manche von ihnen spüren das auch und können hinterher
angeben, welcher Körperteil gerade behandelt wurde. Sie empfmden dann ein starkes Wärmegefühl z.
B. im Bein oder Arm oder auch vorübergehende Magenschmerzen, wenn etwa der Magen erkrankt ist.
Im Anschluß an eine Heilbehandlung am 27. 08. 1987 im Beisein von zwei Medien, fünf weiteren
Teilnehmern und einer Patientin gab Alberto Petranius auf meinen Wunsch folgende Erläuterungen
ab:
"Heute habe ich etwas für den Allgemeinzustand der Patientin unternommen. Ich habe nicht ge-
zielt auf den Magen oder die Knie gestrahlt, sondern auf den ganzen Körper. Ich hoffe, daß die
Kräfte, die ich empfangen habe, auch dorthin gekommen sind. Ich selber kann nur sagen, daß wir
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sehr viel weitergeben konnten, und ich habe es durch das Medium gespürt, daß es in der Patientin
sehr warm war. Die Kräfte, die ich weitergebe, wurden diesmal nicht gestört. Heute hatte ich das
erste Mal das Empfinden eines direkten Verschmelzens mit der Patientin. Ich fühlte mich unmit-
telbar in der Patientin. Es waren keine Widerstände vorhanden. Übergangslos konnte ich meine
Kräfte weitergeben. Das war bisher noch nie in diesem Maße der Fall. Ich wußte gar nicht, ob ich
noch im Medium oder in der Patientin war, so ungestört gingen die Kräfte weiter."
Ich fragte Petranius, welche Voraussetzungen aus seiner Sicht für eine erfolgreiche Behandlung
erforderlich seien. Er antwortete:
"Von meiner Seite sieht es so aus, daß ich das Medium benötige, damit ich überhaupt in der Per-
son dieses Mediums hinter einen Patienten treten kann. Wenn ihr Wünsche hattet (damit ist auch die
Bitte um Fernheilung gemeint), bin ich immer von dem Medium gerufen worden, und dann hat sich das
Medium auf die kranke Person eingestellt. Ich kann alleine, ohne dieses Medium, die Kräfte nicht
weitergeben. Das ist sehr schwer zu erklären, weil ihr noch auf der Erde lebt. Ihr werdet das erst
später besser verstehen. Wir, die wir hier in der Geisterwelt leben, können Kräfte direkt aufneh-
men, wenn wir uns für so etwas vorbereiten und wenn wir dazu geeignet sind. Ihr wißt, daß ich
mich vor längerer Zeit dazu entschlossen hatte, zu versuchen, anderen Menschen zu helfen. Dafür
mußte ich dann sehr an mir selbst arbeiten. Ich mußte mich zurückziehen und mich stark auf meine
Aufgabe konzentrieren. Das war nicht an einem Tag oder einer Woche zu erledigen, sondern benö-
tigte sehr viel Zeit, in der ich mich auf mein Vorhaben vorzubereiten hatte. Wenn man aber eine
solche Aufgabe übernimmt, erhält man auch die nötige Hilfe. Sie kommt von den anderen Geist-
wesen, mit denen ich hier in eurem Kreis zusammenarbeite. Sie schirmen mich, wenn ich mich auf
den Heilversuch vorbereite, so ab, daß möglichst keine Störungen von der niederen Seite in mich
eindringen können.
Die Kraft, die ich empfange, kommt aus allen Richtungen in Form ganz feiner Strahlen. Sie brin-
gen mir die Kräfte, die ich durch das Medium weitergeben kann. Ich bin nicht fähig, diese Kräfte
selbst zu erzeugen, sondern ich kann sie nur weitergeben, weil ich dafür geschult bin und mich da-
rauf konzentriere. Darum bitte ich natürlich vorher, wenn wir wissen, daß wir uns mit euch treffen,
und wenn ihr Heilungswünsche habt. Mit den hier jetzt anwesenden und mich unterstützenden
Geistwesen treffe ich oft zusammen und bete mit ihnen gemeinsam. Wir haben jetzt gegenüber
früher eine sehr schöne und ruhige Zeit (Eine Anspielung auf frühere heftige Auseinandersetzungen mit der gott-
feindlichen Geisterwelt, von der auch besonders die beiden Medien mitbetroffen waren). Wir können aufgrund un-
serer eigenen Ruhe sehr viel von uns abwenden, so daß wir gar nicht andere Geistwesen rufen
müssen, um uns zu helfen. Seitdem wir mit euch zusammenarbeiten und außerdem hier in unserer
Welt Aufgaben übernommen haben, können wir uns sehr gut selber abschirmen. Durch die Erfah-
rungen, die wir in diesen Jahren gemacht haben, können wir die Niederen auch sehr schnell erken-
nen.
Wenn ich nun Kräfte weitergebe, empfange ich viele feine Strahlen, die aus allen Richtungen
kommen. Sie dringen bei mir ein. Ich kann sie selber spüren und kann sie durch die Hände des
Mediums weiterleiten. Es ist mir aber nicht möglich zu sagen, aus welcher Richtung ich sie emp-
fange. Ich weiß nur, daß sie von guten Geistern ausgehen, die ich aber nicht sehe. Ich kann nicht
am Ende eines Strahles ein Geistwesen oder eine Person wahrnehmen. Die Strahlen kommen aus
der Ferne, aus höheren Bereichen, und meinem Gespür nach von weither. Man hat uns gesagt, daß
sie von Geistwesen abgesandt werden, aber wir haben sie noch nicht gesehen."
Ich fragte Petranius, ob er für die Aufgabe, die Strahlen zu empfangen, besonders geschult worden sei.
Er antwortete:
"Bevor ich vor Jahren zu euch kam, merkte ich, daß ich Geistwesen, die krank waren, ab und zu
helfen konnte. Ich verspürte also diese besondere Gabe und habe dann Rexus (ein anderes helfendes
Geistwesen) bei seiner Arbeit geholfen {siehe S. 102 u. 104 und (82)}, bestimmte verlorengegangene
Geistwesen aufzuspüren, ihnen in gesundheitlicher Beziehung zu helfen, und ihnen Erkenntnis
über ihre Lage in unserer Welt zu vermitteln.
Ich bin auf Erden kein Arzt oder Heiler gewesen. Ich habe mich auch im Jenseits nicht sofort ent-
schlossen, als Heilgeist zu wirken. Das ist erst im Laufe der Zeit auf mich zugekommen. Da merk-
te ich, daß ich bestimmte Kräfte unmittelbar weitergeben und damit anderen helfen konnte. Ich
habe das dann mehr und mehr ausgebildet und bin schließlich eines Tages bei euch erschienen.
Das hat mich damals große Überwindung gekostet, weil ich befürchtete, daß die Menschen, wenn
ich mich bei ihnen melde, von mir Wunderdinge erwarten. Stanislaus und Nepomuk (andere helfende
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Geistwesen) haben mir aber sehr viel Mut gemacht und mir gesagt, daß ich ja nicht zu irgend etwas
gezwungen werde. Entweder kommen die Kräfte an, oder sie tun es nicht. Daraus würde mir kein
Vorwurf gemacht werden.
Ich arbeite sehr gerne mit euch zusammen und bedanke mich für euer Vertrauen. Ich wünsche
euch eine angenehme Zeit. Gott schütze und behüte euch. - Gott zum Gruß !
Petranius."
Am 24. September 1987 hat mir Petranius auf mein Befragen noch weitere Angaben gemacht. Er sag-
te, daß er mit einer Gruppe von insgesamt 16 Heilgeistwesen beiderlei Geschlechts zusammenarbeite,
die in der jenseitigen Welt verstorbene Menschen behandeln. Das seien Wesen, welche immer noch
das Gefühl von Schmerzen haben, die sich einbilden, gebrechlich zu sein, oder die glauben, daß ihnen
Körperteile fehlen, weil das auf Erden der Fall war. Es sei die Aufgabe dieser Gruppe (Petranius
spricht immer von "Gremium"), derartigen Unglücklichen zu helfen. Das geschehe aber nicht durch
operative Eingriffe am jenseitigen Leib, sondern durch den Einsatz von "Strahlen", die gezielt und
gebündelt auf den Körperteil gerichtet werden, der vom Patienten noch für beschädigt gehalten wird.
Es handelt sich dabei wieder um "Strahlen", die den Heilgeistwesen aus höheren Bereichen zugesandt
werden und die sie lediglich an die Hilfsbedürftigen weiterleiten.
Wenn in dieser Gruppe von Heilgeistwesen Fragen auftauchen, die keines der Mitglieder beantworten
könne, werde versucht, Antwort aus höheren Bereichen einzuholen. Dazu seien drei Gruppenmitglie-
der befähigt, die schon besonders lange dem Kreis angehören. Das Verfahren laufe folgendermaßen
ab: Alle Gruppenmitglieder sammeln sich innerlich, konzentrieren sich gedanklich gemeinsam auf die
Frage, die beantwortet werden soll, und bitten Gott um seine Hilfe. Die drei besonders befähigten
Geistwesen treten dabei in gedankliche Verbindung mit höheren Geistwesen, welche sie und die ande-
ren aber nicht sehen können. Nach kurzer Zeit bekommen die drei dann innerlich die Antwort einge-
geben. Es sei so ähnlich wie bei uns auf Erden, wenn besonders veranlagte Menschen, insbesondere
Medien, auf innerlich gestellte Fragen auch die Antwort innerlich eingegeben erhalten. Man nennt so
etwas "Inspiration". Der irdische Empfänger sieht dann den Absender auch nicht, er kann ihn nur füh-
len.
Im übrigen, so betont Petranius, sei er der einzige in seiner Gruppe, der neben seiner jenseitigen Tä-
tigkeit auch mit Menschen auf dieser Erde zusammenarbeite. Alle Gruppenmitglieder seien zu Lebzei-
ten auf Erden keine Ärzte oder Heiler gewesen. Zusammenschlüsse von ehemals irdischen Ärzten
kenne er in seiner ihm zugänglichen Umgebung nicht.
Und nun zu meinem eigenen Erlebnis, das ich mit Petranius hatte: Am 14. August 1983 fuhr ich zu-
sammen mit meiner Frau von der Nordseeküste nach Hause (Ravensburg). Wir übernachteten in einem
Hotel in Göttingen. Gegen 5.00 Uhr früh wachte meine Frau mit einer beginnenden Nierenkolik auf.
Da sie seit Jahren nierenkrank ist und mehrere Nierensteine hat, war das nicht die erste Kolik. Die
Schmerzen verstärkten sich schnell, so daß sie versuchte, mit einem Spasmocybalgin-compositum-
Zäpfchen und einem feuchtheißen Leibwickel die Kolik zum Abklingen zu bringen. Es stellte sich
aber kein Erfolg ein, und um 7.00 Uhr war die Kolik mit stärksten Schmerzen voll entwickelt. Da wir
uns in einer fremden Stadt befanden und weiterfahren wollten, war guter Rat teuer. Zu Hause hätte ich
den Hausarzt kommen lassen, der ein krampflösendes Mittel injiziert hätte. Aber in der fremden Stadt?
Welchen Arzt hätte ich rufen sollen, und wann wäre der überhaupt gekommen? Als gegen 9.00 Uhr
immer noch keine Linderung eingetreten war, rief ich den medialen Herrn B. in seiner Wohnung an
und schilderte ihm die Sachlage. Da er gerade Urlaub hatte, traf ich ihn glücklicherweise zu Hause an.
Er legte sich daraufhin noch einmal kurz zu Bett, betete zu Gott und rief den Alberto Petranius an. Ihn
bat er um die Aussendung von Heilkräften. Das Medium spürte das Zustandekommen der Verbindung
mit dem Heilgeist. Ich setzte mich derweil neben meine Frau, legte ihr die Hände auf den Kopf und
betete auch meinerseits um göttliche Hilfe. Nach etwa 20 Minuten begann bei ihr ein Nachlassen der
Schmerzen, das sich stetig fortsetzte. Gegen 10 Uhr war sie imstande aufzustehen und vorsichtig mit
dem Verpacken ihrer Sachen zu beginnen. Um 11 Uhr konnten wir unser Auto besteigen und die
Heimfahrt antreten. Meine Frau fühlte sich zwar noch matt, hat aber sonst die fast siebenstündige
Autofahrt gut überstanden. Ohne die Einschaltung der Geistigen Heilung hätte die ärztlich unbehan-
delte Kolik erfahrungsgemäß noch stundenlang fortbestanden und dann auch eine viel stärkere Abge-
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schlagenheit hervorgerufen, als sie sich jetzt einstellte. In diesem Fall wurde zwar keine völlige oder
weitgehende Heilung erreicht, denn die Nierensteine blieben weiterhin dort, wo sie waren, aber es
wurde doch in einer kritischen Lage eine entscheidende Linderung bewirkt.
Schlußbetrachtung
Die philippinischen Heiler, die ja ebenfalls Christen sind, habe ich hier nur ganz am Rande erwähnt,
und zwar deshalb, weil ich über sie eine gesonderte Abhandlung (84) verfaßt habe. Interessenten mö-
gen bitte dort nachlesen.
Die Wirksamkeit der Geistigen Heilung ist eine Realität. Sie wurde in früheren Zeiten, als es noch
keine wirksame Schulmedizin gab, in viel stärkerem Maße angewendet, als es heute der Fall ist. Aber
sie hat auch ihre Grenzen, und die sind um so enger gezogen, je weniger ausgebildet und geeignet der
Heiler und seine Geistführer sind. Die Schulmedizin hat ja deswegen die Geistige Heilung in so star-
kem Maße verdrängt, weil sie in vielen Fällen mit viel größerer Sicherheit Krankheiten heilen konnte.
Das Zurückdrängen der großen Seuchen wie Pest, Cholera, Typhus, Tuberkulose, Aussatz usw. ist
nicht der Geistigen Heilung zu verdanken, sondern den Forschungsergebnissen der modernen Medizin.
Eine Blinddarmentzündung, die früher zum Tode führte, kann heute problemlos in jedem Krankenhaus
chirurgisch erfolgreich behandelt werden. Aber trotzdem hat auch die moderne Schulmedizin Grenzen
ihrer Wirksamkeit, z. B. bei der Multiplen Sklerose, dem Krebs und vielen anderen chronischen
Krankheiten. Hier kann durchaus der Versuch gemacht werden, die Geistige Heilung einzusetzen,
ohne daß damit nun unbedingt ein "Wunder" garantiert ist. Doch nicht jeder ist in der Lage, einen
Arigó, Chapman oder Edson Queiroz aufzusuchen. Insbesondere sollte niemand eine schulmedizini-
sche Behandlung versäumen oder abbrechen, nur weil er meint, daß er durch Geistige Heilung viel-
leicht schneller und bequemer zum Ziel kommt. Wenn sie dann nicht hilft und kostbare Zeit verloren-
gegangen ist, kann u. U. auch die Schulmedizin nichts mehr bewirken.
