Das Buch der Geister

- 150 - der Namen einst geliebter Personen noch der Einzelheiten, die dir von Belang scheinen, erinnert. Er kümmert sich nicht mehr darum und vergißt es. Was er nicht vergißt, sind die wesentlichsten Tatsachen, die zu seiner Besserung beitrugen. Frage: (326) Erinnert sich der Geist an alle Daseinsformen, die der letzten, eben erst verlassenen, vorausgingen? Antwort: Seine ganze Vergangenheit entrollt sich vor ihm, aber er erinnert sich eben nicht aller Geschehnisse, sondern nur jener, die von Einfluß für seinen Fortschritt waren. Seine frühesten Existenzen, die gleichsam die Kindheit des Geistes bildeten, verschwimmen und verlieren sich in der Nacht der Vergangenheit. Frage: (327) Wie betrachtet der Geist seinen soeben verlassenen Leib? Antwort: Wie ein schlechtgemachtes Kleidungsstück, dessen entledigt zu sein für ihn ein Glück ist. Frage: (328) Welches Gefühl erweckt in ihm der Anblick seines verfallenden Leibes? Antwort: Fast immer das Gefühl der Gleichgültigkeit, wie einem Ding gegenüber, an dem ihm nichts mehr liegt. Frage: (329) Erkennt der Geist nach einer gewissen Zeit Gebeine oder andere Dinge wieder als solche, die ihm einst angehörten? Antwort: Zuweilen, es hängt von dem mehr oder weniger erhabenen Gesichtspunkte ab, von dem aus er die irdischen Dinge betrachtet. Frage: (330) Zieht unsere Achtung vor den stofflichen Überresten des Geistes seine Auf- merksamkeit auf diese und macht ihm dies Vergnügen? Antwort: Der Geist freut sich stets unseres Andenkens an ihn. Nicht die Dinge, die man von ihm aufbewahrt, die seine Erinnerung wecken, sondern unsere Gedanken sind es, die ihn herbeiziehen. Frage: (331) Bewahren die Geister die Erinnerung an die Schmerzen ihrer letzten Existenz? Antwort: Diese Erinnerung bewahren sie oft, sie ist es dann, die sie den Grad der Glückseligkeit ermessen läßt, den sie als Geister jetzt genießen. Frage: (332) Vermißt der auf Erden glücklich gewesene Mensch seine einstigen Genüsse, wenn er die Erde verlassen hat? Antwort: Nur niedrige Geister können Freuden vermissen, die zur Unreinheit ihres Wesens passen und die sie mit ihren Leiden sühnen müssen. Für hohe Geister ist die ewige Seligkeit unendlich den flüchtigen Freuden der Erde vorzuziehen. Frage: (333) Wer zu einem nützlichen Zweck große Arbeiten begonnen hatte, die sein Tod unter- brach, bedauert er in der anderen Welt, daß er sie unvollendet zurücklassen mußte? Antwort: Nein, er sieht andere, die dazu berufen sind, sie zu beenden. Er sucht eventuell andere menschliche Geister zu bestimmen, an seinem Werke weiterzuarbeiten. Frage: (334) Bewahrt derjenige, der künstlerische oder literarische Werke hinterließ, seine Liebe zu denselben auch nach seinem Tode? Antwort: Je nach seiner Erhöhung beurteilt er sie von einem anderen Standpunkte aus und tadelt oft, was er einst am meisten bewunderte. Frage: (335) Interessiert sich der Geist noch für Arbeiten auf Erden, die zu ihrem Fortschritt unternommen wurden?

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