Psychowissenschaftliche Grenzgebiete
 
Thema: Die Geistige Heilung durch Verbindung mit der jenseitigen Welt (4)


   

4. Zé Arigó

Die beiden zunächst vorgestellten Heiler sind von mir als besonders erfolgreich aus einer großen Zahl anderer englischer Heiler ausgewählt worden. Sie konnten und können dank einer freizügigen Gesetzgebung unbehindert ihre Tätigkeit ausüben. In den meisten anderen Ländern ist derartiges aber durch Gesetze verboten, so in Deutschland, Brasilien, den Philippinen usw. Wenn trotzdem dort Heiler ihre Tätigkeit ausüben, so können sie das nur, solange sie niemand anzeigt. Da das aber doch hin und wieder geschieht, haben viele Heiler in den genannten Ländern irgendwann einmal mit den Gerichten Bekanntschaft gemacht. So auch der jetzt vorzustellende Brasilianer Zé Arigó. Ich habe ihn, wie auch den zweiten Brasilianer Edson Queiroz, den ich anschließend beschreiben werde, nie persönlich kennengelernt. Ich berichte hier also nur nach der Literatur (6; 9) und Filmaufnahmen, die ich von beiden besitze.

Zé Arigó war der Spitzname eines Trance-Heilers, der am 18. Oktober 1918 als Bauernsohn in Congonhas do Campo bei Belo Horizonte im Bergbaugebiet des Hochlandes von Südbrasilien (400 km südlich von Rio de Janeiro) geboren wurde. Sein richtiger Name war José Pedro de Freitas. Der Spitzname, auf deutsch etwa Bauerntölpel, entstand bereits während seiner nicht sehr erfolgreichen vierjährigen Schulzeit und deutet auf seine bäuerliche Herkunft hin. Arigos Eltern und er selbst waren römische Katholiken. Nach der Schulzeit arbeitete er auf dem Hof seines Vaters, später in einem nahegelegenen Bergwerk. Da er die Bergarbeiter als Gewerkschaftsfunktionär zum Streik aufgerufen hatte, wurde er 1948 entlassen und versuchte sich danach in Congonhas als Gastwirt. Schließlich fand er eine Anstellung beim städtischen Wohlfahrtsamt.

Arigó gibt an, schon in seiner Schulzeit Stimmen in einer fremden Sprache gehört zu haben.

Nach der Entlassung als Bergarbeiter stellten sich bei ihm wiederkehrende Träume ein, die ihn sehr ängstigten und Kopfschmerzen hervorriefen (6, S. 71). Wie in völliger Wirklichkeit sah er in diesen Träumen eine Gruppe von Ärzten und Schwestern, die einen Patienten auf einem Operationstisch mit chirurgischen Instrumenten sehr sorgfältig operierten. Der Leiter der Gruppe war ein kahlköpfiger, untersetzter Arzt, der mit den anderen portugiesisch mit deutschem Akzent sprach. Wenig später erschien ihm dieser "Arzt" in einer völlig lebensecht wirkenden Vision (6, S. 71) und stellte sich als Dr. Adolpho (Adolf) Fritz vor. Er sagte ihm, daß er während des Ersten Weltkrieges gestorben sei und sein Werk auf Erden nicht habe vollenden können. Er habe Arigó längere Zeit beobachtet und seinen Edelmut und seine Nächstenliebe kennengelernt. Er habe ihn nun als lebendiges Werkzeug ausgewählt, um durch ihn und mit der Hilfe anderer Geistwesen, die vor ihrem Tode ebenfalls Ärzte gewesen waren, sein Werk fortzusetzen. Wenn Arigó inneren Frieden finden wolle, möge er damit beginnen, kranken und verstörten Menschen zu dienen, die seiner Hilfe bedürften. Arigó mußte dann ein Kruzifix, das er einige Zeit vorher auf dem Hof seines Vaters gefunden hatte, in seine Hand nehmen. Damit solle er die Kranken heilen, so sagte ihm dieser Dr. Fritz. Arigó geriet über die Erscheinung so in Angst, daß er aus dem Bett sprang und schreiend auf die Straße lief.