Als zusätzliche Behandlungsmethode kann die Geistige Heilung aber immer eingesetzt werden. Dabei
mögen wir uns erinnern, daß der Heilungsauftrag Christi an alle seine Gefolgsleute und Gläubigen
gerichtet ist (Matt. 10, 8):
"Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein," denn (Joh. 14, 12): "Wer an mich glaubt,
wird die Werke, die ich tue, auch vollbringen."
Wie so etwas ablaufen kann, ist in der Bibel ebenfalls beschrieben. Im Neuen Testament im Brief des
Jakobus Kap. 5, Vers 14 finden wir die Anweisung dazu:
"Ist jemand unter euch krank, so lasse er die Ältesten der Gemeinde zu sich kommen; diese sollen
dann über ihm beten, nachdem sie ihn im Namen des Herrn mit Öl gesalbt haben. Alsdann wird
das gläubige Gebet den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden
begangen hat, wird ihm Vergebung zuteil werden."
Ein anglikanischer Geistlicher John Cameron Peddie hat sich der Heilung als religiöse Aufgabe wie-
der erinnert, sie ausgeübt und ein Buch darüber geschrieben mit dem Titel "Die vergessene Gabe. Hei-
len als biblischer Auftrag heute" (71). In diesem Buch sagt er u. a. (S. 49):
"Meine Ansicht ist, daß die heilende Kraft Gottes dreierlei tut: Sie versetzt erstens den Patienten in
die Lage, mehr Nutzen aus der Behandlung des Arztes zu ziehen, als dies sonst geschehen würde;
sie hilft zweitens, die natürliche Heilkraft des Körpers in Bewegung zu setzen; und drittens ver-
sorgt die göttliche Kraft ihn mit allem, was er benötigt. Wie Jesus sagte: 'Bei Gott sind alle Dinge
möglich' (Matt. 19,26)."
Wenn Sie also krank sind und über die normale medizinische Behandlung hinaus für sich etwas Weite-
res tun wollen, so gehen Sie mit dem Buch von Peddie zu Ihrem Gemeindepfarrer und bitten Sie ihn,
nach der Anweisung von Jakobus 5, Vers 14 mit Ihnen zu verfahren. Wenn der Pfarrer das ablehnt,
weil er an die Wirksamkeit nicht glaubt, oder dem Arzt nicht in das Handwerk pfuschen möchte, so
kann die Bitte um Heilung an Gott auch der Ehegatte, die Eltern oder ein Freund vornehmen. Als un-
terstützende Behandlung neben normaler Anwendung der Medizin oder Naturheilkunde werden Hand-
auflegen und Gebet um göttliche Heilkräfte oft ungeahnte Wirkung erbringen. Wichtig ist aber bei der
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Gebetsbehandlung, daß der Erkrankte nicht nur äußerlich sein Leben ändert, indem er krankmachende
Lebensumstände vermeidet und Heilmittel zu sich nimmt, sondern auch innerlich sein Leben ändert.
Er muß innere Fehlhaltungen abbauen, Haß und Neid verbannen und sein Leben auf Gott ausrichten.
Er muß das Gebet des Heilers durch sein eigenes Bitten und durch seine innere
Umstellung und das Vertrauen auf Gott unterstützen, allerdings immer eingedenk dessen: "Nicht mein
Wille, sondern Dein Wille geschehe."
Wer meint, er könne gegen Geld oder ein oberflächliches Gebet ohne jede sonstige eigene Leistung
bei einem Heiler seine Gesundheit zurückkaufen, wird oft sehr enttäuscht werden. Neuzeitliches An-
spruchsdenken findet in der Natur häufig keine Erfüllung. Außerdem möge man bedenken, daß eine
Krankheit einem Menschen auch als Schicksal auferlegt sein kann, durch das er innerlich reifen soll.
In diesem Fall werden Heilungsbemühungen nur sehr begrenzten Erfolg haben und höchstens Linde-
rung verschaffen können.
Wer einen Heiler aufsuchen will, sei es hier in Europa, sei es auf den Philippinen oder in Brasilien,
sollte immer versuchen, sich vorher über dessen sittliche und moralische Eigenschaften Klarheit zu
verschaffen. Schon beim Besuch eines normalen Arztes ist es angebracht, sich zuvor über seinen Ruf,
seine Behandlungsmethoden, Erfolge und Mißerfolge zu vergewissern. Dies gilt in noch stärkerem
Maße für jeden Geistigen Heiler. Hier geht es nämlich keineswegs nach dem Motto: 'Wenn es schon
nichts nützt, so kann es doch wenigstens nicht schaden'. So, wie jedes chemische Medikament seine
unangenehmen Nebenwirkungen haben kann, ist u. U. auch bei der Geistigen Heilweise langfristig
gesehen mit schädlichen Nachwirkungen zu rechnen. Es ist nämlich nicht gleichgültig, woher ein Hei-
ler seine Heilkräfte bezieht. Auch die gottfeindliche, die dämonische Welt hat ihre Priester und Heiler
und kann ihre Anhänger gesund machen. Doch hüte man sich, aus diesem Bereich seine Hilfe zu be-
ziehen. Dafür muß unter Umständen später ein Preis bezahlt werden, der dem betroffenen Menschen
sehr unangenehm wird. Im günstigsten Fall kann er in vorübergehenden psychischen Störungen und
Umsessenheitssymptomen bestehen. Im ungünstigen Fall gehen die Folgen weit über den Tod hinaus.
Daher versuche man, sich bei einem Heiler Klarheit darüber zu verschaffen, wen er als seinen Herrn
ansieht: Gott und Christus oder irgendeinen Dämonen, wie es bei den Umbanda-Spiritisten Brasiliens
der Fall ist. Wenn ein Heiler großsprecherisch daherredet, geheimnisvolle oder unverständliche Sprü-
che murmelt, hohe Honorare verlangt oder gar das "Sechste und Siebte Buch Mosis" benutzt, sollte
man ihn auf jeden Fall meiden. Auch von den herumreisenden Schamanen, den neuzeitlichen Hexen,
den vielen Magiern und selbsternannten "Parapsychologen", die alle so viel Werbung betreiben, halte
man sich fern.
Denn was hülfe es dem Kranken, wenn er seine Gesundheit wiedergewönne
und nähme doch Schaden an seiner Seele.
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Besessenheit und Exorzismus
Besessenheit und Exorzismus sind Worte, mit denen die Menschen heute Gedanken verbinden wie:
Mittelalter, Aberglaube, längst überholte religiöse Bräuche. Diese Begriffe spielten in den Religionen
aller Völker und auch in der christlichen Lehre eine große Rolle. Das Wissen um jene Dinge gehörte
zum Glaubensgut sowohl der katholischen als auch der evangelischen Christen. Die Aufklärung und
die Entmythologisierung haben aber mit derartigen Vorstellungen aufgeräumt. Besessenheit wird heu-
te als Epilepsie, Schizophrenie, psychotischer Anfall oder als Steigrohr des Unterbewußtseins erklärt.
Exorzismus gilt daher als völlig überflüssig, ja sogar gefährlich, weil er die "Besessenheit" überhaupt
erst hervorruft. Schlimmstenfalls wird er als unterlassene Hilfeleistung gewertet und gerichtlich
bestraft.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen zum Nachdenken darüber anregen, ob die heute üblichen
Anschauungen wirklich zutreffen. Vorurteile und Wunschdenken bringen uns in dieser Frage nicht
weiter, sondern nur systematisches, vorurteilsfreies Untersuchen der aufgeworfenen Sachverhalte im
Rahmen der Parapsychologie. Die in dieser Wissenschaft im Verlauf von über 100 Jahren gewonnenen
Erkenntnisse auf dem Gebiet des Mediumismus, hauptsächlich der Trance-Phänomene, haben gezeigt,
daß eine Fremdbeinflussung lebender Menschen möglich ist, die bei einer ganz bestimmten Ausbil-
dungsform die Bezeichnung "Besessenheit" erhalten hat.
Der Begriff "Besessenheit" kommt zunächst aus dem religiösen Bereich. Das Lexikon zur Bibel von
dem evangelischen Pfarrer Fritz Rienecker sagt dazu (74, Sp. 211):
"Besessenheit, besessen. I) Nach der Heiligen Schrift verstehen wir unter Besessenheit das Inne-
wohnen eines Dämonen in einem Menschen, dessen ganzes Denken, Fühlen und Wollen unter dä-
monischen Einfluß gebracht wird (Lk 22,3-6). Die Dämonen sind frühere Engel, die mitsamt ih-
rem Herrn, dem Satan, von Gott abgefallen sind und auf die Erde geworfen wurden (Lk 10,18;
Offb 12,8) bzw. im Abgrund gefesselt auf den Tag des Gerichtes warten (Jud 6). Soweit sie noch
das Recht haben, auf der Erde zu sein, ist es ihr Bestreben, eine Menschenwohnung zu bekommen,
die ihnen Ruhe verschafft, und in der sie bleiben können (Mt 12,43-44), um nicht vor der Zeit in
die Hölle fahren zu müssen (Mt 8,29; Lk 8,28-31). Die Dämonen nehmen vom Menschen Besitz
meist in der Einzahl, aber auch in der Mehrzahl (Mt 12,43; Lk 8,2) oder in der Vielzahl (Lk 8,30).
Der Zweck der Besitzergreifung des Menschen durch einen Dämon ist es, die Gemeinschaft des
Besessenen mit Gott zu verhindern und ihn zum Bösen zu veranlassen (daher werden die Dämo-
nen oft 'böse' Geister genannt) oder ihn zum Unglauben zu verführen (daher 'verführerische' Geis-
ter genannt 1. Tim 4,1) oder ihn zu unwahren Reden zu verleiten (daher 'falsche' Geister
genannt 1. Kön 22,22) oder sein Seelenleben zu verunreinigen (daher 'unsaubere' Geister genannt
Mt 10,1; 12,43; Mk 1,23; Apg 8,7 u.a.). Sie suchen den Menschen stets zu quälen, indem sie ihm
eine Krankheit beibringen können (Geisteskrankheit Mk 5,1 ff, Anfallskrankheit Mk 9,18 ff,
Rückgratverkrümmung Luk 13,11) oder indem sie durch Stummheit (Mt 9,32; Mk 9,17), Taub-
stummheit (Mk 9,25), Blindheit und Stummheit (Mt 12,22) es verhindern, daß der Besessene sein
Verlangen nach Christus kundtun kann und für Gottes Wirken aufnahmefähig wird. Bei all diesen
Quälereien sind die einen Dämonen bösartiger als die anderen (Mt 12,45). Das Endziel der Dämo-
nen ist es in jedem Fall, den Menschen umzubringen, um ihn ihrem Herrn auszuliefern
(Mk 9,22).
II) Kennzeichen für das Vorliegen einer Besessenheit ist: das Sprechen eines anderen aus dem
Besessenen (Mt 8,29; Mk 1,24; Luk 4,34; Apg 19,15 u.a.); Hellsichtigkeit, wobei die Dämonen
Jesus als den Sohn Gottes erkennen, der gekommen ist, sie zu verderben (Mk 1,24; 1,34 u.a.), und
in bestimmten Menschen Knechte Jesu erblicken (Apg 16,17); Wahrsagen (Apg 16,16); ein zeit-
weiliges unruhiges, Verhalten des Menschen (Schreien, Zähneknirschen, Toben (Mk 5,5; 9,18);
eine auffallend starke Körperkraft (Mk 5,4; Apg 19,16); heftiges Widerstreben gegen alle gött-
lichen Einflüsse (Mk 1,24; 5,7; Lk 4,34 u.a.); das mit Schreien, Zu-Boden-fallen, Auftreten von
Krämpfen verbundene Ausfahren des Dämons (Mk 1,26; 9,26; Lk 4,35-41; Apg 8,7); die völlige
Genesung des Besessenen nach erfolgter Austreibung (Mk 5,15; 9,27). Die aus ihrer menschlichen
Behausung ausgetriebenen Dämonen suchen, wenn irgend möglich, von demselben Menschen
wieder Besitz zu ergreifen Mt 12,44-45; Mk 9,25)."
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Obiges ist die Auffassung von evangelischen Theologen, die noch nicht vom Modernismus angekrän-
kelt sind. Ein Teil gleichgearteter katholischer Theologen sieht das Problem der Besessenheit in ähnli-
cher Weise.
In der Parapsychologie versteht man unter Besessenheit den Eingriff in das Steuerungszentrum eines
auf dieser Erde lebenden Menschen ohne oder gegen seinen Willen durch eine nichtirdische Wesen-
heit, ohne zunächst eine Aussage über die Art dieser Wesenheit zu machen. Durch den Eingriff wird
der betreffende Mensch zu Gedanken oder Handlungen genötigt, die nicht seinem eigenen Wollen
entsprechen. Sie sind oft für ihn selbst oder andere schädlich oder zerstörerisch. Dabei kann der Be-
troffene entweder noch eine innere Empfmdung oder äußerliche Wahrnehmung für das ihm fremde
Geschehen haben, oder aber er ist überhaupt nicht in seinem Körper bei Bewußtsein. Sind die Eingrif-
fe oder Beeinflussungen noch nicht schwerwiegend, so spricht man von "Umsessenheit" .
Physikalisch gesehen ist die Besessenheit weitgehend identisch mit den Trance-Phänomenen der
Medien. Wir haben es also bei der Besessenheit mit einer speziellen Form des Mediumismus zu tun.
Die paranormale Veranlagung beider Personengruppen ist daher wahrscheinlich gleich oder ähnlich.
Anfängliche Besessenheit kann manchmal in normale Medialität übergehen, und Medialität kann in
Besessenheit ausarten. In einzelnen Fällen kann bei fälschlich diagnostizierter Geisteskrankheit Beses-
senheit vorliegen. Auf diese Möglichkeit hat speziell der amerikanische Psychiater Dr. Carl Wickland
hingewiesen. Über ihn wird später besonders berichtet werden. Treten bei einer Besessenheit überwie-
gend physikalische Phänomene in Erscheinung (z. B. Würfe von Gegenständen, Zerstörung von Ge-
schirr und Fensterscheiben, Zerschneiden von Textilien usw.), so sprechen wir von personengebunde-
nem Spuk. Die Übergänge zwischen den einzelnen Kategorien sind aber fließend.
Bei den jenseitigen Verursachern einer Besessenheit muß es sich nicht unbedingt um Dämonen oder
den Teufel höchstpersönlich im religiösen Sinn handeln. Es sind meist nichteingereihte, jenseitige
Wesenheiten, die manchmal noch gar nicht wissen, daß sie nach irdischen Maßstäben gestorben sind.
