Positive Philosophie

- 7 - Mai 1964 Positive Philosophie (6) • Ein Kult ist kein Beweis für wahre Menschlichkeit. Ein Kult ist unnötig, denn er ist eine reine äußerliche Handlung - ein attraktives Spiel. Doch der wahre Kult ist eine innere Angelegenheit, eine hohe Verantwortung, ein Versprechen und eine Besinnung, sich klar für die eine oder andere Richtung im universalen Weltgeschehen zu entscheiden. • Der echte Kult ist eine große Entscheidung, die weit über das irdische Dasein hinausgreift. Wenn zum Beispiel Spinoza2 einen "Gott" aus einem menschlichen Verlangen, aus einem Wunsche schaffen mußte, so hat er sich einen Gott konstruiert, der von ihm keine Rechenschaft fordert und hat damit seinen Wunsch hundertprozentig erfüllt; denn seine großen Zweifel an der Theologie hatten ihn vorher schwer belastet. Diese Wunscherfüllung war die einzige raffinierte Möglichkeit, sein von allen Gewissensbissen und Zweifeln geplagtes Bewußtsein zu erleichtern. Ein Mensch, der so stark an der Allmacht GOTTES zweifelte, mußte einen derartig götzenhaften Gott erfinden, wenn er noch die Luft dieser Welt atmen wollte. (Pantheismus, d. h. GOTT in der Materie, nur als wirkende Naturkraft.) So aber ergeht es allen Menschen, ob Gelehrte oder Fürsten, ob Handwerker oder Nichtstuer. Sie alle, die von furchtbaren Zweifeln an einen herrschenden, mächtigen GOTT (im Sinne menschlicher Vernunft) zweifeln, die sich in ihrer Kettenreaktion von Sünden vor dem UNSICHTBAREN fürchten, müssen einen Götzengott haben, dem sie keine Verantwortung schuldig sind und an den sie mit aller Liebe glauben, weil sie sonst nicht mehr ein noch aus wüßten. • Diesen Götzengott, den man mit "Pantheismus" bezeichnet hat, braucht der Rote Kommunismus, damit er tun und lassen kann, was ihm beliebt. Negative Erkenntnisses dienen einem negativen Regierungssystem. * * * * * * * 2 Spinoza, Baruch (Benedictus) geb. Amsterdam 24. 11. 1632, gest. Den Haag 21.02. 1677, niederländischer Philosoph. Bedeutendster Systematiker des Rationalismus und Pantheismus. Seine Philosophie postuliert die Identität von Gott und Natur (Monismus): Gott, verstanden als die alles umfassende Natur, ist die absolute, ewige Substanz, von deren unendlichen Attributen dem Menschen Ausdehnung (Materie) und Denken (Geist) zugänglich sind. In seinem anonym erschienenen ›Tractatus theologico-politicus‹ (1670), neben einem Traktat über Descartes ›Principia philosophiae‹ der einzigen zu seinen Lebzeiten erschienenen Schrift, verteidigt Spinoza die Ideen der Freiheit des Denkens und der Toleranz. Bedeutenden Einfluß gewann er im deutschen Idealismus und in der deutschen Romantik.

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