Das Buch der Geister

- 150 - Antwort: Grundsätzlich bleibt sie ihm verborgen. Nur in seltenen Ausnahmefällen gestattet Gott ihre Enthüllung. Frage: (965) Zu welchem Zweck bleibt sie dem Menschen verborgen? Antwort: Wüßte der Mensch seine Zukunft, so würde er die Gegenwart vernachlässigen und nicht mit voller Freiheit handeln. Gott wollte es nicht, damit jeder zur Erfüllung der Dinge beitrage, selbst jener Dinge, denen er sich widersetzen würde. So bereitest du oft selbst, ohne es zu ahnen, die Ereignisse vor, die einmal in dein Leben treten werden. Frage: (966) Da es nützlich ist, daß die Zukunft verborgen bleibe, warum gestattet dann Gott zuweilen deren Enthüllung? Antwort: Das geschieht dann, wenn ein solches Vorauswissen die Ausführung der betreffenden Angelegenheit erleichtern statt hindern soll, indem der Mensch dadurch veranlaßt wird, anders zu handeln, als er es sonst getan hätte. Oft ist es aber auch eine Prüfung, denn die Voraussicht eines Ereignisses kann zum Beispiel mehr oder weniger gute Gedanken erwecken. Frage: (967) Da Gott alles weiß, weiß er auch, ob ein Mensch in der Prüfung unterliegen wird oder nicht. Worin liegt dann aber die Notwendigkeit dieser Prüfung, da sie ja Gott nichts lehren kann, was er nicht schon von diesem Menschen wüßte? Antwort: Du könntest ebensogut fragen, warum Gott den Menschen nicht vollendet und vollkommen erschaffen hat, warum er die Kindheit durchläuft, ehe er Erwachsener wird. Die Prüfung hat nicht den Zweck, Gott über das Verdienst des Menschen aufzuklären - denn Gott weiß, was er wert ist - sondern dem Menschen die volle Verantwortung für sein Tun zu lassen, da er frei ist, es zu lassen oder zu tun. Da er zwischen dem Guten und Bösen die Wahl hat, so hat die Prüfung die Wirkung, daß er der Versuchung ausgesetzt wird, der er mit Verdienst widerstehen kann. Theoretischer Rückblick auf die Triebfedern des menschlichen Handelns Die Frage nach dem freien Willen des Menschen läßt sich auf Folgendes zurückführen: Der Mensch wird nicht durch ein Verhängnis zum Bösen geführt, die von ihm vollbrachten Taten stehen nicht im voraus fest, die Verbrechen, die er begeht, sind nicht die Folge eines Schicksalsspruches. Er kann als Prüfung und Sühne ein Dasein wählen, in welchem ihm die Lockungen zum Verbrechen, sei es durch seine Umgebung oder als auftauchende Umstände, entgegentreten. Aber er ist immer frei, zu handeln oder zu lassen. • So besteht der freie Wille im Zustande des Geistes in der Wahl des Daseins und der Prüfungen, im leiblichen Zustande in der Fähigkeit, den Versuchungen nachzugeben oder zu widerstehen. Durch Kenntnis der Gesetze, welche die moralische Natur bestimmen, wird man zur Umwandlung dieser letzteren gelangen, so wie man Intelligenz durch Unterricht und Temperament durch Gesund- heitslehre umwandelt. Der vom Stoff befreite wandernde Geist wählt sich seine künftigen leiblichen Daseinsformen je nach dem Grade seiner Vervollkommnung. Diese Freiheit wird nicht durch die Inkarnation vernichtet. Gibt er dem Einfluß des Stoffes nach, so geschieht dies, weil er eben jenen Prüfungen, die er frei wählte, unterliegt. Um sich zu deren Überwindung Hilfe zu verschaffen, kann er den Beistand Gottes und der guten Geister anrufen. • Ohne freien Willen hat der Mensch weder Verdienst im Guten noch Unrecht im Bösen. Er könnte daher keine Entschuldigung seiner Missetaten in seiner Organisation finden, ohne seine Vernunft und seine menschliche Natur von sich zu werfen, um sich auf die Stufe des Tieres zu stellen. Verhielt es sich so mit dem Bösen, so verhielte es sich ebenso mit dem Guten. Tut aber der Mensch

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