Sie fühlen sich weiterhin an die Erde gebunden und nehmen jede Gelegenheit wahr, über einen medial
veranlagten Menschen weiterhin Einfluß auf irdisches Leben zu nehmen.
Eine der möglichen Abhilfen gegen die Besessenheit ist der sogenannte "Exorzismus". Das Wort
kommt aus dem Griechischen. Es heißen: exorkistés = Beschwörer; exorkízein = beschwören; einmal
in dem Sinn von "schwören lassen, vereidigen", oder aber hier in dem Sinn von "den dringlichen
Befehl geben unter Anrufung Gottes oder einer Gottheit".
Dieses Wort exorkízein verwendete z. B. der Hohepriester bei der Vernehmung Jesu am Gründonners-
tag, als er sagte (Matt. 26,63): "Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du uns sagest, ob du
seiest Christus, der Sohn Gottes." Griechisch: "Exorkízo se katà tou theou tou zontos hína hemin eípes
... usw." Bei der Dämonenaustreibung ist also der "Exorzismus" die Beschwörung, der dringliche Be-
fehl im Namen Gottes, das befallene menschliche Wesen zu verlassen.
Christus und seine Apostel betätigten sich als Exorzisten. So heißt es im Neuen Testament (Matt. 8,28):
"Als er hierauf an das jenseitige Ufer in das Gebiet der Gadarener gekommen war, traten ihm zwei
von bösen Geistern besessene Männer entgegen, die aus den Gräbern (Grabhöhlen, in denen sie Unter-
schlupf gefunden hatten) hervorkamen und so gemeingefährliche Menschen waren, daß niemand auf
der Straße dort an ihnen vorbeigehen konnte. Kaum hatten sie ihn erblickt, da schrien sie laut:
'Was hast du mit uns vor, du Sohn Gottes? Bist du hergekommen, um uns vor der Zeit zu quälen?"
Sie bitten dann um Austreibung in eine nahe Schweineherde, was Christus mit den Worten bewirkt:
"Hinweg mit euch!" Die bösen Geister fuhren dann in die Schweine ein, machten sie also besessen,
und die Herde stürzte daraufhin einen Abhang hinab in einen See und ertrank darin.
An anderer Stelle heißt es (Matt. 8,16):
"Als es Abend geworden war, brachte man viele Besessene zu ihm, und er trieb die bösen Geister
durch das Wort aus und heilte alle, die ein Leiden hatten."
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Christus verlieh auch seinen Aposteln die Macht, Besessene zu heilen. Es heißt (Matt. 10,1):
"Er rief dann seine zwölf Jünger herbei und verlieh ihnen Macht über die unreinen Geister, so daß
sie diese austreiben und alle Krankheiten und jedes Gebrechen zu heilen vermochten."
Die Apostel machten von dieser Gabe auch Gebrauch. Als Christus 70 Jünger paarweise vor sich her
in alle Städte und Ortschaften sandte, in die er selbst anschließend zu gehen gedachte, berichteten die-
se ihm später über ihre Erfolge. Es heißt darüber (Luk. 10,17):
"Die Siebzig kehrten dann voller Freude zurück und sagten: 'Herr, auch die bösen Geister sind uns
kraft deines Namens gehorsam.' Da antwortete er ihnen: 'Ich habe den Satan wie ein Blitz aus dem
Himmel herabgestürzt gesehen. Ihr wißt, ich habe euch die Macht verliehen, auf Schlangen und
Skorpione zu treten und die Macht über das ganze Heer des Widersachers, und keinen Schaden
wird er euch irgendwie zufügen können. Doch nicht darüber freuet euch, daß die Geister euch
gehorsam sind; freut euch vielmehr darüber, daß eure Namen im Himmel eingeschrieben stehen.'"
Von den Aposteln ausgehend hat die Tätigkeit des Exorzierens auch Eingang in die späteren christli-
chen Kirchen und insbesondere in die römisch-katholische Kirche gefunden. Die dritte niedere Weihe
eines jeden katholischen Priesters ist die des Exorzisten. Die Dämonenaustreibung erfolgt nach den
Richtlinien des Rituale Romanum (97), wie es unter Papst Paul V. (1605 - 1621) erlassen wurde. In
Kapitel I "Richtlinien zur Beschwörung eines bösen Geistes" heißt es darin:
"Der Priester, der durch außerordentliche und ausdrückliche Vollmacht des Ortsbischofs die vom
Teufel Gequälten beschwören will, muß sich zugleich durch Frömmigkeit und Klugheit als auch
Unbescholtenheit im Leben auszeichnen; nur wer nicht nur durch seine eigene Kraft, sondern auch
durch göttliche Kraft gestärkt ist, und allen menschlichen Begierden fernsteht, soll ein so frommes
Werk aus Nächstenliebe standhaft und demütig ausführen. Darüber hinaus ziemt es sich für ihn,
von gereiftem Alter zu sein. Er soll nicht nur durch sein Amt wirken, sondern auch wegen seiner
Sittenstärke zu verehren sein."
Der Exorzismus gehört zur Gruppe der Sakramentalien. Seine Hilfsmittel sind: Gebet, Handauflegung,
Anwendung des geweihten Wassers, Befehlswort im Namen Gottes und Christi und im Namen der
Kirche, sowie das Kreuzzeichen. Über die sonstigen Voraussetzungen zur erfolgreichen Tätigkeit ei-
nes Exorzisten berichtet der katholische Religionswissenschaftler Prof. Gebhard Frei (1905 - 1967) in
seiner Abhandlung über "Besessenheit und Exorzismus" (24, S. 170):
"Nur Demut, Glaube, Gebet und eventuell beigefügtes Fasten ermöglichen ihnen, diese Vollmacht
auszuüben. Der Gebrauch seines (Christi) Namens wirkt nicht automatisch-magisch, sondern nur
kraft der inneren Vollmacht, die ein entsprechendes sittlich-religiöses Leben erst gewährt.
Das zeigt paradigmatisch (beispielhaft) jenes Ereignis von Ephesus, das Apg. 19,13ff. berichtet. Sie-
ben Söhne eines gewissen Skeuas aus hohen-priesterlichem Geschlecht übten sich als Exorzisten
und gebrauchten die Formel: 'Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus verkündet
Aber
der böse Geist gab ihnen zur Antwort: 'Jesus kenne ich, und von Paulus weiß ich, aber ihr, wer
seid ihr? ... Und damit stürzte sich der dämonisch Besessene auf sie, überwältigte zwei und ließ
dermaßen seine Kraft an ihnen aus, daß sie ohne Kleider und übel zugerichtet aus jenem Hause
flohen.'
In dieser und jener Form hat sich die Szene bis heute oft wiederholt. In den ersten christlichen
Jahrhunderten haben Kleriker und Laien, gestützt auf die Versprechen Christi, sich viel als Exor-
zisten geübt und bewährt. Sie beriefen sich den Heiden gegenüber immer wieder darauf
Wie bei der Ausübung anderer Weihefunktionen, z. B. der Priesterweihe, unterscheidet die katho-
lische Kirche auch bei der Weihe der Exorzisten zwischen der Weihevollmacht und dem Recht,
von dieser Vollmacht Gebrauch zu machen. Für die Vornahme eines feierlichen Exorzismus
braucht nach kirchlichem Recht und nach der Vorschrift des Römischen Rituale der Exorzist Er-
laubnis und Auftrag seines Bischofs. Es gibt im Rituale im Anschluß an den Text des feierlichen
großen Exorzismus noch den Text des kleinen, privaten 'Exorzismus gegen Satan und die abgefal-
lenen Engel', den jeder Geistliche und sogar jeder Laie privat anwenden kann." (Seit 1985 je-
doch nicht mehr. Anmerkg. d. Verf.)
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Nicht jeder Exorzismusversuch eines Theologen muß erfolgreich sein, denn es kann ihm auch wie den
sieben Söhnen des Skeuas gehen, die im Namen Jesu und Pauli exorzierten und übel zugerichtet wur-
den. Prof. Frei berichtet ein Beispiel von zunächst erfolglosem Exorzismus (24, S. 178):
"Ein anschauliches Beispiel ist mir bis in alle Details bekannt. Es war in jenen Wochen, als Mirin
Dajo15 kurz vor seinem Tode in Winterthur in der Schweiz, besonders in Zürich, sich von Stiletten
durchstechen ließ, ohne Schaden zu nehmen. Eine ältere katholische Dame mit geistigen Heilkräf-
ten nahm sich einer kleinen, etwa 40jährigen Frau an, die alle Anzeichen echter Besessenheit auf-
wies. Sie ersuchte zwei oder drei Mönche, miteinander den Exorzismus, zunächst den privaten, an
der Frau zu vollziehen. Es geschah im kleinen Stübchen der alten Dame, aber der einzige Erfolg
war, daß die Kranke in hohem Bogen durch die Luft hinter das Bett der Dame geworfen wurde,
und ungeheilt hervorgezogen werden mußte. Die Dame wollte der Kranken unbedingt helfen und
sagte sich, wenn die Patres es nicht können, so kann es vielleicht Mirin Dajo, der dies am Telefon
auch versicherte. Es kam aber, kurz vor Mirin Dajos Tode, nur zu einer peinlichen Szene, indem
die kleine Frau mit unheimlicher Kraft Mirin Dajo an seinem Kittelkragen packte und in die Luft
hob, wofür noch Zeugen aus seinem Anhängerkreis sich finden lassen müßten. Mehrere Männer
mußten die Frau überwältigen und aus dem Haus führen. Nun sagte sich die alte Dame, sie müsse
es selber versuchen, erinnerte sich aber, daß es in der Schrift heiße, es gäbe Dämonen, die nur
durch Gebet und Fasten überwunden werden könnten. Sie beschloß, einen ganzen Monat, Mitte
Juli bis Mitte August zu fasten. Die Stimme aus der Besessenen sagte, es solle ihr teuer zu stehen
kommen, und plötzlich kamen aus allen Tapeten sehr viele Wanzen hervor und plagten die Dame
während des ganzen Fastenmonats. Am 15. August jenes Jahres nahm sie die Besessene in ihr
Zimmer, in einem intensiven Gebetssturm bat sie um Befreiung. Es warf die Besessene noch ein-
mal in die Luft, dann auf den Boden, wo sie auf dem Teppich sofort einschlief und nie mehr den
kleinsten Rückfall hatte.
Während der Exorzismus über Besessenen in der katholischen Kirche selten ist, ist der Exorzismus
in einem weiteren Sinne, über die zu Taufenden, über Räume und Gegenstände etwas Alltägli-
ches."
Aus der großen Anzahl der in alter und neuer Zeit berichteten Besessenheitsfälle gebe ich zunächst
eine Schilderung von Prof. Gebhard Frei wieder. Er schreibt (24, S 127):
"Im Jahre 1959 wünschte ein ausländischer Bischof ein Gutachten über einen Fall, der damals
schon 23 Jahre anstand und bei dem die Parteien, die für Hysterie oder Schizophrenie einerseits,
für Besessenheit andererseits eintraten, sich gegenüberstanden. Der Hauptunterschied zu einem
anderen Fall besteht darin, daß kaum physikalische Phänomene vorkommen und daß die religiösen
Momente eine ausschlaggebende Rolle spielen. In mehrtägigen Verhören von Zeugen, Abhören
von Tonbandaufnahmen und fast zwölfstündigem Beisammensein mit der damals 38jährigen
'Patientin', die wir Eva nennen wollen, ergab sich folgendes Bild: Bis zum 15. Lebensjahr zeigten
sich keine Symptome. Als Eva einst krank war, besuchte sie die Schwiegermutter ihrer Schwester,
die ihr ein Stück Lebkuchen aufdrängte. Im Volk stand die Frau in schlechtem Ruf und galt als
'Hexe'. Tatsächlich ist das Essenlassen magisch beeinflußter Speisen ein bekanntes Mittel in der
Magie.
Eva bekam nun eine Krankheit nach der anderen, im Halse, an den Zähnen, Gallenblasenentzün-
dung, Herzasthma, Fieberanfälle, Krankheiten, die oft ebenso plötzlich aufhörten, wie sie
begonnen hatten. Sie wurde zunächst im Hause, dann im Spital behandelt. Die Ärzte kannten sich
nicht mehr aus und sagten, es sei hysterisch, es seien 'Nervenkrämpfe' und anderes. Als sie wieder
zuhause krank lag und Eltern und Geschwister im Zimmer waren, stand sie plötzlich auf im Bett
und 'schwebte', so daß nur noch die Spitze der großen Zehen das Leintuch berührte, und sagte:
'Kniet nieder und betet mich an.' Bisher hatte noch kein Angehöriger an etwas anderes als Krank-
heit gedacht.
Symptome waren nun: die rauhe, total andere Stimme, mit der Eva im Zustand 2 spricht. Sie be-
gann, mit dieser Stimme ihre Mutter mit unflätigen Beschimpfungen zu überschütten und jeden
15 Mirin Dajo, Künstlername für Arnold Henskes, 1912 - 26.5.1948, holländischer Telepath und Hellseher, der ab April 1946
dadurch großes Aufsehen erregte, daß er sich in öffentlichen Vorstellungen in der Schweiz von bis zu fünf Degen gleichzei-
tig durch Brust und Leib völlig durchstechen ließ, ohne daß Blutungen oder bleibende Schäden entstanden. Er starb 15 Ta-
ge, nachdem er einen
35 cm langen Dolch verschluckt hatte, infolge innerer Verblutung durch Verletzung und
Infektion der Speiseröhre.
- 185 -
Geistlichen, jede Ordensfrau, die in die Nähe kamen, mit einem grausigen Auswurf anzuspeien, so
daß man für solche Fälle einen abwaschbaren Mantel und einen Hut mit Schleier, wie ihn die
Imker bei der Arbeit tragen, bereit hielt.
Am 08. Dezember 1937, etwa 1½ Jahre nach Ausbruch der Krankheit, versuchte es ein Geistlicher
mit dem Exorzismus und befahl dem Wesen in Eva im Namen Christi, nie mehr zu spucken und
die Mutter zu beleidigen, was seither nie mehr vorkam. Das 'Wesen' wollte Eva immer nackt oder
höchstens im Nachthemd. Bei einem weiteren Exorzismus wurde befohlen, es müsse die Eva sich
kleiden lassen. Seither verschwand diese Schwierigkeit, aber in allen anderen Dingen ist der Zu-
stand der Patientin seit 23 Jahren mehr oder weniger unverändert. Sie schläft nachts kaum, sondern
kauert in einer Divanecke voller Todesangst bei Licht. Morgens gegen 6 Uhr schlummert sie ein
und schläft bis gegen ½11 Uhr. Dann besorgt sie ruhig und korrekt den Haushalt ihrer Schwester,
die Lehrerin ist. Im allgemeinen ist sie ruhig, wenn nichts Religiöses in die Nähe kommt. Die
Schwester sagt, sie könnte einen Eid schwören, daß Eva seit sehr vielen Jahren nur von ganz we-
nig Tee oder Kaffee, Milch oder flüssigem Rahm lebe, und nie etwas Festes mehr schlucken kön-
ne.