In der Folgezeit entwickelte sich bei Arigó eine Volltrance-Medialität, wobei sich dieser Dr. Fritz dann ähnlich wie Dr. Lang bei George Chapman betätigte und in Worten äußerte. Jahre später hat der Philosophie-Professor J. Herculano Pires (-4-) den Geist noch einmal genauer nach seiner Herkunft befragt. In portugiesischer Sprache mit deutschem Akzent sagte er, daß er Dr. Fritz geheißen habe (6, S. 214), in München geboren und mit fünf Jahren nach Polen gekommen sei, Medizin studiert habe und ein ziemlich guter Arzt und Chirurg gewesen sei. Er habe aber einige schlimme Fehler gemacht. Ab 1914 habe er in Estland gelebt, und bevor er dort 1918 gestorben sei, habe er gelobt, seine medizinische Ausbildung nach dem Tode fortzusetzen, um dann auf die Erde zurückzukehren und so viele Menschen wie möglich zu behandeln. Auf diese Weise wolle er seine irdischen Fehler wiedergutmachen. Bei anderen Gelegenheiten betonte dieser Dr. Adolf Fritz auch, daß er Mitglied einer Gruppe von verstorbenen Ärzten sei, die beschlossen hätten, den Menschen im Namen Jesu Christi so gut zu helfen, wie sie könnten. Er habe Arigó während einer Zeit von mehr als zehn Jahren beobachtet und dadurch feststellen können, daß dieser für ihn das geeignete Instrument sei, um sein Werk auszuführen. Nun sei es ihm möglich, eine perfekte Kontrolle über das Medium auszuüben, und deshalb könne er mit ihm chirurgische Operationen durchführen.

Es ließ sich historisch nicht feststellen, ob ein Dr. Adolf Fritz tatsächlich gelebt hat. Dazu waren die Angaben des Geistwesens nicht genau genug, als daß man damit von Brasilien aus in Archiven hätte fündig werden können. Außerdem fegten über Estland 1918 die Kämpfe der russischen Revolution hinweg. Falls es diesen Dr. Fritz wirklich auf Erden gegeben haben sollte, ist er möglicherweise bei den Kämpfen 1918 ums Leben gekommen. Vollständige Totenlisten existieren aus dieser Zeit aber nicht.

Seit etwa 1950 behandelte der Geist "Dr. Fritz" durch den in Volltrance befindlichen Arigó eine große Anzahl von Patienten, die aus ganz Südamerika zu ihm kamen. Bei ihnen führte er oftmals große und schwierige Operationen durch und konnte dabei mit einem unsterilen Küchenmesser oder Taschenmesser tief ins Fleisch oder das innere des Körpers schneiden. Dabei wurden keine Blutgefäße abgebunden und die Wunde hinterher nicht vernäht. Trotzdem traten nur geringfügige Blutungen auf. Wenn sie aber doch einmal stärker wurden, hielt Arigó (Dr. Fritz) das Kruzifix, von dem schon die Rede war, über die Wunde und sagte (9, S. 35):

"Ich will kein Blut! Es genügt das Blut, das Christus am Kreuz vergossen hat!"

Sofort kam die Blutung dann zum Stillstand. Arigós Mienenspiel war beim Operieren völlig anders als normalerweise. Seine Finger arbeiteten mit erstaunlicher Präzision und Schnelligkeit, selbst wenn er Kopf und Augen in eine andere Richtung wandte. Die Wundränder erschienen nach den Operationen wie zusammengeleimt. Deshalb brauchte nicht genäht zu werden.

Die Kranken wurden von Dr. Fritz aber nicht nur operiert, sondern auch medikamentös behandelt. Vor allem konnte der Geist, ohne den Patienten zu befragen, eine genaue Diagnose stellen, z. B. die Zahlenwerte des systolischen und diastolischen Blutdruckes genau angeben oder bei einem Augenkranken sagen, er leide an einer Retinitis pigmentosa oder einem Retinoblastom. Beides sind Netzhauterkrankungen, die ein irdischer Augenarzt nur mit dem Augenspiegel oder Augenmikroskop feststellen kann.

