Das Buch der Medien

- 51 - Tacitus erzählt im IV. Buch seiner Geschichte einen ähnlichen Fall: Während der Monate, die der römische Kaiser Vespasian in Alexandrien zubrachte, geschahen mehrere Wunder, die ihm das Wohlwollen der Geister und die Gunst des Himmels zeigten. Diese Wunder vermehrten in Vespasian den Wunsch, den geheiligten Aufenthalt des Gottes zu besuchen. - Der Tempel wurde für jedermann geschlossen, Vespasian betrat ihn ganz allein. Da bemerkte er hinter sich einen der vornehmsten Ägypter namens Basilide, von dem er genau wußte, daß er einige Tagereisen entfernt krank darniederlag. Er fragte die Priester, ob etwa Basilide diesen Tag den Tempel besucht habe, er fragte die Vorübergehenden, ob man ihn in der Stadt gesehen habe. Schließlich sandte er berittene Boten aus und überzeugte sich, daß er zur gleichen Stunde 80 Meilen weit entfernt war. Da zweifelte er nicht mehr daran, daß es eine Vision war und der Name Basilide galt ihm als Orakel. Ein Individuum, das sich zugleich an zwei verschiedenen Orten zeigt, hat zwei Körper. Davon ist aber nur einer irdisch, der zweite ist nur eine Erscheinung, und man kann sagen, daß der erste das organische und der zweite das seelische Leben habe. Beim Erwachen vereinigen sich die Körper und das Seelenleben tritt in den materiellen Körper zurück. Es ist nicht möglich und die Vernunft scheint es zu beweisen, daß diese zwei Körper im Zustande der Trennung gleichzeitig und im selben Maße aktiv und intelligent handeln können. Daraus folgt wie schon gesagt, daß der wirkliche Körper nicht sterben kann, während der Fluidalkörper sichtbar bleibt, da das Eintreten des Todes immer den Geist in den Körper zurückruft, und wäre es auch nur für einen Augenblick. Ferner kann man daraus folgern, daß der Fluidkörper nicht getötet werden kann, weil er nicht organisch ist. Er würde in dem Moment verschwinden, wo man ihm den Tod geben wollte. Wir kommen zum nächsten Phänomen, dem der Verwandlung. Es handelt sich um die Verwandlung des Anblicks eines lebenden Körpers. Hier ist ein Fall erwähnenswert, für den wir selbst uns verbürgen können: In den Jahren 1858 - 1859 besaß in der Nähe von St. Etienne ein junges Mädchen von 15 Jahren die besondere Gabe, sich verwandeln zu können. Sie konnte in gewissen Momenten die Gestalt bestimmter verstorbener Menschen klar sichtbar annehmen. Die Täuschung war so vollkommen, daß man die Gestalt der Person vor sich zu haben glaubte. Gesichtszüge, Anblick, Ton der Stimme und selbst Sprechweise waren völlig identisch. Diese Erscheinung erneuerte sich hundert Mal, ohne daß der Wille des Mädchens dabei mitgewirkt hätte. Sie nahm öfters die Gestalt ihres Bruders an, der einige Jahre zuvor gestorben war. Sie hatte dann nicht nur seine Gestalt, sondern auch seinen Wuchs und den entsprechenden Leibesumfang. Ein Arzt vom Lande, der mehrmals Augenzeuge dieser seltsamen Erscheinung war, wollte sich überzeugen, ob er nicht getäuscht wurde und machte folgenden Versuch: Er wog das junge Mädchen in seinem normalen Zustande und in jenem der Verwandlung, als sie die Gestalt ihres Bruders angenommen hatte. Er war mehr als fünf Jahre älter und viel größer und stärker. Und siehe da, es zeigte sich, daß das Gewicht in diesem Zustande das doppelte war! Diese Wahrnehmung war schlagend, es war unmöglich, den Vorfall einer optischen Täuschung zuzuschreiben. Versuchen wir, diese Erscheinung aufzuklären, die man damals ein "Wunder" genannt hat und die wir ganz einfach als Erscheinung bezeichnen: Die Theorie vom Perisprit führt uns auf den richtigen Weg. Es wird grundsätzlich angenommen, daß der Geist seinem Perisprit alle möglichen Gestalten geben kann, daß er durch eine Modifikation in der molekularen Disposition ihm Sichtbarkeit, Fühlbarkeit und folglich auch Dichte geben kann. Ferner, daß das Perisprit eines lebenden Körpers, vom Körper isoliert, dieselben Verwandlungen eingehen kann, und daß diese Veränderung durch die Verbindung der Fluide geschieht. Stellen wir uns nun das Perisprit einer lebenden Person vor, doch nicht isoliert, sondern um einen Körper herumstrahlend, so daß es ihn wie ein Dunst einhüllt. In einem solchen Zustande kann es dieselben Veränderlichkeiten zeigen, die es separat besitzen würde. Wenn es seine Durchsichtigkeit verliert, kann der Körper verschwinden, unsichtbar werden, als wäre er in Nebel versunken. Er kann auch den Ausdruck verändern, strahlend werden, wie es im Willen und der Macht des Geistes steht. Ein anderer Geist kann seine eigene Erscheinung daselbst ersetzen, sich sozusagen einschieben und sich, das fremde Perisprit benutzend, sichtbar machen, indem er sein eigenes Fluid mit dem ersteren in der Art verbindet, daß der wahre Körper unter der äußeren fluidischen Hülle verschwindet. Dies scheint der Vorgang des seltenen Phänomens der Umgestaltung zu sein. Was die Verschiedenheit des Gewichtes betrifft, erklärt sie sich auf die gleiche Art wie bei den trägen Körpern. Das eigentliche Gewicht des Körpers-hat sich nicht verändert, da die Menge der Materie nicht vermehrt wurde, es unterliegt dem Einfluß einer

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