Das Hauptsymptom bei Eva ist nun eine außerordentliche, oft paranormale Sensibilität auf alles,
was mit dem Geweihten, seien es geweihte Personen, seien es geweihte Sachen, mit dem Gebet,
dem 'Heiligen' im weiten Sinne von Rudolf Otto zu tun hat.
Beispiele: als sie mit dem Auto aus der Ferne gebracht wurde, hatte ich mir von dem Herrn, bei
dem die Beobachtung stattfand, einen grauen Zivilanzug und eine blaue Krawatte geliehen. Ich
wurde vorgestellt: 'Prof. Frei'. Antwort: 'Du hast ja noch einen ganz anderen Beruf.' - 'Was für ei-
nen anderen Beruf?' - 'Brauch ich nicht zu sagen.' Als ich kurz darauf beim Mittagessen der Dame,
die im Auto mit Eva gekommen war, die Suppenschüssel hinreichte, sagte Eva: 'Wollen Sie sich
nicht zuerst bedienen?' Ich sagte: 'Bitte, die Dame zuerst!' Eva sagte gehässig: 'Ich habe
gemeint, die Geistlichen kommen immer zuerst.' - 'Ja, bin ich denn ein Geistlicher?' - 'Brauch ich
nicht zu sagen. Du weißt es ja.'
Als Eva an einem Backkurs mit anderen Mädchen ihres Dorfes teilnahm, wurde sie aus dem Saal,
in dem der Kurs stattfand, mit magnetischer Kraft herausgezogen, als ein Geistlicher mit einer
konsekrierten Hostie am Hause vorbeiging, obwohl man ihn vom Hause aus gar nicht sehen konn-
te. Als ein Geistlicher in Kleidung und Haube eines Motorradfahrers, die seine schwarze Kleidung
völlig zudeckte, in die Nähe von Eva kam, erfolgte prompt die Frage: 'Was willst du, Pfaff?'
Handauflegen, Anhauchen, Befehl kraft seines Amtes lösen von seiten eines Geistlichen andere
Reaktionen aus, als von Seiten eines Laien. Die 'Stimme' sagt, das sei bei jedem Geistlichen so,
selbst wenn er nicht persönlich von seiner Weihe durchdrungen sei. Wenn er dies aber sei, so zeig-
ten sich die Wirkungen gleichsam potenziert. Weihwasser, geweihtes Öl etc. werden als unange-
nehm empfunden, verabscheut, gemieden. Das Wesen in Eva fühle sich dadurch gequält.
Wenn Menschen in der Nähe beten, wird Eva unruhig, sucht die Gebete durch Zwischenrufe, Zwi-
schenbemerkungen, Gelächter, Ablenkungen zu stören oder zu verhindern. Bei länger dauerndem
Gebet, wie Rosenkranz, Litaneien, steigert sich die Abwehr bis zu Haßausbrüchen, Wutaus-
brüchen, unmenschlichem Gelächter und schauerlichem, tierähnlichem Gebrüll. Es ist auch auf
Tonband festgehalten.
Man muß bedenken, daß Eva seit ihrem 15. Lebensjahr in diesem Zustand ist, und kaum mehr et-
was gelesen hat. Trotzdem zeigt sie oft in ihren blitzartigen Antworten ein staunenswertes
Wissen.
Auch auf Tonband festgehalten ist z. B. ein Gespräch, bei dem ein Herr beiläufig erwähnt, der
hl. Pfarrer von Ars habe ja auch mit den Bewohnern der Hölle zu tun gehabt. Prompt sagt sie: 'Ja,
aber der hat uns wenigstens hie und da Freunde genannt.' Tatsächlich liest man in seiner Bio-
graphie, daß er nach den jahrelangen Kämpfen und Belästigungen etwa zum 'grapin', wie er ihn
nannte, sagt: 'Mais mon ami, qu'est ce que tu as fait?' (Aber mein Freund, was hast du getan?) Wie kann
eine Frau, die kaum liest, so ein Detail eines fernen Heiligen gerade wissen? Das ist keine Behaup-
tung, nur eine Frage, die man sich stellt.
Als die 'Stimme' oder das 'Wesen' wieder einmal, wie so oft, drastisch lügt, sagt ein Herr: 'Kerl,
kannst du überhaupt nicht sachlich sein?' Antwort: 'Hm! dann wäre ich ja in der Wahrheit.' (Gott
ist die Wahrheit, also in Gott.)
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Wenn ein Bibelzitat in Wortlaut oder Fundstelle ungenau ist, erfolgt in vielen Fällen mit hämi-
schem Lachen eine Berichtigung. Ein Geistlicher, der sich auch viel mit psychologischen Fachstu-
dien abgegeben hatte, hatte vor Jahren auch eine Untersuchung des Falles angestellt, aber fast nur
mit psychologischen Fragen usw. Als ich kam, sagte die 'Stimme': 'Mach es doch wie der Pater X,
setz dich so hin (und Eva machte es mit theatralischer Geste vor, ein Knie über das andere ge-
schlagen) und red mit mir zwei Stunden über Psychologie. Das gefällt mir schon. Aber bleib mir
mit diesem frommen Zeug weg, du weißt schon was, - das kann ich nicht aushalten. Heute lasse
ich mir zwar alles gefallen, damit du dem Bischof schreibst, daß Eva nur hysterisch ist.'
Tatsächlich benahm sich das Wesen so, daß jene, die es seit Jahren, die Eva zum Teil seit 25 Jah-
ren kannten, sagten, so etwas hätten sie noch nie erlebt. Und wenn sie nicht auch ganz andere Sze-
nen erlebt hätten, würden sie auch denken, sie sei eben krank.
Mein Ziel war, ich wollte Eva einmal in ihrem gewöhnlichen gesunden Zustand sehen, und sei es
auch nur für eine halbe Stunde. Denn länger bekäme man sie nicht 'frei', wurde gesagt. - Wenn
kein Gebet, kein Exorzismus und nichts helfe, dann helfe nur noch die Kommunion. Wir haben zu
fünft einen richtigen Gebetskampf gefochten, zwei bis drei Stunden lang. Aber die wahre Eva
wurde nicht freigegeben.
Ich fuhr mit einem Auto zur entfernten Pfarrkirche und holte aus dem Tabernakel eine hl. Hostie.
Man sagte mir, ich müßte Geduld haben, denn gerade dieses wollte das 'Wesen' nicht zulassen.
Eva kniete in der Stube am Boden mit krampfhaft verschlossenem Mund. Wir beteten. Nach eini-
gen Minuten zeigte ich nochmals die Hostie und sagte: 'Eva, glaub doch, Christus hat dich gern.'
Den Wechsel, der nun vor sich ging, können keine Worte beschreiben. Es war, als ob plötzlich
ganz von Innen her eine menschliche Seele in die Augen stiege, ins Gesicht. Eva empfing die
Kommunion und betete mit einer leisen, innigen, schlichten Stimme, wie ein Kind, das gläubig
seine Erstkommunion empfängt. Nachher unterhielt ich mich, in Gegenwart eines zweiten Geistli-
chen, noch mit ihr. Sie redete ganz vernünftig, sagte, ich solle ihr sagen, was sie tun müsse, damit
sie nicht mehr hysterisch sei, wie der Ortspfarrer es doch behaupte. Der andere Geistliche, der
durch die erschütternden Erlebnisse mit diesem Fall Eva als schon Berufstätiger, als sogenannter
'Spätberufener', Geistlicher geworden war, sagte: 'Eva, vielleicht ist es doch etwas anderes. In ge-
wissen Momenten weißt du es ja, - und hast 'Ja' gesagt. Schweigend nickte sie. - Als ungefähr eine
halbe Stunde vergangen war, erlosch das Licht in den Augen wieder, kein religiöser Befehl konnte
mehr etwas ausrichten, das 'andere Wesen' war wieder da.
Welches andere Wesen? Eine Spaltpersönlichkeit, wie bei den Patientinnen von Charkot an der
Salpétrière in Paris, von Liebaut in Nancy, bis zu den 'Drei Gesichtern der Eva C'?
Gewiß erzählen Schizophrene ja 'ihren' Roman. Der 'Roman', den die rauhe Stimme in Eva erzählt,
lautet im wesentlichen: er sei ein verstorbener Lehrer, der als Kindesverführer und Selbstmörder,
oft zusammen mit seiner ähnlich gesinnten Geliebten, dieses Wesen Eva wie ein Haus bewohne.
Einmal beschwor er uns, ihn nicht zu vertreiben, da, wie er sagte, er und die mit ihm ja 'nicht in die
Säue fahren könnten, wie am See Genezareth'.
Ich gestehe: wenn ich diesen Fall in seiner Darstellung nur gelesen hätte, so hätte ich dem Bischof
gesagt: Schizophrenie eher als Hysterie. Der Bischof hätte das gerne hört, erwartete es so. Aber die
in Worten nicht faßbaren Erlebnisse waren zu stark."
Eine ausführliche Darstellung einer Vielzahl von Besessenheitsfällen habe ich in der Schrift "Beses-
senheit und Exorzismus. Wahn oder Wirklichkeit?" (83) gegeben. Zusammenfassend möchte ich hier
lediglich folgendes anführen. Nur dem katholischen Geistlichen steht zur Heilung von Besessenheit
der große Exorzismus nach dem Rituale Romanum zur Verfügung. Der evangelische Geistliche, sofern
er überhaupt eine Besessenheit für möglich hält, und jeder Nichttheologe, ist auf das eigene freiformu-
lierte Gebet angewiesen. Der große Exorzismus der Katholiken hat für mein Empfinden einen sehr
großen Nachteil, der wahrscheinlich mit dazu führt, daß er in vielen Fällen erfolglos bleibt. Auch in
dem obigen Fall gab es ja nur kleine Teilerfolge aber keine völlige Befreiung. Im
Rituale Romanum wird ausschließlich davon ausgegangen, daß der Besessenheitsgeist ein teuflischer
Dämon ist, der nur für das ewige Feuer der Hölle bestimmt ist, und nur dorthin vertrieben werden soll.
Es wird kein seelsorgerliches Gespräch mit ihm gesucht und geführt, um ihn auf seinen falschen Weg
und im Gegensatz dazu auf die Welt Gottes aufmerksam zu machen. Von gütigem Zuspruch ist nie die
Rede. Es wird nicht versucht, ihn zu bewegen, Gott um Verzeihung zu bitten, und sich, seinem Reich
wieder anzuschließen. Statt dessen sollen der oder die Teufel beunruhigt und aufgereizt werden. Dazu
wird der Besessenheitsgeist beschimpft, beleidigt und mit den Worten belegt: du Feind des Glaubens,
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nichtswürdiger und verfluchter Drache, Räuber des Lebens, Beuger der Gerechtigkeit, Zündstoff aller
Laster, Verräter der Völker, Ursache des Geizes und der Zwietracht usw. (97, S. 195).
Bei ständigen Wiederholungen gipfelt dann der Exorzismus in den Worten und dem Befehl (97, S.
207):
"Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet
ist. Du, Gottloser, und deine Engel werden Würmer sein, die niemals sterben. Dir und deinen En-
geln wird ein unauslöschliches Feuer bereitet, da du der Anstifter des schimpflichen Mordes bist,
der Meister der schlimmsten Frevel, der Lehrmeister aller Gotteslästerung, der Lehrer der
Irrlehrer, du Unzüchtiger. Weiche also, Gottloser! Weiche Verruchter! Weiche mit allen deinen
Täuschungen, da Gott den Menschen als seinen Tempel gewollt hat."
Bei derartigen Worten dürfte wohl kaum ein Besessenheitsgeist das Bedürfnis verspüren, in sich zu
gehen, um sich zu ändern. Von der Liebe und Gnade Gottes, die auch ihm zuteil werden kann, wenn er
sich bekehrt, wird ihm überhaupt nichts gesagt. Und dabei handelt es sich doch allermeist nur um
irrende, manchmal bösartige, verstorbene Menschen, die gar nicht zur höchsten Hierarchie Luzifers
gehören.
Ganz anders ging in dieser Beziehung der amerikanische Psychiater Dr. med. Carl A. Wickland
(1862 - 1937) vor. Er hatte als Arzt den Eindruck gewonnen, daß unter den Patienten der sogenannten
Irrenanstalten und seiner eigenen Praxis zahlreiche Menschen waren, die nicht im medizinischen Sinn
krank waren (also z. B. nicht von Schizophrenie befallen waren), sondern an mehr oder minder ausge-
prägten Besessenheitszuständen litten. Wickland war der Überzeugung, daß menschliches Leben mit
dem Tode nicht sein Ende findet und daß daher eine Fremdbeeinflussung lebender Menschen dieser
Erde durch sogenannte erdgebundene Verstorbene durchaus möglich ist. Er berichtet darüber (95,
S.31):
"Der Wechsel oder Übergang, 'Tod' genannt - das Wort ist eine falsche Benennung - und allge-
mein mit Furcht und Schrecken betrachtet, vollzieht sich gewöhnlich so natürlich und einfach, daß
die Mehrzahl der Menschen nach dem Verlassen des Körpers sich ihres Hinüberganges gar nicht
bewußt ist. Und soweit die Verstorbenen von einem geistigen Fortleben nichts wissen, sind sie in
völliger Unkenntnis darüber, daß sie in einen anderen Daseinszustand hinübergetreten sind. Ihrer
körperlichen Sinnesorgane beraubt, leuchtet ihnen kein irdisches Licht mehr; und aus Mangel an
Verständnis für das hohe Lebensziel sind diese Menschen geistig blind und finden sich in einem
Dämmerlicht - die 'äußerste Finsternis' nennt es die Bibel - und treiben sich in dem Bereich herum,
der als Erdsphäre bekannt ist
Diese erdgebundenen Geister sind die 'Teufel', an die man zu allen Zeiten geglaubt hat; 'Teufel'
menschlicher Herkunft, Erzeugnisse menschlicher Selbstsucht, falscher Lehren und Unwissenheit,
die, völlig blind auf die geistige Ebene gelangt, dort in den Banden ihrer Unwissenheit festgehal-
ten werden! Der Einfluß dieser entkörperten Wesenheiten ist die Ursache vieler unerklärlicher und
geheimnisvoller Ereignisse hier im Leben und trägt die Schuld an einem großen Teil des Elends
dieser Welt. - Reinheit des Lebenswandels und der Grundsätze oder hohe Verstandeseinsicht ge-
währen durchaus keinen sicheren Schutz gegen Besessenheit! - Nur allgemeine Anerkennung der
Bedeutung dieser Fragen und Belehrung, sowie Aufklärung darüber, sind Schutzmittel dagegen!