Nach der Diagnosestellung kritzelte Dr. Fritz ein Rezept auf ein Blatt Papier. Die schlecht lesbare Schrift wurde von einem Helfer noch einmal nachgeschrieben, so daß ein Apotheker sie überhaupt entziffern konnte. Bei den verordneten Heilmitteln handelte es sich um marktübliche Medikamente, die allerdings oft in einer sonst nicht üblichen Dosierung verschrieben wurden und die häufig Wirkungen zeigten, die man normalerweise nicht bei ihnen erwarten würde. Die erzielten Erfolge waren oft erstaunlich.

Arigó behandelte während seiner Freizeit und arbeitete dabei oft bis tief in die Nacht hinein. Er übte seine Heiltätigkeit also nicht wie Edwards, Chapman oder die meisten philippinischen Heiler hauptberuflich aus, sondern arbeitete weiterhin als Angestellter der Wohlfahrtsbehörde und verdiente damit den Unterhalt für seine Familie. Dadurch konnte die Behandlung der Patienten kostenlos erfolgen.

Eine der ersten Behandlungen und Heilungen, die großes Aufsehen erregte, lief folgendermaßen ab (6, S. 62): 1950 kam der brasilianische Senator Lucio Bittencourt nach Belo Horizonte, unweit von Congonhas, wo Arigó wohnte, zu einer Wahlkampfveranstaltung. Bittencourt litt an Lungenkrebs, hatte die erforderliche Operation wegen des Wahlkampfes aber hinausgeschoben. Der Senator hatte Arigó, der damals noch Gewerkschaftsfunktionär war, und weitere Bergleute zu der Veranstaltung eingeladen. Als Arigó in Belo Horizonte eintraf, stellte sich jedoch heraus, daß die Wahlkampfveranstaltung um einen Tag verschoben worden war. Daraufhin ließ ihn der Senator für die folgende Nacht in dem Hotel Financial, in dem er selbst wohnte, mit unterbringen. In der Nacht konnte Bittencourt keinen Schlaf finden und wälzte sich ruhelos im Bett. Gerade als er einzuschlafen hoffte, öffnete sich plötzlich die Tür, und das Licht ging an. Herein trat Arigó. Sein Blick war glasig. Als er auf das Bett zukam, sah der Senator ein Rasiermesser in seiner Hand. Seltsamerweise hatte Bittencourt keine Angst. Er erinnerte sich später nur, daß er schwach wurde und ihm eine Stimme mit stark deutschem Akzent sagte, es sei keine Zeit zu verlieren, denn er müsse dringend operiert werden. Dann war er ohnmächtig geworden. Als er wieder zu sich kam, war niemand im Zimmer. Er zog seine Schlafanzugjacke aus. Sie war aufgeschnitten worden und hatte einen Blutfleck. Unsicher stand Bittencourt auf und wankte zum Spiegel. Als er sich mit dem Rücken davor stellte, sah er einen sauberen, glatten Schnitt über den hinteren Rippen. Verwundert zog er sich an und ging in Arigós Zimmer.

Als Bittencourt ihm erzählte, was geschehen war, meinte Arigó, er habe wohl zu viel getrunken. Nachdem er dann aber die noch feuchten Blutflecken und den Schnitt gesehen hatte, gab es keine Zweifel mehr, daß Bittencourt operiert worden war. Arigó blieb jedoch dabei, das er nichts damit zu tun habe. Der bestürzte Senator beschloß, mit der ersten Maschine nach Rio zu fliegen, um seinen Arzt aufzusuchen.

Arigó konnte sich nicht erinnern, in das Zimmer des Senators gegangen zu sein. Aber er war überzeugt, daß sich die Geschichte so zugetragen haben könnte, wie Bittencourt behauptete, denn er erinnerte sich natürlich seiner Träume und seiner Vision. Jetzt betete er, daß der Arzt feststellen möge, daß er dem Senator keinen Schaden zugefügt habe. Ihm wurde angst und bange bei dem Gedanken, was er möglicherweise angerichtet haben könnte.

