Giganten im All (1 - 3)

- 56 - und dient nur zur vergleichenden Belehrung. Man muß das innerste Wesen der Kunst kennen. Auch der Betrachter der Kunst muß um das große kosmische Ringen der gigantischen GEISTIGEN MÄCHTE wissen. Es genügt nicht, sich nur von einer Form oder von gewissen Tönen schlechthin beeindrucken zu lassen; man muß das große Ringen zwischen Gut und Böse in Betracht ziehen. Die Kunst hat immer ihre Existenzberechtigung nachzuweisen und muß ein Ziel vor Augen haben. Wenn die Kunst positiv sein will, muß sie zur Sprache der göttlichen Schöpfung werden. Es darf nicht sein - wie es auf der Terra der Fall ist - daß man ein paar verschlungene Würste darstellt, die man als Ausdruck der Liebe bezeichnet - und dafür einen Preis erhält." Martin mußte lächeln, so ernst dieses Thema auch war. NAMO nahm jedenfalls kein Blatt vor den Mund, um ihrem irdischen Gast den Spiegel vorzuhalten. Für Martin war diese Unterhaltung äußerst interessant. Er bedauerte sehr, daß kein irdischer Kunstsachverständiger an dieser Unterhaltung teilnehmen konnte. "Bitte erzählen Sie weiter", sagte er zu NAMO. "Ihre Kunstansichten interessieren mich sehr." NAMO nickte und sprach: "Die Kunst muß eine Sprache sein. Ist sie es nicht, so ist es auch keine Kunst. Man kann auch in einer Sprache völligen Blödsinn reden. Die Kunst kann es auch! - Die meisten Künstler auf der Terra haben keine Ahnung, wie die Kunst überhaupt entstanden ist. Ich will es Ihnen sagen, Herr Berger, dann werden Sie erkennen, wie weit man auf der Terra von der eigentlichen Aufgabe, die die Kunst zu erfüllen hat, abgekommen ist. Anfangs gab es im Volk keine Kunst. Es war nur ein Aufzeichnen von Tieren, Göttern und Geschehnissen, wie z. B. die Jagd oder auch Naturkatastrophen. Später, als die Religiosität in den Kulturen anstieg, übernahmen die Priester diese Aufzeichnungen. Der priesterliche Kult entwickelte diese Gaben weiter. Er erfand den Tanz, die Musik und die bildhafte und formenhafte Gestaltung. Damit erhielt die Kunst eine Ausdrucksmöglichkeit, die durch keine Sprache ersetzt werden konnte. Immer mehr entwickelte sich die Kunst in die sakrale Richtung. Sie wurde zur höchsten Mitteilung und Offenbarung, was Worte nicht mehr auszudrücken vermochten. Die Geheimnisse der großen Schöpfung sind so gewaltig, daß es eine Unmenge darüber zu sagen gibt, was sich aber nicht in Worte fassen läßt. Es ist die Aufgabe des Künstlers, sich der Sprache der Kunst zu bedienen, um den Menschen in das große Mysterium jenseitiger und metaphysischer Möglichkeiten einzuführen. So konnten die Menschen die schweren Begriffe von Himmel und Hölle greifbar nahe spüren und verstehen. Die Möglichkeiten der Kunst waren jeder sprachlich, verbalen Verständigung deutlich überlegen. Und das ist es, was die meisten irdischen Künstler heute nicht begriffen haben. Meister der Kunst, wie Raffael, Michelangelo Buonarroti oder Rubens, sowie Leonardo da Vinci und in der Musik Beethoven, Bach und viele andere, haben den Sinn und den Zweck der hinter der Kunst steht richtig erkannt. Sie wußten, daß wirkliche Kunst nur eine theistische Anbetung der wirklichen Größe sein kann, und sie konnten deshalb auch wirklich Großes schaffen." "Man spricht von einer 'Inspiration' des Künstlers. Was verstehen Sie unter einer künstlerischen Inspiration?", fragte Martin. NAMO zog die Stirn kraus. Diese Frage schien ihr Probleme zu bereiten. Sie fing sich aber schnell und antwortete: "Sie müssen bedenken, Herr Berger, daß ich alle meine Antworten immer ins Deutsche übersetzen muß. Das ist nicht einfach, wenn es sich um komplizierte Themen handelt. Wenn Sie von 'Inspiration' sprechen, so muß ich mich auf das einstellen, was man auf der Terra unter Inspiration versteht. Wir haben von diesen Dingen eine völlig andere Auffassung." "Sagen Sie mir bitte, was Sie darunter verstehen", beharrte Martin auf die Frage. "Gut, ich will es versuchen", sagte NAMO. "Soviel ich weiß, ist bei Ihnen auf der Erde 'Inspiration' gleichbedeutend mit 'Einsprechung' oder 'Zusprechung'. Etwas, das von außen kommt und nicht vom Künstler selbst stammt, sonst wäre es keine Inspiration, sondern ein eigener Einfall. Wir Santiner verstehen darunter nicht nur eine Einsprechung von fremder Seite, auch wenn sie

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