Es gibt verschiedene körperliche Zustände, welche das Eindringen von Geistern in einen Men-
schen begünstigen. Oft ist solche Beeinträchtigung einer angeborenen medialen Empfänglichkeit
zuzuschreiben oder einer Erschöpfung des Nervensystems oder einer plötzlichen seelischen Er-
schütterung. Auch rein körperliche Störungen begünstigen das Besessenwerden; denn wenn die
natürliche Lebenskraft geschwächt ist, leistet der Organismus geringeren Widerstand, und
andrängenden Geistern wird leichter Eingang gewährt, obwohl sehr oft weder der Sterbliche noch
der Verstorbene von der Anwesenheit des anderen etwas weiß!
Diese Beeinträchtigung durch Geister verändert den Charakter des davon Befallenen, und es ent-
steht daraus eine offensichtliche Veränderung der Persönlichkeit, bei der zuweilen mehrere fremde
Persönlichkeiten zugleich oder in scharf geschiedenem Nacheinander dargestellt bzw. nachgeahmt
werden. Häufig verursacht solcher Geistereinfluß ausgesprochene Verrücktheit der verschiedens-
ten Grade, von einfacher Verstandesverwirrung über alle Formen von Irresein, Hysterie, Fall-
sucht, Schwermut, Granat-Schock, Stehlsucht, Blödsinn, religiösem und Selbstmord-Wahn, wie
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auch Gedächtnisverlust, seelisch bedingte körperliche Gebrechlichkeit, Trunksucht, bis zu unbe-
herrschbarem Hang zur Unsittlichkeit und Grausamkeit, Vertiertheit und anderen Formen schwers-
ten Verbrechertums.
Die Menschheit ist umschwirrt vom Gedankeneinfluß von Millionen entkörperter Geister, die den
höheren Sinn des Lebens noch nicht erfaßt haben! Erkennt man das als Tatsache an, dann erklärt
sich aus ihr ungezwungen eine Unmenge von Erscheinungen, wie unerwünschte Gedanken, unbe-
gründete Erregungen, seltsame Ahnungen, Launen, Reizbarkeit, übertriebene Erregbarkeit,
unvernünftige Leidenschaftsausbrüche, unlenksame Wahnbefangenheit und zahllose andere Ent-
gleisungen im Gemüts- und Denkleben."
Dr. Wickland beschreibt nun, auf welche Weise er mit den erdgebundenen und besessenmachenden
Geistwesen über seine mediale Frau in Verbindung trat, und wie er erstere zu einer Abkehr von ihrer
diesseitigen Bindung veranlaßte (95, S. 47):
"Die Übertragung der krankhaften Seelenzustände von einem Patienten auf das Medium (meine
Frau) wird erleichtert, wenn wir den Patienten mit Hilfe einer Influenz-Maschine elektrisieren, was
wir oft in Gegenwart des Mediums tun. Obgleich diese Elektrizität für den Patienten völlig harm-
los ist, hat sie doch eine außerordentlich starke Wirkung, denn der Besessenheitsgeist kann dieser
elektrischen Behandlung nicht lange standhalten und wird aus dem Patienten vertrieben.
Der auf diese Weise ausgetriebene Geist kann nun mit Unterstützung unserer unsichtbaren Helfer
Eingang in das Medium finden. Dadurch wird es möglich, sich mit dem betreffenden Geiste ganz
unmittelbar zu unterhalten, und man macht nun den Versuch, ihn zur Erkenntnis seiner wahren
Lage zu bringen und ihn zu belehren, daß er ja ein viel besseres Leben haben kann. Dann nehmen
die höher entwickelten Geister ihn mit und sorgen weiter für ihn, während meine Frau in ihren
normalen Bewußtseinszustand zurückkehrt.
Ganz im Sinne der geschilderten Erfahrungen hielten wir mit meiner Frau als Medium
regelmäßige Sitzungen und bekamen in vielen Fällen höchst bemerkenswerte Beweise dafür, daß
entkörperte Wesen die Urheber der krankhaften Seelenzustände waren. Auch wenn der Kranke
weit entfernt von uns wohnte, gelang es häufig, die Besessenheitsgeister aus ihrem Opfer zu ver-
treiben und sie durch unsere unsichtbaren geistigen Helfer in unseren Zirkel zu bringen, wo sie
von dem Körper des Mediums Besitz nehmen durften. Solche Geister beklagen sich oft darüber,
daß man sie fortgejagt habe. Doch haben sie keine Ahnung davon, daß sie verstorben sind, und als
Geister Menschen besessen gemacht und gequält haben.
Erlebt man aber nun einerseits, daß der Besessenheitsgeist, wenn er sich durch das Medium kund-
tut, sich ganz ebenso gebärdet, wie er es zuvor in dem Kranken getan hat, und andererseits, daß
seine Vertreibung aus dem Kranken dem letzteren Befreiung von seinen Beschwerden bringt, so
beweist das doch ohne Zweifel, daß jener Geist der Urheber der krankhaften Störung war. In vie-
len Fällen ließ sich auch zweifelsfrei feststellen, welche menschliche Persönlichkeit wir als Ver-
storbenen im Medium vor uns hatten! - Mit solcher 'Übertragung' auf das Medium und der dauern-
den Vertreibung des Geistes bessert sich das Befinden des Kranken. Doch kommt es oft genug vor,
daß aus einem und demselben Kranken eine ganze Anzahl von Geistern zu vertreiben ist!
Nun mag manch einer fragen, warum denn die fortgeschrittenen Geister nicht die erdgebundenen
Seelen, auch ohne sie zuvor in ein Medium zu bringen, in ihre Obhut nehmen und auf den rechten
Weg bringen. Ganz einfach, weil viele dieser unwissenden Seelen für die fortgeschrittenen Geister
gar nicht erreichbar sind, bevor sie nicht noch einmal in innigste und vollbewußte Berührung mit
der irdisch-materiellen Körperwelt gebracht werden. Erst wenn sie dabei durch rauhe Tatsachen
gewahr werden, daß sich doch wohl eine große Veränderung an ihnen vollzogen haben muß,
kommen sie zur Einsicht über ihre Lage und lassen sich auf den Weg einer Aufwärtsentwicklung
bringen!
Bekommt solch ein unwissender Geist Gelegenheit, sich unserem Zirkel durch das Medium kund-
zutun, dann dient dieser Vorgang mehreren Zwecken. Gewöhnlich wird dabei dieser Geist zur Er-
kenntnis seiner Lage gebracht, und der ihn belehrende Forscher hat von jedem neuen Fall den Ge-
winn einer Bereicherung seiner Erfahrungen. Gleichzeitig werden aber stets ganze Scharen anderer
Geister, die auch noch im Dunkel mangelnder Erkenntnis leben, um uns versammelt, damit sie aus
dem Benehmen ihres Schicksalsgenossen und der ihm erteilten Belehrung auch für sich eine Lehre
ziehen.
Viele Geister benehmen sich dabei, als ob sie nicht recht bei Verstande wären, und es ist sehr
schwer, mit ihnen ein vernünftiges Wort zu reden. Das hat seinen Grund in starren Glaubenssät-
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zen, vorgefaßten Meinungen und irrigen Vorstellungen, die sie während ihres Erdenlebens in sich
aufgenommen oder gebildet haben. Sie sind oft ungebärdig; und wenn man sich deswegen genötigt
sieht, dem Medium die Hände zu halten, um sie auf diese Weise in Schranken halten zu können,
dann erheben sie heftigen Widerspruch dagegen. Haben sie alsdann ihre wahre Lage erfaßt, dann
überkommt viele Geister das Gefühl des Sterbens, und damit verlieren sie die Macht über das Me-
dium.
Andere Geister wiederum sind stumpf und schlaftrunken und haben keinen anderen Wunsch, als
daß man sie in Ruhe lasse. Bei solchen bedarf es sehr ernsthaften Zuredens, um sie wach zu be-
kommen, wie man aus nachstehenden Aufzeichnungen ersehen wird. Darin ist auch oft von einem
'Kerker' die Rede, in dem widerspenstige Geister untergebracht werden können; und zuweilen be-
klagen sich Geister, wenn sie durch das Medium zu uns sprechen, daß sie im Gefängnis gewesen
seien!
Nach geistigem Gesetz bekommen nämlich die Geister mit wachsender Einsicht und Erkenntnis
die Fähigkeit, für unwissende, widerstrebende Seelen eine Umgebung zu schaffen, die diesen wie
ein Gefängnis vorkommt, einen undurchdringlichen zellenartigen Raum, aus dem es kein Entrin-
nen gibt. Darin müssen sie bleiben, bis sie sich eines besseren besonnen haben, und den guten Wil-
len zeigen, ihrer veränderten Lebenslage Rechnung zu tragen, und sich den Gesetzen der geistigen
Entwicklung zu fügen! Währenddessen bekommen sie nichts anderes zu sehen, als die Fehler und
Mängel ihrer eigenen Persönlichkeit, die ihnen in Tausenden von Spiegelbildern vor Augen ge-
führt werden, wie auch ihr Tun und Lassen in dem hinter ihnen liegenden Erdenleben!
Wenn meine Frau sich als Medium betätigt und ihren Körper entkörperten Geistwesen zur
Benutzung überläßt, dann geschieht das stets im Zustande der sogenannten Tief-Trance. Dabei
sind ihre Augen geschlossen, ihr eigenes Bewußtsein gänzlich ausgeschaltet, und sie befindet sich
die ganze Zeit über in tiefem Schlaf. Sie selbst hat hinterher keinerlei Erinnerung an das, was wäh-
renddessen geschehen und verlautet ist. Außerhalb dieser Trance-Zustände, in der Zeit zwischen
unseren Sitzungen, ist sie keinerlei Beeinträchtigungen ausgesetzt. Sie ist dann jeder Zeit ganz und
gar Herr ihres Bewußtseins, bei völlig klarem Verstand und bestimmt und sicher in
ihrem Auftreten. Und nach vollen 30 Jahren unserer Forscherarbeit ist ihre Gesundheit in keiner
Weise geschwächt oder geschädigt.
Sie steht beständig unter jenseitigem Schutze, über den eine Gesellschaft machtvoller Geister die
Aufsicht führt. Sie nennen sich 'Barmherzigkeitsbund', und sie sind es, welche unsere Arbeit in
dem Bestreben leiten, der Menschheit begreiflich zu machen, daß der Tod nur ein natürlicher
Übertritt in eine andere Welt ist, und wie wichtig es ist zu wissen, was aus den Seelen der Verstor-
benen wird! Der Zweck unserer Arbeit ist, zuverlässige und unanfechtbare Beweise für die Wirk-
lichkeit eines jenseitigen Lebens aus erster Quelle zu erbringen. Dazu sind ausführliche
Berichte über Hunderte von Sitzungen stenographiert worden, damit wir unseren Lesern von dem
Zustande der sich kundgebenden Geister eine möglichst getreue Schilderung übermitteln können!"
Von den zahlreichen Berichten Wicklands soll hier einer auszugsweise wiedergegeben werden. Er
schreibt (95, S. 120):
"Es kommt wohl auch vor, daß Besessenheitsgeister sensitive Menschen, die ihrem Einfluß hilflos
preisgegeben sind, vorsätzlich aus Rache quälen, weit öfter aber tun sie das in der Absicht, sie da-
für zu strafen, daß sie ihnen, wie sie behaupten, beständig in die Quere kommen. Solche Quälgeis-
ter veranlassen ihr Opfer oftmals zu Gewalttaten gegen sich selbst und scheinen von den Schmer-
zen, welche dem Körper des von ihnen Besessenen dadurch zugefügt werden, nichts zu fühlen.
Dennoch leben viele dieser Geister, so widerspruchsvoll das auch erscheinen mag, in der Selbst-
täuschung, daß der Körper des betreffenden Menschen der ihre sei.
Nach dem Tode ihres Mannes war Frau L. W. in tiefe Schwermut verfallen, in deren Gefolge bei
ihr auch 'Gehörs-Halluzinationen' auftraten. Beständig hörte sie Stimmen von Geistern und fühlte
sich dadurch so gequält, daß sie oft laut schreiend sich das Haar raufte, und wie wahnsinnig aus
dem Hause stürzte. Zu solchen Zeiten sah ihre Tochter, die hellsehend war, Geister um ihre Mut-
ter, besonders den Geist eines höhnischen Mannes; und auch die Kranke selber sah diesen Men-
schen oft und rief dann: 'Da kommt wieder dieser schreckliche Mensch.'
Die Kranke war von St. Louis nach Los Angeles gebracht worden, da man gehofft hatte, daß ein
Orts- und Klimawechsel ihr gut tun würde, doch hatten die Anfälle nur an Heftigkeit zugenom-
men. Sie biß sich dabei in Hände und Arme, schlug sich mit dem Pantoffel ins Gesicht und riß sich
die Kleider vom Leibe. Schließlich war mit ihr überhaupt nicht mehr fertigzuwerden, so daß man
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sie in eine geschlossene Anstalt für unruhige Geisteskranke bringen mußte. Dort wurde sie für
wahnsinnig erklärt und dann in einem Sanatorium untergebracht, wo sie ein Jahr blieb, ohne daß
ihr Zustand sich besserte. Nachdem sie dreimal von dort entwichen war, wurde sie unserer Fürsor-
ge übergeben, und in wenigen Monaten konnten wir die Quälgeister aus ihr vertreiben. Die Dame
wurde wieder vollkommen normal, ist seitdem gesund geblieben und hilft ihrer Tochter im Haus-
halt.
Wenige Tage nach ihrer Ankunft in unserer Heilanstalt wurde der Geist des 'höhnischen Mannes',
den die Tochter der Kranken so oft gesehen hatte, aus ihr vertrieben, und durfte von dem Körper
meiner Frau Besitz nehmen.
Sitzung am 13. Januar 1918
Geist (G):
John Sullivan.
Patient:
Frau L. W.
Fragesteller: Dr. med. Wickland (Dr.)
Der Geist war zuerst ganz ungebärdig, so daß wir das Medium festhalten mußten.
G.:
Warum in aller Welt halten Sie mich denn fest? Ich habe doch mit Ihnen nichts zu tun und
will auch nichts mit Ihnen zu tun haben! Ich habe Ihnen doch nichts getan und sehe nicht ein,
mit welchem Recht Sie mich festhalten! Aber ich will Ihnen schon die Hölle heiß machen,
wenn ich nur erst wieder frei bin.
Dr.:
Sie kamen als Fremder hier zu uns herein und fingen gleich Streit an. Was konnte ich da
anders tun, als Sie festhalten?