Doch schon bald kam die unglaubliche Nachricht. Bittencourt war unverzüglich zu seinem Arzt gegangen und hatte ihm nur gesagt, er sei operiert worden. Der Arzt röntgte ihn und strahlte vor Freude über das Ergebnis, das er für das Werk nordamerikanischer Chirurgen hielt. Er erklärte dem Senator, der Tumor sei mit Hilfe einer in Brasilien unbekannten Technik sauber entfernt worden. Für seine Gesundheit bestünden die besten Aussichten. Erst jetzt berichtete Bittencourt dem Arzt, was sich wirklich zugetragen hatte. Er erzählte es jedem, der es hören wollte. In wenigen Tagen verbreitete sich die Nachricht über die Presse in ganz Brasilien. Manche sagen, der Fall Bittencourt sei Arigós erste bekanntgewordene Operation gewesen.

Arigó war von der Möglichkeit, ein spiritistisches Heilmedium zu werden, zunächst gar nicht erbaut. Verzweifelt bemühte er sich, ein normales Leben zu führen. Doch die Träume, in denen Dr. Fritz erschien, hörten nicht auf. Nur wenig später mußte Arigó unter dem Einfluß von Dr. Fritz eine weitere Krebsoperation durchführen (6, S. 80). In seinem Wohnort Congonhas lag eine Freundin der Familie Arigó im Sterben. Sie litt an Gebärmutterkrebs im letzten Stadium. Die Verwandten der Sterbenden sowie Ehepaar Arigó versammelten sich um das Sterbebett, wo der Priester die letzte Ölung spendete. Nachdem dies geschehen war, der Priester den Raum verlassen hatte und Arigó noch in ein Gebet versenkt war, begann ein Prickeln seinen Körper zu durchlaufen, beginnend im Kopf und langsam absteigend zu den Beinen. Er begann zu zittern, und sein Blick trübte sich. Plötzlich rannte er in die Küche und kam mit einem großen Küchenmesser zurück. Er forderte die anderen auf, Platz zu machen. Dann schlug er die Bettdecke zurück, spreizte die Beine der Kranken und stieß ihr das Messer unter wildem Bohren in die Vagina. Eine Frau schrie auf und rannte aus dem Zimmer. Die anderen standen vor Schreck wie angewurzelt. Doch die Sterbende lag ganz still und ruhig da, während Arigó unablässig mit dem Messer arbeitete. Schließlich zog er die Klinge heraus und zwängte sein Hand in die Öffnung. In Sekundenschnelle riß er einen großen blutigen Tumor heraus. In der Küche warf er ihn in den Ausguß und sank auf einen Stuhl. Ein Verwandter löste sich aus seiner Erstarrung und holte einen Arzt. Arigó hatte den Kopf in die Hände vergraben und schluchzte. Er schien in einer anderen Welt zu sein. Schließlich führte ihn seine Frau aus dem Haus.

Kurz darauf kam der Arzt. Er konnte keine Blutungen feststellen. Die Kranke war bei Bewußtsein und hatte keine Schmerzen. Dann untersuchte er den Tumor. Es war eine Uterusgeschwulst. Die Patientin wurde wieder völlig gesund.

Diese neue Nachricht erregte wiederum größtes Aufsehen. Viele Leute fanden sich vor Arigós Haus ein und baten ihn, sie zu behandeln. Arigó weigerte sich zunächst, doch Dr. Fritz ließ ihm keine Ruhe. Eines Morgens, als sich vor seiner Haustür an die 100 Leute versammelt hatten, ließ er sie ein. Hinterher erinnerte er sich kaum oder gar nicht an das, was er an diesem und den folgenden Tagen getan hatte. Aber zwei eindeutige Folgen traten ein: Arigós nächtliche Träume und seine Kopfschmerzen hörten auf, und ein Patient nach dem anderen wurde gesund.

Die katholische Kirche aber zeigte eine ablehnende Haltung. Sie gebot, Arigó müsse mit seiner Krankenbehandlung aufhören, sonst werde er aus der Gemeinde ausgestoßen. Da Arigó inzwischen eingesehen hatte, daß er gebraucht wurde und sich deshalb dem Gebot nicht fügen konnte, wurde er später tatsächlich exkommuniziert und bei seinem relativ frühen Tod 1971 auch nicht kirchlich beerdigt. Arigó wußte nur, daß er eine Aufgabe zu erfüllen hatte, und der fügte er sich, auch wenn er dafür von seiner Kirche bezichtigt wurde, mit dem Teufel im Bunde zu sein.  

