Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 71 - Zur Bewertung dieser Vorgänge schreibt Diekamp (a.a.O., S. 137): "Zwar ist zu diesem Zweck kein ökumenisches Konzil zusammengetreten, und es läßt sich auch nicht nachweisen, daß der Papst ex cathedra als Lehrer der ganzen Kirche die Glaubensfrage hat entscheiden wollen. Trotzdem muß ein so einmütiges Urteil des Gesamtepiskonats, soweit es die Glaubenslehre betrifft, als ein definitives, unfehlbares allgemein verbindliches gelten." Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß daraufhin in den kirchlichen Dokumenten alles entfernt oder verändert wurde, was gegen diese dogmatischen Lehrsätze sprach. Die heutige Geschichtsforschung muß sich auf Stellen stützen, die offenbar übersehen wurden. Vielleicht tauchen auch eines Tages noch unverfälschte Schriftrollen aus der urchristlichen Zeit auf, die zur Klärung der Reinkarnationsfrage weiteres Material beitragen. Völlig zu Recht schreibt der Origenes-Anhänger Domitian von Ancyra, daß "das Anathem über die Präexistenz- und Apokatastasislehre und somit scheinbar bloß über Origenes, in Wirklichkeit aber über alle heiligen Lehrer vor ihm und nach ihm gesprochen worden war."155 An die Stelle der Wiederversöhnung der gefallenen Seele mit Gott trat nun die ewige Verdammnis, die sich bis dahin noch nicht im Gedankengut der Kirche etabliert hatte. "Die ewige Dauer der Höllenstrafen wurde als Endpunkt eines langen Ringens im Jahre 543 in Canon 9 der Canones ad-versus Origenem festgestellt (DS 211). Der Schlußpunkt unter diesen Versuch wurde unter Justinian im Zuge der allgemeinen Eliminierung des Origenismus gezogen."156 4. Das V. Allgemeine Konzil von Konstantinopel (553 n. Chr.) Auch auf dem V. Allgemeinen Konzil von Konstantinopel (553) erscheint die Verurteilung des Origenes von neuem. Es ist hier nicht erforderlich, die verworrenen Vorgänge um dieses Konzil darzustellen. Wer sich ein umfassendes Bild machen will, sei auf die ausgezeichnete Darstellung bei Dickamp verwiesen, der eine exakte Untersuchung angestellt hat. Demnach haben Origenes-Anhänger, um von der Origenistenverfolgung abzulenken, den Kaiser Justinian aufgefordert, ein Konzil einzuberufen, um den sog. "Drei-Kapitel-Streit" zu entscheiden. Da Papst Vigilius seine Zustimmung zur Einberufung eines Konzils hinauszog, konnte das Konzil erst mit Verspätung am 5. 5. 553 beginnen. Neue Klagen über Origenistenstreitigkeiten in Palästina veranlaßten den Kaiser erneut, ein Schreiben an die bereits seit einiger Zeit in Konstantinopel versammelten Konzilsväter zu richten und auch hier eine Verdammung des Origenes (gestorben 253!) zu erwirken. Die vorgegebenen und für unser Thema bedeutsamen Bannflüche lauten: 1. "Wer die märchenhafte Präexistenz der Seele und die mit ihr zusammenhängende abenteuerliche Apokatastasis (Wiederherstellung aller Dinge) behauptet, der sei anathema" (= verflucht). 11. "Wer sagt, daß das zukünftige Gericht die Vernichtung der Körper anzeige, und daß das Ende der Fabel die immaterielle Physis sei, und daß in Zukunft nichts Materielles mehr sein werde, sondern nur bloßer Geist, der sei anathema." 155 Diekamp, a.a.O., S. 53 156 Höfer-Rahner, a.a.O., S. 446f.

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