G.:
Ich lasse mich aber in dieser Weise nicht zwingen.
Dr.:
Wer sind Sie?
G.:
Warum sollte ich Ihnen sagen, wer ich bin? Ich kenne niemanden von Ihnen und kümmere
mich ja auch nicht darum, wer Sie sind. Jetzt lassen Sie mich zufrieden, damit ich gehen
kann.
Dr.:
Sagen Sie uns doch, wer Sie sind, Sie scheinen ja ein recht kräftiges Mädchen zu sein.
G.:
Wenn Sie mich für ein Mädchen halten, dann sehen Sie nur nochmal etwas genauer hin!
Dr.:
Sagen Sie uns doch, wo Sie herkommen, und was Sie hier wollen.
G.:
Wozu wollen Sie das wissen?
Dr.:
Vielleicht können wir Ihnen aus Ihrer jetzigen Lage heraushelfen.
G.:
Halten Sie mich nicht so fest, dann werde ich reden.
Dr.:
Erzählen Sie uns doch mal etwas von sich.
G.:
Erstens will ich diese Nadeln nicht mehr haben (gemeint ist die elektrische Behandlung der
Kranken). Dann bin ich eine Zeitlang gefangen gehalten worden. Wo ich nun wieder draußen
bin, möchte ich mal ordentlich Krach schlagen. (Aus der Aura der Kranken und aus dem ihm
von den höheren Geistern auferlegten Zwange befreit.) Wozu, um alles in der Welt, haben
Sie mich mit all diesen Nadeln so bearbeitet? Wenn ich hier fort kann, will ich nach Hause.
Dr.:
Wo ist Ihr Zuhause?
G.:
Dort, wo ich hergekommen bin.
Dr.:
Ich bin neugierig, wie denn diese Nadeln Ihrem Rücken bekommen sind?
G.:
Jedesmal, wenn ich sie bekam, war es gerade so, als ob ich im Feuer wäre. Ich habe aber kei-
ne Lust, hier zu sitzen und mich festhalten zu lassen. Ich will fort!
Dr.:
Wie sind Sie denn eigentlich dazu gekommen, die Wohltat solcher 'Nadeln' zu genießen? Ich
bin sehr neugierig, das zu erfahren.
G.:
Ich weiß es selber nicht, aber bekommen habe ich sie.
Dr.:
Wie sind Sie denn hierher gekommen?
Nach einem längeren Frage- und Antwortspiel, bei welchem dem Geist schließlich gesagt wird, daß er
verstorben ist, und sich als Unwissender und Erdgebundener in der irdischen Sphäre herumtreibt und
dabei eine Frau belästigt, treten schließlich auch verstorbene Verwandte von ihm in Erscheinung.
G.: Ich sehe meine Mutter, aber ich fürchte mich vor ihr.
Dr.: Weshalb denn? Wir haben doch auch vor Ihnen keine Angst.
- 191 -
G.:
Nun, meine Mutter ist doch ein Geist.
Dr.:
Freilich ist sie ein Geist, wie Sie selber. Was sagt sie denn zu Ihnen?
G.:
Sie sagt: "John, seit Jahren suche ich nach dir." - Aber ich fürchte mich vor ihr.
Dr.:
Sieht sie denn so gespensterhaft aus?
G.:
Nein, aber ich habe doch Angst vor ihr. Oh, da ist auch mein Vater! Und da ist die Lizzie!
Komm mir nicht zu nahe; ich will auch mit dir nichts zu tun haben! Komm mir ja nicht zu
nahe! Ich mag dich nicht, Lizzie, du Schlange!
Dr.:
Wahrscheinlich kommt sie, um Sie um Verzeihung zu bitten, für etwas, was sie getan hat.
G.:
Ich werde ihr nie, nie verzeihen!
Dr.:
Wir Menschen irren uns doch oft. Es kann doch auch ein Mißverständnis vorliegen. Sie ha-
ben vielleicht manches als ausgemachte Tatsache hingenommen, was gar nicht gewesen ist.
G.:
Ich kann sie nicht leiden und will sie nicht in meiner Nähe haben.
Dr.:
Tilgen Sie den Haß aus Ihrem Herzen, und seien Sie vernünftig.
G.:
Lizzie, geh fort, oder ich bringe dich um! Du hast dich benommen wie eine Schlange! Ich
will von dir nichts hören! Du bist so falsch wie sie alle. Ich glaube dir doch nicht, was du
sagst. Komm mir gar nicht erst mit allen möglichen Entschuldigungen, ich glaube dir doch
nicht. Ich bin sehr böse auf dich und werde es auch immer bleiben. Du bist eine große Lügne-
rin!
Dr.:
Was antwortet sie Ihnen denn? Und wer ist sie eigentlich?
G.:
Das ist Lizzie, der ich alle meine Qualen zu verdanken habe, und sie behauptet, das wäre
alles bloß durch Eifersucht gekommen. Aber ich bin doch gar nicht eifersüchtig gewesen!
Dr.:
Hören Sie nur zu, was sie Ihnen zu sagen hat.
G.:
(Horcht auf.) Das ist eine feine Geschichte! Wir wollten uns heiraten, und sie war ein hüb-
sches Mädchen. Sie behauptet, ich hätte alles in einem falschen Lichte gesehen und wäre ei-
fersüchtig gewesen.
Dr.:
Vielleicht waren Sie auch starrköpfig und ein Hitzkopf.
G.:
(Zu Lizzie) Du lügst! Du bist mit dem anderen Burschen da herumgezogen, das weißt du
doch selbst ganz genau. Sie sagt, als sie an jenem Abend nach Hause ging, hätte sie den jun-
gen Mann zufällig auf der Straßenbahn getroffen. Er hätte sie nur eben die Straße hinunter
begleitet, als ich sie zufällig zusammen sah. - Und ich bin nach Hause gegangen und habe
mir das Messer ins Herz gestoßen.'
Dr.:
Das war ja wohl wirklich eine mutige Tat! Dann haben Sie also Selbstmord begangen.
G.:
Wenn ich nur hätte sterben können; aber ich konnte ja, nicht. Da wäre ich ja weit besser da-
ran gewesen; aber ich werde mich schon noch an den Frauen rächen.
Dr.:
Warum wollen Sie nicht Vernunft annehmen und dem Mädchen verzeihen?
G.:
Sagen Sie mir mal, glauben Sie ihr die Geschichte? Ich habe schwer zu leiden gehabt unter
dem Messerstich, den ich mir selbst beigebracht hatte, und wollte doch durchaus sterben. Da
rennt Lizzie nun umher und heult.
Dr.:
Hören Sie auf das, was Ihnen Ihr Gewissen sagt.
G.:
Ich habe das Mädchen lieb gehabt, und was hat sie mir angetan!
Dr.:
Ich glaube, Ihre Mutter hat Sie wohl als Kind recht verwöhnt.
G.:
Meine Mutter hat Wunder was von mir gehalten und erfüllte mir jeden Wunsch, so daß ich es
sehr gut hatte. Jetzt sagt sie aber, sie wünschte wohl, sie wäre anders mit mir umgegangen.
Nein, Mutter, komm mir nicht näher! Für mich gibt es keine Hilfe!
Dr.:
Das erste, was Sie lernen müssen, ist Selbstüberwindung! Jesus hat gesagt: "So ihr nicht wer-
det wie die Kindlein, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen." Ich glaube kaum, daß Sie
wissen, was das bedeutet. Sie sind immer nur auf Ihr eigenes Selbst bedacht gewesen, und Ih-
re Mutter hat Sie überdies noch verwöhnt.
G.:
Mutter sagt, das täte ihr jetzt sehr leid. - Da ist Lizzie wieder. Ich glaube ihr nicht, weil sie
doch mit dem jungen Mann gegangen ist.
Dr.:
Angenommen, sie hat es wirklich getan; was war denn schon dabei? Sie müssen doch wohl
sehr eifersüchtig gewesen sein.
- 192 -
G.:
Sie sagt, sie wäre gar nicht mit ihm gegangen und sie hätte mir ja erzählt, wie es gewesen ist.
Dr.:
Sind Sie sich klar darüber, daß auch sie verstorben ist?
G.:
Sie ist doch nicht tot. Wenn sie es wirklich ist, dann wäre sie also ein Geist?
Dr.:
Sie sagen, sie stehe dort. Sieht sie aus wie ein Geist?
G.:
Nein, durchaus nicht. Meine Mutter sagt: "John, sei vernünftig und verständig. Dein eigenes
Gewissen klagt dich an!" Es ist hart, wenn man ein Mädchen lieb hat, und sieht sie mit einem
anderen gehen. Was habe ich Lizzies wegen gelitten! Nachdem ich sie mit dem anderen jun-
gen Menschen gesehen hatte, bin ich nach Hause gegangen, und habe mich selbst mit einem
Messer gestochen, nicht ernstlich, nur um zu versuchen, sie zu erschrecken. Ich dachte, wenn
ich das täte, würde sie zu mir kommen.
Dr.:
Sie haben Selbstmord begangen, begreifen aber nicht, daß Sie gestorben und jetzt ein Geist
sind und daß Sie eine Dame gequält und besessen gemacht haben. Diese Dame ist jetzt
unsere Patientin.
G.:
Was geht die mich an? Ich kann Frauen ganz und gar nicht leiden, und doch hat sie mich
nicht in Ruhe gelassen. Ich wollte nichts als Rache, und die habe ich genommen.
Dr.:
Diese Dame hat die tollsten Sachen angestellt, nur weil Sie sie besessen gemacht hatten.
G.:
Mutter und Lizzie stehen beide da und weinen, aber niemand kümmert sich um mich, was hat
das nun für einen Zweck?
Dr.:
Wie heißen Sie weiter, außer John?
G.:
John Sullivan.
Dr.:
Ich sollte meinen, Sie müßten sich eigentlich schämen, die Dame so belästigt zu haben.
G.:
Ich habe nicht mehr Grund, mich zu schämen als Sie!
Dr.:
Glauben Sie, daß Sie das Mädchen wirklich geliebt haben? Oder war es von Ihrer Seite nur
Eigenliebe? Sie wollten sie nur besitzen, das war alles.
G.:
Sie sollte die Meine werden, aber ich habe sie unglücklich gemacht; meine Liebe verwandel-
te sich in Haß. Nein, Lizzie, du brauchst gar nicht erst zu weinen, ich werde dir doch niemals
verzeihen, und wenn du mich hundertmal darum bittest.
Dr.:
Wenn Ihre Mutter Sie bei guter Zeit nur öfter mal verprügelt hätte, dann wären Sie jetzt nicht
in solcher unglücklichen Lage. Besinnen Sie sich eines Besseren und verzeihen Sie Lizzie,
damit gewinnen Sie für sich selber die allerbeste Hilfe.
G.:
Ich werde ihr nie verzeihen. Die Frauen waren alle verrückt nach mir. Ich galt als hübscher
Kerl.
Dr.:
Das war Ihr Unglück. Wenn Sie schlicht und einfach gewesen wären, hätten Sie auch mehr
Vernunft gehabt. Nun müssen Sie aber versuchen, verständig zu sein, weil Sie den Körper
meiner Frau benutzen.
G.:
Gut, nehmen Sie sich Ihre Frau nur wieder, ich brauche sie nicht! Höre Mutter, es hat keinen
Zweck, daß du mit Lizzie dort stehst und weinst, denn ich werde ihr doch nie verzeihen.
Dr.:
Wenn Sie jetzt die Gelegenheit nicht benutzen, ihr zu verzeihen, werden Sie sich in einem
dunklen Kerker wiederfinden, sobald Sie von hier fortgehen, und darin bleiben müssen, bis
Sie Reue empfinden. Machen Sie sich klar, daß das Unrecht bei Ihnen liegt.
G.:
Ich verzeihe ihr nicht! Meine Mutter hab ich lieb gehabt; ich hatte immer viel Geld
Es ist
mir schrecklich, Frauen weinen zu sehen. Mutter, höre doch auf zu weinen. Eine Frau weinen
zu sehen, beunruhigt mich immer.
Dr.:
Beunruhigt Sie ihr Gewissen gar nicht?
G.:
Was hat es für einen Zweck, sich über alte Geschichten aufzuregen?
Dr.:
Hören Sie auf das, was Ihre Mutter sagt, dann kann sie Ihnen helfen.
G.:
Mutter, ich will dir sagen, wenn du mich öfter verhauen hättest, als ich noch ein kleiner Jun-
ge war, und mir nicht immer meinen Willen gelassen hättest, dann wäre ich jetzt ein ganz an-
derer Mensch. Später im Leben ändert man sich nicht mehr, und überdies erreicht man doch
nichts, wenn man sich auch ändert.
Dr.:
Ihnen wird es noch mal sehr schlecht gehen, wenn Sie sich jetzt nicht bald zum Verzeihen
bereit finden lassen.
- 193 -
G.: Es ist mir höchst gleichgültig, ob ich ins Gefängnis komme, von dem Sie sprechen. Warum
geben Eltern ihren Kindern alles, was sie haben wollen? Da kannst du sehen, Mutter, was du
schönes angerichtet hast. Bist du nicht stolz auf deinen Sohn? Du hast mich so weit gebracht;
das ist dein Werk!
Dr.: Sie behaupten, Sie liebten Ihre Mutter? - Aber nach Ihren Worten haben Sie überhaupt für
niemand Mitleid oder Sympathie.'
G.: Ich hasse das Wort Sympathie. Mein Vater sagt, ich werde mich ändern müssen. Ich bin zu
alt, um mich noch zu ändern. (Weicht erschreckt vor etwas zurück.) Bringt mich fort! Bringt
mich fort! Ich bin krank!
Dr.: Sie müssen ernst und ehrlich sein.
G.: Meine Mutter sagt, sie weiß, daß sie mich falsch erzogen, hat. - Lassen Sie mich nicht in dies
Gefängnis bringen! Ich will Lizzie ja vergeben - ich will alles tun! Ich habe das Leben satt,
ich habe alles so satt!
Dr.: Wenn Sie ins Geisterreich kommen, müssen Sie suchen, sich anderen nützlich zu machen,
anstatt Unheil zu stiften. Suchen Sie das Unrecht wieder gutzumachen, das Sie dieser Dame
durch Besessen-machen angetan haben.
G.: Sie hat mich gequält, und ich hasse Frauen. Ich habe mich nur gerächt. Ich habe einen
Pantoffel genommen und sie damit ins Gesicht geschlagen. Das habe ich getan, um mich an
den Weibern zu rächen, denn ich hasse sie alle!