Die Zahl der Patienten nahm ständig zu. Bald waren es täglich 300, viele mit unheilbaren Leiden, viele aus dem Ausland. Aber nicht alle wurden operiert. Die meisten bekamen ein Rezept. Wenn aber operative Eingriffe erforderlich waren, erfolgten sie in der Regel im Stehen, wobei der Patient sich mit dem Rücken an die Wand lehnte. Das blutbeschmierte Messer wurde hinterher an seiner Kleidung abgewischt, aber keineswegs desinfiziert. Kleinere Eingriffe dauerten nur wenige Sekunden. Infektionen wurden nie beobachtet. Geld nahm Arigó in keinem Fall an.

Im Laufe der Jahre wurde Arigó auch mehrfach von Ärzten und Wissenschaftlern besucht. Sie wollten seine Behandlungsmethode und die Heilerfolge genauer unter die Lupe nehmen. Einer von ihnen war der nordamerikanische Arzt Dr. Henry Andrija K. Puharich. Er reiste mit mehreren Begleitern im August 1963 nach Congonhas, blieb dort mehrere Wochen und befragte während dieser Zeit etwa 100 Patienten. Um Arigós bzw. Dr. Fritz Behandlungsmethode am eigenen Leib zu erfahren, ließ er sich selbst operieren. Puharich hatte eine gutartige, aber lästige Fettgeschwulst (ein Lipom) an der Innenseite des rechten Ellenbogens. Er fragte Dr. Fritz, ob er sie entfernen möchte. Dieser stimmte zu und ließ sich für die Operation von einem Zuschauer ein Taschenmesser geben (6, S. 43). Damit machte er einen Einschnitt, zog in fünf Sekunden die Geschwulst mit den Fingern heraus und legte sie anschließend zusammen mit dem Taschenmesser dem verblüfften Dr. Puharich in die Hand.

Die genaue Zeitdauer konnte später an Hand der gemachten Filmaufnahmen festgestellt werden. Das Messer, die Haut und die Wunde wurden nicht desinfiziert. Trotzdem stellte sich keine Entzündung ein. Der Arm war vorher nicht betäubt worden, dennoch verspürte Dr. Puharich keine Schmerzen, nur ein leichtes Prickeln. Die Wunde war nicht genäht worden, trotzdem konnte man sie nicht auseinanderziehen. Sie ist nicht nur gefilmt, sondern sowohl nach der Operation als auch zwei Tage später photographiert worden und in (6) abgebildet. Die Geschwulst, mit einer Länge von etwa 5 cm und einer Dicke von etwa 1,5 cm, konnte Puharich in einer Flasche mitnehmen. Die Schwellung an seinem Arm war verschwunden und kehrte auch nicht wieder. Fast alle brasilianischen Zeitungen berichteten mit großen Bildern über dieses Ereignis. Nach Dr. Puharich sind noch mehrfach ärztliche Untersucher bei Arigó gewesen und haben sorgfältig die medizinischen Vorgänge beobachtet, bestätigt und dokumentiert. Leider ist davon nichts in die deutschsprachige Literatur übergegangen.

Der große Umfang der heilerischen Tätigkeit von Arigó und der Wirbel in der brasilianischen Presse führten bald dazu, daß die Justiz sich der Sache annahm. Eine wachsende Zahl von Ärzten begann, Arigó ernst zu nehmen. Viele verzweifelte Kranke sahen in ihm ihre letzte Hoffnung. Dem mußte ein Riegel vorgeschoben werden. Daher wurde Arigó am 1. August 1956 der unerlaubten Ausübung der Heilkunde angeklagt. Zu seiner Verteidigung wußte er nur vorzubringen, daß ja nicht er die Kranken behandele, sondern der Geist Dr. Fritz. Er beginne mit einem Vaterunser, und von da an wisse er nichts mehr (6, S. 135). Daran, daß er Rezepte schreibe und Patienten operiere, könne er sich nicht erinnern. Er sei dabei in einem Zustand, den er selbst nicht begreife.

Da Arigó den Geist Dr. Fritz vor Gericht nicht als Zeugen erscheinen lassen konnte, wurden seine Angaben als Geständnis gewertet. Obwohl zahlreiche Zeugen, darunter auch mehrere Ärzte, für die Wirksamkeit der Arigóschen Behandlungsmethoden und ihre kostenlose Ableistung Zeugnis ablegten, verurteilte Richter Soares ihn am 26. März 1957 (6, S. 146) zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 5.000 Cruzeiros, zuzüglich Gerichtskosten. Das war ein Betrag, der fast so hoch war wie Arigós Jahresverdienst und sollte innerhalb von drei Tagen gezahlt werden. Die Gefängnisstrafe sollte am 1. April angetreten werden. Von der Berufungsinstanz wurde die Gefängnisstrafe auf acht Monate ermäßigt und der Strafantritt für ein Jahr ausgesetzt. Allerdings wurde ihm verboten, die Stadt zu verlassen und Kranke zu behandeln.

Eine Weile hielt sich Arigó an dieses Verbot. Doch als seine Kopfschmerzen erneut stark in Erscheinung traten, begann er heimlich wieder Kranke zu empfangen und ihnen (durch Dr. Fritz natürlich) Rezepte zu schreiben. Die Polizei merkte das sehr schnell, doch sie schaute beiseite.

Im Mai 1958 erfuhr der brasilianische Staatspräsident Juscilino Kubitschek von Arigós Verurteilung. Er war selbst Arzt, ein Chirurg, und hatte ihn drei Jahre zuvor bei einer Wahlkampfreise kennengelernt und ihm bei seiner "Arbeit" zugesehen. Kubitschek war sehr beeindruckt gewesen. Er ließ ihn sogar zur Behandlung seiner an Nierensteinen erkrankten Tochter nach Rio kommen (6, S. 126). Dr. Fritz heilte sie durch Verordnung eines handelsüblichen Medikamentes in kürzester Zeit. Der Präsident besuchte darauf Arigó mit seiner Frau noch mehrfach, und als ihm seine Verurteilung bekannt wurde, verfügte er sofort einen Gnadenerlaß. Dieser wurde dem zuständigen Staatsanwalt Alfonso Netto am 22. Mai 1958 zugestellt. Doch der hielt den Gnadenerlaß zurück und ließ Arigó in Ungewißheit. Erst am 6. August 1958, kurz vor Antritt der Gefängnisstrafe, wurde ihm die Begnadigung mitgeteilt. Sehr bald strömten die Patienten wieder nach Congonhas, im Mittel 1.500 pro Woche. Größere Operationen vollführte Arigó jedoch nur im Geheimen.

1961 war die Amtszeit des Staatspräsidenten Kubitschek abgelaufen. Damit hatte Arigó seinen Schutz an höchster Stelle verloren.

Kirche und Ärzteschaft versuchten erneut, ein Gerichtsverfahren in Gang zu bringen. Aber es machte zunächst Schwierigkeiten, die erforderlichen Zeugen zu finden. Doch als im August 1963 Dr. Puharich von Arigó bzw. Dr. Fritz operiert wurde und das in fast allen brasilianischen Zeitungen zu lesen war, glaubte die Staatsanwaltschaft, endlich genügend Beweise gegen Arigó in der Hand zu haben. Im Oktober 1964 wurde er vom Staatsanwalt wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde und wegen Hexerei angeklagt. Letztere wurde darin gesehen, daß er Patienten seine Hände auflegte, sie segnete und in der Bibel las (6, S. 158). Am 20 November 1964 erfolgte die Gerichtsverhandlung. In ihr verurteilte Richter Barros Arigó wegen Hexerei (witchcraft) zu 16 Monaten Gefängnis bei sofortiger Vollstreckung. Arigó durfte nur noch nach Hause gehen, um sich von seinen sechs Kindern zu verabschieden. Doch als er dann an die Haustür ging, um sich von der Polizei abholen zu lassen, wartete er vergebens. Weder die Stadtpolizei noch die Landespolizei trauten sich durch die Menge, die sich vor Arigós Haus versammelt hatte. Als er längere Zeit gewartet hatte und die Polizei immer noch nicht kam, fuhr er selbst mit dem Auto zum Gefängnis.