Der Geist war nicht dazu zu bringen, seine Lage zu begreifen. Darum wurde er fortgebracht und in
ein Gefängnis gesperrt, bis er Selbstüberwindung lernt und seinen Menschen-Haß aufgibt." -
Nicht alles, was sich äußerlich scheinbar als Besessenheit oder Umsessenheit zeigt, ist auch wirklich
eine echte Fremdbeeinflussung im Sinne von Religion und Parapsychologie. Wahnkranke, die nur den
"Stern" oder "Spiegel" lesen, fühlen sich oft von einem Geheimdienst verfolgt oder von Radarstrahlen
beeinflußt. Wahnkranke, die jedoch die "Esotera" oder ähnliche Zeitschriften lesen, meinen häufig,
daß sie magisch beeinflußt werden oder besessen sind. Im Laufe der Jahre haben sich eine ganze Reihe
solcher Personen mit der Bitte um Hilfe an mich gewandt. Zwei wünschten ein Gutachten von mir
über ihre Verhexung, das sie dann der Polizei vorlegen wollten, um gegen den magischen Gegner vor-
gehen zu können. Als ich sie, statt ihnen ein Gutachten zu geben, an einen Arzt verwies, waren sie
sehr ungehalten.
Eine Patientin war jedoch einsichtig. Es war eine Frau T. M., Angestellte bei einer Behörde, 55 Jahre
alt, die mich am 10. 04. 1975 anrief und dringend um eine Unterredung wegen einer "Besessenheit"
bat. Am nächsten Tag kam sie in Begleitung eines Rutengängers und Heilers, der mit seiner Kunst bei
ihr am Ende war, und ihr geraten hatte, sich an mich zu wenden. Frau M. berichtete, daß sie von ver-
schiedenen Menschen magisch verfolgt und auch sexuell bedrängt werde im Sinne einer Besessenheit.
Damit meinte sie eine Fremdbeeinflussung und teilweise Ausschaltung ihres eigenen Willens. Noch
während sie dieses erzählte, bekam sie Zuckungen und Schmerzen in der Stirn. Kurze Zeit darauf be-
gann der erste "Besessenheitsgeist" durch ihren Mund zu sprechen. Es war ihr Yogalehrer, ein noch
lebender Mensch von 50 Jahren. Er erzählte eine lange Geschichte, u. a., daß er sich der schwarzen
Magie verschrieben habe, und die Frau M. unbedingt haben müsse, weil sie so schön sei (was ich aber
gar nicht fand). Er habe noch jede Frau bekommen. Dieser erste "Anfall" verlief teilweise sehr drama-
tisch und dauerte über eine Stunde. Danach kam der nächste "Bedränger", der behauptete, der Chef
ihrer Behörde zu sein, 55 Jahre alt und gleichfalls noch lebend. Er erzählte ebenso dramatisch seine
Geschichte, wobei ich der Frau M., um sie etwas zu beruhigen, wie schon vorher, ständig meine linke
Hand auf ihre Stirn legte. Er fand Frau M. ebenfalls so schön und naiv und wollte sie gleichfalls unbe-
dingt haben. Außerdem behauptete er, daß er ständig ihr Telefon abhöre. Darauf antwortete ich, daß er
das gar nicht könne, denn dazu müsse er schon Beamter bei der Post, aber nicht bei einer Wasserbe-
hörde sein. Dem entgegnete er, daß er seine Beziehungen habe. Nach dem Mann von der Behörde kam
ein dritter Bedränger, ein Angestellter in einem Konstruktionsbüro und früherer Verehrer der Frau M.
Er meldete sich aber nur ganz kurz.
- 194 -
Ich habe mich mit allen eingehend unterhalten, sie zum Fortgehen aufgefordert, und mit ihnen und
über der Frau M. gebetet, wobei ich ihr die Hände auf den Kopf legte. Nach 3 1/4 Stunden hatte sich
die Patientin einigermaßen beruhigt und verabschiedete sich von mir.
Um 21 Uhr rief sie mich wieder telefonisch an und bat mich, sofort zu ihr zu kommen, da sie einen
neuen Anfall habe. Ich fuhr zu ihr und erlebte nun neue "Wesenheiten" durch ihren Mund. Mein Ver-
fahren war wie vorher, so daß nach einer Stunde bei ihr Beruhigung eintrat.
Am nächsten Morgen rief sie bereits um 6 Uhr wieder an, mit der Bitte, daß ich gleich zu ihr kommen
möge. Ich sagte ihr das jedoch erst für 10 Uhr zu. Diesmal nahm ich einen Bekannten als Zeugen mit
und setzte Frau M. auseinander, daß es sich bei ihr nicht um magische Beeinflussung oder Besessen-
heit handele, sondern daß ihr alles nur von ihrem Unterbewußtsein vorgespiegelt werde. (Hier handelte
es sich wirklich um das "Steigrohr des Unterbewußtseins") Sie möge sich zur Beseitigung ihrer Be-
schwerden in nervenärztliche Behandlung begeben. Dort könne ihr am ehesten geholfen werden.
Die Patientin hatte damals so viel Einsicht, daß sie diesen Rat auch befolgte. Ich merkte es daran, daß
die Nervenärztin mich wenig später anrief, und nach meinen Eindrücken fragte. Eine Woche danach,
am 18. 04. 1975, rief mich Frau M. wieder an und berichtete, daß sie sich wie neugeboren fühle. Man-
ches an ihren Erzählungen erschien mir aber immer noch konfus, so daß von einer völligen Heilung
für mein Empfinden noch nicht die Rede sein konnte. Ich habe dann nichts mehr von ihr gehört und
weiß nur von einem ihrer Kollegen, daß sie in ihrer Behörde nicht auffällig geworden, und einige Jah-
re später ganz normal in den Ruhestand getreten ist.
Zum Schluß ein Rat für diejenigen, die meinen, umsessen oder besessen zu sein, dabei aber zumindest
zeitweise noch klare Gedanken fassen können, und keine Hilfe bei einem Geistlichen oder Arzt finden:
Unterlassen Sie alle magischen oder parapsychologischen Versuche, auch Tonbandstimmen-
Experimente.
Gehen Sie nicht zu einem obskuren Hexenbanner oder anderen fragwürdigen Personen, die
sich in Zeitungen als magische Helfer anbieten.
Die Hilfe muß von Ihnen selbst eingeleitet werden durch die klare und entschiedene Hinwen-
dung zu Gott und Jesus Christus. Diese beiden rufen Sie immer wieder flehentlich um Hilfe
an, und begeben Sie sich unter ihren Schutz.
Lesen Sie abends vor dem Einschlafen regelmäßig einen Abschnitt der Bibel. Bitten Sie in
Ihrem Gebet auch für die Geistwesen, die Sie bedrängen, damit ihnen Erkenntnis zuteil werde,
daß ihr Tun Unrecht ist, und sie dadurch sich selbst von der Gnade Gottes ausschließen.
Bitten Sie darum, daß Engel Gottes Sie selbst beschützen, und die bedrängenden Geistwesen
zur Erkenntnis der Frefelhaftigkeit ihres Tuns bringen mögen.
Glauben Sie nicht, daß Sie ohne eigenes ernsthaftes Zutun Schutz und Hilfe bekommen wer-
den, sondern zeigen Sie durch Ihren Lebenswandel, daß Sie des Beistandes würdig sind.
Wenn nicht Sie selbst der Besessene oder Umsessene sind, sondern ein Verwandter oder Freund, der
seine Lage nicht mehr erkennen kann, so beten Sie für ihn, und legen Sie ihm dabei die Hände auf.
- 195 -
Schlußbetrachtung
Dieses Buch wendet sich nicht so sehr an die Leser, die ein festes religiöses Fundament besitzen, ganz
gleich, ob sie nun römische Katholiken, griechisch Orthodoxe, Protestanten, Juden oder Moslems sind.
Meine Ansprechpartner sind nicht unbedingt die, deren Glaube an Gott unerschütterlich ist, und die
auch die von ihnen geforderte Gottes- und Nächstenliebe in die Tat umsetzen. Ihre jeweilige Konfessi-
on oder Religion gibt ihnen bereits genügend Verhaltensmaßregeln, um ein Leben im Sinne Gottes zu
vollbringen. Daher sagte (siehe S. 86) das hohe Geistwesen zu Johannes Greber (29, S. 360):
"Zur Kirche Christi gehören Menschen aus allen Religionen der Welt."
Aber auch diese Gläubigen sollten, wenn sie das hier Dargebotene lesen und in den Grundbestand-
teilen für möglich halten, die Erkenntnis gewinnen, daß nicht ihre jeweilige Konfession die alleinselig-
machende ist, und nur sie einen Schlüssel zum Paradies besitzen. Jeglicher Hochmut, jede gewaltsame
Bekehrung der anderen unter der Fahne irgendeines Fundamentalismus oder gar "heilige Kriege" zur
Unterwerfung Andersgläubiger sind verwerflich.
Dieses Buch wendet sich auch nicht an die, für welche nur Essen und Trinken wichtig sind und deren
geistige Bedürfnisse durch das Lesen einer Boulevardzeitung befriedigt werden. Hier sollen dagegen
die aufgerüttelt werden, die nach tiefer Erkenntnis suchen und mit ihrem religiösen Glauben Schwie-
rigkeiten haben. Diejenigen sind angesprochen, die vielleicht an einen Gott glauben möchten, das aber
nicht mit ihrem Verstand in Einklang bringen können. Sie sagen sich möglicherweise: Es gibt so viele
unterschiedliche Religionen und Konfessionen, die sich zum Teil sehr stark voneinander
unterscheiden. Ist vielleicht alles nur menschliche Erfindung?
Andere lasten Gott, falls er überhaupt vorhanden sein sollte, alle Ungerechtigkeiten, die große Not und
die Kriege auf dieser Welt an, und machen ihn dafür verantwortlich. Das alles müßte er doch verhin-
dern, wenn es ihn gäbe. Hierzu entnehme ich zwei Leserbriefen vom 03. 11. 1977 in der "Schwäbi-
schen Zeitung" auszugsweise folgende Zitate:
"Wäre Gott, wo auch immer, mit dabei, dürfte es keine Kriege und keine Naturkatastrophen geben.
Irgendwie liegt der fromme und frömmelnde Gottesglaube schief bei Juden, Christen und Mos-
lems. Das darf nicht wundern, da die drei angesprochenen Religionsgemeinschaften auf jahrtau-
sendealtem und veraltetem Gedankengut in Thora, Bibel und Koran festgelegt sind, und die geisti-
gen Entwicklung auf religiösem Gebiet seither unterbunden ist."
"Ich möchte keinen von seinem Glauben abbringen, aber es gibt so vieles an diesem Glauben, das
einem logisch denkenden, unvoreingenommenen Menschen einfach daran zweifeln lassen muß
(die Beeinflussung des Menschen beginnt ja leider schon im Kindergarten, in einem Alter also, in
dem noch kein Kind über diese Lehre richtig nachdenken kann). Nur ein Beispiel: warum soll,
wenn ein Kleinkind oder ein Säugling stirbt, dieses in den 'Himmel' kommen, da doch noch keine
Möglichkeit zu sündigen gegeben war? Ist das etwa Gerechtigkeit von diesem so gerechten Gott
gegenüber einem älteren Menschen, der vielleicht ein großer 'Sünder' ist? Es gäbe mehrere solcher
Argumente, doch ich wollte nur aufzeigen, wie unsinnig es ist, Gott für etwas Gutes als dessen
Urheber zu danken und andererseits bei Unglücken und Katastrophen ihn dann nicht zu
beschimpfen."
Diesen Leserbriefschreibern und vielen anderen Gleichgesinnten fehlen die Kenntnisse darüber, wa-
rum das Leben auf dieser Erde abläuft, welche Vergangenheit wir Menschen mit uns tragen, und wel-
cher Fürst (Luzifer) in dieser Welt auch noch seinen großen Einfluß ausübt. Wir alle haben unsere
Willensfreiheit als wichtiges Gut bei unserer Entstehung vor langer Zeit mitbekommen. Wenn viele
davon einen unheilvollen Gebrauch gemacht haben und es zum Teil immer noch tun, so hat das die
bekannten schlimmen Folgen auf dieser Erde. Daß Gott hier nicht unmittelbar verhindernd einschrei-
tet, liegt daran, daß er uns unsere Willens- und Handlungsfreiheit nicht mit Gewalt beschneidet, son-
dern uns statt dessen zur Läuterung und Prüfung durch den Glutofen des Leides gehen läßt (Jesaja
48,10).
- 196 -
Wenn nun jemand sagt: "Das alles glaube ich nicht. Das sind menschliche Erfindungen und Täu-
schungen", so ist dem nicht zu helfen. Er muß dann zusehen, wie er durch das irdische und nachtodli-
che Leben kommt.
Aber die anderen, die sich nicht nur oberflächlich, sondern intensiv mit den Erkenntnissen der Pa-
rapsychologie, sowie mit dem hier Dargebotenen und dem Fortleben nach dem Tode befassen, werden
vielleicht erkennen, welche übergeordneten Prinzipien vielen Religionen zugrunde liegen. Sie werden
dann nicht mehr jede Kleinigkeit einer kirchlichen Lehre wörtlich und wichtig nehmen und sich daran
klammern, z. B. ob es nun sündhaft ist, die Hostie bei der Kommunion in die eigene Hand zu nehmen,
anstatt sie sich durch den Priester in den Mund legen zu lassen.
Dafür erlangen diese Suchenden eine tiefe innere Überzeugung der Grundwahrheiten des Christentums
und dadurch vielleicht auch ein festes Verhältnis zu Gott. Sie können dann das Grundgebot des Chris-
tentums ernst nehmen: Liebe Gott über alle Dinge und deinen Nächsten wie dich selbst.
Sicher können wir Gott nicht beweisen. Seine Existenz geht über unser Fassungsvermögen. Gelegent-
lich wird die Auffassung vertreten, daß Gottes Vorhandensein schon allein aus dem Bestehen unserer
Erde und dem Leben darauf hervorgeht. Das alles muß doch einen Schöpfer haben; das kann nicht von
allein entstanden sein! Aber wenn wir lediglich nach der Ursache fragen, wie wir Menschen das nur
tun können, müssen wir sofort weiterfragen: Wer hat denn Gott erschaffen? Gibt es noch einen Über-
gott? Und wer hat den erschaffen? Auf diese Weise kommen wir nicht weiter. Für die Lösung dieser
Frage ist unser Verstand offenbar nicht ausgerüstet. Ein Regenwurm versteht auch nichts von höherer
Mathematik. Vielleicht ist unsere Erkenntnisfähigkeit zu den hier angeschnittenen Fragen vergleichbar
derjenigen des Regenwurms zur Mathematik.