Bei einer kurze Zeit später sattfindenden Gefangenenrevolte beschwichtigte Arigó die Gefangenen und brachte sie dazu, ihre Verwüstungen wieder zu beseitigen. Zum Dank dafür erlaubte der Gefängnisdirektor Arigó, das Gefängnis jederzeit vorübergehend zu verlassen, was dieser für Krankenbesuche auch ausnutzte. Außerdem empfing er mehrfach Reporter und andere Besucher und begann sogar im Gefängnis Kranke zu behandeln.

Im März 1965 schrieb Dr. Puharich ein ausführliches Gesuch an den vorgesetzten Gerichtspräsidenten von Congonhas do Campo und Lafaiete, den Richter Filippe Immesi. Er würdigte die verdienstvolle und selbstlose Heiltätigkeit Arigós, betonte, daß Brasilien stolz sein sollte, einen solchen Mann zu besitzen, und bat um Begnadigung. Richter Immesi war ein gerechter und vorurteilsloser Mann. Er vertiefte sich in die Akten und erkannte, daß hier ein außergewöhnlicher Fall vorlag. Zunächst verfügte er am 24. Juni 1965 eine vorläufige Strafaussetzung.

Arigó nahm darauf seine Heiltätigkeit sofort wieder auf. Richter Immesi beschloß, sich das einmal selbst anzusehen. Zusammen mit einem Staatsanwalt besuchte er Arigó in seiner "Klinik" bei der Arbeit. Dieser merkte, daß es sich um Justizbeamte handelte, wußte aber nicht genau, wer sie waren. Die nächste Patientin, die gerade an der Reihe war, hatte grauen Star auf beiden Augen und war dadurch fast blind. Arigó (Dr. Fritz) forderte Immesi auf, den Kopf der Patientin zu halten. Der Richter gehorchte furchtsam und mit ungutem Gefühl.

Das Weitere beschrieb er mit folgenden Worten (6, S. 179):

"Ich sah, wie er eine Nagelschere ergriff. Er wischte sie an seinem Sporthemd ab, setzte sonst aber keinerlei Desinfektion ein. Dann sah ich, wie er direkt in die Hornhaut des Auges der Patientin einschnitt. Sie machte keinerlei Ausweichbewegung, obwohl sie bei vollem Bewußtsein war. Innerhalb von Sekunden war der Katarakt (die getrübte Augenlinse) entfernt. Der Staatsanwalt und ich waren verblüfft und sprachlos. Dann sprach Arigó ein Gebet, wobei er ein Stück Mull in der Hand hielt. Plötzlich erschienen auf dem Mull einige Flüssigkeitstropfen. Mit denen wischte er das Auge der Patientin ab. Wir sahen das alles aus nächster Entfernung. Die Patientin war geheilt."

Nach der Operation lächelte Arigó Richter Immesi an und sagte:

"Verstehen sie bitte, das bin nicht ich, der dies tut, sondern Dr. Fritz."

Leider wird nicht berichtet, was mit dem zweiten Auge der Patientin geschah, ob es z. B. gleich zusammen mit dem ersten behandelt wurde oder ob es unbehandelt blieb.

Der Richter beobachtete Arigó zusammen mit dem Staatsanwalt noch mehrfach bei der Arbeit in seiner Klink. Er urteilte (6, S. 179):

"Ich sah, wie er 200 Personen in weniger als zwei Stunden behandelte. Er brauchte nur Sekunden, um ein Rezept auszustellen, und die Diagnosen erfolgten unmittelbar, ohne daß er vorher Fragen stellte. Ich habe dies alles persönlich geprüft und habe den Mann, über dessen Schicksal ich zu entscheiden hatte, genau studiert."