Wir können Gott nicht unmittelbar betrachten, auch nicht im Fernsehen, und haben auch kein Photo
von ihm. Es geht uns etwa wie den Bewohnern des russischen Reiches im vorletzten Jahrhundert. Ein
Bauer im fernen Osten bekam den Zaren nie zu Gesicht. Er kannte auch kein Bild von ihm. Er hatte
nur unmittelbare Verbindung zu seinen Boten und Unterboten, den Beamten und Offizieren. Die be-
richteten den Bauern vom Zaren, verkündeten seine Befehle und zogen Steuern für ihn ein. Nur hohe
Beamte und Offiziere kannten den Zaren persönlich von Angesicht zu Angesicht. Die anderen mußten
seine Existenz hinnehmen, an sie glauben, und die Befehle ausführen. Wenn sie es nicht taten, kamen
sie ins Gefängnis oder in die Verbannung. Für die Juden zur Zeit Christi galt gleiches vom Kaiser in
Rom. An dessen Existenz mußten sie auch glauben.
So geht es uns heute in bezug auf Gott. Wir hören von ihm nur über die Propheten, über seinen Sohn
Jesus Christus und durch gelegentliche Botschaften aus der jenseitigen Welt. Wir sind gehalten, diese
Botschaften und die Befehle auf Echtheit und Glaubwürdigkeit zu prüfen, und können sie annehmen
oder verwerfen. Bei letzterem müssen wir aber auch gewärtig sein, die Folgen dafür zu tragen, so, wie
sie der aufbegehrende Bauer in Rußland auch tragen mußte.
Der Inhalt dieses Buches soll für suchende Menschen eine geistige Brücke bauen zum Schreiten durch
diese Welt und zum Hinübergehen in die jenseitige Welt. Wenn der Leser eine solche Brücke bereits
hat, kann dieses Buch vielleicht als zusätzliches Geländer dienen, das den Gang etwas sicherer macht.
Zur Tragfähigkeit dieser Brücke berichte ich ein Beispiel: Nach dem letzten Weltkrieg lernte ich in
einem deutschen Lazarett einen ehemaligen Oberleutnant der Pioniertruppe kennen. Er erzählte mir
folgende Begebenheit. Er hatte mit seiner Kompanie in Südrußland über einen großen Strom eine
Kriegsbrücke gebaut. Bei einem späteren Rückzug der deutschen Truppen im Jahre 1944 wurde ihm
der Auftrag zuteil, diese Brücke zu sprengen, wenn der letzte deutsche Soldat das östliche Ufer verlas-
sen hatte. Als er an der Brücke stand, während die deutschen Kolonnen über sie hinwegzogen, trat ein
Oberst an ihn heran und fragte ihn:
"Sind Sie der Brückenkommandant hier, der nachher die Brücke sprengen soll?"
"Jawohl, Herr Oberst."
- 197 -
"Da drüben, auf dem anderen Ufer, steht von mir noch ein Sturmgeschütz16, das den Rückzug zu
decken hat. Wenn das letzte Fahrzeug die Brücke passiert hat, soll auch das Sturmgeschütz her-
überfahren. Nun steht an der Brücke ein Schild 'Tragfähigkeit 15 Tonnen'. Das Geschütz wiegt
aber 18 Tonnen. Hält die Brücke das aus?"
Der Pionieroffizier antwortete: "Die Tragfähigkeit beträgt 15 Tonnen."
Der Oberst: "Ja, das steht da dran. Aber so eine Brücke ist doch immer auf Sicherheit gebaut. Was
hält sie denn nun wirklich aus?"
"15 Tonnen, Herr Oberst."
Der Oberst: "Sie können mir doch nicht sagen, daß die Brücke genau bei 15 Tonnen zusammen-
bricht. Hält sie nun das Sturmgeschütz aus oder nicht?"
Der Pionieroffizier: "Die Tragfähigkeit beträgt 15 Tonnen, nicht mehr."
Der Oberst: "Ach, mit Ihnen kann man ja nicht reden", und wandte sich wütend ab.
Nach einer Weile kam ein Leutnant zu dem Pionieroffizier und sprach ihn an:
"Ich bin der Führer von dem Sturmgeschütz da drüben. Mein Oberst war ja schon hier und ist mit
Ihnen nicht klargekommen. Vielleicht können wir uns von Kamerad zu Kamerad verständigen.
Was hält die Brücke denn nun tatsächlich aus?"
Der Pionieroffizier: "15 Tonnen."
Der Leutnant: "Das haben Sie meinem Oberst ja auch bereits gesagt, aber ich dachte, Sie könnten
bei mir etwas entgegenkommender sein."
Der Pionieroffizier: "Die Tragfähigkeit beträgt 15 Tonnen. Etwas anderes kann ich Ihnen nicht sa-
gen."
Der Leutnant: "Ich sehe schon, wir werden uns auch nicht einig. Können Sie sich denn nicht in
meine Lage da drüben versetzen?"
Der Pionieroffizier: "Das kann ich sehr gut."
Der Leutnant: "Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?"
Der Pionieroffizier: "Na, darüberfahren! Was denn sonst?"
Der Leutnant: "Das war es, was ich von Ihnen wissen wollte."
(Tatsächlich hat die Brücke dann auch gehalten.)
Nun war aber meine Frage an den ehemaligen Pionieroffizier: "Warum haben sie denen das nicht
gleich gesagt?"
Die Antwort lautete: "Dann hätte ich auch die Verantwortung getragen. Ich wußte doch selbst
nicht, ob die stark beanspruchte Brücke das Sturmgeschütz trägt. Sie war ja gar nicht für derartige
Kettenfahrzeuge gedacht. Wenn sie nun mitten im Fluß eingebrochen wäre? Dann hätte man mich
zur Rechenschaft ziehen und womöglich vor ein Kriegsgericht stellen können. Dieser Gefahr woll-
te ich mich nicht aussetzen. Die Verantwortung sollten die tragen, welche über die Brücke fahren
wollten."
Solche Brücken an ein jenseitiges Ufer, in ein anderes Land, wollen die Religionen auf dieser Erde
sein, insbesondere auch das Christentum mit seinen vielen Kirchen, Konfessionen und Sekten. Alle
diese zahlreichen Gruppierungen nehmen für sich in Anspruch, daß ihre jeweilige Brücke mit Sicher-
heit an das andere Ufer führt und absolut tragfähig ist, wenn man nur den entsprechenden Brückenzoll
bezahlt hat. Ja, sie garantieren meist noch, daß die Brücke der anderen nicht zum Ziel führt. Diese
Haltung hat sich allerdings, zumindest bei den christlichen Großkirchen, in der letzten Zeit etwas ab-
geschwächt. So hat z. B. die römisch-katholische Kirche 1965 auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil
unter Papst Paul VI. den Kirchenbann aufgehoben, der 1054 unter Papst Leo IX. gegen den Patriarchen
von Konstantinopel Michael Caerularius und die byzantinische Kirche verhängt worden war. Ein
Grund dafür war neben politischen Motiven damals gewesen, daß Patriarch Michael den vom römi-
schen Papst beanspruchten Primat nicht anerkannte, und den Gebrauch von ungesäuertem Brot beim
römischen Ritus als häretisch ansah.
16 Das ist ein gepanzertes Kettenfahrzeug ohne drehbaren Turm, jedoch mit einer 7,5 cm Panzerkanone bestückt.
- 198 -
Der einzelne suchende und kritische Mensch muß heutzutage selbst entscheiden, welche der Brücken
ihm genügend sicher erscheint. Auch ich habe hier auf eine Brücke aufmerksam gemacht, ohne
allerdings die Garantie dafür zu übernehmen, daß sie genügend tragfähig ist und an das richtige Ufer
führt. Ich selbst habe sie betreten und wandere auf ihr voll Vertrauen und Hoffnung. Ob andere diesel-
be oder eine ähnliche Brücke wählen oder auf ihr bereits ausschreiten, ist ihnen überlassen, unterliegt
ihrer Verantwortung.
Das Vertrauen, eine solche Brücke zu betreten, nennt die christliche Religion "Glauben". Die Beob-
achtung, ob wir dieses Vertrauen aufbringen und wie wir uns während dieser Brückenwanderung bei
Leid und schweren Schicksalsschlägen verhalten, ist ein Teil der Prüfung, die Gott uns auferlegt hat.
Er kann den idealen Menschen nicht einfach erschaffen, sondern muß ihn heranbilden. Dieser muß es
dabei lernen, gute Taten um ihrer selbst willen zu tun, und soll dabei nicht nach Lohn und Strafe im
Jenseits fragen. Daher haben wir auch keine absolute Sicherheit über die Folgen unseres Tuns. Das
Motiv "Lohn oder Strafe" darf letztenendes im Laufe einer langen Entwicklung nicht der letzte Be-
weggrund unseres Handelns sein, sondern muß ersetzt werden durch die Liebe zu Gott, zu Christus
und dem Nächsten.
Der Leser möge die vier großen monotheistischen von Gott gestifteten Religionen als Rohlinge aus
seltenem, prächtigem Metall für wertvolle Schmuckstücke ansehen, die der Bearbeitung und Vervoll-
kommnung durch uns Menschen harren. In unserer Macht lag es und liegt es, dieses Grundmaterial zu
edlem und prachtvollem Schmuck zu verarbeiten, an dem jedermann seine helle Freude hat, oder dar-
aus einen Dolch zu formen, mit dem andere Menschen umgebracht werden. Religion kann zu einer
gefährlichen Waffe werden, die schon unendliches Leid gestiftet hat. Sie kann aber auch zu höchster
Liebe und Hilfsbereitschaft führen, die viel Gutes bewirkt. Und danach sollten wir alle streben.
Heute, wo die Kirchen ihre religiöse Aufgabe, die Menschen zu Gott hinzuführen, vernachlässigen
und sich statt dessen mit Tagespolitik befassen, wenden sich viele Menschen anderen Heilsbringem
zu. Diese verheißen irdischen Erfolg, Glück und "Selbstverwirklichung". New Age heißt das Zauber-
wort. In der Bunten Illustrierten, Heft 19/Mai 1987 standen die Schlagzeilen:
"New Age - Die Suche nach dem neuen Glück. - Wie immer mehr Menschen ihrem Leben einen
Sinn geben. Schon Millionen gehen neue, ungewöhnliche Wege zu mehr Lebensfreude durch Me-
ditationsreisen in das Innere des Körpers. Tao die erfüllte Sexualität. Magie ruft die Götter an. Tö-
ne von Mars und Venus. Alle gemeinsam sind auf der Suche nach neuer Energie, nach Kraft,
Glück und Gesundheit. Der neue Weg zu Erfolg im Beruf. Sexo-Socital-Trance ist das Austoben,
Ausleben, Abreagieren. Ekstase ist der Moment, in dem du bist, was du wirklich bist: Eine Licht-
welle von Energie."
Ähnliche Verheißungen machen auch große Organisationen wie die Transzendentale Meditation (TM),
die Scientology Church oder BEP (Bewußtseins-Erweiterungsprogramm) der United Human
Organinsation des geschäftstüchtigen Herrn Ament. Sie alle wollen den Menschen vereinahmen, ganz,
vor allem aber sein Geld, und versprechen dafür alles, z. B. "Machen Sie es sich doch einfach, werden
Sie erfolgreich!"
Menschen, die derartige Wege gehen, enden oft in innerer Leere, in Depressionen und beim Psychia-
ter. Bei ihrem ausschließlichen Streben nach vermeintlichem irdischen Glück übersehen sie die War-
nung Christi "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Scha-
den an seiner Seele."
Wer die zehn Gebote der Bibel ernst nimmt und die Mahnung Christi befolgt "Liebe Gott über alle
Dinge und deinen Nächsten wie dich selbst", der hat diese irdischen Heilsbringer nicht nötig. Der muß
nicht den Psychotherapeuten bemühen und kann ein erfülltes und rechtschaffenes Leben vollbringen,
auch wenn er dabei nicht Millionär werden sollte, aber dafür ruhigen Herzens am Lebensende den
Schritt über die Todesschwelle in eine andere Welt setzen kann.
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Wir leben heute in einer Zeit allgemeinen sittlichen und moralischen Verfalls, beginnend seit dem
Ersten Weltkrieg. Ehe und Familie zeigen Auflösungserscheinungen. Das Rechtsbewußtsein verändert
sich. Entkriminalisierung heißt heute das Schlagwort, z. B. bei der grausamen Zerstückelung ungebo-
rener Kinder im Mutterleib nach der Devise "Mein Bauch gehört mir". Viele fordern von der
Gemeinschaft, dem Staat, alles, wollen selbst aber nichts geben und ihm nicht dienen. Die Folgen sind
ständig steigende Kriminalität und die Rückweisung aller Pflichten von immer größer werdenden Be-
völkerungsteilen. In dieser Zeit des Niederganges aller ethischen Werte kann der wirklich Suchende
vielleicht über die Kenntnisse parapsychologischer Tatsachen wieder auf die Welt Gottes aufmerksam
werden und in Religion und Christentum seine Geborgenheit finden. Wenn er Gott als seinen Schöpfer
und Vater ansieht und ihm folgt, braucht er weder irdischen Reichtum, noch irdische Macht, noch
ungehemmte Sexualität, um wirklich glücklich zu werden.
Ich schließe mit Worten des Apostels Paulus aus seinem Brief an die Epheser unter Fortführung des
Zitates von S. 45, (Eph. 6,14):
"So stehet also da, an den Hüften gegürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Panzer der Gerech-
tigkeit, an den Füßen beschuht mit der Bereitschaft, die Heilsbotschaft des Friedens zu verkünden!
Zu dem allem ergreift noch den Großschild des Glaubens, mit dem ihr alle Brandgeschosse des
Bösen zum Verlöschen werdet bringen können. Nehmt auch den Helm des Heils an euch und das
Schwert des Geistes, nämlich das Wort Gottes. Betet allezeit im Geist mit Bitten und Flehen jeder
Art, und seid zu diesem Zweck wachsam mit aller Beharrlichkeit und unter Fürbitte für alle
Heiligen (d. h. für alle Glieder der Gemeinde Gottes und Christi)."
* * *
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O. V.: "Geistige Welt", 28. Jahrg., Arthur Brunner Verlag, Zürich 1977
- 203 -
Inhalt
Die Entstehung und das Wesen der Religion
2
Der Jenseitsverkehr in der Mosaischen Religion, im frühen Christentum und in der heutigen Zeit
22
Der Widersacher Gottes und seine Helfer
43
Die Möglichkeit wiederholter Erdenleben
67
Die Offenbarung Gottes in der Zarathustrischen Religion
94
Das Wunder in den Religionen
98
Die "Entmythologisierung"
106
Täuschungen und Fälschungen auf dem Gebiet der Religionen und des Spiritualismus
112
Willensfreiheit oder Vorherbestimmung?
136
Die Geistige Heilung durch Verbindung mit der jenseitigen Welt
149
Besessenheit und Exorzismus
181
Schlußbetrachtung
195
Literaturangaben
200