Richter Immesi machte sich seine Entscheidung nicht leicht. Er hatte erkannt, daß Arigó kein Krimineller war, daß er keine Hexerei, keine schwarze Magie betrieb, sondern nur normale christliche Gebete sprach. Er hatte unter den vielen tausend Heilungssuchenden nie einem geschadet, nie Geld angenommen, statt dessen aber vielen geholfen. Und trotzdem hatte er gegen das Gesetz verstoßen, dadurch nämlich, daß er kein Arzt war und somit unerlaubt die Heilkunde ausgeübt hatte. –

Für mich, als Leser dieser Berichte, ist es heute verwunderlich, daß niemand auf den Gedanken gekommen ist, weder Arigó selbst, noch seine Verteidiger, noch Richter Immesi, auf Schuldunfähigkeit wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit oder wegen erfolgter Nötigung zu plädieren. Nach deutschem Strafrecht wären das die §§ 51 und 52, die diesen Tatbestand behandeln. Nach § 51 könnte man argumentieren, daß eine strafbare Handlung nicht vorlag, weil die Taten im Zustand einer Bewußtseinsstörung (Trance) erfolgten, und nach § 52 könnte man sagen, daß Arigó zu den Taten durch unwiderstehliche Gewalt genötigt worden sei. Entsprechende Paragraphen gibt es doch sicher auch im brasilianischen Strafrecht. Arigó hat immer wieder betont, daß nicht er es sei, der die Krankenbehandlung vornehme, sondern eine nichtirdische Persönlichkeit (eben dieser Dr. Fritz) und daß er sich zur Verfügung stellen müsse. Und wenn er es nicht tat, brachten ihn sehr starke Kopfschmerzen bald dazu, die Heiltätigkeit wieder aufzunehmen. Aber vielleicht hat die Verteidigung solche Argumente deshalb nicht aufgegriffen, weil dann die Gefahr bestanden hätte, daß Arigó in eine Irrenanstalt eingewiesen worden wäre.

Richter Immesi sah keinen juristischen Ausweg, um die Vollstreckung der Haftstrafe zu verhindern, obwohl er sich dabei, wie er später sagte, ein wenig vorkam, wie ein gewisser Richter vor 2.000 Jahren. So betrat Arigó am 20. August 1965 erneut das Gefängnis, konnte es aber wegen guter Führung schon am 8. November 1965 endgültig verlassen (6, S. 183). Der Gefängnisdirektor und seine Wächter umarmten ihn, und vor dem Gefängnistor wurde er von mehreren tausend Menschen stürmisch in Empfang genommen.

Sehr schnell nahm Arigó nach seiner Freilassung die Heiltätigkeit wieder auf. Doch enthielt er sich der "großen Chirurgie" und demonstrierte seine Technik nur an kleineren Tumoren, Grützbeuteln und am grauen Star. In den Jahren 1968 und 1969 organisierte Dr. Puharich die Untersuchung Arigós durch gut ausgerüstete Ärztegruppen. Die Ergebnisse führten dazu, daß angekündigt wurde, Arigó dürfe künftig unter der fachlichen Aufsicht von Chirurgen operieren (6, S. 223). Um das durchführen zu können, wurde der Bau eines modernen Krankenhauses geplant. Sogar der neue Staatspräsident von Brasilien, Arthur da Costa e Silva, sagte seine Unterstützung zu.

Doch da sah Arigó eines Nachts im Traum wieder das schreckliche schwarze Kreuz. Er hatte es schon früher gesehen, und es hatte damals den Tod von ihm nahestehenden Menschen angekündigt. Am 11. Januar 1971 fuhr Arigó nach dem Mittagessen zusammen mit einem Freund bei starkem Regen mit dem Auto in die Nachbarstadt, um dort etwas zu erledigen. Unterwegs geriet sein Fahrzeug auf die linke Straßenseite und stieß frontal mit einem Lastwagen zusammen. Arigó und sein Freund starben kurz darauf. Eine spätere Obduktion (6, S. 239) ergab, daß Arigó vor dem Zusammenstoß einen Herzinfarkt erlitten hatte.

Ein bemerkenswertes Leben war damit zu Ende gegangen, und zu allem Unglück noch, bevor die geplante umfassende wissenschaftliche Untersuchung stattgefunden hatte. Die großen Zeitungen der ganzen Welt, auch in Deutschland, berichteten über das tragische Ereignis. Tausende folgten seinem Sarg.

Nur die katholische Kirche verweigert ihm ihren letzten Beistand. Für sie war er ein exkommunizierter Spiritist.  

Der relativ frühe Tod von Zé Arigó wirft für mein Empfinden einige Fragen auf, die wir allerdings nicht beantworten können:  

Wir wissen das alles nicht und können nur das tragische Ende feststellen.


 

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